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Das Altern (Seneszenz) von Organismen ist ein unvermeidbarer, universeller und trotz intensiver Bemühungen der Wissenschaft immer noch weitgehend unverstandener Vorgang.

Die Prozesse des Alterns sind die Folge zweier irreversibler biologischer Vorgänge, zum einen dem Verlust der Funktionalität (physiologischer Funktionen), zum anderen dem Verlust der Resistenz und Anpassungsfähigkeit gegenüber exogenen Umwelteinflüssen. Dies gilt für Menschen, Tiere und Pflanzen, und auch auf der Ebene von Geweben oder Zellen. Während die maximale Lebenserwartung genetisch bestimmt zu sein scheint, stehen viele physiologische Aspekte des Alterns unter dem Einfluss verschiedener Faktoren der Umwelt und der Lebensweise des Individuums. Altern ist die Akkumulation von Veränderungen im Organismus, die das Risiko des Todes erhöht (HARMAN, 1994), oder neutraler ausgedrückt alle zeitbezogenen Vorgänge, die während des Lebens in einem Organismus vorkommen (MASORO, 1998). Zum Verständnis des Alterungsprozesses wurden im Laufe der Zeit zahlreiche Theorien und Modelle vorgeschlagen, die sowohl genetische Faktoren als auch Umweltfaktoren berücksichtigen. Einige bekanntere Modelle sollen in diesem Zusammenhang kurz erläutert werden.

Die „Hypothese der somatischen Mutation” (MORLEY, 1995) geht davon aus, dass Mutationen an der DNA somatischer Zellen eine entscheidende Rolle im Alterungsprozess spielen. Neben Spontanmutationen, die in recht niedriger Rate vorkommen, kommen

Mutationen ausgelöst durch mutagene Agenzien wie energiereiche Strahlung oder bestimmte Chemikalien vor. Infolge dessen kann es zu Punktmutationen, an Basen der DNA-Doppelhelix, bei denen eine der vier Basen durch eine andere ausgetauscht wird, zu Basendeletionen oder chemischen Modifikationen von Basen kommen. Auch Chromosomenstrangbrüche sind eine mögliche Folge. Endogene Reparaturmechanismen können Mutationen nur teilweise wieder rückgängig machen. Ein mutiertes Gen kann zur Expression eines nicht-funktionellen Proteins führen und die Akkumulation von Mutationen im Alter könnte schließlich erhebliche Funktionseinbußen mit sich bringen (RICKLEFS u.

FINCH, 1995).

Die Verfechter der „Freien-Radikal-Theorie” des Alterns vertreten die Meinung, dass oxidative Prozesse einen Großteil zum Alterungsprozess und zu degenerativen Krankheiten des Alters, wie Krebs, kardiovaskulären Krankheiten, abnehmender Leistung des Immunsystems, degenerativen Gehirnerkrankungen und Katarakten, beitragen. Auslösende Agenzien für Oxidationen sind reaktionsfreudige freie Radikale, das sind Moleküle mit freien ungepaarten Elektronen, die als Nebenprodukte des aeroben Stoffwechsels (aus Mitochondrien und Peroxisomen), sowie Phagozytoseprozessen, und durch energiereiche Strahlung entstehen. Zu diesen Radikalen zählen Superoxide (O2·), Hydrogenperoxide (H2O2) und Hydroxylradikale (·OH). Oxidantien verursachen erheblichen Schaden an DNA, Proteinen und Lipiden. Obwohl Reparaturmechanismen für oxidative DNA-Schäden in der Zelle vorhanden sind, können nicht alle DNA-Schäden „repariert” werden. MICHEALIS und Mitarbeiter stellten fest, dass die Schäden zusätzlich noch die spontane Mutationsrate der DNA erhöhen (MICHAELIS et al., 1992). Es konnte gezeigt werden, dass es im Alter zu einem Anstieg oxidierter Proteine kommt, der auch bei unphysiologisch vorzeitigem Altern, wie bei der Progeria des Menschen, beobachtet werden kann (STADTMAN, 1992). In einem Versuch mit sogenannten „TTD-Mäusen”, Mäusen mit einer Mutation an einem Gen, das für DNA-Helikase kodiert, die für die Transkription und für Reparaturmechanismen an der DNA,

„nucleotid excision repair”, verantwortlich ist, zeigten viele Anzeichen verfrühten Alterns (DE BOER et al., 2002). Dieses Gen ist beim Menschen verantwortlich für die Trichthiodystrophy (TTD). Ob die vorgezogene Alterung allein durch Akkumulation von nichtreparierten DNA-Schäden zustande kommt, ist nicht sicher, ein deutlicher Einfluss wird jedoch angenommen. Schäden an DNA, Proteinen und Lipiden kumulieren im Alter (AMES et al., 1993). Der einzige Schutz vor oxidativen Schäden scheint nach heutigem Stand die Aufnahme von Antioxidantien, vor allem Askorbaten (Vitamin C), Tokopherolen (Vitamin E) und Karotinoiden mit der Nahrung, das heißt mit Obst und Gemüse, zu sein. Auch dem

Melatonin werden antioxidatorische Eigenschaften zugesprochen, weshalb es in einigen Teilen der Erde als Nahrungssupplement konsumiert wird. Daneben scheint kalorische Restriktion, vermutlich auch Proteinrestriktion, zu einer Verminderung von oxidativen Schäden zu führen (AMES et al., 1993 ; BECKMAN u. AMES, 1998, HARMAN, 1993).

Bei der „Mitochondrien-Theorie des Alterns” spricht man den Mitochondrien, auch genannt

„Kraftwerke der Zelle”, die in allen Zellen als lebensnotwendige Organellen vorkommen, einen erheblichen Einfluss im Rahmen des Alterungsprozesses zu. Mitochondrien stellen energiereiches ATP für den Zellstoffwechsel zur Verfügung. Dazu wird über die mitochondriale Elektronentransportkette nahezu 85% des Sauerstoffs einer Zelle verbraucht, und es werden in erheblicher Menge Oxidantien produziert. Mitochondrien besitzen eigene DNA, sogenannte mtDNA, die an der inneren Mitochondrienmembran lokalisiert ist. Mit dem Alter kommt es an der mtDNA zunehmend zu oxidativen Schäden und Mutationen in Form von Basendeletionen. Zusammen mit der oxidativen Schädigung von mitochondrialen Proteinen und Lipiden der Zellmembran kommt es zu einer abnehmenden mitochondrialen Funktion und einem folgenden Energiedefizit der Zelle, das die normale Zellaktivität beeinflussen kann, die Fähigkeit der Zelle vermindert, sich an physiologischen Stress anzupassen und eventuell sogar zum Zelltod führt. Mitochondriale Dysfunktionen kommen auch im neuralen und neuroendokrinen Gewebe sowie im Immunsystem vor. Dies kann im Alter zu neurodegenerativen Prozessen wie Parkinson, Alzheimer oder amyoptrophischer Lateralsklerose und zu Immundefizienz beitragen (SHIGENAGA et al., 1994).

Es konnte beobachtet werden, dass Telomere, spezielle Strukturen am Ende linearer eukaryontischer Chromosomen, bestehend aus vielen Tandemkopien einer kurzen Oligonukleotidsequenz, sich mit zunehmenden Alter durch nachlassende Telomeraseaktivität infolge zunehmender Anzahl Zellteilungen, verkürzen. HAYFLICK beobachtete, dass normale Zellen nur eine limitierte Anzahl von Replikationszyklen durchlaufen können, bevor sie untergehen (HAYFLICK, 1965). Bei kultivierten Fibroblasten gibt es einen umgekehrt linearen Zusammenhang zwischen der Länge der Telomere und der Zahl von Zellzyklen beziehungsweise dem Alter des Individuums (HARLEY, 1990). Daraus entstand die

„Telomerhypothese der Zellalterung”, die in der allmählichen Verkürzung der Telomere einen Schlüssel zum Vorgang des Alterns sieht. Die stabile Transfektion mit Telomeraseexpressionsvektoren wird in der Zellbiologie mit wechselndem Erfolg zur Immortalisierung von Zielzellen eingesetzt.

Die „Immunseneszenztheorie” betrachtet die altersabhängigen physiologischen Veränderungen im Immunsystem auf zellulärer Ebene. Sie sieht die verminderte

Leistungsfähigkeit des Immunsystems als eine der Hauptfaktoren, die die Lebenserwartung des Organismus beeinflussen. Im Alter wird ein deutlicher Anstieg von Infektionen, Autoimmunerkrankungen und Krebs beobachetet. Ein direkt kausaler Zusammenhang zwischen Veränderungen im Immunsystem und dem Auftreten genannter Krankheiten konnte nicht bewiesen werden. Die Zahl nativer reaktiver T-Zellen scheint im Alter abzunehmen, während die Anzahl der T-Gedächtniszellen zunimmt. Dies wird zum Teil als Folge der Thymusinvolution gesehen (HIROKAWA, 1992), die jedoch schon nach der Pubertät beginnt. Im alternden Organismus wird eine erhöhte Anzahl von Autoantikörpern gefunden (FRANCESCGI et al,. 1995). Während einige Arbeitsgruppen keine Veränderung in der Zahl zirkulierender B-Zellen im Alter beobachten konnten, beobachtete FRANCESCHI eine Abnahme der peripheren B-Lymphozyten gleichzeitig mit einer Zunahme an Immunglobulinen beim Menschen. Die Anzahl der Makrophagen scheint konstant zu bleiben, wobei ihre Aktivität zuzunehmen scheint (RICKLEFS u. FINCH, 1995). Die IL-2-Produktion scheint mit dem Alter abzunehmen (GILLIS et al., 1981), während andere Cytokine, wie zum Beispiel IL-6, möglicherweise zunehmen. Allgemein sind vergleichende Untersuchungen des Immunsystems bei jungen und alten Individuen doch recht widersprüchlich, auch abhängig von der Spezies, wobei Nagetiere im Labor oft dramatische Altersunterschiede aufweisen.

Während die Veränderungen des Immunsystems zum Teil als unidirektional verlaufende Leistungsminderung verstanden wurde (HIROKAWA, 1992), verstehen andere die Veränderungen mehr als einen dynamischen Prozeß mit Vor- und Nachteilen für das alternde Individuum (FRANCESCHI et al, 1995).

Keine dieser Alterungstheorien ist in der Lage oder versucht für sich alleine, alle beobachteten Veränderungen des alternden Organismus zu erklären. Vielmehr handelt es sich um Erklärungsversuche und mögliche Schlüsselkomponenten im Alterungsprozess.

2.5.2. Die alternde Epiphyse

Mit zunehmenden Alter vermindert sich die Melatoninsekretion; dies scheint im Zusammenhang mit der generellen Abnahme der Funktionaliät von Organen im Alter zu stehen. An syrischen Hamstern konnte eine deutliche Abnahme der Amplitude des Melatonin-Peaks während der Nacht bei alten (18 Monate) männlichen und weiblichen Hamstern gegenüber jungen Tieren (2 Monate) beobachtet werden (REITER et al., 1980). Dies wird unterstützt durch Untersuchungen an weiblichen Ratten im Alter von 2, 12 und 29 Monaten.

Während die jungen Tiere gegen 1.00 Uhr nachts einen 17-fach erhöhten Melatoningehalt in der Epiphyse zeigten, war jener der alten Tiere nur 7-fach erhöht, jener der mittelalten Tiere lag dazwischen (REITER et al., 1981), während die AA-NAT-Aktivität keine deutlichen Unterschied zwischen den Tieren aufwies. Eine Tag-Nacht-Rhythmik war bei allen Tieren erhalten. Ähnliche Untersuchungen mit vergleichbaren Ergebnissen wurden von PANG mit männlichen Ratten und Hamstern (PANG etal., 1984, PANG u. TANG, 1983) und von KING mit männlichen Gerbils (KING et al., 1981) durchgeführt. Neben einer niedrigeren Amplitude der Melatoninsekretion konnte bei älteren Organismen auch eine kürzere Dauer des nächtlichen Peaks und eine erniedrigte elektrische Aktivität der Pinealozyten (REUSS et al., 1986) beobachtet werden. Auch beim Menschen konnte eine negative Korrelation zwischen der Höhe der nächtlichen Melatoninsekretion und dem fortschreitenden Alter beobachtet werden (IGUCHI et al., 1982; SACK et al, 1986).

Von den nicht-reproduktiven endokrinen Drüsen scheint keine im Alter so deutlich beeinflusst zu werden wie die Epiphyse. In der Epiphyse kommt es schon in der Jugend zur Ablagerung von Kalksalzen, die kontinuierlich zunimmt, aber in keinerlei Zusammenhang mit einer verminderten Sekretionsleistung zu stehen scheint. Eine mögliche Phasenverschiebung des Melatoninmaximums im fortgeschrittenen Alter und dadurch eine nicht ideale Probenentnahmezeit scheint keine gute Erklärung. Es konnte jedoch eine Reduktion der Anzahl α-adrenerger Rezeptoren auf der Pinealozytenmembran von Ratten beobachtet werden (GREENBERG u. WEISS, 1978), und dies könnte über eine verringerte sympathische Aktivierung zu verminderter Melatoninsynthese führen. Interessanterweise bleibt bei alten restriktiv gefütterten Ratten eine hohe α-Adrenorezeptordichte und eine jungen Tieren vergleichbar hohe Melatoninsekretion erhalten (HENDEN et al., 1992). Theoretisch könnte auch die Rezeptorfunktion in Form einer Resistenz nachlassen, oder postganglionäre Neuronen könnten die Fähigkeit zur Synthese oder Abgabe des Neurotransmitters verlieren.

Ein primäres Altern der Epiphyse mit sinkender Melatoninproduktion müsste demnach negative Folgen auf die durch sie beeinflussten Körperfunktionen haben (PIERPAOLI u.

LESNIKOV, 1994). Die These, das Altern könnte direkt in der Epiphyse beginnen, wird zum Teil durch Ergebnisse aus Epiphysen-Überkreuz-Transplantationen, bei denen Epiphysen junger Tiere in alte Tiere transplantiert werden, unterstützt (PIERPAOLI u. REGELSON, 1994). Diese Ergebnisse sind jedoch sehr differenziert zu betrachten.

2.5.3. Die alternde circadiane Uhr

Im alternden Organismus scheinen sich viele, wenn nicht alle Rhythmen charakteristisch zu verändern. Oft kommt es zu einem Abfall in der Amplitude und zu herabgesetzter Fähigkeit, mit einer periodischen Umwelt zu synchronisieren. Diese herabgesetzte Amplitude kann bei verschiedenen Rhythmen älterer Tiere, wie dem Aktivitäts-, dem Temperatur-, dem Kortikosteron- und dem täglichen Trinkrhythmus, beobachtet werden, wobei Veränderungen verschiedener Rhythmen in unterschiedlichen Stadien des Alterungsprozesses auftreten (WEINERT u. WEINERT, 1999) und zum Teil deutliche individuelle Unterschiede zeigen.

Aktivitätsrhythmen in alternden Tieren zeigen nicht nur verminderte Amplituden, sondern sind oft auch stärker fragmentiert.

Viele Veränderungen scheinen im SCN selber vorzukommen. So nimmt mit zunehmendem Alter die Zahl funktionsfähiger neuropeptid-exprimierender Neurone und die Kopplung zwischen ihnen ab. Der SCN scheint teilweise die Fähigkeit zu verlieren, „stabile Rhythmen”

zu produzieren und Zeitgeberinformationen an seine Zielgewebe weiterzugeben. Unter

„steady state”-Bedingungen zeigen die Rhythmen alter Individuen oft Phasenverschiebungen in Form von „phase advances”, das heißt vorgezogenen Phasen, was bis zur kompletten Entkopplung von der Umwelt und freilaufenden Rhythmen führen kann (WEINERT, 2000).

Die Resynchronisation durch einen Zeitgeber ist bei Mäusen und Ratten im Alter verlangsamt. Rhythmusstörungen können zu verschiedenen Konsequenzen für den Organismus führen, was zu Minderung von Wohlsein und Leistung führen kann. Nicht alle Störungen sind mit Veränderungen im circadianen Schrittmacher selber verbunden, sondern können zum Beispiel in den efferenten Wegen zu den Zielorganen, in den Zielorganen selber oder durch eine herabgesetzte Sensitivität der Retina oder des RHT auf Licht verursacht werden. Inwieweit Melatonin, dessen circadiane Sekretionsrate und Amplitude bei alternden Individuen reduziert ist, hierbei eine Rolle spielt, wird kontrovers diskutiert. Es ist bekannt, dass Melatonin und lokomotorische Aktivität einen „feedback-Effekt” auf den zentralen Schrittmacher ausüben. Da im Alter zunächst die Synchronisationsmechanismen und danach die circadianen Rhythmen schlechter zu werden scheinen (WEINERT u. WEINERT, 1998), müsste es möglich sein, circadiane Rhythmen durch stärkere Zeitgeber zu verbessern. An Mäusen konnte gezeigt werden, dass erhöhte Aktivität altersbedingte Rhythmusstörungen vermindern kann. Auch Fitness-Training über längere Zeit bei älteren Menschen führte zu einer deutlich reduzierten Fragmentierung der Aktivitätsrhythmen (VAN SOMEREN et al., 1997). Eine Verstärkung des Licht-Dunkel-Zyklus als hauptsächlicher Zeitgeber für

Säugetiere, sowie eine Verstärkung weiterer synergistischer Zeitgeber, wie Temperaturzyklen, restriktiver oder terminierter Fütterungsregime, bzw. Essenszeiten beim Menschen, oder sozialer Zeitgeber kann die Stabilität circadianer Rhythmen im Alter verbessern (WEINERT, 2000). Nächtliche Melatoningaben konnten die Insomnia älterer Menschen verbessern (HAIMOV et al., 1995). Dabei ist nicht klar, ob dies auf den sedativen Effekt von Melatonin oder auf seine Wirkung auf das circadiane System zurückzuführen ist. Es konnte beobachtet werden, dass die Dichte der Melatoninrezeptorexpression im SCN alter Mäuse im Vergleich zu jungen Tieren herabgesetzt ist, ohne das die Melatonin-induzierte Phasenverschiebung der Aktivitätsrhythmen beeinflusst ist (BENLOUCIF et al., 1997). Gleiches konnte in alten Ratten mit gestörtem Trinkrhythmus, aber nicht in Ratten mit erhaltenem, robustem Rhythmus beobachtet werden (WHEALIN et al., 1993).