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Archiv "Von schräg unten: Sanfte Medizin" (06.03.2015)

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[64] Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 112

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Heft 10

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6. März 2015

VON SCHRÄG UNTEN

Sanfte Medizin

Dr. med. Thomas Böhmeke

W

eil es ja sonst niemand tut, muss ich uns an dieser Stel- le mal ausdrücklich loben. Was haben wir, insbesondere in den letzten Dekaden, nicht alles da- für getan, um unseren Schutz- befohlenen die Überwindung von Krankheit und Siechtum, von Schmerz und Leid so er- träglich wie nur möglich zu gestalten. Berührungsfreie Di- agnostik, minimal-invasive Prozeduren, nebenwirkungsar- me Medikamente machen ge- sundheitliche Katastrophen zu Malaisen. Demgegenüber übten sich unsere Vorfahren im Mittelalter in beeindruckenden, respekteinflößen- den Methoden: Gegen Fieber half das Blut aus dem aufgeschnittenen Ohr einer schwar- zen Katze, das man auf ein Stück Brot laufen ließ und dann aß. Vielleicht ein Vorläufer der Immun- therapie, retrospektiv zwar schwer zu begrün- den, machte aber bei den Patienten sicher großen Eindruck. Bei Wurmbefall half die Asche verbrannter Schuhsohlen, auf dass sich die Würmer ekelten und den befallenen Darm fluchtartig verließen. So sprangen un- sere Vorfahren mit ihren Kranken um. Kurzum: Je wi- derlicher und abstoßender eine Medizin war, umso mehr versprach sie zu helfen, was sich auf die Betroffenen si- cher disziplinierend auswirkte. Und heutzutage? In dem Bestreben, medizinische Prozeduren so angenehm wie möglich zu gestalten, ist bei unseren Schutzbefohlenen weithin der Eindruck entstanden, gesundheitliche Schä- den seien nichts weiter als eine ärgerliche Reifenpanne, eine passagere Unannehmlichkeit. Was bedauerlicher- weise unsere Patienten davon abhält, mehr in ihre Ge- sundheit zu investieren. Wie auch heute in meiner Sprechstunde. Ein Patient kommt aus der Klinik zurück, ich hatte ihn vor einigen Tagen mit drohendem Vorder- wandinfarkt in die Klinik transportieren lassen, er wurde umgehend dilatiert, die Vorderwand wurde gerettet.

Zwecks Nachlese und Vorbeugung sitzt er nun vor mir, ich rekapituliere seine Risikofaktoren und ermahne ihn, mit dem Rauchen aufzuhören. „Wieso sollte ich das?

Schließlich ist doch alles wieder in Ordnung!“ Ich wer-

de nachdrücklich. Die koronare Herzer- krankung ist eine chronisch-progressive Erkrankung, die häufig mit Granaten um sich wirft, eine hat er schon überlebt, will er das ein zweites Mal riskieren? „Jetzt tun Sie doch nicht so, als sei das etwas Besonderes gewesen!“ War es aber.

Hätte sich die Engstelle in seiner vorderen Herzkranzar- terie verschlossen, hätte er das mit dem Leben bezahlen können. „Hätte, hätte. Ist doch repariert! Da kann ich auch weiter rauchen!“ Nochmal: Er sollte, um das Fort- schreiten dieser Erkrankung zu verhindern, möglichst damit aufhören. „Jetzt hören Sie mal auf, irgendwelche Märchen zu erzählen. Ich habe einen Bluterguss in der Leiste, kriege ich darauf Schmerzensgeld?“

Was waren noch mal die Allheilmittel unser Vorfah- ren? Getrocknete Hirnschale, geröstete Kröten, Wolfs- herzen und Wieselblut? Wir müssen uns wieder auf un- sere Wurzeln besinnen.

Dr. med. Thomas Böhmeke ist niedergelassener Kardiologe in Gladbeck.

S C H L U S S P U N K T

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