• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Telemonitoring: „Alle Systeme kochen ihre eigene Suppe“" (04.09.2009)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Telemonitoring: „Alle Systeme kochen ihre eigene Suppe“" (04.09.2009)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

A 1714 Deutsches Ärzteblatt

|

Jg. 106

|

Heft 36

|

4. September 2009

D

ie demografische Entwick- lung und der absehbare Ärzte- mangel lassen eine flächendecken- de medizinische Versorgung immer schwieriger werden. E-Health-Maß- nahmen, wie Telemonitoring, kön- nen eine wichtige Rolle dabei spie- len, „auf Dauer ein qualitativ hoch- wertiges und trotzdem bezahlbares Gesundheitssystem sicherzustellen“, sagt Prof. Dr. Ing. Jörg Eberspächer, Vorsitzender des Forschungsaus- schusses des Münchner Kreises, bei der Eröffnung einer Fachkonferenz zu „Telemonitoring in Gesundheits- und Sozialsystemen“. Anfang Juli lud der Münchner Kreis Wissen- schaftler und Vertreter aus Wirt- schaft und Politik ein, dort über mögliche Telemonitoring-Anwen- dungen und die notwendigen Vor- aussetzungen für deren Verbreitung zu diskutieren. „Früher oder später sind wir alle Nutznießer oder Opfer von Telemonitoring“, betont Ebers- pächer. „Das Thema geht uns also alle an.“

Besonders bei chronischen Er- krankungen lohnt sich die Fernüber- wachung von entsprechenden Vital- parametern. Die Patienten müssen seltener zu Kontrolluntersuchungen, werden aber, wenn sich die Werte verschlechtern, automatisch zum Arzt bestellt. Volker Heuzeroth von der Taunus BKK, Frankfurt, hat hierzu das Projekt „Mit Herz dabei“

vorgestellt – ein Versorgungskon- zept für herzinsuffiziente Patienten,

in dem Telemonitoring ein fester Bestandteil ist. Sogenannte High- risk-Patienten erhalten Geräte, mit denen sie zu Hause ihr EKG, ihren Blutdruck und ihr Gewicht kontrol- lieren können. Diese Daten über- mittelt eine Basisstation an ein Te- lemedizinisches Zentrum, wo sie automatisch ausgewertet werden.

Zeigen die Werte, dass sich die Krankheit verschlechtert, wird der Hausarzt oder Kardiologe infor- miert. Bei Anzeichen eines Notfalls wird der Patient sofort in eine Kli- nik eingewiesen.

Die regelmäßige Kontrolle der Vitalparameter erlaubt es, die Medi- kation der Patienten besser einzu- stellen. Notfalleinweisungen sind

dadurch seltener notwendig. „Die Patienten gehen weniger oft ins Krankenhaus und auch weniger lang“, fasst Heuzeroth die Ergebnis- se einer hauseigenen Studie zusam- men. Durch das Telemonitoring re- duzierten sich die Klinikeinweisun- gen um das 2,5-fache verglichen mit konventionell behandelten Patien- ten. Die Zahl der Krankenhaustage fiel sogar auf ein Drittel, und auch der Hausarzt musste seltener aufge- sucht werden. „Telemedizinisch be- treute Patienten kommen nur noch zum Arzt, wenn es notwendig ist“, erklärt er. Da das Meiste im Vorfeld abgeklärt werden könne, „hat der Arzt mehr Zeit für die Behandlung, und für den Patienten ist es weniger Chronisch Kranke, die telemedi-

zinisch überwacht werden, müssen seltener zum Arzt; oft

verbessert sich auch ihr Ge- sundheitsstatus. Doch aufgrund

fehlender Standards und Rege- lungen wird Telemonitoring

kaum eingesetzt.

TELEMONITORING

„Alle Systeme kochen ihre eigene Suppe“

Fotos: SHL

EGK-Messung im Sessel – Patienten messen ihre Vital- daten, wie EKG und Blutdruck, selbst und senden diese an ein Telemedizini- sches Zentrum.

T H E M E N D E R Z E I T

(2)

Deutsches Ärzteblatt

|

Jg. 106

|

Heft 36

|

4. September 2009 A 1715 Aufwand.“ Vor allem in ländlichen

Regionen, wo man unter Umstän- den länger zur Praxis unterwegs ist, sei dies von Bedeutung.

Die Betriebskrankenkasse konnte allein durch die geringe Zahl der Krankenhauseinweisungen circa 9 000 Euro pro Patient und Jahr spa- ren. Allerdings müsse dafür bei der

ambulanten Versorgung mehr inves- tiert werden, betont Heuzeroth. „Die Betreuung von Patienten über Tele- monitoring ist für den Hausarzt zeit- aufwendiger und muss auch ent- sprechend vergütet werden.“ Darü- ber hinaus zahlt die Kasse auch die notwendige Infrastruktur, wie Soft- ware, Geräte und Schulungen der Patienten. Die Kosten werden durch telemedizinische Betreuung aus dem stationären in den ambulanten Sektor verschoben, fallen insgesamt aber geringer aus.

Doch nicht nur chronisch Kranke können vom Telemonitoring profi-

tieren. „Die bereits einsetzende Un- terversorgung in den ländlichen Ge- bieten kann so verbessert werden“, ergänzt Eberspächer. Auch könnten ältere Menschen so länger ein selbstbestimmtes Leben in ihrer häuslichen Umgebung führen.

Kritisch äußerte sich hingegen Ingrid Hastedt vom Wohlfahrtswerk für Baden-Württemberg über Tele- monitoring-Anwendungen im Be- reich der ambulanten Pflegeeinrich- tungen. Durch die Überwachung der Pflegebedürftigen könnten Mitar- beiter zwar entlastet werden. „Man muss sich aber überlegen, ob man menschliche Zuwendung in der Pflege durch Telemonitoring erset- zen will“, gibt sie zu bedenken. Die- se würde bei einer Fernüberwa- chung sehr viel seltener stattfinden.

Persönlicher Kontakt sei für die äl- teren Menschen jedoch meist wich- tiger als die Kontrolle von Vitalpa- rametern.

Nützlich sei Telemonitoring hin- gegen, um die Sicherheit der Pflege- bedürftigen zu erhöhen, zum Bei- spiel durch Gehhilfen, die einen Sturz weitermelden können. Aller- dings sind viele mit der Technik überfordert. „Gerade Menschen mit kognitiven Einschränkungen durch Demenz kommen mit elektroni- schen Systemen nicht mehr so gut zurecht“, stellt Hastedt fest.

Dass sich Telemonitoring-An- wendungen noch nicht flächende- ckend etabliert haben, liegt nach An- sicht von Dr. med. Christoph Goetz, Kassenärztliche Vereinigung Bay-

erns, an fehlenden technischen Stan- dards. „Alle Systeme kochen ihre ei- gene Suppe. Deshalb ist man noch nie über eine Nischenlösung hinaus- gekommen“, sagt Goetz. Wer trägt die Kosten für Telemonitoring-An- wendungen? Wer betreut solche Systeme? – Auch diese Fragen seien noch nicht grundlegend geklärt, weshalb solche E-Health-Lösungen in der Regelversorgung noch nicht umgesetzt würden. Darüber hinaus betont Goetz, dass sich die notwen- digen Geräte bisher zu wenig am Patienten orientierten. Dieser muss sie problemlos bedienen und in seinen Alltag integrieren können. Für den Arzt ist es hingegen wichtig, dass er den erhaltenen Daten vertrauen kann und diese auch kompatibel zu seiner Praxissoftware sind. Diese techni- schen wie organisatorischen Proble- me zu lösen, ist nach Ansicht von Goetz die Voraussetzung dafür, dass Telemonitoring flächendeckend ein- gesetzt werden kann.

Auch Eberspächer rechnet nicht damit, dass Telemedizin schnell ei- nen Weg in den Praxisalltag finden wird. „Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt, dass die Einführung in- novativer Lösungen – wie etwa der elektronischen Gesundheitskarte – oft nur schleppend vorangeht.“

Dass eine kostengünstige Techno- logie zur Verfügung steht, würde nicht ausreichen. Stationärer und ambulanter Sektor müssten besser verzahnt werden. „Dazu gehört es auch, eine sektorübergreifende elektronische Dokumentation und Kommunikation von medizinischen Daten zu realisieren.“

Dr. Günter Braun, Vorsitzender der interdisziplinären Projektgruppe ProTelemonitoring beim Verband der Elektrotechnik Elektronik Infor- mationstechnik (VDE), sieht hinge- gen in den integrierten Hausarzt- verträgen eine Chance, Telemonito- ring schneller in die Regelversor- gung aufzunehmen. „Alle Studien zeigen, dass mit Telemonitoring Kosten gespart werden und auch die Lebensqualität der Patienten steigt“, bekräftigt Braun. Mit Se- lektivverträgen könne dies auch schnell und ohne gesetzliche Rege- lungen umgesetzt werden. ■ Dr. rer. nat. Marc Meißner Der Münchner Kreis ist ein gemeinnütziger und

übernationaler Verein, der sich mit Fragen der In- formations-, Kommunikations- und Medientech- nologie beschäftigt. Wie können Innovationen der Kommunikationstechnologie in der Gesellschaft etabliert werden? Inwieweit sind die Menschen bereit, die neuen Kommunikationsformen zu nut- zen? Die Diskussion um diese Fragen zu fördern

und zu begleiten, ist ein zentrales Anliegen des Münchner Kreises. Dazu bringt er Vertreter von Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und den Medien auf Konferenzen, Kongressen und in Gesprächs- kreisen zusammen. Das Spektrum der Themen ist breit gefächert und reicht vom Digital Rights Ma- nagement über vernetzte Automobile bis hin zu elektronischen Gesundheitsanwendungen.

MÜNCHNER KREIS

Früher oder später sind wir alle Nutznießer oder Opfer von Telemonitoring.

Jörg Eberspächer, Münchner Kreis Telemedizinisches

Zentrum – Die Vi- talparameter der Patienten werden hier ausgwertert.

Bei Abweichungen leitet das Zentrum entsprechende Maßnahmen ein.

T H E M E N D E R Z E I T

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Die Schieflage der Bonner Ko- stendämpfungspolitik demonstrierte Wille am Beispiel des Pharmasek- tors: Hier ist die Mengenkomponen- te zwischen 1970 und 1990 mit rund 69

(1) Die große Apertur des Piezolith garantiert eine breitflächige Vertei- lung der Energie und damit eine ge- ringe Energiedichte auf der Haut- oberfläche. O Der

Es dürfte inzwischen auch den Schlichtungsstellen nicht verborgen geblieben sein, daß Rechtsanwälte den Weg über die Schlichtungsstellen immer dann empfehlen, wenn die

Leider wissen wir natür- lich auch nicht, welches eine Patentlösung für unser krän- kelndes Gesundheitswesen sein könnte, es schmerzt aller- dings schon, wenn die

Über die Auswahlkri- terien für die Häuser wird man sich vermutlich noch in • Haare bekommen.. G anz gewiß aber über die Neuordnung des

Zumindest die Juristen und Medizinrechtler sind sich in Cadenabbia einig: Zwischen Arzt und Patient besteht zwar ein Dienstvertrag, der Arzt ist jedoch weder ein Dienstlei- ster,

Obwohl mit Epoetin beta bei Patienten, die sich ei- ner kurativen Strahlentherapie unter- ziehen, die Anämie effektiv behandelt werden könne, kommentiert Michael Henke, sei

Sie ist zugleich Ansprechpartner für viele, die im Gesundheitswesen tätig sind: für niedergelassene Ärzte und Psychotherapeuten, für Vertreter von Selbsthilfeorganisationen, für