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2.4.1. Identifizierung der Melatoninrezeptoren

Die spezifische Wirkung von Hormonen, wie Melatonin, wird über Rezeptoren vermittelt, die sich auf oder in den Zielzellen der Hormone befinden. Melatonin ist ein stark lipophiles Molekül, das demnach recht einfach Zellmembranen penetrieren kann. Es konnten auch spezifische Bindungsstellen in Kernfraktionen von Tiergeweben gefunden werden (ACUNA-CASTROVIEJO, 1994), es hat sich jedoch gezeigt, dass die Melatoninwirkung über hochaffine Transmembranrezeptoren vermittelt wird, die zur Superfamilie der G-Protein-gekoppelten Rezeptoren gehören. Membranassoziierte Melatoninrezeptoren konnten bei allen untersuchten Tierspezies und beim Menschen gefunden werden (KOKKOLA u. LAITINEN, 1998).

Die erfolgreiche Synthese von 2-[125I]-Iodomelatonin, einem hochaffinen Melatoninrezeptoragonisten mit hoher spezifischer Aktivität (energiereicher β- und γ-Strahler) und sein Einsatz in Bindungsassays und in der Rezeptorautoradiographie ermöglichten die pharmakologische Charakterisierung und Lokalisierung von Melatoninbindungsstellen. Aufgrund pharmakologischer und kinetischer Unterschiede wurde vorgeschlagen, die Melatoninrezeptoren der Säugetiere in zwei Subtypen zu unterteilen – ML1

und ML2 (DUBOCOVICH, 1995). Die Bindung von 2-[125I]-Iodomelatonin an ML1 -Bindungsstellen ist hochaffin mit einer Dissoziationskonstante Kd im pikomolaren Bereich (Kd <300 pM), sie ist reversibel und sättigbar. Dagegen ist die Bindung von 2-[125 I]-Iodomelatonin an ML2-Bindungsstellen von niedriger Affinität mit einer Dissoziationskonstante im nanomolaren Bereich (Kd=0,9-10,0 nM) mit schneller Dissoziations- und Assoziationskinetik. (Der Kd-Wert ist diejenige Konzentration eines Hormons oder Liganden, bei der die Hälfte aller Bindungsstellen einen Liganden gebunden hat, das heißt, niedrige Kd-Werte weisen auf eine hohe Affinität des Rezeptors für seinen Liganden hin.) Die 2-[125I]-Iodomelatonin-Bindung an ML1 und ML2 zeigen deutliche Unterschiede in Hinsicht auf ihre Sensitivität gegenüber Ionen (Na+, Ca2+, Mg2+), Guanidinnukleotiden (GTP) und verschiedenen Temperaturen. Zusätzlich zeigt sich ein deutlicher Speziesunterschied. Die pharmakologische Spezifität der Bindungsstellen, das heißt, die Eigenschaft, dem Melatonin nahe verwandte Substanzen mit unterschiedlicher Affinität zu binden, ließ sich durch Kompetitionsstudien mit Melatoninrezeptoragonisten darstellen. Die Potenz der Agonisten, 2-[125I]-Iodomelatonin von seinen Bindungsstellen zu

verdrängen, führt zu deren Anordnung in einer charakteristischen Reihenfolge, die zwischen beiden Subtypen variiert. Das pharmakologische Profil der ML1-Bindungsstelle sieht folgendermaßen aus: 2-Iodomelatonin ≥ Melatonin > 6-Hydroxymelatonin >> N-Acetyl-5-Hydroxytryptamin >> Prazosin. Jenes der ML2-Bindungsstelle zeigt folgende Reihenfolge: 2-Iodomelatonin > Prazosin ≥ N-Acetyl-Hydroxytryptamin ≥ Melatonin ≥ 5-Hydroxymelatonin > 5- Hydroxytryptamin (DUBOCOVICH, 1995). Es konnte gezeigt werden, das es sich bei der sogenannten ML2-Bindungsstelle um eine Melatonin-sensitive Quinonreduktase (QR2) handelt. Diese Bindungsstelle stellt also keinen Rezeptor dar (NOSJEAN et al., 2001). Später stellte sich heraus, dass die ML1-Bindungsstelle die bei den Säugetieren bekannten Melatoninrezeptoren MT1 und MT2 repräsentiert.

2.4.2. Verteilungsmuster der Melatoninrezeptoren

Die Gewebeverteilung von [125I]-Iodomelatonin-Bindungsstellen ist sehr speziesspezifisch.

Bei niedrigeren Vertebraten findet man Bindungsstellen in verschiedenen neuralen und peripheren Strukturen. Dagegen ist die Verteilung bei den Säugetieren deutlich begrenzter.

Die hochaffinen Melatoninbindungsstellen im SCN sind ein gemeinsames Merkmal fast aller Säugetiere. Sie vermitteln möglicherweise die Wirkung des Melatonins auf die biologische Uhr, deren Sitz im SCN vermutet wird. Rezeptoren in der Pars tuberalis des Hypothalamus werden mit der Reproduktion sich saisonal fortpflanzender Spezies in Verbindung gebracht (REPPERT et al., 1994). Bindungsstellen im Nucleus paraventricularis des Thalamus könnten regulierend auf limbische Funktionen wirken bzw. hypnotische Effekte des Melatonins vermitteln, während jene in cerebralen und kaudalen Arterien Einfluss auf die kardiovaskuläre Funktion und Temperaturregulation (VISWANATHAN et al., 1990) haben könnten. Es wurden Rezeptoren in der plexiformen Nervenschicht der Retina nachgewiesen, die vermutlich die Wirkung von Melatonin bei der Adaptation der Photorezeptoren bei schwachem Außenlicht vermitteln (DUBOCOVICH, 1983). Beim Menschen konnten Bindungsstellen in verschiedenen Regionen des Gehirns, darunter dem SCN, der Pars tuberalis der Hypophyse, dem temporalen Cortex und dem Cerebellum, sowie in peripheren Geweben, wie der Niere, Granulosazellen und der Prostata nachgewiesen werden (KOKKALA u. LAITINEN, 1998).

2.4.3. Entdeckung erster funktioneller Rezeptoren

Eine der ersten Funktionen physiologischer Mengen Melatonins auf den Melatoninrezeptor bei Säugetieren wurde in der Retina von Kaninchen beobachtet. Dort inhibiert Melatonin die Ca2+-abhängige Freisetzung von Dopamin über einen Rezeptor, der dem pharmakologischen Profil von ML1 entspricht (DUBOCOVICH, 1983). In der Pars tuberalis der Hypophyse, einer Region mit der deutlichsten 2-[125I]-Iodomelatonin-Bindung bei Säugetieren, inhibiert Melatonin die Forskolin-stimulierte c-AMP-Produktion (HAZLERIGG et al., 1993) und in der Pars distalis der Hypophyse (Hypophysis anterior) neonataler Ratten führt Melatonin zur Inhibition der GnRH-induzierten Freisetzung des Luteinisierungshormons LH (MARTIN et al., 1985) und ansteigendem Ca2+-Einstrom durch spannungsabhängige Kanäle.

2.4.4. Klonierung eines Melatoninrezeptors

Der erste hochaffine Melatoninrezeptor konnte aus der DNA einer Zelllinie von Xenopus laevis Hautmelanophoren kloniert werden (EBIWASA et al., 1994), erst 36 Jahre nach Entdeckung der Melatoninstruktur durch LERNER. Das Gen kodiert für ein Protein von 420 Aminosäuren mit sieben hydrophoben Segmenten, die die Transmembrandomainen Protein-gekoppelter Rezeptoren darstellen. Es besteht eine Kopplung an ein inhibitorisches G-Protein (Gi). Die Aktivierung des Rezeptors führt zur Inhibition einer Adenylatzyklase über einen Pertussis-Toxin-sensitiven Mechanismus (EBIWASA et al., 1994). Wenig später konnte ein hochaffiner Melatoninrezeptor von Mensch und Schaf kloniert werden, der auf Aminosäureniveau 65% Homologie zum Xenopus Rezeptor zeigte (REPPERT et al., 1994).

Kaum ein Jahr später konnte ein zweiter Melatoninrezeptor des Menschen kloniert werden, der sich in seinem pharmakologischen Verhalten und seiner Gewebeverteilung deutlich von dem zuvor klonierten abgrenzte und als Mel1b-Rezeptor (MT2) bezeichnet wurde (REPPERT et al., 1995). Bisher konnten mehr als 20 homologe Rezeptoren und Rezeptorfragmente von verschiedenen Tierklassen kloniert werden, unter anderem von Zebrafisch, Huhn, Ratte, Hamster, Maus, Schwein und Kuh (KOKKOLA u. LAITINEN, 1998). Es existieren drei genetisch determinierte Rezeptorsubtypen Mel1a (MT1), Mel1b (MT2) und Mel1c, von denen Mel1a und Mel1b in Säugetieren vorkommen. Inzwischen wurde eine neue Nomenklatur, vorgeschlagen durch M. L. DUBOCOVICH, vereinbart und vom Nomenklaturkomitee

genehmigt (DUBOCOVICH et al., 1998). Demnach wird der Mel1a-Rezeptor jetzt MT1 und der Mel1b-Rezeptor als MT2 bezeichnet.

Die Melatoninrezeptorproteine haben eine Länge von 346-420 Aminosäuren und ein geschätztes Molekulargewicht von 39-47 kDa. Die Rezeptoren gehören in die große Superfamilie der G-Protein-gekoppelten Rezeptoren, deren gemeinsames Merkmal eine einzige Polypeptidkette mit sieben Transmembrandomänen ist, die intra- und extrazelluläre Schleifen miteinander verbinden. Rezeptoren dieser Superfamilie zeigen extrazelluläre N-Termini, intrazelluläre C-Termini und einige konservierte Aminosäurereste.

Melatoninrezeptoren zeigen jedoch wenig Ähnlichkeit zu den meisten prototypischen Rezeptoren dieser Gruppe.

Auf dem Proteinniveau zeigt der Xenopus Mel1c-Rezeptor noch die höchste Homologie, 25%, mit µ-Opioid-Rezeptoren und dem Somatostatin SSTR2-Rezeptor. Mehrere konservierte Aminosäureabschnitte sind bei den Melatoninrezeptoren abweichend. Die Rezeptoren zeigen ein bis zwei Glykosylierungsstellen und verschiedene potentielle Protein-Kinase-C-Phosphorylierungsstellen.

Die kodierende Region aller bisher geklonten Melatoninrezeptoren besteht aus zwei Exons, die durch ein relativ langes Intron (> 2 kb) getrennt werden. Demnach könnten alternative

Abb. 2.4.: Mögliche Struktur des Melatonin-Rezeptors von Xenopus laevis. Die sieben Transmembrandomänen mit dem extrazellulären N-Terminus und dem intrazellulären C-Terminus, sowie einer möglichen Glykosylierungsstelle (Ψ) sind dargestellt. (aus EBISAWA, 1994)

Splicevarianten des Rezeptors existieren, die zu wechselnder Struktur und Funktion führen würden. Bisher ergab sich jedoch kein Hinweis auf solche Varianten (KOKKOLA u.

LAITINEN, 1998). Die humanen MT1- und MT2-Rezeptoren befinden sich auf verschiedenen Chromosomen (REPPERT et al., 1995). Bisher konnten keine genetischen Krankheiten mit Mutationen auf einer der beiden Genloci für die Melatoninrezeptoren in Verbindung gebracht werden.

2.4.5. Relevanz der verschiedenen Subtypen

Der MT1-Rezeptor wird bei Säugetieren in vielen Hirnarealen, einschließlich SCN und Pars tuberalis der Hypophyse, exprimiert (REPPERT et al., 1994). Dies hat zu der Hypothese geführt, dass dieser Subtyp einen Großteil der circadianen und saisonalen Wirkungen des Melatonins vermittelt. Unterstützt wurde diese Hypothese durch Untersuchungen an MT2- Knockout-Hamstern, die eine ungestörte saisonale Reproduktion und circadiane Rhythmik als Reaktion auf Melatonin zeigten (WEAVER et al., 1996). Dieser Melatoninrezeptor konnte beim Menschen in den meisten Hirnarealen und in der Retina, jedoch nicht in der Hypophyse, Leber, Niere oder in weißen Blutzellen detektiert werden. Die MT2-Rezeptoren zeigen insgesamt sehr niedrige Expressionsniveaus. Über RT-PCR-Studien konnte gezeigt werden, dass sie in der Retina und noch deutlich niedriger im gesamten Gehirn exprimiert werden.

Ihre physiologische Rolle ist noch nicht geklärt. Vermutlich vermitteln sie die lichtabhängige Wirkung von Melatonin auf die Retina. Es ist nicht auszuschließen, dass sie an den reproduktiven oder circadianen Funktionen, vermittelt über die MT1-Rezeptoren, partizipieren (REPPERT et al., 1995). Ein Einfluss des MT2-Rezeptors auf die Melatonin-induzierten Phasen-Verschiebung konnte nachgewiesen werden (LIU et al., 1997). Der Mel1c-Rezeptor konnte nur bei Wirbeltieren, die nicht zur Gruppe der Säugetieren gehören, gefunden werden.

2.4.6. Signaltransduktionsweg der Melatoninrezeptoren

Die hauptsächliche Signaltransduktion in hochaffinen MT1- und MT2-Rezeptoren verläuft über eine Inhibition der Forskolin-stimulierten cAMP-Bildung durch Pertussistoxin-sensitive inhibitorische G-Proteine. Der mutmaßliche MT2-Rezeptor scheint an einen

Phospholipase-mediierten Signaltransduktionsweg durch Kopplung mit einem G-Protein gebunden zu sein (DUBOCOVICH, 1995).

Vermutlich treten nach Hormonbindung membranständige Melatoninrezeptoren durch Konformationsänderung mit einem inhibitorischen G-Protein (Gi) in Kontakt und aktivieren dieses. Das aus drei Untereinheiten bestehende Protein bindet bei Aktivierung GTP und dissoziiert in eine Gα-GTP-Untereinheit und eine Gβγ-Untereinheit. Anschließend tritt die Gα-GTP-Untereinheit in Kontakt mit der Adenylatzyklase und hemmt so die Neubildung von cAMP aus ATP. Durch seine intrinsische GTPase-Aktivität kommt es zur Reassoziation des Gi-Proteins. Es ist möglich, dass noch weitere Signaltransduktionswege, zum Beispiel über Inositolphosphat oder Calcium, beteiligt sind (MORGAN, 1991).

2.5. Der Alterungsprozess