NS-ZEIT
Zu der redaktionellen Behand- lung von Leserbriefen:
Empörend
Als Mitautor der Reihe
„Medizin und Nationalsozia- lismus" protestiere ich aufs schärfste gegen die unter dem Deckmantel der journalisti- schen Neutralität vollzogene unkommentierte Veröffentli- chung antisemitischer Leser- briefe im „DEUTSCHEN ÄRZTEBLATT". Hier wird der Eindruck erweckt, als sei es möglich, quasi „wissen- schaftlich" sine ira et studio über eine antisemitische Pro- paganda und Hetze zu reden, die den Boden für einen mil- lionenfachen Massenmord bereitet haben. Alle Aufrech- nungen, alle Zahlenspiele und erneuten Ausgrenzungen
— hier Deutsche, da Juden — sind eine unerträgliche Ver- unglimpfung jener, die Opfer solcher, schon einmal mit dem Anspruch „wissenschaft- licher Objektivität" in Deutschland aufgestellten Zahlenspiele wurden.
Besonders empörend ist aber die Art und Weise, wie diese Diskussion nun beendet wird. Als ob es nur um das Für und Wider einer ärzt- lichen Maßnahme oder wis- senschaftlichen Erkenntnis gehe, wird dem Hauptverant- wortlichen dieser rassisti- schen Kampagne, Herrn Dr.
Hennig, nicht nur wohlwol- lend ein Schlußwort zuge- standen, nein, die Redaktion beeilt sich, dieses Schlußwort selbst aus zwei weiteren Zu- schriften Dr. Hennigs zusam- menzustellen und dadurch an einem Pamphlet mitzuwir- ken, das alle Anzeichen einer neonazistischen Propagan- daschrift hat. Was ist das für ein journalistischer Stil? Hier muß der Eindruck entstehen, als ob die Redaktion nicht nur in indifferenter „Neutra- lität" verharre, sondern die Positionen des Dr. Hennig teile. Damit nicht ein völlig falscher Eindruck von der Geisteshaltung der deutschen Ärzteschaft entsteht, möchte
ich noch mitteilen, daß von den über 150 Zuschriften, die ich zu meinem Beitrag be- kommen habe, keine auch nur tendenziell Positionen durchblicken ließ, wie sie in den antisemitischen Leser- briefen zum Ausdruck ka- men, mehr als 30 sogar aus- drücklich ihre Zustimmung und Dankbarkeit bezeugten, daß das „Ärzteblatt" endlich diese Themen aufgreife.
Dr. Hans-Peter Kröner, Institut für Theorie und Ge- schichte der Medizin, Wal- deyerstraße 27, 4400 Münster
Aufschlußreich
Man mag darüber disku- tieren, ob das DEUTSCHE ÄRZTEBLATT im Rahmen der Serie zum Thema Medi- zin im Nationalsozialismus offen antisemitische und ras- sistische Leserbriefe veröf- fentlichen sollte. Als Infor- mation darüber, wie unverän- derlich in Teilen der Ärzte- schaft Ideologien, die den Bo- den zu millionenfachem Mas- senmord bereitet haben, den
„Zusammenbruch" des „Drit- ten Reiches" überstanden ha- ben, war diese Debatte bisher jedenfalls sehr aufschluß- reich.
Nicht mehr nachvollzieh- bar ist allerdings, wenn das Ärzteblatt nun dem angeblich
„so vielfach angegriffenen"
ARBEITSMARKT
Zu dem Beitrag „Arbeitsmarkt für Ärzte: Neue und ausbaufähige Wege" in Heft 7/1989, — in dem die Schätzung der Bundesärztekam- mer, daß etwa 15 000 arbeitslos sind, wiedergegeben wird:
Lösungsansatz
Assistenzarzt, verheiratet, Ehefrau ohne Verdienst, mit gutem (?) BAT II-Gehalt soll Bereitschaftsdienst abfeiern!
Daraus folgt:
> Tagdienste werden re- duziert, obwohl eine konti- nuierliche Patientenversor- gung durch den gleichen An- sprechpartner erfolgen soll.
> Die tagsüber erfolgen-
Leserbrief-Schreiber Dr.
Hennig ein zweites Mal in Form eines „Schlußwortes" — als habe Hennig einen wis- senschaftlichen Beitrag ge- schrieben — „selbstverständ- lich das Recht" geben zu müssen meint, „zu den Vor- würfen Stellung zu nehmen".
Hennig bekommt nochmals zwei ganze Spalten Platz ein- geräumt, um unter anderem den Völkermord am europä- ischen Judentum als „Überre- aktion des Dritten Reiches, beim Versuch, ein erkanntes Problem zu lösen" zu be- zeichnen.
Damit, so das Ärzteblatt, wolle es diese Aussprache zu Hennig beenden, und setzt trotzdem — als Ober-Schluß- wort? — hinter den Kollegen Hennig den Kollegen Piepen- brink, der unter anderem schreibt: „alles waren Juden, die sich außerdem sehr arro- gant und aggressiv aufführ- ten . . . offenbar fühlten sich die Juden damals schon als die Herren in Berlin . . ."
. . . Wenn das Ärzteblatt die Debatte gerade an diesem Punkt „beenden" würde, dann hätte es damit — bewußt oder unbewußt — Partei bezo- gen! Und zwar gegen „die"
Juden und für diejenigen, die wirklich „damals" die Herren waren.
Dr. med. Renate Jäckle, Isartalstraße 80/5, 8000 Mün- chen 70.
de Fortbildungszeit am Kran- kenhaus wird verlängert; die Stelle wird länger durch einen
„unerfahrenen" Arzt blok- kiert.
> Freizeitausgleich führt zu einer deutlichen Einkom- mensminderung. Der Arzt ohne familiären finanziellen Hintergrund hat keine Chan- ce, das Kapital für die Nie- derlassung zu erarbeiten.
Daraus folgt, daß die Assi- stenzarztstelle auf Lebenszeit blockiert wird, da auch Ober- arztstellen seltener werden.
Auf lange Sicht wird das Gegenteil des Bezweckten er- reicht! Als Ausweg werden derzeit befristete Arbeitsver- hältnisse gesehen, welche
nach Beendigung zu einer Ar- beitslosigkeit „an- und ausge- bildeter" Arzte führt, die dann womöglich noch eine Familie zu versorgen haben.
Zur gleichen Zeit wird in ei- nem „Gewaltakt" eine unnö- tig hohe Zahl an Medizinern in den Universitäten herange- bildet, die wegen der Über- Füllung vielleicht nie einen Patienten näher betrachten dürften.
Ein erster kausaler Lö- sungsansatz wäre die drasti- sche Reduzierung der Stu- dentenzahl, was auch eine pa- tientenorientierte Ausbildung am Krankenbett gewährlei- sten würde! Freizeitausgleich ergibt kurzfristig neue Stel- len, die dauerhaft besetzt bleiben (oder möchten Sie ei- nem Familienvater kündi- gen?).
Michael Künstler, Assi- stenz-Arzt, Carl-Roth-Straße 3, 6980 Wertheim
ÄRZTLICHE HILFE
Erfahrungen bei Autobahnun- fällen:
Nicht erwünscht
Mir ist jetzt dreimal fol- gendes passiert (einmal nur im Beisein der Polizei, zwei- mal im Beisein des Rotkreuz- wagens):
Mein Angebot, ich sei Arzt und könne helfen, wurde einmal beantwortet: „Sie sind schon der Dritte, fahren Sie weiter!" Das zweite Mal:
„Wir brauchen Sie nicht, se- hen Sie nicht, was hier los ist?" Das dritte Mal, erfreu- lich der Hinweis eines Kolle- gen, daß er meine Hilfe nicht benötige.
Ich habe den Eindruck, daß in der Bundesrepublik, dank der Arztdichte und auch des guten Rettungssystems, eine Mithilfe des Arztes am Unfall gar nicht mehr ge- wünscht wird. Dies sollte man einmal klipp und klar sagen, auch innerhalb des Ärzteblat- tes, dann könnten sich viele Kollegen solche Antworten, wie oben zitiert, ersparen.
Dr. med. H. Hainz, Bahn- hofstraße 4, 5568 Daun A-848 (12) Dt. Ärztebl. 86, Heft 13, 30. März 1989