• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Arbeitskreis Medizinischer Ethik-Kommissionen: Scharfe Kritik am Medizinproduktegesetz" (16.12.1994)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Arbeitskreis Medizinischer Ethik-Kommissionen: Scharfe Kritik am Medizinproduktegesetz" (16.12.1994)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

POLITIK

Nichteinwilligungsfähige Pati- enten könnten grundsätzlich „Ob- jekt medizinischer Forschung" wer- den, stellte Dr. jur. Hans-Dieter Lippert, Ulm, bei der Jahresver- sammlung des Arbeitskreises Medi- zinischer Ethik-Kommissionen fest.

Doch müßten gerade für ihre Teil- nahme besondere Kriterien erfüllt sein. Generell bedarf nach Lippert jeder Eingriff des Arztes in die kör- perliche Integrität eines Menschen der Legitimation. Bei Routineein- griffen ohne größeres Risiko sei sie in Form der stillschweigenden Ein- willigung gegeben.

Alle anderen Eingriffe bedürf- ten der ausdrücklichen (in der Re- gel schriftlichen) Einwilligung nach vorheriger Aufklärung. Bei Patien- ten, die beispielsweise wegen Be- wußtlosigkeit einwilligungsunfähig sind, komme eine Legitimation in Form einer mutmaßlichen Einwilli- gung in Betracht. Bei Kindern und einwilligungsunfähigen Jugendli- chen sowie bei Betreuten sei eine Einwilligung des gesetzlichen Ver- treters oder des Betreuers erforder- lich.

Forschung am Kind ist dann erlaubt, wenn die Sorgeberechtigten zustimmen, sagte auch Prof. Dr.

med. Dietrich Niethammer, Tübin- gen. Die Entscheidung sei allerdings immer am Wohl des Kindes auszu- richten. Man geht nach Ansicht Niethammers heute davon aus, daß Kinder entsprechend ihrem wach- senden Erkenntnisstand in die Ent- scheidung miteinbezogen werden müßten. Prof. Dr. med. Klaus Ey- rich, Berlin, machte darauf auf- merksam, daß Notfall- und Intensiv-

AKTUELL

patienten ebenfalls strengen Rege- lungen unterliegen.

Das zweite große Thema, mit dem sich der Arbeitskreis der Ethik- Kommissionen beschäftigte, waren die Auswirkungen des novellierten Arzneimittelgesetzes (AMG) und des neuen Medizinproduktegesetzes (MPG) auf die Ethikkommissionen.

Ausdrücklich wird im AMG aufge- führt, daß vor einer klinischen Prü- fung von Arzneimitteln am Men- schen eine nach Landesrecht gebil-

Wie das Deutsche Ärzteblatt in seiner letzten Ausgabe berichtete, ist die Ärztekammer der Stadt Hamburg am 22. Januar 1992 von einem Arzt über den Tod von fünf Malaria-Patienten im Allgemeinen Krankenhaus Altona informiert worden, die zuvor in der Klinischen Abteilung des Bernhard-Nocht-In- stitutus (BNI — „Tropeninstitut") behandelt worden waren. Diese In- formationen sind in der Ärztekam- mer über einen Zeitraum von ein- einhalb Jahren geprüft worden; per Vorstandsbeschluß wurde dann ent- schieden, daß ein weiteres Vorge- hen nicht erforderlich sei. Handelte es sich hierbei um eine Fehlent- scheidung der Ärztevertreter?

Laut Gesundheitssenatorin Helgrit Fischer-Menzel vor dem Gesundheitsausschuß der Bürger- schaft „ist die Ärztekammer damals

dete Ethik-Kommission gehört wer- den muß. Pläne, auch Kommissionen in beliebiger Trägerschaft zuzulas- sen, wurden unter anderem auf- grund der Kritik der Bundesärzte- kammer wieder fallengelassen, be- richtete Rechtsanwalt Horst Dieter Schirmer von der gemeinsamen Rechtsabteilung der Bundesärzte- kammer und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Damit wird die ethische und berufsrechtliche Beur- teilung jetzt den Kommissionen der Medizinischen Fakultäten oder der Landesärztekammern zugewiesen.

Im Medizinproduktegesetz ist allerdings eine Fassung erhalten ge- blieben, nach der alle Ethikkommis- sionen angerufen werden können, die bei der zuständigen Bundes- behörde registriert und zugelassen wurden. Diese Regelung stieß auf scharfe Kritik bei den Mitgliedern des Arbeitskreises. Prof. Dr. jur. Dr.

h.c. mult. Erwin Deutsch, Göttin- gen, forderte nachdrücklich, daß der Gesetzgeber das MPG novel- liert, mit dem Ziel einer Anpassung an das AMG auf diesem Gebiet. Kli

nicht für das BNI zuständig gewe- sen, sie hätte also die Behörde über die Vorfälle informieren müssen".

Dazu heißt es in einer Pressemittei- lung der Kammer: „Die Überprü- fung ist damals von der Kammer durchgeführt worden, weil sie da- von ausgegangen ist, daß sie die be- rufsrechtliche Aufsicht über die ärztlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aller Krankenhäuser der Gesundheitsbehörde hätte. Das BNI aber gehörte zu diesem Zeit- punkt als Abteilung noch nicht zu der Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales dazu."

Auf diese Weise erfuhr die Behörde erst Monate später von den Todesfällen; ein entsprechendes Protokoll wurde von dem anzeigen- den Arzt im Dezember 1993 unter- schrieben. Daraufhin hat die Behör- de die Patientenakten sicherstellen

Arbeitskreis Medizinischer Ethik-Kommissionen

Scharfe Kritik am

Medizinproduktegesetz

Mit den Themen „Der nichteinwilligungsfähige Patient (Proband) in der klinischen Forschung" sowie „Das novellierte Arzneimittelgesetz und das neue Medizinpro- duktegesetz" beschäftigte sich der Arbeitskreis Medizinischer Ethik-Kommissionen in der Bundesrepublik Deutschland auf seiner 12. Jahresversammlung in Köln.

Malariatote: Rolle von Behörde und Kammer

A-3484 (20) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 50, 16. Dezember 1994

(2)

74 44 45

30 3 7

52 62

1960 1970 1980 1993 2000 2010 2020 2030 2040 Bis 1980 Westdeutschland, ab1993 Gesamtdeutschland

Rentenversicherung

Anzahl Rentner pro 100 Beitragszahler

84

96 102

Gesundheitspolitisches Programm der deutschen Arzteschoft

POLITIK

und eine sogenannte Plausibilitäts- prüfung vornehmen lassen mit dem Ergebnis: Eine externe Überprü- fung der Vorfälle ist notwendig. die der Münchner Tropenmediziner Prof. Dr. Dieter Eichenlaub anhand der Patientenakten vornahm.

Darüber hinaus veranlaßte die Behörde, alle ab Ende 1993 im BNI aufgetretenen Todesfälle zu über- prüfen. Thema eines neutralen Gut- achters werden außerdem alle To- desfälle von 1987 bis heute sein, die im Rahmen einer Malaria-Erkran- kung eingetreten sind. Für die ärzt- liche Kompetenz des beurlaubten Klinikchefs Prof. Dr. Manfred Die- trich spricht: Seitdem er 1976 die Leitung des Tropeninstituts über- nommen hat, sind dort mehr als 2 000 Malariafälle behandelt wor- den, von denen zwei Prozent ver- storben sind — dies ist auch interna- tional ein hervorragendes Ergebnis.

Zum Einfluß von Trental® auf die Todesfälle ist inzwischen ein phar- makologisches Gutachten in Auf- trag gegeben worden.

Wenige Tage vor den Neuwah- len des Hamburger Ärztekammer- vorstandes drängt sich auch die Fra- ge auf, wer beispielsweise eine ver- schlossene Akte aus der Kammer an die Presse weitergegeben hat, in der auch eine Notiz von Kammer- präsident Dr. Rolf Bialas enthalten gewesen ist, derzufolge er Prof.

Dietrich Stillschweigen zugesichert habe. Es verwundert daher nicht, daß die Hamburger Ärzteoppositi- on in der Ärztekammer die Senato- rin aufgefordert hat, der Kammer- versammlung schriftlich darzulegen, ob die Aufsichtsbehörde gegenüber dem amtierenden Vorstand der Ärztekammer Vorwürfe im Sinne von Fehlhandlungen oder Unterlas- sungen erhebt oder verfolgt.

Falls eine solche Stellungnahme ausbleibe, müsse davon ausgegangen werden, daß sich gegen Vorstand und Präsident der Kammer aufge- kommene Verdachtsmomente nicht erhärten lassen. Gäbe es aber nach der Wahl „dennoch oder erneut"

entsprechende Vorwürfe, „müßte auf juristischem Wege geprüft wer- den, ob die jetzt anstehenden Vor- standswahlen noch nachträglich an- zufechten sind." Werner Loosen

AKTUELL

Die Rentenversicherung ver- tritt die Ansicht, daß die sich aus der demographischen Entwicklung ergebenden finanziellen Probleme

„im Rahmen des Rentensystems"

zu lösen sind. Für die langfristige fi- nanzielle Absicherung der Renten- versicherung gebe es keinen „aku- ten Handlungsbedarf". Der Ver- band der Rentenversicherungsträ-

ger (VDR), dem alle Landesversi- cherungsanstalten, die Bundesversi- cherungsanstalt für Angestellte und die knappschaftliche Rentenversi- cherung angehören, sieht sich in dieser Auffassung durch ein neues Gutachten der Prognos AG be- stätigt. Dieses kommt zu dem Er- gebnis, daß die Beitragssätze zur Rentenversicherung bis 2030 von derzeit 19,2 Prozent bei einer gün- stigen wirtschaftlichen Entwicklung auf 26,4 Prozent und bei einer ungünstigeren Entwicklung auf bis zu 28,4 Prozent angehoben werden müssen, um die sich aus dem Ge- burtenrückgang und dem Anstieg der Lebenserwartung ergebenden Belastungen auszugleichen. In ei- nem Gutachten, das 1987 und damit vor der Rentenreform erstellt wur- de, war das renommierte Institut zu einem ähnlichen Ergebnis gekom- men. Der Sozialbeirat hat kürzlich den Anstieg des Rentenbeitrags bis 2030 auf 27 Prozent geschätzt.

Der VDR und Prognos halten einen solchen Anstieg der Beitrags- belastung für ökonomisch verkraft- bar, weil sie bis 2040 trotz der Ab- gabenerhöhung mit einer Verdop- pelung der Nettoeinkommen rech- nen. Trotz dieser sehr optimisti- schen Einschätzung fordert die Rentenversicherung, daß der Bund ihr die Fremdleistungen abnimmt und seinen Zu- schuß von derzeit gut 50 Milliarden Mark um bis zu 28 Milliarden Mark erhöht. Der VDR will die Zahl der Bei- tragszahler zur Rentenversiche- rung dadurch er- höhen, daß die als Angestellte täti- gen Angehörigen der Freien Berufe künftig nicht mehr in den Versor- gungswerken, sondern in der Ren- tenversicherung pflichtversichert werden. Zugang zur berufsständi- schen Versorgung sollen also nur noch die selbständig tätigen Freibe- rufler behalten. Das könnte die Exi- stenz jener Versorgungswerke ge- fährden, die einen höheren Anteil ihrer Renten durch Beitragsumla- gen finanzieren. Bei allen Versor- gungswerken würde jedoch die An- passungsdynamik nachhaltig ge- schwächt.

Allerdings spricht wenig dafür, daß die Koalition dem Vorschlag des VDR folgen wird. In der Koali- tionsvereinbarung heißt es zu die- sem Punkt, daß die Grenze zwi- schen berufsständischer Versorgung und gesetzlicher Rentenversiche- rung unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der beiden Systeme „gefestigt" werden solle.

Diese Formulierung läßt der Politik Spielraum. Gemeint ist aber wohl,

Das Rentensystem braucht Entlastung

Beitragssatz bis zu 28 Prozent?/Der Bund soll mehr zuschießen/Freiberufler als Beitrags- zahler gesucht/Die „Dresdner Entscheidung" der Versorgungswerke

Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 50, 16. Dezember 1994 (21) A-3485

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Nach Taupitz könne bei Einwilligungsunfähigen außerhalb des Therapieversuchs nicht mit der Annahme einer mutmaßlichen Einwilligung operiert werden, da ein therapeutischer

Auch sei die Praxis von Sponsoren zu beobachten, für eine klinische Mul- ticenter-Studie gleich mehrere Leiter zu benennen, um so je nach Verfah- rensgang in den verschiedenen

Vor allem bei den hochkarätigen Ethik-Kommis- sionen der Industrie wäre es sinnvoll, wenn ihre Beurteilung bei den Voten der öffentlich-rechtlichen Ethik- Kommissionen

Pfeiffer argumentierte, daß aus den derzeit bestehenden Regelun- gen nicht abgeleitet werden könne, daß allein die Ethik-Kommissionen der Ärztekammern und der medizi-

Der Arbeitskreis war sich einig, dass die klinische Forschung an Arzneimit- teln bei Kindern gesetzlich geregelt werden muss.. Er beauftragte den wie- dergewählten

Der Arbeitskreis vertritt den Standpunkt, dass die Unterlagen zur Qualifikation der einzelnen lokalen Prüfärzte und Prüfzentren nur den je- weils zuständigen Ethik-Kommissionen

Da die Hamburger Gesundheits- behörde jedoch der Auffassung ist, daß auch ein Eingriff, der unter einer Vielzahl geglückter Opera- tionen eine mißlungene Ausnah- me

Deshalb kann der Tier- schutz nicht mehr in dem Sinne primär auf den Menschen ausge- richtet sein, daß man Tierquälerei verhindern muß, damit die Men- schen nicht verrohen..