• Keine Ergebnisse gefunden

Circadiane mRNA-Expression des MT1-Melatonin-Rezeptors im Hypothalamus alternder Mäuse

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Circadiane mRNA-Expression des MT1-Melatonin-Rezeptors im Hypothalamus alternder Mäuse"

Copied!
160
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

und dem

Institut für Hormon- und Fortpflanzungsforschung an der Universität Hamburg

Circadiane mRNA-Expression des MT1-Melatonin-Rezeptors im Hypothalamus alternder Mäuse.

INAUGURAL-DISSERTATION

zur Erlangung des Grades einer Doktorin der Veterinärmedizin (Dr. med. vet.)

durch die Tierärztliche Hochschule Hannover

Vorgelegt von Britta Wiegand aus Hamburg

Hannover 2003

(2)

Wissenschaftliche Betreuung: Univ.-Prof. Dr. Phil. nat. S. Steinlechner für die Tierärztliche Hochschule Hannover PD Dr. J. Olcese

für das Institut für Hormon- und

Fortpflanzungsforschung an der Universität Hamburg

1. Gutachter: Univ.-Prof. Dr. Phil. nat. S. Steinlechner 2. Gutachter: Prof. Dr. rer. nat. I. Greiser de Wilke

Tag der mündlichen Prüfung: 02.06.2003

(3)

Inhaltsverzeichnis

1. EINLEITUNG 7

2. LITERATURÜBERSICHT 9

2.1. Die Epiphyse 9

2.1.1. Historische Aspekte der Epiphysenforschung

2.1.2. Embryologische und phylogenetische Entwicklung der Epiphyse 9

2.1.3. Anatomie und Histologie der Epiphyse 10

2.1.4. Innervation der Epiphyse 11

2.2. Das Epiphysenhormon Melatonin 12

2.2.1. Synthese, Metabolisierung und Pharmakokinetik von 12 2.2.2. Noradrenerge Kontrolle der Melatoninsynthese 14 2.2.3. Wirkung und therapeutischer Einsatz von Melatonin 15 2.3. Biologische Rhythmen und circadiane Schrittmacher 20

2.3.1. Biologische Rhythmen 20

2.3.2. Die suprachiasmatischen Nuclei (SCN) als zentrale Schrittmacher 21 2.3.3. Modell der intrazellulären Uhrmechanismen /circadianen Uhr der Säugetiere

22

2.3.4. Licht als Synchronisator der inneren Uhr 24

2.4. Der Melatoninrezeptor 25

2.4.1. Identifizierung der Melatoninrezeptoren 25

2.4.2. Verteilungsmuster der Melatoninrezeptoren 26 2.4.3. Entdeckung erster funktioneller Rezeptoren 27

2.4.4. Klonierung eines Melatoninrezeptors 27

2.4.5. Relevanz der verschiedenen Subtypen 29

2.4.6. Signaltransduktionsweg der Melatoninrezeptoren 29

2.5. Der Alterungsprozess 30

2.5.1. Theorien des Alterns 30

2.5.2. Die alternde Epiphyse 33

2.5.3. Die alternde circadiane Uhr 35

2.6. Die kalorische Restriktion 36

2.6.1. Kalorische Restriktion im Tierversuch 36

(4)

2.6.2. Mechanismen kalorischer Restriktion 38

2.6.3. Kalorische Restriktion und Melatonin 40

2.7. Ziel der Arbeit 42

3. MATERIAL UND METHODEN 43

3.1. Versuchstiere 43

3.2. Material und Methoden 45

3.2.1. Tötung und Gewebeentnahme 45

3.2.2. Isolierung von Gesamt-RNA 45

3.2.3. Konzentrationsmessung von Nukleinsäuren 46

3.2.4. cDNA-Synthese 47

3.2.5. RT-PCR 48

3.2.6. Agarosegelelektrophorese von DNA 50

3.2.7. MT1-Gewebevergleich mittels PCR 52

3.2.8. „Real Time” quantitative RT-PCR, sog. quantitative Echtzeit PCR 54 3.2.9. Aufreinigung der PCR-Produkte zum Klonieren 58

3.2.10. Ligation von DNA-Fragmenten 58

3.2.11. Transformation 60

3.2.12. Präparation von Plasmid-DNA 61

3.2.13. Kontrollverdau zur Minipräparation 63

3.2.14. DNA-Sequenzierung 63

3.2.15. Northern Blot Analyse 64

3.2.15.1. Herstellung von PolyA-mRNA 64

3.2.15.2. RNA-Präzipitation 66

3.2.15.3. Formaldehydgel zur RNA-Elektrophorese 66

3.2.15.4. Northern Blot, Transfer von RNA aus einem Gel auf eine Trägermembran 68

3.2.15.5. Sondenherstellung 70

3.2.15.6. EcoRІ-Restriktionsverdau 70

3.2.15.7. Herstellung eines präparativen Agarosegels und Präparation von DNA-

Fragmenten aus Gelen 70

3.2.15.8. Radioaktive Markierung spezifischer Sonden 71 3.2.15.9. Radioaktive Hybridisierung, Waschen und Detektion von Northern Blots 73

(5)

3.2.16. In-situ-Hybridisierung 74

3.2.16.1. Herstellung von kryologischen Schnitten 74

3.2.16.2. Vorbehandlung des Gewebes (Prähybridisierung) 75

3.2.16.3. Sondenherstellung 76

3.2.16.4. BamHІ- und HindШ-Restriktionsverdau 77

3.2.16.5. In-vitro-Transkription der RNA-Sonden 77

3.2.16.6. Hybridisierung der Gewebeschnitte, Waschen und Detektion 79

3.2.17. Melatonin-TRFIA 82

3.2.18. Die statistische Analyse 85

4. ERGEBNISSE 86

4.1. Körpergewicht und Ernährung 86

4.4. Amplifikation eines Teiles des kodierenden Bereiches von Rps27a zur Herstellung eineLight Cycler-Verdünnungsreihe 89 4.2. Beobachtungen im Verlaufe der Tierhaltung und Adspektion der

Körperhöhle nach Tötung 86

4.3. Amplifikation eines Teils des kodierenden Bereichs von MT1 durch PCR 87 4.5. Quantifizierung der mRNA-Expression von MT1 im Hypothalamus der

Maus 90

4.6. Melatonin-Serum-Konzentration im circadianen Verlauf 94 4.7. Vergleichende MT1-Expression in verschiedenen Gewebe mittels

semiquantitativer Standard-PCR 96

4.8. Restriktionsverdau zum Überprüfen der Ligation und für die

Sondenherstellung 97

4.9. Northern Blot Analyse von MT1 99

4.10. In-situ-Hybridsierung 101

5. DISKUSSION 104

5.1. Material und Methodik 104

5.2. Ergebnisse 108

5.2.1. Expressionsstärke, Transkriptgrösse und Lokalisierung der MT1-Rezeptor

mRNA im Gesamtgehirn und Hypothalamus von Mus musculus 108

(6)

5.2.2. Organverteilung der MT1-Rezeptor-Expression 111 5.2.3. Melatonin-Konzentration im Serum der Versuchstiere zu vier Zeitpunkten

im Tagesverlauf 113

5.2.4. Circadianes Verteilungsmuster der MT1-Rezeptor-mRNA-Expression verschieden gefütterter Versuchstiere im Vergleich 116

5.3. Ausblick/Perspektiven 131

6. ZUSAMMENFASSUNG 133

7. SUMMARY 135

8. LITERATURVERZEICHNIS 137

9. ANHANG 156

9.1. Verzeichnis der verwendeten Abkürzungen 156

(7)

1. Einleitung

Der Anteil der älteren Bevölkerung steigt in den westlichen Industrienationen stetig an. Die durchschnittliche Lebenserwartung von Frauen in der Bundesrepublik Deutschland liegt zur Zeit bei 80 Jahren, die der Männer etwa 7 Jahre darunter. Das ist doppelt so hoch wie vor 100 Jahren, und dieser Trend wird sich weiter fortsetzen – mit dem Ergebnis, dass bis zum Jahr 2050 fast ein Viertel der Bevölkerung über 65 Jahre alt sein wird. Hierdurch entstand in den letzten 20 Jahren die Herausforderung an die wissenschaftliche Forschung, sich dem Alterungsprozess zuzuwenden. Es wurde eine Vielzahl von Alterungstheorien entwickelt.

Basierend auf diesen Theorien versuchen Gerontologen im Rahmen der sogenannten „Anti- Aging-Medizin”, Konzepte zur Prävention beziehungsweise Verlangsamung altersbedingter Erkrankungen zu entwickeln.

Die einzige Intervention, die bei Nagetieren nachweislich die speziesspezifische maximale Lebensspanne durch Verlangsamung altersassoziierter pathologischer und biologischer Veränderungen verlängern kann, ist die kalorische Restriktion (WEINDRUCH, 1986; YU et al., 1982; WANAGAT et al., 1999). Zur Zeit werden kalorische Restriktionsstudien an nichthumanen Primaten durchgeführt (RAMSEY et al., 2000; LANE et al., 1996). Eine Reihe von Ergebnissen aus diesen Studien wird – aufgrund der durchschnittlichen Lebensspanne von 24 Jahren und der maximalen Lebensspanne von 40 Jahren bei Rhesusaffen (LANE et al., 1996) – erst in den nächsten Jahren vorliegen. Die bisher beobachteten physiologischen Veränderungen bei nichthumanen Primaten sind aber nahezu identisch mit den Beobachtungen an Nagetieren (LANE et al., 1996). An Nagetieren konnte gezeigt werden, dass auch durch die Substitution des Epiphysenhormons Melatonin verschiedene altersbedingte Veränderungen des Organismus verlangsamt werden können (MARIOKA et al., 1999). Einzelne Arbeitsgruppen berichten über eine Verlängerung der Lebensspanne nach Melatonin-Substitution (PIERPAOLI u. REGELSON, 1994; ANISIMOV et al., 2000).

Interessanterweise nimmt die Melatoninsekretion bei gesunden Menschen und Tieren mit zunehmenden Alter progressiv ab (WALDHAUSER u. WALDHAUSER, 1988; PANG u.

TANG, 1984). Die Mechanismen, durch die kalorische Restriktion und Melatonin- Substitution zur Verlangsamung des Alterungsprozesses führen, sind noch nicht geklärt.

Überraschenderweise konnten in vielen Fällen gemeinsame charakteristische physiologische Veränderungen wie erniedrigte Körpertemperatur (CAGNACCI et al., 1992; LANE et al., 1996), verminderte oxidative Zellschäden (MORIOKA et al., 1999; SOHAL u.

WEINDRUCH, 1996; BARJA, 2002), Induktion einer Reihe von Interferonen und

(8)

Interleukinen (MAESTRONI, 1999; CAROLLEO et al., 1992; WEINDRUCH et al., 1982;

FERNANDEZ et al., 1978), verminderte Zellproliferationsraten und Verlangsamung des Tumorwachstums (TAMARKIN et al., 1981; WEINDRUCH et al., 1986; LOK et al., 1990) beobachtet werden.

Bisher haben wenige Studien kalorische Restriktion und Melatonin-Substitution im Zusammenhang untersucht. Es konnte nachgewiesen werden, dass die deutliche Abnahme der Melatonin-Sekretion bei alten Tieren durch kalorische Restriktion signifikant verlangsamt werden kann (STOKKAN et al., 1991). Eine weitere Untersuchung berichtet über erhöhte Sensitivität der neuroendokrinen Achse gegenüber Melatonin bei Ratten durch Futter- Restriktion (NORDIO et al., 1989). Eine Erklärung für dieses Phänomen gibt es zur Zeit nicht. Es stellt sich die Frage, ob diese beiden Maßnahmen bezogen auf den Alterungsprozess eventuell auf die Expression gleicher Gene regulierend wirken. Eine Hypothese ist, dass kalorische Restriktion unter anderem durch eine Aufregulierung der Melatoninrezeptor- Expression, die im alternden Gehirn normalerweise abnimmt, wirken könnte (LAUNDON et al., 1988). Die soziale und medizinische Relevanz solcher Entdeckungen wäre erheblich, weil dadurch alternative Strategien zur kalorischen Restriktion, zum Beispiel Substitution von Melatonin oder Melatoninanaloga, zur Verfügung ständen.

Für systematische in-vivo-Untersuchungen ist ein Säugetiermodell praktikabel und sinnvoll.

Es sollte folgende Kriterien erfüllen: eine Lebensspanne unter zwei bis drei Jahren, bezahlbare Anschaffungs- und Haltungskosten, eine gut definierte Biologie und ein gut charakterisiertes Genom (RIKEN und FANTOM, 2001; RIKEN und FANTOM, 2002). Diese Kriterien erfüllte das Maus-Modell mit dem hier verwendeten Melatonin-profizienten Stamm B6C3F1.

Das Ziel der vorliegenden Arbeit war der Vergleich des Effekts kalorischer Restriktion und Melatonin-Substitution auf molekularer Ebene. Dafür wurde die mRNA-Expression des Melatoninrezeptors Typ 1 (MT1-Rezeptor) in den suprachiasmatischen Nuclei (SCN) des Hypothalamus älterer Mäuse untersucht. Für die Untersuchung der MT1-Rezeptor-mRNA- Expression im SCN-Bereich spricht, dass der SCN eine Gehirnregion mit bekannt hoher MT1-Rezeptordichte ist. Zum anderen steht der SCN als zentraler Schrittmacher unter dem synchronisierenden Einfluss des Epiphysenhormons Melatonin, dessen Sekretion mit fortschreitendem Alter abnimmt und somit möglicherweise zu altersbedingten circadianen Rhythmusstörungen beiträgt, die ernste Konsequenzen für die Gesundheit und das Wohlbefinden des alternden Individuums haben können (KOLKER et al., 2002, YAMAZAKI et al., 2000).

(9)

2. Literaturübersicht

2.1. Die Epiphyse

2.1.1. Historische Aspekte der Epiphysenforschung

Die Epiphyse, auch genannt Corpus pineale, Glandula pinealis, Epiphysis cerebri oder Zirbeldrüse, fand erstmals ca. 300 v. Chr. Erwähnung durch Herophilus, einen Anatomen der alexandrinischen Schule. Der griechische Arzt Galen (130-200 n. Chr.) beschrieb die Morphologie der Epiphyse ca. 450 Jahre später als eine Lymphknoten-ähnliche Drüse. Der französische Philosoph Descartes (1596-1650) beschrieb in seinen Schriften die Epiphyse als Sitz der rationalen Seele und nahm damit einen Gedankengang auf, den schon Herophilus erwähnte. 1662 erwähnte Descartes, dass die Epiphyse den „Fluss des animalischen Geistes in die motorischen Nerven steuert”. Er gelangte zu einem aus heutiger Sicht prophetischen Schluss, dass die Funktion der Epiphyse durch optische Informationen über die Retina des Auges gesteuert wird. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Epiphyse zum ersten Mal mit der Fortpflanzung in Verbindung gebracht. Großen Einfluss hierauf hatten Berichte von Heubner (1842-1926), der bei Patienten mit Epiphysentumoren eine gestörte sexuelle Entwicklung beobachtete. Heute besteht Übereinstimmung darin, dass die Epiphyse mit ihrem Hauptsekretionsprodukt Melatonin eine zentrale Rolle als photo-neuro-endokriner Mittler bei der Synchronisation circadianer Rhythmen spielt.

2.1.2. Embryologische und phylogenetische Entwicklung der Epiphyse

Die unpaare Epiphyse entwickelt sich schon frühzeitig in der embryologischen Entwicklung aus einer Ausstülpung des hinteren Zwischenhirndaches. Zunächst bildet sich eine Epithelverdickung, die sich später als Epiphysenknospe ausstülpt und gleichzeitig den Recessus Pinealis begrenzt (SCHNORR, 1989). Das mit einem Pinienzapfen verglichene Gebilde liegt zwischen der Commissura habenularum und der Commissura posterior. Durch dünne Stiele, Habenulae, steht es in Verbindung mit den Nuclei habenulares des Zwischenhirns (NICKEL et al., 1992).

Bei den niederen Vertebraten besteht der Pinealkomplex zunächst aus zwei getrennten Organen. Neunaugen und z.T. Knochenfische besitzen ein Pinealorgan und ein

(10)

Parapinealorgan. Der Pinealkomplex der Amphibien kann aus zwei Komponenten, dem intrakranialen Pinealorgan sensu strictu (Epiphysis cerebri) und dem extrakranialen Frontalorgan, das direkt über der Schädeldecke liegt, bestehen. Bei manchen Reptilien wird dieses “dritte Auge“, das in einer Öffnung der Schädeldecke direkt unter der Haut liegt, vom Parietalorgan gebildet. Daneben existiert weiterhin ein Pinealorgan. Das Pinealorgan der Vögel ist sehr variabel in Größe, Form und Lage. Es besteht aus einem dünnen Stiel, der sich distal erweitert, ähnlich jenem Pinealorgan von Säugetieren, das aus einem verdickten, oberflächlichen und einem kleinen tiefen Anteil, beide verbunden über einen schlanken Pinealstiel, besteht. (MATSUMOTO, 1987). Die Epiphyse entwickelt sich im Verlaufe der Phylogenese von einem direkt photorezeptiven Organ bei den Fischen und Amphibien über ein Organ mit gemischter Photorezeptor- und sekretorischer Funktion bei den Reptilien und Vögel zu einem rein sekretorischen Organ bei den Säugetieren.

2.1.3. Anatomie und Histologie der Epiphyse

Die Epiphyse gehört in die Gruppe der circumventrikulären Organe, die sich allesamt im Bereich des dritten Ventrikels befinden und keine Blut-Hirn-Schranke besitzen. Bei den verschiedenen Säugetierarten und auch innerhalb einer Spezies zeigt sich die Epiphyse sehr heterogen in ihrer Gestalt, Größe und Lage im zentralen Nervensystem. Relativ gesehen zum gesamten Körpergewicht ist die Drüse recht klein (50-150 mg beim Menschen, 1 mg bei der Ratte). Es gibt Hinweise, dass die relative Größe der Epiphyse bei Tieren im Winter mit der Entfernung vom Äquator zunimmt. Die Durchblutung der Epiphyse ist beachtlich, sie wird allein durch die der Niere übertroffen. (ARENDT, 1988). Die Ablagerung von meist konzentrisch angeordneten Kalksalzen (Hirnsand, Acervulus cerebri) in der Epiphyse ist ein physiologischer Vorgang bei vielen Primaten und Huftieren sowie bei einigen Nagetieren, der mit fortschreitenden Alter zunimmt. Es gibt keinen Hinweis, dass die infolge rhythmischer Aktivität der Pinealdrüse abgelagerten Hydroxylapatite zur Degeneration der Pinealzellen oder zu verringerter metabolischer Aktivität der Drüse führen (WELSH, 1985). Die Epiphyse der Säugetiere ist ein homogenes, vorwiegend zelluläres Organ, das zu ca. 82% aus Pinealozyten (auch genannt „chief cells” oder Parenchymzellen) besteht. Daneben sind Gliazellen, vor allen Astrozyten, und Ependymzellen, durch die räumliche Nähe zum 3.

Ventrikel, vorhanden. Reguläre Neuronen sind kein Bestandteil der Epiphyse, wohl aber efferente Nervenfasern, wie sympathische Nervenfasern aus dem oberen Zervikalganglion,

(11)

Kommissurialfasern und wenige parasympathische Fasern (VOLLRATH, 1981). Beim Pinealozyten handelt es sich um eine modifizierte Nervenzelle – eine sogenannte Photorezeptorzelle – die bei Fischen und Amphibien noch charakteristische reguläre äußere Segmente besitzt. Diese äußeren Segmente sind beim Vogel bereits rudimentär oder degeneriert und zusätzlich sind sekretorische Granula vorhanden. Der Pinealozyt der Säugetiere besteht aus einem unregelmäßig geformten Zellkörper mit einer variierenden Anzahl von cytoplasmatische Fortsätzen und besitzt nur noch sekretorischen Charakter, obwohl sekretorische Granula recht selten sind (ARENDT, 1995).

2.1.4. Innervation der Epiphyse

Die Innervation der Epiphyse erfolgt hauptsächlich über sympathische Nervenendigungen aus dem Ganglion cervicale craniale, die ihren spezifischen Neurotransmitter Noradrenalin in die Blutgefäße der Epiphyse oder den perivaskulären Raum entlassen. Die endokrine Funktion der Epiphyse steht unter dem Einfluss photoperiodischer Stimuli. Der auf die Retina gelangende Lichtreiz wird beidseitig über nicht myelinisierte Fasern im Nervus opticus, dem sogenannten „retinohypothalamischen Trakt” (RHT), zum Nucleus suprachiasmaticus des Hypothalamus, dem zentralen Schrittmacher, geleitet. Über den Nucleus hypothalamicus paraventricularis gelangt der Reiz über den medialen Vorderhirnstrang und die Formatio reticularis zur intermediolateralen Zellsäule des vorderen Brustmarkes. Hier entspringen die präganglionären Fasern zum Ganglion cervicale craniale, welches postganglionäre Fasern als Nervii coronarii, zur Epiphyse entlässt.

Die Stimulation des optischen Nerves führt zu einer reduzierten elektrischen Aktivität der Ganglien. Es wird angenommen, dass diese Umschaltung von einem positiven Signal, der Stimulation des optischen Nerves durch Licht, in ein negatives Signal, der Hemmung der Melatoninsynthese, im Nucleus paraventricularis stattfindet. Der Mechanismus hierfür ist noch nicht geklärt. In einigen Spezies wurden parasympathische Nerven, sowie Fasern aus der Commissura posterior („pineal nerve”), dem vorderen und lateralen Hypothalamus, sowie der paraventrikulären Region und der Habenula (zentrale Innervation) nachgewiesen (KORF und MÖLLER, 1984; MESS u. RUZSAS, 1986). Neben Noradrenalin enthält die Epiphyse eine Vielzahl biologisch aktiver Peptide, die nur zum Teil identifiziert sind.

(12)

2.2. Das Epiphysenhormon Melatonin

Das Haupsekretionsprodukt der Epiphyse ist 5-Methoxy-N-Acetyltryptamin, ein Indolamin, das 1958 von LERNER aus Tausenden von Rinderepiphysen extrahiert werden konnte. Nach seiner Fähigkeit, die Pigmentverteilung von Melanophoren in der Haut von Amphibien zu verändern und seiner Ableitung vom Serotonin, nannte Lerner das Hormon Melatonin (LERNER et al. 1958). Neben der Epiphyse konnte das Hormon in verschiedenen Geweben wie der Retina, der Harderschen Drüse, des Iris-Ciliarkörpers, der Tränendrüse, sowie in Blutleukozyten und im Gastrointestinaltrakt nachgewiesen werden (ARENDT, 1995).

2.2.1. Synthese, Metabolisierung und Pharmakokinetik von Melatonin

Nach Aufnahme von Tryptophan aus dem Blutgefäßsystem in die Pinealozyten durch aktiven Transport – die Epiphyse besitzt keine Blut-Hirn-Schranke – kommt es zur Bildung von 5- Hydroxytryptophan durch das mitochondriale Enzym Tryptophan-5-Hydroxylase. Da das

Abb. 2.1.: Die Reizleitung vom Auge bis zur Zirbeldrüse.

Lichtsignale werden über spezielle Photorezeptoren der Retina aufgenommen und über den retinohypthalamischen Trakt (RHT) an die hypothalamischen Nuclei suprachiasmatici (SCN) weitergeleitet. Von dort gelangt die Information über den Nucleus paraventricularis (PVN), den medialen Vorderhirnstrang (medial forebrain bundle, MFB) und die intermediolaterale Zellsäule des vorderen Brustmarks (intermediolateral cell column, IML) über präganglionäre Fasern zum Ganglion cervicale craniale (superior cervical ganglia, SCG). Dieses entlässt postganglionäre Fasern als Nervi coronarii zur Epiphyse.

(aus DRIJFHOUT, 1996)

(13)

Enzym in hohen Konzentrationen in der Epiphyse vorliegt, ist der limitierende Faktor die Verfügbarkeit von Tryptophan. Die Aktivität des Enzyms erhöht sich in der Dunkelheit um das Zweifache. Durch die aromatische Aminosäuredecarboxylase im Zellplasma wird 5- Hydroxytryptophan zu 5-Hydroxytryptamin, dem Serotonin decarboxyliert. Die Konzentration des Serotonins in der Epiphyse ist sehr hoch – mit einer circadianen Schwankung. Nachts ist die Konzentration von Serotonin am niedrigsten. Als nächster Schritt erfolgt die N-Acetylierung des Serotonins durch die Arylalkylamin-N-Acetyltransferase (AA- NAT) zu N-Acetylserotonin. Dieses Enzym ist im Zytoplasma der Pinealozyten lokalisiert und benötigt als Kofaktor Acetyl-CoA. Die Aktivität des Enzyms in der Epiphyse der Ratte ist nachts um das 30- bis 70-fache und in der Epiphyse des Rhesusaffen um das 4-fache höher als tagsüber, während die AA-NAT-mRNA-Konzentration zu beiden Zeiten gleich hoch ist.

Dies weist darauf hin, dass die posttranskriptionelle Kontrolle des Enzyms eine dominante Rolle in der Regulation der Melatoninsynthese spielt (COON et al., 2002; KLEIN et al., 1996), also der limitierende Schritt und der hauptsächlich regulierende Faktor für die circadiane Rhythmik der Melatoninsynthese zu sein scheint. Die Höhe der nächtlichen AA- NAT-Konzentration ist sehr speziesspezifisch.

HIOMT Serotonin

(5-Hydroxytryptamin)

Melatonin

(N-Acetyl-5-Methoxytryptamin) N-Acetylserotonin

(N-Acytyl-5-Hydroxytryptamin) AA-NAT

Abb. 2.2.: Melatoninbiosynthese. Nach Aufnahme von Tryptophan aus dem Blut und Decarboxylierung zu 5-Hydroxytryptophan, entsteht 5- Hydroxytryptamin, das Serotonin. Serotonin wird in zwei Reaktionsschritten durch die Enzyme AA-NAT (Arylalkyl-N-Acetyltransferase) und HIOMT (Hydroxyindol-O-Methyltransferase) zu Melatonin (N-Acetyl-5- Methoxytryptamin) umgewandelt.

Melatonin

(N-Acetyl-5-Methoxytryptamin)

(14)

In einem abschließenden Schritt wird eine Methylgruppe vom S-Adenosyl-Methionin (SAM) durch das zytosolische Enzym Hydroxyindol-O-Methytransferase (HIOMT) auf das N- Acetylserotonin übertragen, so dass N-Acetyl-5-Methoxytryptamin, das Melatonin, entsteht.

Die Tag-Nacht-Schwankung von HIOMT ist nur gering ausgeprägt (KLEIN et al, 1981), graduelle Unterschiede sind nur über Perioden von Tagen oder Wochen erkennbar (SUGDEN, 1989). Die rhythmische Melatoninproduktion zeigt abhängig von der Spezies um das 2- bis 15-fache erhöhte Melatoninmengen während der dunklen Periode, unabhängig davon, ob die Tiere tag- oder nachtaktiv sind. Unterschiedliche Spezies zeigen auch verschiedene Sekretionsmuster (REITER, 1986).

Melatonin wird im Gegensatz zu vielen anderen Hormonen nicht gespeichert, sondern vermutlich im Anschluss an die Synthese aufgrund seiner hohen Lipophilie durch passive Diffusion direkt in das Blutgefäßsystem oder den Cerebralliquor abgegeben. Das Sekretionsmuster während der Nacht zeigt meist zwei bis drei Sekretionspeaks im peripheren Blut. Vermutlich besteht eine Pulsatilität direkt am Ort der Sekretion, die durch die Gewebediffusion und den Metabolismus peripher nicht mehr messbar ist (ARENDT, 1995).

Die nächtliche Melatoninsekretion des Menschen ist beim Säugling bis zu drei Monaten sehr niedrig bis nicht messbar. Vermutlich beginnt die circadiane Melatonin-Rhythmik erst kurz postnatal, nachdem die postganglionären sympathischen Nervenfasern in die Epiphyse eingewachsen sind (ROLLAG et al., 1981). Die Sekretion erreicht in der frühen Kindheit mit ein bis drei Jahren einen Peak, um danach rapide progressiv bis zum Ende der Adoleszenz abzufallen. Eine weitere moderate Abnahme der Sekretion findet bis ins Senium statt (WALDHAUSER u. WALDHAUSER; 1988, TOUITOU, 2001).

Die Metabolisierung des Hormons erfolgt zunächst in der Leber zu 6-Hydroxymelatonin. Das hydroxylierte Produkt kann dann sulfatiert oder glukuronidiert und mit dem Harn ausgeschieden werden. Letzteres findet vor allen bei Nagetieren und Menschen statt.

Melatonin besitzt bei Nagetieren und Menschen eine recht kurze Halbwertszeit mit einem starken hepatischen „first pass effect” und einer biphasischen Elimination. Die Halbwertszeit liegt etwa bei 2 Minuten und bei 45 Minuten (ARENDT, 1995).

2.2.2. Noradrenerge Kontrolle der Melatoninsynthese

Die Kontrolle der Melatoninsynthese erfolgt über Noradrenalin, das nachts durch erhöhte Entladungsraten aus postganglionären sympathischen Nervenfasern freigesetzt wird und an

(15)

die β-Adrenorezeptoren auf der Pinealozytenmembran bindet. Der β-Adrenorezeptor ist an ein Gs-Protein (stimulierendes Guanin-Nukleotid-bindendes regulatorisches Protein) gebunden, welches das Enzym Adenylatcyclase aktiviert. Durch den Anstieg von cyclischem AMP (cAMP) und Aktivierung der cAMP-abhängigen Proteinkinase wird die Arylalkylamin-N- Acetyltransferase-Aktivität erhöht und ihre Aktivität aufrecht erhalten. Die direkte Stimulation von α1-Adrenorezeptoren hat keinen Einfluss auf die AA-NAT-Aktivität, jedoch kann die β-adrenerge Stimulation von cAMP und NAT durch simultane Aktivierung von α1-

Adrenorezeptoren erhöht werden. α1-adrenerge Rezeptorenerhöhen das intrazelluläre Calcium in der Zelle und wirken vermutlich über eine Ca2+-aktivierte phospholipidabhängige Proteinkinase stimulatorisch (SUGDEN, 1989). Es konnte gezeigt werden, dass neben Noradrenalin Vasointestinales Peptid (VIP) die AA-NAT-Aktivität induziert. Die Rolle von muskarinergen und nikotinergen Rezeptoren, GABA-Rezeptoren, Benzodiazepinrezeptoren, dopaminergen Rezeptoren und mehreren Arten von peptidergischen Rezeptoren auf der Pinealozytenmembran ist noch nicht übereinstimmend geklärt.

2.2.3. Wirkung und therapeutischer Einsatz von Melatonin

Die physiologische Wirkung von Melatonin im Organismus wird über Melatoninrezeptoren vermittelt und ist außerordentlich vielfältig. Zu den Zielgeweben von Melatonin zählen die Retina, der Hypothalamus, die Hypophyse und periphere Gewebe wie Ovar, Magen-Darm- Trakt und Blutgefäße. Der Rhythmus der Melatonin-Produktion ist bei Säugetieren unter der Kontrolle des Nucleus suprachiasmaticus (SCN) im Hypothalamus, dem sogenannten zentralen Schrittmacher („major oscillator”, „biologische Uhr”). Der SCN wird durch den täglichen Licht-Dunkel-Zyklus synchronisiert („entrained”). Über einen direkten Weg von der Retina über den retinohypothalamischen Trakt (RHT) werden dem SCN Information über die Lichtverhältnisse vermittelt. Die Epiphyse vermittelt über die Sekretion von Melatonin Informationen über die Tageslänge. Durch den Anstieg von Melatonin in der zweiten Hälfte der Nacht vermittelt es dem Organismus eine endogene circadiane Rhythmik, die durch exogene Einflüsse aus der Umwelt, wie Temperatur, soziale Regel, Fütterungszeiten oder Bewusstsein der Uhrzeit synchronisiert wird. Licht genügend hoher Intensität ist der bedeutendste Synchronisator für circadiane und circaannuale (saisonale) Rhythmen. Dies wird Photoperiodizität genannt. Die Länge der Melatoninsekretion scheint ein kritischer Parameter für die Zielgewebe zu sein (CARTER et al. 1983).

(16)

In vielen Spezies, sogar beim Menschen, werden saisonale Zyklen durch die im Verlaufe eines Jahres wechselnde Tageslänge in nicht-äquatorialen Regionen bestimmt. Es finden saisonale Veränderungen in der Physiologie und dem Verhalten statt. Von Bedeutung ist der Einfluss von Melatonin auf endokrinologische Systeme, wie zum Beispiel auf die Hypophysen-Gonaden-Achse. Der Reproduktionszyklus von sich saisonal fortpflanzenden Tieren wird primär über die Tageslänge gesteuert. Bei Schafen führen exogene Gaben von Melatonin während der langen Tage zu einem vorzeitigen Anstieg der Gonadotropin- Sekretion und einem früheren Beginn der Paarungszeit. Gleichzeitig nimmt die Prolaktin- Sekretion ab. Dies wird auch kommerziell genutzt, um die Zuchtsaison oder auch den Fellzyklus zu bestimmen. Abhängig von der Gestation findet bei Hamstern, Wühlmäusen, Frettchen und Pferden die Aufzucht der Jungen im Frühling oder Sommer statt, bei Schaf, Ziege und Rotwild im Herbst oder Winter. Andere Spezies, wie der Nerz oder Dachs, terminieren die Geburt durch eine verzögerte Implantation, wieder andere, wie das Känguruh, durch eine embryologische Diapause. Auch die Fellbeschaffenheit, der Appetit und das Körpergewicht verändern sich im Verlaufe eines Jahres (ARENDT, 1988). Auch beim Menschen sind saisonale Muster in der Konzeptionsrate und der Menarche zu erkennen, wobei dies durch soziokulturelle Faktoren nicht so ausgeprägt wie bei vielen Tieren auftritt (ARENDT, 1995).

Beim Menschen besteht eine reziproke Beziehung zwischen der Körperkerntemperatur und dem Melatoninprofil (CAGNACCI et al., 1992). Exogen zugeführtes Melatonin kann die Körpertemperatur senken und helles Licht, das die Melatoninsekretion supprimiert, hebt die Körpertemperatur an. Dagegen zeigen Nagetiere während der Nacht erhöhte Melatoninkonzentration und erhöhte Körpertemperaturen. Die Wellenform der Körpertemperaturrhythmen verändert sich abhängig von der Länge der Photoperiode, d. h. der Tageslänge (RUF et al., 1987). Kurze Photoperioden, die mit einer verlängerten Melatoninsekretion einhergehen, erhöhen die Kälteresistenz kleiner Säugetiere durch eine Zunahme der zitterfreien Wärmebildung im braunen Fettgewebe und scheinen als Zeitgeber fördernd auf die Induktion von saisonalem Torpor oder Winterschlaf zu wirken (HELDMAIER et al., 1989; HELDMAIER et al., 1981). Dies könnte im Sinne einer circadianen und saisonalen Thermoregulation gewertet werden.

Mit zunehmenden Alter nimmt die Melatoninsekretion bei gesunden Säugetieren deutlich ab (IGUCHI et al., 1982; WALDHAUSER u. WALDHAUSER, 1988; REITER et al., 1981;

(17)

PANG u. TANG, 1984). Dies steht nicht im Zusammenhang mit der Kalzifikation der Epiphyse (WELSH, 1985). Etwa ein Drittel aller Personen über 50 Jahre leidet an chronischer Insomnia in Form von Einschlaf- und Durchschlafstörungen. Durch orale Gaben von Melatonin zur Nacht konnten vor allem die Einschlafstörungen vermindert werden, ohne die REM (rapid eye movement)-Phasen zu beeinträchtigen, wie dies bei Einnahme von Benzodiazepinen vorkommt (ZHDANOVA et al., 2001). Gestörte circadiane Rhythmen treten auch bei Beschäftigung in Schichtarbeit, beim „jet lag”-Phänomen nach transmeridianer Reise, bei einigen Formen von Blindheit, bei schweren Krankheiten und bei Schlaflosigkeit durch verzögerte oder vorgezogene Schlafphasen auf. Dies ist oft verbunden mit verringerter Leistungsfähigkeit und Stimmungsschwankungen. Hier ist der Einsatz von Melatonin zum Resynchronisieren des Rhythmus durchaus angebracht (ARENDT, 1995).

Melatonin wird immer wieder mit psychatrischen Krankheitsbildern wie „seasonal affective disorders” (SAD) (PUTILOV, 1999), Schizophrenie (FERRIER et al., 1982) und manisch depressiven Psychosen in Zusammenhang gebracht. WIRZ-JUSTICE und ARENDT berichten über erniedrigte Serum-Melatonin-Konzentrationen bei Patienten mit unipolarer Depression (WIRZ-JUSTICE u. ARENDT, 1979). Es konnte gezeigt werden, dass ein bedeutender Anteil depressiver Patienten keinen normalen circadianen Melatonin-Rhythmus aufweist (MENDLEWICZ et al., 1979).

In pharmakologisch hohen Dosen verabreichtes Melatonin wirkt bei Menschen und Nagetieren schlaffördernd (hypnotisch) und sedativ. Auch eine antikonvulsive und analgetische Aktivität wurde beobachtet (SUGDEN, 1983). Es ist keine Toxizität auf Menschen bekannt – und jene auf Nagetiere ist auch bei sehr hohen Dosen extrem gering (SUGDEN, 1983).

Ein weiterer Sekretionsort von Melatonin bei Wirbeltieren ist die Retina. Dort wirkt Melatonin lokal, indem es die Calcium-abhängige Dopamin-Freisetzung inhibitiert. Daneben wirkt es sich auf das sogenannte „disc shedding”, die Pigmentaggregation und die Phagozytose von Photopigmentzellen aus (REPPERT u. WEAVER, 1995).

Melatonin ist ein plazentagängiges Hormon. An Nagetieren konnte gezeigt werden, dass Melatonin „in utero” das bedeutendste humorale Signal für die Organisation des fetalen circadianen Systems ist (ARENDT, 1995; REPPERT et al., 1988).

(18)

Während der Pubertät kommt es zu einem starken Abfall der Melatoninproduktion. Bei frühreifen Jugendlichen konnte eine niedrigere, bei einer verspätet einsetzenden Pubertät eine höhere Melatoninsekretion beobachtet werden. Bei blinden Jugendlichen kann die pubertäre Entwicklung deutlich von der normalen zeitlichen Entwicklung abweichen. Inwieweit der Melatoninabfall für eine Induktion der Hypophysen-Gonaden-Achse mit Einsetzten der sexuellen Reife verantwortlich ist, scheint noch nicht geklärt. (ARENDT, 1995)

Anovulatorische Zyklen, zum Beispiel bei hypothalamischer Amenorrhoe (BRZEZINSKY et al., 1988), wurden in einigen Fällen mit verlängerter Melatoninsekretion in Verbindung gebracht. Innerhalb des Zyklus fällt Melatonin während der Follikulärphase und steigt dann parallel zu dem Progesteronpeak während der Lutealphase stark an. Sehr hohe chronische Gaben von Melatonin (um 300 mg) können bei einer normal zyklischen Frau die LH- Sekretion unterdrücken (ARENDT, 1995), das heißt, antigonadotrop wirken. In Anbetracht dieser Tatsache wurde der Einsatz als Kontrazeptivum in Erwägung gezogen, wobei Langzeitwirkungen so hoher Dosen nicht untersucht wurden. Klinische Dosen von 1-10 mg scheinen keinen negativen Effekt auf das Reproduktionssystem des Menschen zu besitzen.

Vermutlich hat Melatonin eine protektive Wirkung auf das kardiovaskuläre System. Bei Menschen und den meisten Tieren konnte durch Epiphysenextrakte der Blutdruck gesenkt werden. Bei Ratten führte Pinealektomie zu einem Blutdruckanstieg (ZANABONI, 1967), der durch Melatonin-Administration gesenkt werden konnte (KRAUSE, 1999).

In einigen Tiermodellen konnte gezeigt werden, dass das Wachstum hormonabhängiger Tumore zu einem gewissen Anteil photoperiodisch ist (BARTSCH u. BARTSCH, 1981). In einer Studie an Ratten zeigte TAMARKIN, dass durch 7,12-Dimathylbenz(α)Anthracen (DMBA) induzierte Mammatumore nach Pinealektomie starkes Wachstum zeigten, das durch tägliche Melatoningaben abnahm (TAMARKIN et al., 1981). Weitere Experimente führten zu der Annahme, dass Melatonin onkostatische Eigenschaften besitzt.

Eine Wirkung des Epiphysenhormons auf das Immunsystem wird angenommen. So berichtet MAESTRONI über Melatoninrezeptoren auf T-Helferzellen, deren Aktivierung zur Abgabe von Zytokinen, vor allem Interleukin 2 (IL-2) und Gamma-Interferon (γ-Interferon), führt. In humanen Monozyten führt Melatonin zur Produktion einer Reihe von Interleukinen (IL-1, IL- 6, IL-12). Gamma-Interferon soll wiederum auf die Epiphyse zurückwirken, weshalb auch

(19)

von einem „Epiphysen-Immun-Hämatopoetischen Netzwerk” gesprochen wird (MAESTRONI, 1999). CAROLEO beobachtete eine erhöhte T-Helferzell-Aktivität und erhöhte IL-2-Produktion nach Melatonin-Injektionen in immunodefizienten Mäusen (CAROLEO et al., 1992).

Melatonin wirkt als potenter freier Radikalfänger (REITER, 1993). Seine antioxidative Eigenschaft gegenüber dem hochtoxischen Hydroxylradikal ·OH kommt durch Elektronenabgabe zustande. Dabei wird Melatonin selber zum Radikal (Melatoyl-Kationen- Radikal), das aber weitaus weniger reaktiv und weniger toxisch ist (TOUITOU, 2001). An Versuchen mit Mäusen konnte gezeigt werden, dass oxidative DNA-Schäden im alternden Gehirn durch tägliche orale Melatoningaben deutlich verringert werden konnten (MORIOKA et al., 1999).

Vor allem die antioxidativen, tumorsuppressiven, immunverstärkenden und temperatursenkenden Eigenschaften von Melatonin haben im Zusammenhang mit verschiedenen Alterstheorien zu der Spekulation geführt, Melatonin könne den Alterungsprozess verzögern. Dies führte in einigen Teilen der Welt zum Konsum unphysiologisch hoher Dosen an Melatonin, obwohl Langzeitwirkungen und unerwünschte Wirkungen zur Zeit noch nicht ausreichend erforscht sind.

PIERPAOLI und REGELSON berichten über eine um 20% verlängerte Lebensdauer nach täglicher Applikation von Melatonin im Trinkwasser oder Transplantationen junger Epiphysen in alte Tiere verschiedener Mäusestämme (PIERPOALI u. REGELSON, 1994).

Nicht beachtet wurde jedoch, dass in den Versuchen Melatonin-defiziente Stämme eingesetzt wurden (REPPERT u. WEAVER, 1995). Über eine Verlängerung der Lebensspanne Melatonin-substituierter weiblicher Mäuse berichtet auch ANISIMOV. Er beobachtete jedoch gleichzeitig ein vermehrtes Auftreten maligner Tumore bei diesen Tieren (ANISIMOV at al., 2001). Die Lebensspanne von Fruchtfliegen, Drosophila melanogaster, konnte durch Melatonin-substituiertes Futter signifikant verlängert werden. Zusätzlich wurde ihre Resistenz gegen thermischen und oxidativen Stress erhöht (BONILLA et al., 2002).

(20)

2.3. Biologische Rhythmen und circadiane Schrittmacher 2.3.1. Biologische Rhythmen

Alle eukaryontischen Organismen, vom Einzeller bis zum hochentwickelten Säugetier, sind chronobiologischen Phänomenen unterworfen, deren Ursache im Wechsel von Tag und Nacht und periodischen Schwankungen der Tageslänge im Rahmen der Jahreszeiten liegt.

Geophysikalische Zyklen wie die Tide, der Tag-Nacht-Wechsel, die Mondphasen und Jahreszeiten sind verantwortlich für circatidale, circadiane, circalunare und circannuale Rhythmen biologischer Systeme (ASCHOFF, 1981). In der Chronobiologie (griech. Chronos

= Zeit, Chronobiologie ist die Lehre von den biologischen Rhythmen) wird nach biologischen Mustern oder Rhythmen gesucht, die sich zyklisch wiederholen. Biologische Rhythmen stellen eine Adaptation des Organismus an cyclische Veränderungen in der Umwelt dar.

Abhängig von ihrer Periode, das heißt, der Dauer eines kompletten rhythmischen Zyklus, werden biologische Rhythmen grob in drei Klassen eingeteilt: Ultradiane Rhythmen haben eine Periode, die kürzer als 24 Stunden ist. Sie kann Teile einer Sekunde bis mehrere Stunden betragen. Typische ultradiane Rhythmen sind der Herzschlag und die pulsatile Sekretion der meisten Hormone. Circadiane Rhythmen haben eine Periode von etwa 24 Stunden. Sie steuern vor allem das tägliche Programm von Änderungen im Metabolismus und Verhalten.

Bei infradianen Rhythmen ist eine Periode wesentlich länger als 24 Stunden, zum Beispiel eine Woche, ein Monat oder ein Jahr. Ein gutes Beispiel für einen infradianen Rhythmus ist der Oestrus-Zyklus (ARENDT, 1995; RUCKEBUSCH, et al., 1991).

Biologische Rhythmen sind endogen gesteuert und spiegeln nur teilweise die Reaktion des Organismus auf periodisch erfolgende Signale aus der Umwelt wieder. Selbst nach Ausschluss aller Umwelteinflüsse werden diese genetisch determinierten Rhythmen als unabhängige Oszillationen aufrechterhalten. Man spricht in diesem Zusammenhang von biologischen inneren Uhren oder Schrittmachern („pacemaker”). Als sogenannter dominanter Schrittmacher, „master oscillator” oder „master clock”, werden die suprachiasmatischen Nuclei im Hypothalamus angesehen. Unter konstanten isolierten Bedingungen weicht der endogene Rhythmus graduell vom exogenen Umgebungsrhythmus ab. Normalerweise wird der endogene Rhythmus durch exogene Umgebungseinflüsse wie Hell/Dunkel, Temperatur, Nahrungsaufnahme oder soziales Umfeld (ASCHOFF et al., 1971), sogenannte „Zeitgeber”, eingestellt, das heißt, „synchronisiert”. Dieser Vorgang der „Synchronisation” wird auch

„entrainment” genannt (PITTENDRIGH, 1981). Ein nicht-synchronisierter Rhythmus heißt

(21)

freilaufend („free-running”). Er besitzt eine endogene „Periode Tau” (τ), die bei circadianen Rhythmen etwas größer oder kleiner als 24 Stunden ist, wodurch es mit der Zeit zu Phasenverschiebungen kommen würde. Je nachdem, in welche Richtung die Phase verschoben ist, spricht man von „phase advance” oder „phase delay” (ASCHOFF, 1981;

ARENDT, 1995). Die Periode τ eines freilaufenden Rhythmus ist abhängig von der Spezies, vom Individuum, vom physiologischen Status und von den Umweltbedingungen. In konstanter Dunkelheit gehaltene Säugetiere zeigen eine Periode τ mit einer Länge von 22 bis 26 Stunden, wobei sie bei tagaktiven Tieren über 24 Sunden und bei nachtaktiven Tieren unter 24 Stunden liegt (ASCHOFF, 1981). PITTENDRIGH und DAAN konnten bei drei Nagetierspezies eine verkürzte Periode τ mit zunehmenden Alter beobachten (PITTENDRIGH u. DAAN, 1974). Ständig sich wiederholende Phasenverschiebungen führten bei Schmeissfliegen zu einer um 25% verkürzten Lebensdauer (ASCHOFF et al., 1971). Der Vorgang der Oszillation kann am besten mit einer Phasenkontrolle einer exogenen Oszillation (periodische Umwelteinflüsse) über eine endogene Oszillation (genetisch determinierter Rhythmus) beschrieben werden. Endogene Rhythmen können jedoch nur auf Frequenzen synchronisiert werden, die nicht zu stark von der eigenen Frequenz abweichen.

Eine zentrale Rolle bei der circadianen Synchronisation durch Hell-Dunkel-Rhythmen spielt die Epiphyse als photo-neuro-endokriner Mittler. Ihre Informationen werden über das Hormon Melatonin weitergegeben, das auf den SCN zurückwirken kann. Die Kopplung des SCN mit anderen hormonellen Systemen ist noch wenig erforscht. Es wäre abzuklären, inwieweit der Verlust circadianer Kontrolle an der Entstehung krankhafter Zustände beteiligt ist (REPPERT u. WEAVER, 2002).

2.3.2. Die suprachiasmatischen Nuclei (SCN) als zentrale Schrittmacher

Der dominante Schrittmacher der meisten Säugetiere liegt innerhalb der paarigen suprachiasmatischen Nuclei (SCN). Der SCN ist im vorderen Hypothalamus an der Basis des dritten Ventrikels direkt über dem Chiasma opticum lokalisiert. Jeder SCN der Ratte besteht aus etwa 104 Neuronen von auffallend kleiner Größe, die vor allem im ventromedialen Bereich des SCN dicht gepackt sind. Die meisten SCN-Neuronen sind GABAerg innerviert.

Neben den Neuronen besteht der SCN aus verschiedenen Gliazellen (MEIJER u. RIETVELD, 1989).

(22)

Ein Teil der hypothalamischen Neuronen ist durch niedrige spontane Entladungsraten mit einem deutlichen circadianen Rhythmus charakterisiert. Diese Rhythmik bleibt auch in isolierten Neuronen aufrechterhalten (WELSH et al., 1995), weshalb diese Neuronen des SCN auch „clock-Zellen” genannt werden. Die spontanen Entladungsraten sind hoch während des subjektiven Tags, bei Helligkeit, und niedrig während der subjektiven Nacht, bei Dunkelheit.

Es bestehen multiple Zellkontakte zwischen den einzelnen Neuronen innerhalb eines SCN und zwischen Neuronen der SCNs beider Seiten (VAN DEN POL, 1991).

Man geht davon aus, dass die circadianen Rhythmen der Säugetiere durch ein hierarchisch aufgebautes Multioszillatorensystem gesteuert werden. Als dominanter Oszillator wird der bilaterale SCN mit seinen „clock-Zellen” angesehen. Auch in anderen Gehirnarealen (Cortex) und in peripheren Organen (Niere, Leber) existieren circadiane Oszillatoren, die die Physiologie und das Verhalten mitsteuern. Sie unterstehen in der Hierarchie dem SCN als dominantem Oszillator und werden von diesem synchronisiert. Man nennt diese Oszillatoren aufgrund ihrer untergeordneten Stellung auch „slave oscillators” ( engl. slave = Sklave) (REPPERT u. WEAVER, 2002). Unter bestimmten Bedingungen können periphere Oszillatoren vollständig vom zentralen Schrittmacher entkoppelt werden (DAMIOLA et al., 2000).

2.3.3. Modell der intrazellulären Uhrmechanismen /circadianen Uhr der Säugetiere

Die prinzipiellen Clock-Gene scheinen nach der Fruchtfliege auch beim Säugetier identifiziert zu sein. Man stellt sich vor, dass bei den intrazellulären Uhrmechanismen der Maus, stellvertretend für Säugetiere, positive und negative transkriptionale Rückkopplungsschleifen („feedback loops”) zu sich wiederholenden Rhythmen der Uhrkomponenten auf RNA- und Proteinebene führen.

Im Detail fassen REPPERT und WEAVER die transkriptionelle Kaskade wie folgt zusammen: Phosphorylierte CLOCK-BMAL1-Heterodimere scheinen nach Translokation die rhythmische Transkription von drei sogenannten murinen Period-Genen (mPer1, mPer2 und mPer3) und zwei murinen Cryptochrome-Genen (mCry1 und mCry2) durch die Bindung an ein DNA-Promoter-Element, genannt E-Box-Verstärker, zu erhöhen (GEKAKIS et al., 1998).

Es kommt zur Komplexbildung zwischen PER-Proteinen, CRY-Proteinen und einer CSK1ε (Casein Kinase 1ε) im Cytoplasma – und der phosphorylierte und damit in seiner Stabilität erniedrigte CRY-PER-CSK1ε-Komplex wird bei Erreichen einer Schwellenkonzentration in

(23)

den Nukleus transloziert. PER wirkt in diesem Komplex als Brückenprotein. mCRY ist verantwortlich für die Stabilität des phosphorylierten mPER2-Proteins. Im Kern assoziiert der Komplex, vor allem CRY, als negativer Regulator mit dem DNA-gebundenen CLOCK- BMAL-Heterodimer, wodurch die Transkription von mPer über die Wirkung auf CLOCK- BMAL1 durch Bindung an die E-Box der DNA rhythmisch inhibiert wird (KUME et al., 1999; OKAMURA et al., 1999). Es hemmt also seine eigene Synthese. Dies ist die negative Rückkopplungsschleife („negative feedback loop”). Wenn mCry-Proteine in den Nukleus translozieren, um die mPer- und mCry-Transkription über CLOCK-BMAL1 zu inhibieren, inhibieren sie gleichzeitig die REV-ERBα-Transkription, wodurch die Repression auf den BMAL-Promoter wegfällt und die Transkription aktiviert wird. Das REV-ERBα-Gen-Produkt ist Ligand für einen nukleären „orphan” Rezeptor. Das REV-ERBα-Protein wird transkribiert, wenn der CLOCK-BMAL1-Komplex an die E-Box der Per- und Cry-Gene bindet, und supprimiert die BMAL1-Expression, indem es an ein „ROR response element” in dem Promoterbereich von BMAL bindet und die BMAL1-Transkription verhindert (PREITNER et al., 2002). Als Ergebnis fallen die BMAL1-RNA-Niveaus ab, während die mPer- und mCry- RNA-Niveaus steigen. Dies ist die positive Rückkopplungsschleife („positive feedback loop”). Beide Schleifen sind über das CLOCK-BMAL-Heterodimer korreliert, d. h. das dieses Heterodimer bildet eine funktionelle Verbindung zwischen beiden Rückkopplungsschleifen (SHEARMAN et al., 2000; REPPERT u. WEAVER, 2002).

Abb.: 2.3.: Circadianes Uhrmodell für Säugetiere. Dargestellt ist eine Zelle. Der Uhrmechanismus beinhaltet positive (dünne Pfeile) und negative (dicke Pfeile) Rückkopplungsschleifen. (aus REPPERT u. WEAVER)

(24)

Defekte in der Casein-Kinase Iε beim syrischen Hamster führten zur „short period tau mutation” (LOWREY et al., 2000). Der gesamte Prozess der Genexpression dauert etwa 24 Stunden und ist vermutlich verantwortlich für alle zu beobachtenden circadianen Rhythmen (RIPPERGER u. SCHIBLER, 2001). Die Genexpression von mPer1 wird durch Lichtexposition am Beginn oder Ende der Nacht induziert, während jene von mPer2 nur durch Licht am Beginn der Nacht exprimiert wird. MPer3 scheint nicht akut durch Licht reguliert zu sein (ZYLKA et al., 1998). Die Rolle von mPer-Genen beim lichtinduzierten Einsetzen der Uhrfunktion muss noch geklärt werden. Von Bedeutung ist die lichtinduzierte Expression regulatorischer Proteine wie dem prototypischen photoinduzierbaren Protein c-Fos, dessen Konzentration nach Lichteinfluss im Teilen des SCN stark erhöht ist (SCHWARTZ et al., 2001).

2.3.4. Licht als Synchronisator der inneren Uhr

Licht ist das am stärksten synchronisierende Signal für circadiane Rhythmen bei Säugetieren.

Es erreicht den SCN über den retinohypothalamischen Trakt. Neben den klassischen Photorezeptoren der Retina, den Zapfen und Stäbchen, scheinen spezielle retinale Ganglienzellen mit Melanopsin als Photorezeptor zu existieren. Diese Melanopsin-positiven Zellen projizieren direkt in den SCN und scheinen vom visuellen System unabhängig zu sein (HATTAR et al., 2002). Eine zweite Projektion kommt vom „intergeniculate leaflet”, das über den geniculohypothalamischen Trakt (GHT) in den SCN projiziert (MOORE, 1983;

MOORE u. LEAK, 2001). Diese beiden Projektionen bilden den sogenannten „input pathway” zum SCN als zentralem Oszillator. Die Information wird über die unter 2.1.3.

beschriebene Verbindung, dem sogenannten „output pathway”, zur Epiphyse weitergeleitet, einem typischen Zielorgan des SCN, das durch synchronisierte, periodische Auschüttung von Melatonin dessen Zielgewebe über Umweltbedingungen wie Tages- oder Jahreszeit informiert. Daneben wirkt das Hormon der Epiphyse auch wieder zurück auf den ihr vorgeschalteten SCN, in dem bei vielen Spezies Melatoninrezeptoren detektierbar sind (SCHWARTZ et al., 2001). Das Verständnis der molekularen Uhr könnte das Wissen darüber verbessern, inwieweit einzelne Genmutationen im Zusammenhang mit pathologischen psychischen Zuständen, wie zum Beispiel Depression und SAD, stehen.

(25)

2.4. Der Melatoninrezeptor

2.4.1. Identifizierung der Melatoninrezeptoren

Die spezifische Wirkung von Hormonen, wie Melatonin, wird über Rezeptoren vermittelt, die sich auf oder in den Zielzellen der Hormone befinden. Melatonin ist ein stark lipophiles Molekül, das demnach recht einfach Zellmembranen penetrieren kann. Es konnten auch spezifische Bindungsstellen in Kernfraktionen von Tiergeweben gefunden werden (ACUNA- CASTROVIEJO, 1994), es hat sich jedoch gezeigt, dass die Melatoninwirkung über hochaffine Transmembranrezeptoren vermittelt wird, die zur Superfamilie der G-Protein- gekoppelten Rezeptoren gehören. Membranassoziierte Melatoninrezeptoren konnten bei allen untersuchten Tierspezies und beim Menschen gefunden werden (KOKKOLA u. LAITINEN, 1998).

Die erfolgreiche Synthese von 2-[125I]-Iodomelatonin, einem hochaffinen Melatoninrezeptoragonisten mit hoher spezifischer Aktivität (energiereicher β- und γ- Strahler) und sein Einsatz in Bindungsassays und in der Rezeptorautoradiographie ermöglichten die pharmakologische Charakterisierung und Lokalisierung von Melatoninbindungsstellen. Aufgrund pharmakologischer und kinetischer Unterschiede wurde vorgeschlagen, die Melatoninrezeptoren der Säugetiere in zwei Subtypen zu unterteilen – ML1

und ML2 (DUBOCOVICH, 1995). Die Bindung von 2-[125I]-Iodomelatonin an ML1- Bindungsstellen ist hochaffin mit einer Dissoziationskonstante Kd im pikomolaren Bereich (Kd <300 pM), sie ist reversibel und sättigbar. Dagegen ist die Bindung von 2-[125I]- Iodomelatonin an ML2-Bindungsstellen von niedriger Affinität mit einer Dissoziationskonstante im nanomolaren Bereich (Kd=0,9-10,0 nM) mit schneller Dissoziations- und Assoziationskinetik. (Der Kd-Wert ist diejenige Konzentration eines Hormons oder Liganden, bei der die Hälfte aller Bindungsstellen einen Liganden gebunden hat, das heißt, niedrige Kd-Werte weisen auf eine hohe Affinität des Rezeptors für seinen Liganden hin.) Die 2-[125I]-Iodomelatonin-Bindung an ML1 und ML2 zeigen deutliche Unterschiede in Hinsicht auf ihre Sensitivität gegenüber Ionen (Na+, Ca2+, Mg2+), Guanidinnukleotiden (GTP) und verschiedenen Temperaturen. Zusätzlich zeigt sich ein deutlicher Speziesunterschied. Die pharmakologische Spezifität der Bindungsstellen, das heißt, die Eigenschaft, dem Melatonin nahe verwandte Substanzen mit unterschiedlicher Affinität zu binden, ließ sich durch Kompetitionsstudien mit Melatoninrezeptoragonisten darstellen. Die Potenz der Agonisten, 2-[125I]-Iodomelatonin von seinen Bindungsstellen zu

(26)

verdrängen, führt zu deren Anordnung in einer charakteristischen Reihenfolge, die zwischen beiden Subtypen variiert. Das pharmakologische Profil der ML1-Bindungsstelle sieht folgendermaßen aus: 2-Iodomelatonin ≥ Melatonin > 6-Hydroxymelatonin >> N-Acetyl-5- Hydroxytryptamin >> Prazosin. Jenes der ML2-Bindungsstelle zeigt folgende Reihenfolge: 2- Iodomelatonin > Prazosin ≥ N-Acetyl-5-Hydroxytryptamin ≥ Melatonin ≥ 5- Hydroxymelatonin > 5- Hydroxytryptamin (DUBOCOVICH, 1995). Es konnte gezeigt werden, das es sich bei der sogenannten ML2-Bindungsstelle um eine Melatonin-sensitive Quinonreduktase (QR2) handelt. Diese Bindungsstelle stellt also keinen Rezeptor dar (NOSJEAN et al., 2001). Später stellte sich heraus, dass die ML1-Bindungsstelle die bei den Säugetieren bekannten Melatoninrezeptoren MT1 und MT2 repräsentiert.

2.4.2. Verteilungsmuster der Melatoninrezeptoren

Die Gewebeverteilung von [125I]-Iodomelatonin-Bindungsstellen ist sehr speziesspezifisch.

Bei niedrigeren Vertebraten findet man Bindungsstellen in verschiedenen neuralen und peripheren Strukturen. Dagegen ist die Verteilung bei den Säugetieren deutlich begrenzter.

Die hochaffinen Melatoninbindungsstellen im SCN sind ein gemeinsames Merkmal fast aller Säugetiere. Sie vermitteln möglicherweise die Wirkung des Melatonins auf die biologische Uhr, deren Sitz im SCN vermutet wird. Rezeptoren in der Pars tuberalis des Hypothalamus werden mit der Reproduktion sich saisonal fortpflanzender Spezies in Verbindung gebracht (REPPERT et al., 1994). Bindungsstellen im Nucleus paraventricularis des Thalamus könnten regulierend auf limbische Funktionen wirken bzw. hypnotische Effekte des Melatonins vermitteln, während jene in cerebralen und kaudalen Arterien Einfluss auf die kardiovaskuläre Funktion und Temperaturregulation (VISWANATHAN et al., 1990) haben könnten. Es wurden Rezeptoren in der plexiformen Nervenschicht der Retina nachgewiesen, die vermutlich die Wirkung von Melatonin bei der Adaptation der Photorezeptoren bei schwachem Außenlicht vermitteln (DUBOCOVICH, 1983). Beim Menschen konnten Bindungsstellen in verschiedenen Regionen des Gehirns, darunter dem SCN, der Pars tuberalis der Hypophyse, dem temporalen Cortex und dem Cerebellum, sowie in peripheren Geweben, wie der Niere, Granulosazellen und der Prostata nachgewiesen werden (KOKKALA u. LAITINEN, 1998).

(27)

2.4.3. Entdeckung erster funktioneller Rezeptoren

Eine der ersten Funktionen physiologischer Mengen Melatonins auf den Melatoninrezeptor bei Säugetieren wurde in der Retina von Kaninchen beobachtet. Dort inhibiert Melatonin die Ca2+-abhängige Freisetzung von Dopamin über einen Rezeptor, der dem pharmakologischen Profil von ML1 entspricht (DUBOCOVICH, 1983). In der Pars tuberalis der Hypophyse, einer Region mit der deutlichsten 2-[125I]-Iodomelatonin-Bindung bei Säugetieren, inhibiert Melatonin die Forskolin-stimulierte c-AMP-Produktion (HAZLERIGG et al., 1993) und in der Pars distalis der Hypophyse (Hypophysis anterior) neonataler Ratten führt Melatonin zur Inhibition der GnRH-induzierten Freisetzung des Luteinisierungshormons LH (MARTIN et al., 1985) und ansteigendem Ca2+-Einstrom durch spannungsabhängige Kanäle.

2.4.4. Klonierung eines Melatoninrezeptors

Der erste hochaffine Melatoninrezeptor konnte aus der DNA einer Zelllinie von Xenopus laevis Hautmelanophoren kloniert werden (EBIWASA et al., 1994), erst 36 Jahre nach Entdeckung der Melatoninstruktur durch LERNER. Das Gen kodiert für ein Protein von 420 Aminosäuren mit sieben hydrophoben Segmenten, die die Transmembrandomainen G- Protein-gekoppelter Rezeptoren darstellen. Es besteht eine Kopplung an ein inhibitorisches G- Protein (Gi). Die Aktivierung des Rezeptors führt zur Inhibition einer Adenylatzyklase über einen Pertussis-Toxin-sensitiven Mechanismus (EBIWASA et al., 1994). Wenig später konnte ein hochaffiner Melatoninrezeptor von Mensch und Schaf kloniert werden, der auf Aminosäureniveau 65% Homologie zum Xenopus Rezeptor zeigte (REPPERT et al., 1994).

Kaum ein Jahr später konnte ein zweiter Melatoninrezeptor des Menschen kloniert werden, der sich in seinem pharmakologischen Verhalten und seiner Gewebeverteilung deutlich von dem zuvor klonierten abgrenzte und als Mel1b-Rezeptor (MT2) bezeichnet wurde (REPPERT et al., 1995). Bisher konnten mehr als 20 homologe Rezeptoren und Rezeptorfragmente von verschiedenen Tierklassen kloniert werden, unter anderem von Zebrafisch, Huhn, Ratte, Hamster, Maus, Schwein und Kuh (KOKKOLA u. LAITINEN, 1998). Es existieren drei genetisch determinierte Rezeptorsubtypen Mel1a (MT1), Mel1b (MT2) und Mel1c, von denen Mel1a und Mel1b in Säugetieren vorkommen. Inzwischen wurde eine neue Nomenklatur, vorgeschlagen durch M. L. DUBOCOVICH, vereinbart und vom Nomenklaturkomitee

(28)

genehmigt (DUBOCOVICH et al., 1998). Demnach wird der Mel1a-Rezeptor jetzt MT1 und der Mel1b-Rezeptor als MT2 bezeichnet.

Die Melatoninrezeptorproteine haben eine Länge von 346-420 Aminosäuren und ein geschätztes Molekulargewicht von 39-47 kDa. Die Rezeptoren gehören in die große Superfamilie der G-Protein-gekoppelten Rezeptoren, deren gemeinsames Merkmal eine einzige Polypeptidkette mit sieben Transmembrandomänen ist, die intra- und extrazelluläre Schleifen miteinander verbinden. Rezeptoren dieser Superfamilie zeigen extrazelluläre N- Termini, intrazelluläre C-Termini und einige konservierte Aminosäurereste.

Melatoninrezeptoren zeigen jedoch wenig Ähnlichkeit zu den meisten prototypischen Rezeptoren dieser Gruppe.

Auf dem Proteinniveau zeigt der Xenopus Mel1c-Rezeptor noch die höchste Homologie, 25%, mit µ-Opioid-Rezeptoren und dem Somatostatin SSTR2-Rezeptor. Mehrere konservierte Aminosäureabschnitte sind bei den Melatoninrezeptoren abweichend. Die Rezeptoren zeigen ein bis zwei Glykosylierungsstellen und verschiedene potentielle Protein- Kinase-C-Phosphorylierungsstellen.

Die kodierende Region aller bisher geklonten Melatoninrezeptoren besteht aus zwei Exons, die durch ein relativ langes Intron (> 2 kb) getrennt werden. Demnach könnten alternative

Abb. 2.4.: Mögliche Struktur des Melatonin-Rezeptors von Xenopus laevis. Die sieben Transmembrandomänen mit dem extrazellulären N-Terminus und dem intrazellulären C-Terminus, sowie einer möglichen Glykosylierungsstelle (Ψ) sind dargestellt. (aus EBISAWA, 1994)

(29)

Splicevarianten des Rezeptors existieren, die zu wechselnder Struktur und Funktion führen würden. Bisher ergab sich jedoch kein Hinweis auf solche Varianten (KOKKOLA u.

LAITINEN, 1998). Die humanen MT1- und MT2-Rezeptoren befinden sich auf verschiedenen Chromosomen (REPPERT et al., 1995). Bisher konnten keine genetischen Krankheiten mit Mutationen auf einer der beiden Genloci für die Melatoninrezeptoren in Verbindung gebracht werden.

2.4.5. Relevanz der verschiedenen Subtypen

Der MT1-Rezeptor wird bei Säugetieren in vielen Hirnarealen, einschließlich SCN und Pars tuberalis der Hypophyse, exprimiert (REPPERT et al., 1994). Dies hat zu der Hypothese geführt, dass dieser Subtyp einen Großteil der circadianen und saisonalen Wirkungen des Melatonins vermittelt. Unterstützt wurde diese Hypothese durch Untersuchungen an MT2- Knockout-Hamstern, die eine ungestörte saisonale Reproduktion und circadiane Rhythmik als Reaktion auf Melatonin zeigten (WEAVER et al., 1996). Dieser Melatoninrezeptor konnte beim Menschen in den meisten Hirnarealen und in der Retina, jedoch nicht in der Hypophyse, Leber, Niere oder in weißen Blutzellen detektiert werden. Die MT2-Rezeptoren zeigen insgesamt sehr niedrige Expressionsniveaus. Über RT-PCR-Studien konnte gezeigt werden, dass sie in der Retina und noch deutlich niedriger im gesamten Gehirn exprimiert werden.

Ihre physiologische Rolle ist noch nicht geklärt. Vermutlich vermitteln sie die lichtabhängige Wirkung von Melatonin auf die Retina. Es ist nicht auszuschließen, dass sie an den reproduktiven oder circadianen Funktionen, vermittelt über die MT1-Rezeptoren, partizipieren (REPPERT et al., 1995). Ein Einfluss des MT2-Rezeptors auf die Melatonin- induzierten Phasen-Verschiebung konnte nachgewiesen werden (LIU et al., 1997). Der Mel1c-Rezeptor konnte nur bei Wirbeltieren, die nicht zur Gruppe der Säugetieren gehören, gefunden werden.

2.4.6. Signaltransduktionsweg der Melatoninrezeptoren

Die hauptsächliche Signaltransduktion in hochaffinen MT1- und MT2-Rezeptoren verläuft über eine Inhibition der Forskolin-stimulierten cAMP-Bildung durch Pertussistoxin-sensitive inhibitorische G-Proteine. Der mutmaßliche MT2-Rezeptor scheint an einen Phospholipase-

(30)

mediierten Signaltransduktionsweg durch Kopplung mit einem G-Protein gebunden zu sein (DUBOCOVICH, 1995).

Vermutlich treten nach Hormonbindung membranständige Melatoninrezeptoren durch Konformationsänderung mit einem inhibitorischen G-Protein (Gi) in Kontakt und aktivieren dieses. Das aus drei Untereinheiten bestehende Protein bindet bei Aktivierung GTP und dissoziiert in eine Gα-GTP-Untereinheit und eine Gβγ-Untereinheit. Anschließend tritt die Gα-GTP-Untereinheit in Kontakt mit der Adenylatzyklase und hemmt so die Neubildung von cAMP aus ATP. Durch seine intrinsische GTPase-Aktivität kommt es zur Reassoziation des Gi-Proteins. Es ist möglich, dass noch weitere Signaltransduktionswege, zum Beispiel über Inositolphosphat oder Calcium, beteiligt sind (MORGAN, 1991).

2.5. Der Alterungsprozess 2.5.1. Theorien des Alterns

Das Altern (Seneszenz) von Organismen ist ein unvermeidbarer, universeller und trotz intensiver Bemühungen der Wissenschaft immer noch weitgehend unverstandener Vorgang.

Die Prozesse des Alterns sind die Folge zweier irreversibler biologischer Vorgänge, zum einen dem Verlust der Funktionalität (physiologischer Funktionen), zum anderen dem Verlust der Resistenz und Anpassungsfähigkeit gegenüber exogenen Umwelteinflüssen. Dies gilt für Menschen, Tiere und Pflanzen, und auch auf der Ebene von Geweben oder Zellen. Während die maximale Lebenserwartung genetisch bestimmt zu sein scheint, stehen viele physiologische Aspekte des Alterns unter dem Einfluss verschiedener Faktoren der Umwelt und der Lebensweise des Individuums. Altern ist die Akkumulation von Veränderungen im Organismus, die das Risiko des Todes erhöht (HARMAN, 1994), oder neutraler ausgedrückt alle zeitbezogenen Vorgänge, die während des Lebens in einem Organismus vorkommen (MASORO, 1998). Zum Verständnis des Alterungsprozesses wurden im Laufe der Zeit zahlreiche Theorien und Modelle vorgeschlagen, die sowohl genetische Faktoren als auch Umweltfaktoren berücksichtigen. Einige bekanntere Modelle sollen in diesem Zusammenhang kurz erläutert werden.

Die „Hypothese der somatischen Mutation” (MORLEY, 1995) geht davon aus, dass Mutationen an der DNA somatischer Zellen eine entscheidende Rolle im Alterungsprozess spielen. Neben Spontanmutationen, die in recht niedriger Rate vorkommen, kommen

(31)

Mutationen ausgelöst durch mutagene Agenzien wie energiereiche Strahlung oder bestimmte Chemikalien vor. Infolge dessen kann es zu Punktmutationen, an Basen der DNA- Doppelhelix, bei denen eine der vier Basen durch eine andere ausgetauscht wird, zu Basendeletionen oder chemischen Modifikationen von Basen kommen. Auch Chromosomenstrangbrüche sind eine mögliche Folge. Endogene Reparaturmechanismen können Mutationen nur teilweise wieder rückgängig machen. Ein mutiertes Gen kann zur Expression eines nicht-funktionellen Proteins führen und die Akkumulation von Mutationen im Alter könnte schließlich erhebliche Funktionseinbußen mit sich bringen (RICKLEFS u.

FINCH, 1995).

Die Verfechter der „Freien-Radikal-Theorie” des Alterns vertreten die Meinung, dass oxidative Prozesse einen Großteil zum Alterungsprozess und zu degenerativen Krankheiten des Alters, wie Krebs, kardiovaskulären Krankheiten, abnehmender Leistung des Immunsystems, degenerativen Gehirnerkrankungen und Katarakten, beitragen. Auslösende Agenzien für Oxidationen sind reaktionsfreudige freie Radikale, das sind Moleküle mit freien ungepaarten Elektronen, die als Nebenprodukte des aeroben Stoffwechsels (aus Mitochondrien und Peroxisomen), sowie Phagozytoseprozessen, und durch energiereiche Strahlung entstehen. Zu diesen Radikalen zählen Superoxide (O2·), Hydrogenperoxide (H2O2) und Hydroxylradikale (·OH). Oxidantien verursachen erheblichen Schaden an DNA, Proteinen und Lipiden. Obwohl Reparaturmechanismen für oxidative DNA-Schäden in der Zelle vorhanden sind, können nicht alle DNA-Schäden „repariert” werden. MICHEALIS und Mitarbeiter stellten fest, dass die Schäden zusätzlich noch die spontane Mutationsrate der DNA erhöhen (MICHAELIS et al., 1992). Es konnte gezeigt werden, dass es im Alter zu einem Anstieg oxidierter Proteine kommt, der auch bei unphysiologisch vorzeitigem Altern, wie bei der Progeria des Menschen, beobachtet werden kann (STADTMAN, 1992). In einem Versuch mit sogenannten „TTD-Mäusen”, Mäusen mit einer Mutation an einem Gen, das für DNA-Helikase kodiert, die für die Transkription und für Reparaturmechanismen an der DNA,

„nucleotid excision repair”, verantwortlich ist, zeigten viele Anzeichen verfrühten Alterns (DE BOER et al., 2002). Dieses Gen ist beim Menschen verantwortlich für die Trichthiodystrophy (TTD). Ob die vorgezogene Alterung allein durch Akkumulation von nichtreparierten DNA-Schäden zustande kommt, ist nicht sicher, ein deutlicher Einfluss wird jedoch angenommen. Schäden an DNA, Proteinen und Lipiden kumulieren im Alter (AMES et al., 1993). Der einzige Schutz vor oxidativen Schäden scheint nach heutigem Stand die Aufnahme von Antioxidantien, vor allem Askorbaten (Vitamin C), Tokopherolen (Vitamin E) und Karotinoiden mit der Nahrung, das heißt mit Obst und Gemüse, zu sein. Auch dem

(32)

Melatonin werden antioxidatorische Eigenschaften zugesprochen, weshalb es in einigen Teilen der Erde als Nahrungssupplement konsumiert wird. Daneben scheint kalorische Restriktion, vermutlich auch Proteinrestriktion, zu einer Verminderung von oxidativen Schäden zu führen (AMES et al., 1993 ; BECKMAN u. AMES, 1998, HARMAN, 1993).

Bei der „Mitochondrien-Theorie des Alterns” spricht man den Mitochondrien, auch genannt

„Kraftwerke der Zelle”, die in allen Zellen als lebensnotwendige Organellen vorkommen, einen erheblichen Einfluss im Rahmen des Alterungsprozesses zu. Mitochondrien stellen energiereiches ATP für den Zellstoffwechsel zur Verfügung. Dazu wird über die mitochondriale Elektronentransportkette nahezu 85% des Sauerstoffs einer Zelle verbraucht, und es werden in erheblicher Menge Oxidantien produziert. Mitochondrien besitzen eigene DNA, sogenannte mtDNA, die an der inneren Mitochondrienmembran lokalisiert ist. Mit dem Alter kommt es an der mtDNA zunehmend zu oxidativen Schäden und Mutationen in Form von Basendeletionen. Zusammen mit der oxidativen Schädigung von mitochondrialen Proteinen und Lipiden der Zellmembran kommt es zu einer abnehmenden mitochondrialen Funktion und einem folgenden Energiedefizit der Zelle, das die normale Zellaktivität beeinflussen kann, die Fähigkeit der Zelle vermindert, sich an physiologischen Stress anzupassen und eventuell sogar zum Zelltod führt. Mitochondriale Dysfunktionen kommen auch im neuralen und neuroendokrinen Gewebe sowie im Immunsystem vor. Dies kann im Alter zu neurodegenerativen Prozessen wie Parkinson, Alzheimer oder amyoptrophischer Lateralsklerose und zu Immundefizienz beitragen (SHIGENAGA et al., 1994).

Es konnte beobachtet werden, dass Telomere, spezielle Strukturen am Ende linearer eukaryontischer Chromosomen, bestehend aus vielen Tandemkopien einer kurzen Oligonukleotidsequenz, sich mit zunehmenden Alter durch nachlassende Telomeraseaktivität infolge zunehmender Anzahl Zellteilungen, verkürzen. HAYFLICK beobachtete, dass normale Zellen nur eine limitierte Anzahl von Replikationszyklen durchlaufen können, bevor sie untergehen (HAYFLICK, 1965). Bei kultivierten Fibroblasten gibt es einen umgekehrt linearen Zusammenhang zwischen der Länge der Telomere und der Zahl von Zellzyklen beziehungsweise dem Alter des Individuums (HARLEY, 1990). Daraus entstand die

„Telomerhypothese der Zellalterung”, die in der allmählichen Verkürzung der Telomere einen Schlüssel zum Vorgang des Alterns sieht. Die stabile Transfektion mit Telomeraseexpressionsvektoren wird in der Zellbiologie mit wechselndem Erfolg zur Immortalisierung von Zielzellen eingesetzt.

Die „Immunseneszenztheorie” betrachtet die altersabhängigen physiologischen Veränderungen im Immunsystem auf zellulärer Ebene. Sie sieht die verminderte

(33)

Leistungsfähigkeit des Immunsystems als eine der Hauptfaktoren, die die Lebenserwartung des Organismus beeinflussen. Im Alter wird ein deutlicher Anstieg von Infektionen, Autoimmunerkrankungen und Krebs beobachetet. Ein direkt kausaler Zusammenhang zwischen Veränderungen im Immunsystem und dem Auftreten genannter Krankheiten konnte nicht bewiesen werden. Die Zahl nativer reaktiver T-Zellen scheint im Alter abzunehmen, während die Anzahl der T-Gedächtniszellen zunimmt. Dies wird zum Teil als Folge der Thymusinvolution gesehen (HIROKAWA, 1992), die jedoch schon nach der Pubertät beginnt. Im alternden Organismus wird eine erhöhte Anzahl von Autoantikörpern gefunden (FRANCESCGI et al,. 1995). Während einige Arbeitsgruppen keine Veränderung in der Zahl zirkulierender B-Zellen im Alter beobachten konnten, beobachtete FRANCESCHI eine Abnahme der peripheren B-Lymphozyten gleichzeitig mit einer Zunahme an Immunglobulinen beim Menschen. Die Anzahl der Makrophagen scheint konstant zu bleiben, wobei ihre Aktivität zuzunehmen scheint (RICKLEFS u. FINCH, 1995). Die IL-2-Produktion scheint mit dem Alter abzunehmen (GILLIS et al., 1981), während andere Cytokine, wie zum Beispiel IL-6, möglicherweise zunehmen. Allgemein sind vergleichende Untersuchungen des Immunsystems bei jungen und alten Individuen doch recht widersprüchlich, auch abhängig von der Spezies, wobei Nagetiere im Labor oft dramatische Altersunterschiede aufweisen.

Während die Veränderungen des Immunsystems zum Teil als unidirektional verlaufende Leistungsminderung verstanden wurde (HIROKAWA, 1992), verstehen andere die Veränderungen mehr als einen dynamischen Prozeß mit Vor- und Nachteilen für das alternde Individuum (FRANCESCHI et al, 1995).

Keine dieser Alterungstheorien ist in der Lage oder versucht für sich alleine, alle beobachteten Veränderungen des alternden Organismus zu erklären. Vielmehr handelt es sich um Erklärungsversuche und mögliche Schlüsselkomponenten im Alterungsprozess.

2.5.2. Die alternde Epiphyse

Mit zunehmenden Alter vermindert sich die Melatoninsekretion; dies scheint im Zusammenhang mit der generellen Abnahme der Funktionaliät von Organen im Alter zu stehen. An syrischen Hamstern konnte eine deutliche Abnahme der Amplitude des Melatonin- Peaks während der Nacht bei alten (18 Monate) männlichen und weiblichen Hamstern gegenüber jungen Tieren (2 Monate) beobachtet werden (REITER et al., 1980). Dies wird unterstützt durch Untersuchungen an weiblichen Ratten im Alter von 2, 12 und 29 Monaten.

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Die physiologischen Wege zur Depression sind möglicherweise sehr vielfältig, wofür nicht zuletzt das unterschiedliche Ansprechen der Patienten auf verschiedene The-

Sollten sich die Ergebnisse der Autoren in weiteren Studien bestätigen, so empfehlen sie, bei Patienten unter einer Imatinibtherapie die Serum- phosphat- und Vitamin-D-Spiegel

Zur Untersuchung des Melatoningehalts von UIva lactuca (im Folgenden als UIva bezeichnet) wurde Freilandmaterial verwendet, welches makroskopisch weitgehend frei von

Die Anwendung von Melatonin bei Patienten mit Le- berfunktionsstörungen wird nicht empfohlen, bei Patienten mit einer schweren Niereninsuffizienz ist eine

Wenn Sie eine größere Menge von Melatonin Vitabalans eingenommen haben, als Sie sollten oder ein Kind versehentlich Melatonin Vitabalans eingenommen hat, wenden Sie sich immer an

Oxidation products formed from melatonin in various radical-generating systems. In: Actions and redox properties of melatonin and other aromatic amino acid metabolites. by

Hier kann beispielsweise die Hypothese von Baltes (1993) überprüft werden, dass Personen mit höherer Bildung, die sich auch bis ins höhere Lebensalter

Im Rahmen der Arbeit wurde in vitro gezeigt, dass durch die Vorbehandlung der EPCs mit Melatonin die Freisetzung von VEGF gesteigert wird. Der