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Die Masora zu Dtn 33,23

Im Dokument Kay Joe Petzold Masora und Exegese (Seite 172-176)

IV.2  Deut 33,23: See und Süden ererbe!

IV.2.4  Die Masora zu Dtn 33,23

Den letzten Teil der Kommentarerweiterung bildet die wichtige masoretische Notiz ליעלמןוהימעטד ]יווצ ןושל[ אתיב אפלאב וניצמ הלודגהתרוסמבו – „Und in der Masora magna finden wir es in der alphabetischen Liste der Imperative, die penultima betont werden.“ Bereits Ehrentreu hatte auf die Problematik dieser Notiz hingewiesen und direkt auf die ihm bekannten Okhla-Ausgaben bezogen.397 Die יווצ ןושל-Notiz für

„Imperativ“ ist ein später Einschub, den weder die Handschriften noch die italieni-schen Inkunabel-Drucke bezeugen. Die יווצןושל-Notiz taucht zunächst in den beiden Bomberg-Ausgaben von Pratensis (Venedig 1517) und Ben Chajim (Venedig 1525) auf, obwohl sämtliche frühen italienischen Drucke (Rom 1470, Reggio 1475, Soncino 1487, Bologna 1482) diese Notiz nicht bezeugen und Gershom Soncino noch 1525 in Rimini den Raschi-Kommentar ohne diese sekundäre יווצןושל-Notiz druckt! Doch zu diesem Zeitpunkt waren die Bomberg-Ausgaben (Venedig 1517, 1520, 1525) bereits damit kon-taminiert und wirkten langfristig traditionsbildend. Die Kontamination mit der ןושל יווצ-Notiz erfolgte offensichtlich über die portugiesische Chumasch-Ausgabe mit

396 Einige wenige frühe europäische Handschriften (12. Jh.) bezeugen tiberiensischen Einfluss. So haben die sog. La-Rochelle Handschriften tiberiensische Merkmale, weil sie durch ihre Entstehung in Küstenlage in Kontakt zu sephardischen Handschriftentraditionen standen. Vgl. Vat. ebr. 468 (La Ro-chelle, 6. Tishri 4976 = 1215) und Vat. ebr. 482 (La Rochelle , 1216; vgl. Richler 2008).

397 Vgl. Ehrentreu 1925.

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Targum und Raschi-Kommentar des Joseph Calphon, die Lissabon-Ausgabe von 1491. Während die spanischen Inkunabel-Drucke Guadalajara 1476 (Shlomo ben Alqabez Ha-Levi), Zamora 1487, und Ixar 1490 den größten Teil der klassischen Fassung des Raschi-Kommentars nicht abdrucken (und darin den frühesten Hand-schriften folgen), sondern nur den masoretischen Schlussteil (ohne die sekundäre יווצ ןושל-Notiz), druckte die Ausgabe Lissabon 1491 als einziger Inkunabel-Druck diese sekundäre und falsche יווצןושל-Notiz in den Raschi-Kommentar! Offensichtlich diente diese korrupte Lesart der Lissabon-Ausgabe, die mit den portugiesischen Exu-lanten über den Maghreb nach Italien gelangte, dem Editor des Raschi-Kommentars in den Bomberg-Ausgaben (Jacob Ben Chajim stammte aus Tunis) als Vorlage und wurde so Teil des textus receptus des ohnehin pseudepigraphischen Raschi-Kom-mentars.

Vor diesem Hintergrund reduziert sich nun die fragliche Masora bzw. Okhla-Liste auf die Bezeichnung: ליעל ןוהימעטד אתיב אפלא „alphabetisches Verzeichnis von Wörtern, die den Wortton penultima haben“. Unter dieser Bezeichnung bietet die Liste Nr. 33 in Okhla-Halle (Ms UB Yb 4° 10) ליעלדחדחןמ ׄב ׄא, und die Liste Nr. 32 in Okhla-Paris (BNF heb. 148) ׳ינםיסותילוליעל׳מעטבדחודחןמב׳׳א eine zu diesem Kommentar passende Masora. Die Bezeichnung der Pariser Okhla-Liste Nr. 32 ׳מעטבדחודחןמב׳׳א

׳ינםיסותילוליעל ist besonders interessant, weil sie nicht nur die identische Bezeich-nung wie die gleichartige Okhla-Liste der Taylor-Schechter Collection (T-S, Box 1,39) trägt, sondern weil sie die Erweiterung um die masoretische Notiz ׄל (תילו) für Hapax-legomenon, wie sie im tiberiensischen MT und in kontaminierten aschkenasischen Handschriften (BM Add. 15451, Regensburg) bezeugt wird, wiedergibt. Die Bezeich-nung der Pariser Okhla-Liste Nr. 32 ׳ינםיסותילוליעל׳מעטבדחודחןמב׳׳א „alphabeti-sches Verzeichnis von Wörtern, die den Wortton penultima haben und Hapaxlegomenon sind“ bildet die Verbindung zwischen dem masoretischen Material des tiberiensi-schen MT, Circellus über ה ָ֯שׁ ֽ ָרְי mit Sillûq unter Resch, penultima betont und der Mp-Note ׄל (תיל) Hapaxlegomenon, und den Mp-Noten in den aschkenasischen Mss wie BM Add. 15451 und Regensburg ׄב ׄא ׄשמולעלמו „penultima und in einer alphabeti-schen Liste“, die inhaltlich sowohl der Bezeichnung der beiden Okhla-Listen: ׳מעטב

׳ינםיסותילוליעל, als auch der masoretischen Notiz im Raschi-Kommentar: אתיבאפלא ליעלןוהימעטד entspricht. Darüber hinaus erfüllt die Form ה ָ֯שׁ ֽ ָרְי noch eine weitere Bedingung des Raschi-Kommentars, die auch für das Auffinden in Okhla-Listen hilf-reich ist: das sogenannte ה-Paragogicum (אתוביתףוסב ׳ה). Beim Durchsuchen der Okhla-Listen in der zweiten Bomberg-Ausgabe findet sich unter dem Eintrag: ןמב׳׳א ליעלדחודח eine Notiz: אתוביתףוסב׳התשמשמדהביתםשיכא׳׳ההתואתכרעמבאצמת, die besagt, dass diese Liste unter ׳ה geführt wird, wegen des einheitlichen ׳ה am Wor-tende (אתוביתףוסב׳ה). Unter ׳ה findet sich dann eine Liste: ׳ישמשמ׳יעלמדחדחןמב׳׳א ןוהינמיסו׳ובית׳וסב׳ה mit 37 Einträgen, wie sie identisch auch die Liste Nr. 33 der Okhla-Ausgabe Halle bietet.

Die Liste §32 der Pariser Okhla-Ausgabe ist dagegen um drei Einträge erweitert, die sich bei näherer Untersuchung als problematisch erweisen התפצ ,הפקשנו ,הדוחא,

und weist zudem auch Varianten in den Lesarten auf. Die Okhla-Listen der Ausgabe Okhla-Halle und die Mm der Bomberg-Ausgabe lesen in drei Varianten (,הלובז ,הרעוב הטושפ) gegen den tiberiensischen MT und gegen die Pariser Okhla-Ausgabe plene.

Auch bei Ginsburg findet sich unter ׳ה die Liste: עיסואתוביתףוסבא׳׳הליעלמדחןמב׳׳א ןוהנמ, allerdings um zwei Einträge kürzer, als es Liste Nr. 33 der Okhla-Ausgabe Halle bietet. Die verschiedenen Masorot bestätigen mit je unterschiedlichen Bezeichnun-gen die Penultima-Akzentuierung, die singuläre Lesart und das ה-Paragogicum. Ein Vergleich der (bis auf die Anzahl der Einträge und die differierenden Plene- und De fektiv-Schreibung) identischen Okhla-Listen bestätigt das. Alle Okhla-Listen haben die Penultima-Akzentuierung (ליעל׳מעטב) gemein, während Okhla-Paris und T-S 1,39 die Hapaxlegomenon-Lesung (תילו) und die Listen in Bomberg2 und Ginsburg das ה-Paragogicum (אתוביתףוסב׳ה) zusätzlich in ihren Listenbezeichnungen führen. Das bedeutet für eine bestimmte späte Rezension des Raschi-Kommentars, wie sie uns in einigen Handschriften (BM Add. Ms 19653; Frankfurt 24) und einigen Drucken Reggio 1475 und Bologna 1482 vorliegt, dass dem Autor entweder tatsächlich Listen-Masora in der Art der hier vorgestellten Okhla-Listen oder eine erweiterte Mp-Note wie in den Mss BM Add. 15451 oder Regensburg ׄב ׄא ׄשמולעלמו vorlag. Zum einen betont der Raschi-Kommentar die Lesart mit ה-Paragogicum (אתוביתףוסב׳ה), wie sie in der Listen- Masora bei Bomberg 1525 und Ginsburg abgebildet ist, und zum anderen zitiert der Kommentar die Listen-Masora in der kurzen Version der Liste Nr. 33 der Okhla-Aus-gabe Halle. In der Masora des Raschi-Kommentars fehlt jedoch der Hinweis auf die singuläre Lesart תילו, wie sie in der Liste Nr. 32 der Okhla-Ausgabe Paris oder in T-S 1,39 bezeugt ist. So ergeben sich als mögliche Vorlage für die Masora-Notiz im Raschi-Kommentar der Bomberger Druckausgabe neben der Hallenser Okhla-Ausgabe auch die Mp-Notizen in einigen aschkenasischen Handschriften, wie z.B. BM Add. 15451 oder Regensburg: ׄב ׄא ׄשמולעלמו.

Eine Untersuchung der 40 bzw. 37 Lemmata der Listen Halle §33 und Okhla-Paris §32, T-S Box 1,39 sowie Masora Finalis Bomberg 1525 würde ergeben, dass in keinem Fall beide Bedingungen der masoretischen Notiz der pseudepigraphischen

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Erweiterung des Raschi-Kommentars תיל+ליעל (Hapaxlegomenon und Penultima-Ton) bzw. ׳ובית׳וסב׳ה+ליעל (Penultima-Ton und ה-Paragogicum) für sämtliche der gelisteten Lemmata im tiberiensischen MT, wohl aber für den Text in den aschkenasi-schen Handschriften gelten. So ist das erste Lemma der Okhla-Listen ה ָכ ֵל ֵא (Gen 30,26) im tiberiensischen MT (L) zwar in Pausa ׳ובית׳וסב׳ה+ליעל, aber kein Hapaxlegome-non, sondern über die Mp als ׄב markiert und steht damit im Widerspruch zur Liste Okhla-Paris und T-S Box 1,39. Auch das zweite Lemma ה ָמ֑ ֵלּ ַשׁ ֲא (Jona 2,10) ist zwar in L penultima betont ׳ובית׳וסב׳ה+ליעל, aber kein תיל Hapaxlegomenon, sondern über die Mp als ׄב markiert und mit ע ֑ ָרעה ָמ ְלּ ַשׁ ֲא in Spr 20,22 verbunden. Erst das dritte Lemma ה ָרוּג ָא kommt in L ׳ובית׳וסב׳ה+ליעל (penultima ה-Paragogicum) und תיל als Hapaxle-gomenon vor. Das bedeutet zum einen, dass diejenigen Okhla-Liste, die mit masoreti-schen Sonderbedingungen, wie sie in Okhla-Paris, T-S Box 1,39 und in der Masora Finalis von Bomberg 1525 vorliegen, nicht an den Handschriften des tiberiensischen MT, sondern an aschkenasischen Handschriften, die bereits mit dem tiberiensischen Material kontaminiert waren, ausgebildet wurden398, und zum anderen, dass das masorerische Material in den bekannten Okhla-Listen in verschiedenen Rezensionen vorliegt und aus heterogenen Listenmaterial zusammengestellt wurde.399 Für das Lemma ה ָ֯שׁ ֽ ָרְי in Deut 33,23 (mit Sillûq unter Resch, penultima betont) gestaltet sich die Situation deshalb sehr einfach: Die tiberiensiche Masora bietet durchgehend lediglich die Mp-Note ׄל (תיל) für das Vorkommen als Hapaxlegomenon, wohingegen die Lesarten und die Mp-Noten in den aschkenasischen Handschriften wie BM Add.

15451 und Regensburg Überreste des masoretischen Materials bieten, das in den bekannten Okhla-Listen bezeugt wird, nämlich ׄב ׄא ׄשמולעלמו „penultima und in einer alphabetischen Liste“. Für die in der masoretischen Note des Raschi-Kommentars in der Fassung des Drucks Bomberg 1525 erwähnte sekundäre יווצןושל-Notiz gibt es in dem erhaltenen masoretischen Material zum Lemma ה ָ֯שׁ ֽ ָרְי in Deut 33,23 weder in den Okhla-Listen noch in den Mp- oder Mm-Noten der aschkenasischen Handschriften Hinweise. Vielmehr lässt sich über die Version der masoretischen Note des Raschi-Kommentars, wie er in der Fassung von Gershom Soncino in Rimini 1525 gedruckt wurde (ליעל ןוהימעטד אתיב אפלאב) noch erkennen, dass der masoretische Text, der den Autoren des erweiterten Raschi-Kommentars vorlag, mit hoher Wahrscheinlich-keit eine masoretische Note in der Form ׄב ׄא ׄשמולעלמו, wie sie noch in den aschke-nasischen Mss BM Add. 15451 oder Regensburg bezeugt wird, gewesen sein muss.

398 Vgl. Ehrentreu 1925.

399 So breitet Ginsburg die Masora magna zu den Derivaten der Wurzel שרי in epischer Breite aus und stützt sich dabei immer wieder auf Listen in Ms Harley 5710–11. Doch ausgerechnet das Lemma ה ָשׁ ֽ ָרְי kommt in der Mm von Ms Harley 5710–11 und damit auch bei Ginsburg nicht vor.

Im Dokument Kay Joe Petzold Masora und Exegese (Seite 172-176)