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Die zweite MQG-Ausgabe des Jakob Ben Chajim (Venedig 1525)

Im Dokument Kay Joe Petzold Masora und Exegese (Seite 83-86)

II.2  Die Drucke des 16. Jahrhunderts

II.2.3  Die zweite MQG-Ausgabe des Jakob Ben Chajim (Venedig 1525)

Nachdem die erste Miqraot-Gedolot-Ausgabe der hebräischen Bibel von 1517 beim jü-dischen Publikum nur auf verhaltenes Interesse stieß und die Quart-Ausgaben von Adelkind (Venedig 1521) und Soncino (Pesaro 1511/17) so populär waren, dass sie nachgedruckt werden mussten, bereitete Bomberg eine weitere große hebräische Bibel ausgabe mit Targumen und Kommentaren vor, wie er es in der Pratensis-Aus-gabe bereits verwirklicht hatte, die nun aber für ein jüdisches Publikum bestimmt sein sollte. Dazu hatte er noch vor dem Ausscheiden seines Editors Felipe de Prato ab 1517 den maghrebinischen Juden Jakob Ben Chajim Ibn Adonijah200 angeworben, der ihm in den Jahren 1520–23 nicht nur den Druck des babylonischen Talmud redaktio-nell bewerkstelligte, sondern auch den Talmud Jerushalmi und die Mishneh Torah des Maimonides mit Einleitung vorbereitete. Das Hauptwerk Jacob Ben Chajims sollte jedoch die neue jüdische Fassung der MQG-Ausgabe für Daniel Bomberg werden, die aufgrund des Schutzprivilegs Felipe de Pratos erst ab 1525 gedruckt werden konnte.

197 Das Epitaph Bombergs liest sich im zweiten Teil wie ein Marketing-Text: ידי לע ןויעה בר םע ספדנ לכ םילשהל ונכזי םשה ןכו ... .ותיבבו יגריבמוב לאינד םשב א׳׳פר תנשב לולא שדחב דנ׳׳יק ל׳׳ידא ךורב ינב םיחאה דומלתהמ תותכסמ םירשעו השמח ונישע הזה םויה דעש ... לודגה יספלאה רפס םגו דומלתה „Gedruckt mit großer Sorgfalt durch die Brüder und Söhne Baruch Adelkinds im Monat Elul im Jahr 281 (= August 1521) im Hause Daniel Bombergs;... möge der Herr uns erlauben, den ganzen Talmud und das Buch Alfasis des Großen zu beenden,...und bis heute haben wir bereits 25 Traktate des Talmud gedruckt.“

198 Die 3. Quart-Ausgabe Bombergs (Datierung nach Titelseite ה׳׳פר=1525, nach Epigraph ח׳׳פר=1528) war ein verbesserter Mischtext der ersten Quart-Ausgabe von Pratensis (1517) und der zweiten berg-Ausgabe. Die Fehler von Jacob ben Ḥayyim (z. B. fehlen Jos 21,35b–21,37a und Neh 7,68 in Bom-berg2) sind verbessert und der Text bietet zudem die Marker פ und ס für Petuchot und Stumot.

199 Martin Luther besaß neben der Brescia-Ausgabe von 1494 auch diese Ausgabe und schenkte sein Exemplar später Bernhard Ziegler. Luthers persönliche Handausgabe dieser Edition (mit Notizen und Autograph) war im privaten Besitz von Chr. D. Ginsburg und ist heute in der BFBS Collection der Cam-bridge University Library (Shelfmark = 140 B28a) aufbewahrt.

200 Jacob Ben Chajim nennt sich selbst והינודא ןב קחצי ןב םייח ןב בקעי (vgl. auch seinen Namen in Diqduqe Ha-Teamim und in den Marginalien in der Masora finalis; an anderer Stelle nur והינודא ןב ‚Ben Adonijah‘; Ben Chajim gehörte zur Gruppe jüdischer Exilanten, die nach der Eroberung Orans am 17. Mai 1509 und Tunis‘ am 31. Januar 1510 durch die Truppen Kardinal Gonzalo Jiménez de Cisneros, des Erzbischofs von Toledo und Inquisidor general de Castilla, fliehen mussten.

Mit dieser zweiten Miqraot-Gedolot-Ausgabe von 1525,201 die zugleich die Editio princeps der Miqraot-Gedolot-Ausgaben mit vollständig edierter und abgedruckter Masora darstellt, etablierte Bomberg nicht nur seinen Obertext der hebräischen Bibel als textus receptus aller zukünftigen Ausgaben der hebräischen Bibel, sondern auch den Satzspiegel und das Inventar (Targume und Kommentare). Der gerahmte Titel202 der Ben Chajim-Ausgabe erläutert (wie schon in der Pratensis-Ausgabe von 1517) den ganzheitlichen Anspruch Bombergs und offenbart eine wenig innovative Kommentar-Zusammenstellung. Die Ben Chajim-Ausgabe Bombergs war ein in wesentlichen Teilen modifizierter Pratensis-Text – nun mit vollständig edierter Masora Parva und magna und einem 65 Folio-Seiten umfassenden Appendix, welcher die Masora finalis und masoretische Listen enthielt.203 Dem Pentateuch voran stellte Jakob ben Chajim ein fünfteiliges Proömium, das aus einer gereimten Eulogie Joseph ben Samuel

Sarfa-201 Sowohl der Titel-Kolophon (nur in einigen Drucken!) als auch der Kolophon am Ende der Ktuvim (unmittelbar vor der Masora von Jakob Ben Chajim) datieren die Ausgabe eindeutig auf 24. Tischri 286

= 11. Oktober 1525! (היציניו הפ יגריבמוב לאינד תיבב ןטק טרפל ו׳׳פר תנש ירשת שדחל ד׳׳בב ותמלשה יהתו). Die in der wiss. Literatur erscheinende Datierung „1524/25“ ist schon deshalb falsch, weil das 10-jährige Schutzprivileg Felipe de Pratos erst im Jahr 1525 auslief und Bomberg den Druck seiner zweiten MQG-Ausgabe nicht vorher hätte beginnen dürfen.

202 Der Titel-Kolophon enthält eine Beschreibung der Ausgabe (הז רוביחב ונספדהש המ רועיש הזו), die nicht nur unvollständig (es fehlen die Targume, die Masora und der Anhang), sondern auch fehlerhaft ist (die vorderen Propheten haben Raschi, Qimḥi und Ralbag). Der Kolophon der vorderen Propheten dagegen zählt die Kommentare korrekt auf). Der Titel selbst ist durch ein Spruchband aus biblischen Versen gerahmt: רשואמ היכמותו הב םיקיזחמל איה םייח ץע (Spr 3,18) „Ein Baum des Lebens ist sie denen, die sie ergreifen, und wer an ihr festhält, ist glücklich“ / דובכו רשע הלאמשב הנימיב םימי ךרא (Spr 3,16)

„Länge der Tage hat sie in der Rechten, in der Linken Reichtum und Ehre“ / היתוביתנמ לכו םענ יכרד היכרד םולש (Spr 3,17) „ihre Wege sind Wege der Milde, all ihre Pfade sind Friede“ und lautet in der ersten Hälfte: םיאיבנהו .ג׳׳בלרו יחמקו י׳׳שר ׳יפ םע םינושאר םיאיבנהו .ארזע ן׳ו י׳׳שר ׳יפו םוגרת םע שמוחה הנושאר .ארזע ןבאו י׳׳שר ׳יפ םע רשע ירת .יחמקו י׳׳שר ׳יפ םע לאקזחיו הימרי .ארזע ןבאו י׳׳שר ׳יפ םע היעשי םיהורחאה םע לאינד .ג׳׳בלרו ארזע ןבא ׳יפ םע בויא .ג׳׳בלרו ארזע ןבא ׳יפ םע ילשמ .ארזע ןבאו י׳׳שר ׳יפ םע םילת םיבותכהו םע תוליגמ שמח .י׳׳שרל סחוימ ׳יפ םע םימיה ירבד .י׳׳שרו ארזע ןבא ׳יפ םע ארזע .ןואג הידעס וניברו ארזע ןבאו ׳יפ ארזע ןבאו י׳׳שר ׳יפ „Zuerst der Chumasch mit den Targumen und den Kommentaren von Raschi und Ibn Ezra; die vorderen Propheten mit den Kommentaren von Raschi und Ralbag; die Propheten Jesaja mit Raschi und Ibn Ezra, Jeremiah und Ezechiel mit Raschi und Qimḥi; die Zwölf (Propheten) mit Raschi und Ibn Ezra; Ktuvim mit Raschi und Ibn Ezra, Sprüche und Hiob mit Ibn Ezra und Ralbag, Daniel mit Ibn Ezra und Rabbeinu Saadja Gaon, Ezra mit Ibn Ezra und Raschi, Chroniken mit Pseudo-Raschi, die fünf Megillot mit Raschi und Ibn Ezra...“.

203 Jakob Ben-Ḥayyim verbesserte die Pratensis-Ausgabe um wesentliche masoretische Details und fügte die Masora magna und Teile des masoretischen Werkes Darkei ha-Nikkud ve-ha-Neginah von Mosche ha-Naqdan hinzu. Andererseits weist sein Druck auch Fehler auf und Ben Chajim entfernte aus unbekannten Gründen das wichtige masoretische Werk Diqduqei ha-Ṭe’amim des Aaron ben Mo-sche ben AMo-scher, das Felipe de Prato ediert und gedruckt hatte, und andere typisch jüdiMo-sche Anhänge der Pratensis-Ausgabe. Die MQG-Ausgabe von Felipe de Prato wird in der Einführung von Ben Chajim mit keinem Wort erwähnt (die gleiche abolitio nominis traf Ben Chajim später selbst).

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tis204 über den gelehrten Charakter der Textausgabe, Jakob ben Chajims ausführlicher Einleitung in die hebräische Bibel (ןהמעישיוהינודא׳ןקחצי םייחןבבקעיריעצהרמא חבתשי), einer Kapitel-Liste (ולגדלעשיאשיאםיקוספהומשרנםהילעשתוישרפהרפסמ) zum Auffinden der Stellen, einer vollständigen Liste der Sedarim mit Initialworten, und der Einführung Ibn Ezras in den Pentateuch besteht.205 Der Pentateuch selbst besteht aus 234 Folio-Seiten und wurde in vier Abschnitte/Spalten bzw. einen inneren Textblock und zwei umfließende Kommentarspalten unterteilt. Die beiden inneren Hauptspalten geben den masoretischen Bibeltext und das Targum wieder. Dazwi-schen befindet sich die Masora zu einzelnen mit Circellus ausgezeichneten Lemmata.

Die Größe des Text-Blocks richtet sich nach der Menge des begleitenden Kommentars und kann wie im Falle Gen 1,1 nur eine einzige Textzeile umfassen. Diese äußeren Kommentarspalten bieten den Raschi-Kommentar (neben dem MT), und den Kom-mentar Ibn Ezras (neben dem Targum). Am Ende des Pentateuch folgt direkt ein alter-natives Targum, das Targum Jerushalmi, nach Paraschiot geordnet. Auffällig sind der aufwendige Satzspiegel und die typographischen Verbesserungen gegenüber der Pratensis-Ausgabe, wie die Namen der Paraschiot als laufende Kolumnen-Titel und die konsequente Verwendung hebräischer Kapitel-Nummern, welche die Orientie-rung im hebräischen Text erheblich vereinfachen. Die Teilbände weisen den gleichen Satzspiegel und die gleichen meta-textuellen Merkmale wie der Pentateuch auf.

Neben den rabbinischen Kommentaren weisen die Propheten die vollständig edierte Masora und das Targum Jonathan (לאיזועןבןתנויםוגרת) auf. Die Propheten beginnen mit R. David Qimḥis und Ralbags Einführungen, die Hagiographen mit der Einfüh-rung des Abraham Ibn Ezra (םיללהתרפסהזידרפסהארזעןבאריאמרבםהרבאםאנ). Die Hagiographen enden mit dem datierenden Kolophon nach den Chronik-Büchern und münden in einem Appendix mit edierter Masora finalis. Diese Masora (הלודגהרוסמ) besteht aus einer 120-seitigen alphabetisch sortierten Zusammenstellungen von Okhla-Listen, masoretischen Phänomenen, dem Werk Sefer ha-Ḥillufim des Michael ben Uzziel zu den Unterschieden der Punktation zwischen den tiberiensischen Syste-men Ben-Ascher und Ben-Naftali (ילתפנינבןיבורשאינבןיבהרותהףולח), den Unter-schieden zwischen den westlichen und östlichen Lesarten (יאחנדמויאברעמןיבשןיפולח) und einer Erläuterungen zum korrekten Gebrauch der Akzente (תוניגנורעש). Den Abschluss bildet eine gereimte Eulogie (mit Akrostichon: קדקדמהיזנכשאיולהוהילא) für Elijahu Levita Aschkenasi den Grammatiker, und ein kleines Gedicht, das Hin-weise auf die Autorschaft Elijahu Levitas an der Masora und das Datum der Veröffent-lichung der Ben Chajim-Ausgabe enthält.206

204 Vgl. Die Eulogie Sarfatis entspricht den Gedichten Nr. 68–70 in Sarfati’s „Diwan“, vgl. Pagis 1991, 62; vgl. zu Joseph Sarfati u. a. Hopkin 2014, 1–35.

205 Das vollständige 12-seitige Proömium ist in den wenigsten erhaltenen Ausgaben vorhanden! Die Pratensis-Ausgaben British Library, UL Cambridge, und LB Stuttgart sind vollständig erhalten.

206 Das Schlussgedicht, dass mit dem Kehrvers העבראו םירשע (die 24 Bücher) operiert, verklammert mit dem letzten gereimten Doppelvers םלשנ ו׳׳פר תנשו / םלע תמש טרפל / םוי ירשתב היה / הענראו םירשע

Bedingt durch den großen Erfolg der zweiten MQG-Ausgabe Ben Chajims von 1525 hat der Text des Raschi-Kommentars dieser Bomberg-Ausgabe den Wortlaut sämtlicher Raschi-Drucke für die nächsten 400 Jahre maßgeblich bestimmt. Der Raschi-Text der Bomberg-Ausgabe ist jedoch (wie schon der Raschi-Text in der Pratensis-Ausgabe 1517) durch pseudepigraphisches Material iberischer Drucke, die in Venedig zirkulier-ten (Ausgabe Lissabon 1491), kontaminiert worden. Die Tatsache des Primats des Raschi-Texts der Bomberg-Ausgabe von 1525 ist schon deshalb erstaunlich, weil es bereits damals einen nach heutigen Erkenntnissen ‚besseren‘ zeitgenössischen Raschi-Text, nämlich die Raschi-Ausgabe von Gershom Soncino, Rimini 1525, gab.

Im Dokument Kay Joe Petzold Masora und Exegese (Seite 83-86)