I 078/2006 FIN 10. Mai 2006 47C Interpellation
0990 Zuber, Moutier (PSA)
Weitere Unterschriften: 0 Eingereicht am: 17.02.2006
Haltung der Swisscanto in der Swissmetal-Affäre?
Die katastrophale Unternehmenspolitik der Direktion und des Verwaltungsrats der Swissmetall-Gruppe führt zur Demontage der Produktionsstätte des Boillat-Werks in Reconvilier, womit die Industrie im Jurabogen und besonders im Berner Jura gefährdet wird.
Zum heutigen Zeitpunkt ist nicht bekannt, ob die im Auftrag des Bundesrats eingeleitete Vermittlung durch Herrn Rolf Bloch zu einer Einigung in Bezug auf die Aufnahme von Verhandlungen zwischen den beiden Konfliktparteien führen wird.
Egal, was passieren wird, die durch Herrn Hellweg geplanten Massnahmen (Entlassung von 120 Mitarbeitern, allfällige Schliessung des Werks Boillat) könnten grössere Konsequenzen zur Folge haben, die letztlich teilweise durch die öffentlich-rechtlichen Körperschaften (Kanton, Gemeinden) zu bezahlen sein werden.
Die einzige Möglichkeit, um die blinde und absurde Strategie des deutschen Financiers und seiner verantwortungslosen Marionetten im Verwaltungsrat umzustossen, kann nur durch eine Reaktion der Aktionäre geschehen. Die Gemeinschaftsunternehmen der schweizerischen Kantonalbanken für Anlage- und Vorsorgedienstleistungen (Swisscanto) besitzen 6,4 Prozent der Aktien, die auf drei Fonds verteilt sind. In diesen ernsten Stunden, in denen eine ganze Region den Atem anhält, zögert der Sprecher der Swisscanto, Herr Beat Amstutz, jedoch nicht, ohne den geringsten Skrupel zu verkünden (in Le Temps vom 17.02.2006), dass diese Anlage für die Kantonalbanken, die den Konflikt sehr aufmerksam verfolgen würden, eine reine finanzielle Angelegenheit sei, dass sie der Unternehmensleitung nach wie vor vertrauen würden und dass sie gewiss nicht die Absicht hätten, sich in die operativen Entscheidungen einzumischen.
Diese beleidigenden und skandalösen Äusserungen zeigen, dass sich die Swisscanto für eine Seite entschieden hat. Es besteht Klärungsbedarf, vor allem, was die Position der Berner Kantonalbank angeht. Der Regierungsrat wird daher gebeten, sich entsprechend bei der BEKB zu erkundigen und folgende Fragen zu beantworten:
1. Wie schätzt der Regierungsrat die Erklärungen des Swisscanto-Sprechers ein?
2. Teilt die Berner Kantonalbank die Sichtweise der Swisscanto? Hält sie das Vertrauen in die Swissmetal-Leitung aufrecht?
3. Die Zwangsehe der Firma Boillat mit der Selve in Thun und Dornach, was zur Bildung der Swissmetal-Gruppe führte, war von Werner K. Rey beschlossen worden, einem
«Finanzgenie», für den die Banken den roten Teppich ausrollten. Die Selve ging Konkurs, und Werner K. Rey konnte sein Unwesen so lange weitertreiben, bis er im Gefängnis landete. Das Vertrauen der Berner Kantonalbank in dieses Finanzgenie hat
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den bernischen Steuerzahler schliesslich eine Milliarde Franken gekostet. Ist der Regierungsrat angesichts der in der Vergangenheit gemachten Erfahrungen nicht der Ansicht, dass es sehr unvorsichtig ist, wenn die Banken dem deutschen Manager Martin Hellweg weiter vertrauen, obwohl seine Kader, seine Angestellten und seine Kunden denken, dass er auf dem Holzweg ist?
4. Fürchtet sich der Regierungsrat, angesichts der Solidarität einer ganzen Region für die Mitarbeiter des Boillat-Werks in Reconvilier, nicht vor den wirtschaftlichen Folgen, zu denen es für die Kantonalbanken und insbesondere für die BEKB aufgrund des Vertrauens, das die Swisscanto der Swissmetal-Leitung schenkt, kommen könnte?
Wäre nicht eine unverzügliche Neubeurteilung durch die BEKB angezeigt?
5. Hat der Regierungsrat die Absicht, bei der BEKB zu intervenieren, damit diese zusammen mit der BCJU dafür sorgt, dass die Swisscanto-Aktionärin über die Risiken der Swissmetal-Strategie für die Wirtschaft des ganzen Juras in Kenntnis gesetzt wird?
Es wird Dringlichkeit verlangt. Gewährt: 23.03.2006
Antwort des Regierungsrates
Einleitende Bemerkungen
Der Interpellant bezieht sich auf einen Artikel in der Zeitung "Le Temps" vom 17. Februar 2006, der auf eine Parteinahme von Swisscanto im Arbeitskonflikt in Reconvilier schliessen lässt.
Die Swisscanto ist eine eigenständige Gesellschaft und als Gemeinschaftswerk der
Kantonalbanken Anbieterin von Anlagefonds. Als Aktionärin der Swisscanto hat die Berner Kantonalbank (BEKB | BCBE) ihre Haltung zum Arbeitskonflikt eingebracht: „Die BEKB bedauert die Situation in Reconvilier sehr und appelliert an die beiden Sozialpartner, die Chance der Mediation zu nutzen. Grundvoraussetzung dafür ist die Bereitschaft zum offenen Dialog. Die BEKB besitzt keine Aktien der Swissmetal.“
In der Folge hat Swisscanto ihre Haltung präzisiert. In einer Medieninformation vom 11.
April 2006 (vgl. Rubrik „News“ unter www.swisscanto.ch ) wird Folgendes festgehalten:
„Swisscanto ist unzufrieden mit der Entwicklung beim Swissmetal-Werk von Reconvilier.
Der Arbeitskonflikt geht zu Lasten der Kunden, Arbeitnehmer und Aktionäre des Unternehmens. Wir fordern deshalb die involvierten Parteien auf, alle Chancen der Mediation zu nutzen und sämtliche Handlungsoptionen sorgfältig zu prüfen.“
Der Regierungsrat nimmt zu den Fragen des Interpellanten wie folgt Stellung:
Frage 1:
Der Regierungsrat äussert sich nicht zu Erklärungen von Seiten Dritter.
Frage 2:
Die BEKB bestätigt dem Kanton, dass die Bank stets an beide Sozialpartner appelliert hat, die Chance der Mediation zu nutzen und bedauert die Situation in Reconvilier sehr. Sie hat sich, wie im Journal du Jura vom 22. Februar 2006 wiedergegeben, öffentlich von
Parteinahmen zu Gunsten der Swissmetal-Führung distanziert.
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Frage 3:
Die BEKB hält fest: „Im Vordergrund steht die Mediation. Die BEKB hat an die Parteien appelliert, die dadurch eröffnete Chance zu nutzen.“ Wie oben ausgeführt, nimmt die Swisscanto eine analoge Haltung ein, ohne Positionsbezug zugunsten der Swissmetall- Führung. Der Regierungsrat hat hierzu nichts hinzuzufügen.
Fragen 4 und 5:
Die BEKB weist darauf hin, dass sie in der Region breit verankert ist. Sie hat als Aktionärin von Swisscanto ihre Haltung zum Arbeitskonflikt in Reconvilier bereits eingebracht. Wie zu Frage 2 ausgeführt, hat sich die Bank umgehend von einseitigen Stellungnahmen öffentlich distanziert.
Im Weiteren ist Folgendes festzuhalten: Der Kanton ist zwar Mehrheitseigentümer an der BEKB, hat aber politisch bewusst entschieden, dass die Politik weder in die operative Geschäftsführung der BEKB eingreifen noch im Verwaltungsrat vertreten sein soll. Damit soll eine konsequente Trennung von politischer und unternehmerischer Verantwortung erreicht werden. Der Kanton hat folglich weder die Möglichkeit noch die Verantwortung, auf Positionierungen des Unternehmens Einfluss zu nehmen. Was für die BEKB gilt, gilt noch viel weitergehender auch für Swisscanto.
An den Grossen Rat