Zu dem gleichnamigen Artikel in Heft 8/1985, Seiten 469 bis 471:
Der Arzt im Praktikum kommt (bald)
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
BRIEFE AN DIE REDAKTION
Rechnung eines Hochschullehrers
... Zunächst vermutete ich, daß die Anerkennung für Dr. Heiner Geißler und seine Mitarbeiter und Mit- arbeiterinnen Ironie sei Beim weiteren Lesen muß- te ich feststellen, daß diese Anerkennung tatsächlich ernst gemeint war. Offen- bar hat der Autor nicht durchschaut, welcher schnöde Betrug an unse- ren jungen Medizinern die- ser „Arzt im Praktikum"
(AiP) ist.
Diese Maßnahme hat ganz vorrangig das Ziel, die Medizinerschwemme um zwei Jahre zurückzuhal- ten. Das hat für die Politi- ker den Vorteil, daß die voll ausgebildeten, arbeitslo- sen Akademiker von der Straße bleiben und für die niedergelassenen Ärzte den Vorteil, daß die Kon- kurrenz noch um zwei Jah- re zurückgedrängt bleibt.
Für diese Taktik verdient Herr Geißler wahrlich kei- ne Anerkennung!
Offensichtlich hat sich der Autor auch keine Gedan- ken darüber gemacht, weshalb sich der Medizini- sche Fakultätentag so ein- dringlich, aber leider ver- gebens, gegen die Einfüh- rung des AiP gewehrt hat.
Vielleicht darf ich diese Konsequenz an einem praktischen Beispiel ein- mal deutlich machen:
Wenn — wie geplant — ein Drittel der freiwerdenden Assistentenstellen an Klini- ken durch jeweils zwei Ärz- te im Praktikum ersetzt werden sollen, so hat das zur Folge, daß an einer Au- genklinik mit 15 Assisten- ten fünf Assistenten durch zehn AiP's ersetzt werden
müssen. Da diese AiP's nach zwei Jahren späte- stens die Klinik wieder ver- lassen. werden sie just zu dem Zeitpunkt gehen, an dem sie so viel gelernt ha- ben, daß sie als selbstän- dig mitarbeitende Kräfte eine Hilfe darstellen wür- den, aber dann wieder durch Neulinge ersetzt werden müssen. Für ver- antwortlichere Tätigkeiten können und dürfen sie nicht herangezogen wer- den, so daß sie im Opera- tionsprogramm keine Hilfe darstellen. Auf wissen- schaftlichem Gebiet haben sie keinerlei Erfahrung, so daß sie bei der kurzen Blei- bedauer auch auf diesem Gebiet so gut wie keine Hilfe darstellen werden.
Auch für die Lehre wer- den sie nur in sehr begrenz- tem Maße einsetzbar sein.
Hat sich der Autor des Arti- kels eigentlich überlegt, welche Konsequenzen zwangsläufig sind, wenn eine Klinik zur Hälfte mit wissenschaftlichen Assi- stenten und zur Hälfte mit gebildeten Laien ausge- stattet wird?' Die Antwort ist leicht: eine solche Si- tuation kann nur zu einer drastischen Kürzung der Leistung in der Patienten- versorgung, Forschung und Lehre führen. Das wer- den die niedergelassenen Ärzte deutlich zu spüren bekommen, indem die Wartezeiten für die Unter- suchung ihrer Patienten schon länger werden, als sie es ohnehin schon sind.
Und dafür Herrn Geißler Anerkennung?
Ein 19jähriger Abiturient, der anderthalb Jahre auf einen Studienplatz in Me- dizin warten muß, andert- halb Jahre Bundeswehr- dienst zu leisten hat, zwei Jahre Arzt im Praktikum
absolvieren muß und schließlich anderthalb bis zwei Jahre auf einen Wei- terbildungsplatz für zum Beispiel Innere Medizin warten muß, ist, bis er den Facharzt erhält, rund 38 Jahre alt! Bis dahin erhält er finanzielle Mittel. die ihm gerade erlauben, un- ter bescheidenen Umstän- den eine Familie zu grün- den. Seine aktivsten und produktivsten Jahre sind dann schon zu einem gu- ten Teil verstrichen.
Die Lösung unserer Ausbil- dungsprobleme liegt kei- neswegs darin, die Stu- dienzeit noch weiter zu
Begünstigendes Elaborat
Man mag zum Arzt im Praktikum (AiP) stehen, wie man will — daß ich ihn für eine Mißgeburt halte, braucht nicht besonders erwähnt zu werden — aber daß dem Gesundheitsmini- ster, Herrn Dr. Heiner Geiß- ler und seinen Mitarbeitern für die Standfestigkeit zur Durchsetzung dieses Arz- tes im Praktikum Anerken- nung gebührt, kann doch nur der Feder einer ganz klaren Tendenzpresse ent- springen. Mehrfach sind mir insbesondere Ihre Arti- kel [gemeint ist der NJ-Ver- fasser, Norbert Jachertz;
die Red.] als klare, einsei- tig die Meinung der Bun- desärztekammer begünsti- gende Elaborate aufgefal- len.
Für den Arzt im Praktikum haben sich bisher nur der Marburger Bund und die Ärztekammer, die ja majo- risiert wird, stark gemacht.
Alle betroffenen, relevan- ten Gruppen haben die
verlängern, sondern liegt einzig und allein in einer drastischen Kürzung der Zahl der Studienanfänger auf die am aktuellen Be- darf orientierte Zahl. Nur durch eine Reduzierung der Studentenzahlen wird wieder eine qualifizierte und praxisorientierte Aus- bildung unserer zukünfti- gen Ärzte möglich.
Dem Arzt im Praktikum das Wort zu reden heißt, aus pekuniären und ideologi- schen Gründen die eigent- lichen Probleme nicht zu sehen oder nicht sehen zu wollen.
Prof. Dr. med.
M. Vogel
Leiter der Abteilung Augenheilkunde Augenklinik der Universität Göttingen Robert-Koch-Straße 40 3400 Göttingen
Einführung des AiP schärf- stens abgelehnt. Dazu ge- hören: alle Medizinstuden- ten, die Universitäten mit der Westdeutschen Rekto- renkonferenz, die Deut- sche Gesellschaft für All- gemeinmedizin (DEGAM), die allgemeinärztlichen Berufsverbände FDA und BPA, aber auch der Hart- mannbund und der NAV stehen dieser Regelung sehr kiritisch gegenüber.
Wie kann einem Minister Anerkennung für die Durchsetzung des AiP ge- bühren, wenn sich mittler- weile eine solche potente Opposition gegen den AiP ausgesprochen hat. Wäre es nicht viel sinnvoller ge- wesen, einen Kompromiß zu finden, der von allen Ärzten hätte getragen wer- den können?
Als nächstes wird immer wieder davon gesprochen, daß Zeiten des AiP auf die Weiterbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin ange- rechnet werden können.
Natürlich wird es dies nie geben, denn der Arzt im
1474 (6) Heft 20 vom 15. Mai 1985 82. Jahrgang Ausgabe A
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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Arzt im Praktikum
Praktikum und seine abzu- leistende Zeit ist Ausbil- dung, während man Arzt für Allgemeinmedizin nur durch Weiterbildung wird.
Unsere Kammergesetze verbieten eine solche Ver- mischung von Aus- und Weiterbildung, weil für bei- de unterschiedliche Zu- ständigkeiten bestehen.
Das ist es doch, worauf die Bundesärztekammer im- mer solchen großen Wert gelegt hat. Man solle näm- lich Aus- und Weiterbil- dung nicht miteinander vermischen.
In einer solchen Situation ist es nur zu verständlich, daß wir Ärzte für Allge- meinmedizin unsere Wei- terbildungsplätze in den Praxen natürlich nicht dem AiP zu Ausbildungszwek- ken zur Verfügung stellen, sondern nur für die in der Weiterbildung zum Allge- meinarzt stehenden Ärzte bereithalten werden. Wir denken gar nicht daran, für eine völlig verfehlte Ausbil- dungspolitik, die dann auch noch von der Bun- desärztekammer getragen
Natürliche Selektion?
Über die Arzt-im-Prakti- kum-Phase ist in den ver- gangenen Monaten viel diskutiert worden und wird es wohl noch weiterhin.
Bei den meisten Betroffe- nen stößt sie jedoch auf Ablehnung, zu Recht, wie sich irgendwann zeigen wird.
Tatsache ist, daß dieser Teil der Ausbildung unbe- streitbare Vorteile besitzt.
Aus eigenen Erfahrungen, während des Studiums, weiß ich, daß praktische Fähigkeiten Vorausset- zung für die spätere Be- rufsausübung sind, die aber im Studium nicht ver- mittelt werden. Eine ande- re Möglichkeit, die Ausbil-
wird, unsere Köpfe und Geldbeutel hinzuhalten.
Wenn dann auch noch be- hauptet wird, daß durch die Einführung des AiP ei- ne Verbesserung der pri- märärztlichen Versorgung erreicht werden könne, so ist eine solche Äußerung nur noch durch eine bei- spiellose Realitätsferne zu erklären.
Der Arzt im Praktikum wird der Allgemeinmedizin als qualifiziertem Fachgebiet nicht nur nicht nützen, sondern wird ihr sehr wahrscheinlich schweren Schaden, wenn nicht gar den Todesstoß zufügen.
Das Vakuum wird künftig dann durch berufliche Mit- telmäßigkeit und dadurch unbezahlbarem medizini- schen Aktionismus ausge- füllt.
Dr. med.
Eckhard Brüggemann Bundesvorsitzender des Fachverbandes Deutscher Allgemeinärzte Talstraße 5
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dung praxisnäher zu ma- chen, gibt es nicht.
Der einzige und gravieren- de Nachteil der AiP-Phase liegt darin, daß es nicht genug Ausbildungsstellen gibt und geben wird. Die Zahlen, die vom Bundesmi- nisterium angegeben wer- den, sind deren Wunsch- vorstellungen, 15 000 bis 20 000 Plätze können nie- mals bereitgestellt werden, auch wenn alle Möglich- keiten zusammengefaßt werden.
Wir sind eine Gruppe von jungen Ärzten, die eine As- sistenzarztstelle suchen und haben dabei Umfra- gen angestellt, wieviel Stellen es wirklich gibt. Die Zahlen, die wir errechnet haben, liegen ungefähr zwischen 5000 bis 10 000, die aber jährlich weniger 1478 (10) Heft 20 vom 15. Mai 1985 82. Jahrgang