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Archiv "Fragebogen zur Versorgung" (26.02.1999)

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hronisch kranke Kinder müs- sen auf vieles verzichten, was das Leben für Gleichaltrige lebenswert macht. Strikte Therapie- regeln prägen ihren Alltag, bestimmte Nahrungsmittel können für sie tabu sein, Sport verboten. Häufige ärzt- liche Eingriffe und damit verbundene Trennungen von Familie, Freunden und Schule belasten sie zusätzlich.

Das beeinflußt ihre Entwicklung massiv. „Chronisch kranke Kinder kön- nen an den Aufgaben scheitern, die sich während ihrer Entwicklung ergeben“, sagt Prof. Dr. Hans-Peter Michels, Fachhochschule Lausitz, anläßlich ei- ner Expertentagung in Lübeck Ende vergangenen Jahres. Sie werden ent- mutigt und unter Umständen von ihrer Umwelt abgelehnt. Spätere Aufgaben können sie nur selten bewältigen.

Kranke Babys schenken nur schwer Vertrauen

Jedes Alter hat seine eigenen Ent- wicklungsaufgaben. Babys im ersten Lebensjahr zum Beispiel müssen ler- nen, Körperfunktionen wie Atmung und Verdauung aufrechtzuerhalten, zu essen und sich zu bewegen. Im Nor- malfall entwickeln sie erste Bindungen und Vertrauen zu wichtigen Bezugs- personen. Wie schwierig das für kran- ke Babys ist, zeigt Michels am Beispiel von Frühgeborenen: „Eine intensive, hochspezialisierte Pflege ist notwen- dig. Ohne Schichtwechsel läßt sich das nicht aufrechterhalten, das Kind hat also mit vielen verschiedenen Krankenschwestern und Ärzten zu tun. Hinzu kommt häufig die Tren- nung von den Eltern.“ Für chronisch kranke Babys ist es deshalb schwierig,

anderen Personen zu vertrauen und erste Bindungen aufzubauen.

Kindergartenkindern hingegen stellt sich die Aufgabe, unabhängiger von den Eltern zu werden und gleich- altrige Freunde zu gewinnen. Kranke Kinder sind jedoch besonders auf ihre Eltern angewiesen, weil sie die strik- ten Therapieregeln nicht alleine ein- halten können. „Die Eltern sollten zwar die Verantwortung für das Ein- halten ärztlicher Empfehlungen so- weit als möglich den Kindern zuwei- sen, aber damit sind oft beide Seiten überfordert. Sobald Compliance-Pro- bleme auftreten, werden die Eltern stärker intervenieren“, so Michels.

Das gleiche Problem haben auch noch Schulkinder. Zusätzlich müssen sie neue Aufgaben bewältigen, zum Beispiel ihre Konzentrationsfähigkeit entwickeln. Bestimmte Medikamente wie Antiepileptika können sie dabei

behindern. Müssen kranke Kinder eine spezielle Diät einhalten oder können am Sport nicht teilnehmen, so werden sie leicht zu Außenseitern, oft schon in der ersten Klasse. „Ein Mädchen mit Epilepsie und Typ-1-Diabetes, das die 7. Klasse der Sonderschule ,L‘ besuchte und während einer Schulstunde einen Apfel essen mußte, wurde von ihren Mitschülern gemieden“, berichtet Mi- chels. „Manche waren aggressiv ihr gegenüber, da sie bevorzugt behandelt wurde. Sie selbst durften ja nicht während des Unterrichts essen.“ Das Mädchen fühlte sich schließlich in der Klinik wohler als in der Schule.

Besondere Probleme in der Pubertät

In der Adoleszenz kommt es oft zu Compliance-Problemen. „Wegen der spezifischen Entwicklungsaufga- ben des Alters“, sagt Michels. Jugend- liche müssen mit den körperlichen Veränderungen der Pubertät zurecht- kommen – das fordert schon Gesunde.

Große Probleme entstehen, wenn eine Erkrankung die körperliche Entwick- lung sichtbar verzögert oder wenn Ent- stellungen und Behinderungen auftre- ten, zum Beispiel bei einem künstlichen Darmausgang oder endogenen Ekze- men. Jugendliche mit solchen Krank- heiten werden oft gehänselt und ausge- grenzt. „Sie entwickeln große Ängste, mit anderen zusammenzusein“, sagt Michels. Um so schwerer ist es für sie, sich von den Eltern zu lösen. Um von Gleichaltrigen anerkannt zu werden und von den Eltern unabhängig zu sein, halten sich viele nicht mehr an Thera- pieregeln. Bei anderen gibt es Compli- ance-Probleme, weil sie lebensbedroh- lich erkrankt sind und keine Hoffnung auf eine Zukunft mehr haben.

Solche Konzepte sollte kennen und anwenden, wer mit Kindern und Jugendlichen arbeitet, fordert Mi- chels. „Die Behandlung läßt sich so al- tersgerecht planen und durchführen.“

Pädiater und Kinderkrankenschwe- stern besäßen infolge ihres täglichen Umgangs mit den Patienten intuitives und implizites entwicklungspsycholo- gisches Wissen, sagt Michels. Deshalb sei es wichtig, Kinder bei stationären Aufenthalten in Kinderabteilungen zu betreuen. Alexandra Endres

A-463

P O L I T I K AKTUELL

Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 8, 26. Februar 1999 (23)

Chronische Krankheiten bei Kindern

Wer anders ist, wird ausgegrenzt

Körperlich chronisch kranke Kinder leiden auch psychisch.

Bei der Therapie hilft es, wenn Ärzte und Kranken-

schwestern entwicklungspsychologische Erfahrung besitzen.

C

Fragebogen zur Versorgung

In Deutschland wird nach Infor- mationen der Gesellschaft der Kin- derkrankenhäuser und Kinderabtei- lungen in Deutschland (GKinD) die Hälfte aller Kinder und Jugendlichen auf Erwachsenenstationen betreut.

GKinD kritisiert den Bettenabbau auf Kinderabteilungen und will jetzt eigene Modelle für eine flächen- deckende pädiatrische Versorgung entwickeln. Ein erster Schritt ist ein Fragebogen, mit dessen Hilfe Daten über die kinder- und jugendmedizini- schen Abteilungen und über die

„fachfremd“ untergebrachten Kinder erhoben werden. Auf dieser Grundla- ge soll künftig ein jährlicher Bericht entstehen, der die Lage in den einzel- nen Bundesländern vergleicht.

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