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Zusammenhänge zwischen Schülermerkmalen und leistungs- leistungs-bezogenem Schülerverhalten

Im Dokument Forschung & Entwicklung (Seite 107-110)

Item 8: Erzieherische Massnahmen bei Suchtmitteln und Erziehung allgemein In Item 8 geht es um den Konsum von Nikotin und Alkohol an Schulanlässen und

6 Eltern und Schülerverhalten im Unterricht

6.2 Ein Prozessmodell zur Erklärung von Schülerver- Schülerver-halten

6.2.3 Zusammenhänge zwischen Schülermerkmalen und leistungs- leistungs-bezogenem Schülerverhalten

In diesem Abschnitt werden Persönlichkeitsmerkmale von Schülerinnen und Schülern beschrieben und operationalisiert, die für die Vorhersage von leistungsbezogenem Ver-halten von Bedeutung sind30. Dabei wird jeweils auch aufgezeigt, welchen Einfluss die Eltern auf die Ausprägung dieser Persönlichkeitsmerkmale haben.

Zu Beginn ihrer Schulzeit haben Kinder noch kaum eine klare Vorstellung davon, wie sie ihre Fähigkeiten im Klassenvergleich einzuschätzen haben. Im Laufe der Schul-zeit wird „Fähigkeit“ immer deutlicher als ein relativ stabiles Persönlichkeitsmerkmal gesehen, das sich auf Grund der jeweils erbrachten Anstrengungen und der Leistungser-gebnisse erschliessen lässt. Die Erfahrung des Scheiterns ist dann besonders schmerz-lich, wenn ein angestrebtes Leistungsziel trotz hoher Anstrengung nicht erreicht wurde;

in einem solchen Fall bleiben nur mangelnde Begabung oder Pech als Erklärung. Eltern haben einen entscheidenden Einfluss darauf, wie ihre Kinder sich in solchen Situationen verhalten: Wenn es ihnen gelingt, das Selbstvertrauen ihres Kindes zu stärken und es zu ermutigen, wird es sich eher anstrengen und das Risiko des Scheitern in Kauf nehmen.

Kinder mit einem mangelnden Selbstvertrauen dagegen neigen dazu, ein Vermeidungs-verhalten zu zeigen und auf Leistungsanforderungen ängstlich und abwehrend zu rea-gieren, was Lernfortschritte deutlich erschwert.

Im Schülerfragebogen wurden die Motivation und Volition der Schüler/innen so-wie ihr Fähigkeitsselbstkonzept in den Fächern Deutsch und Mathematik erfasst. Es handelt sich also wiederum um Selbsteinschätzungen. Als viertes (biologisches) Merk-mal wurde das Geschlecht erhoben, das für die Erklärung von Schülerleistungen eben-falls eine wichtige Rolle spielt.

Fähigkeitsselbstkonzept: Die Einschätzung der eigenen leistungsbezogenen Kompetenzen sowie das Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit gehören zu den stärksten und eindeutigsten Prädiktoren der Schulleistung. Ein hohes Fähig-keitsselbstbild ist eine wichtige Bedingung für die Anstrengungsbereitschaft und trägt dazu bei, dass diese auch bei auftretenden Schwierigkeiten aufrechterhalten

30 Die Skalen sind im Dokumentationsband zum Schülerfragebogen zu finden.

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wird (Persistenz). Umgekehrt kann ein niedriges Fähigkeitsselbstkonzept bewirken, dass kritische Lernsituationen, die das Selbstwertgefühl bedrohen könnten, vermieden werden (Helmke & Weinert 1997). Kinder schätzen ihre Fähigkeiten aufgrund der eigenen Erfahrungen im Unterricht und der Rückmel-dungen der Lehrpersonen z. B. in Form von Schulnoten ein. Doch auch der Ein-fluss der Eltern spielt eine wichtige Rolle: Wenn sie Vertrauen in die Leistungs-fähigkeit und Lernbereitschaft ihrer Kinder zeigen, indem sie beispielsweise schlechte Schulleistungen eher mit ungünstigen Umständen und gute eher mit der Begabung und dem Interesse des Kindes erklären, beeinflussen sie das Fä-higkeitsselbstkonzept ihrer Kinder positiv. Im Fragebogen schätzten die Schü-ler/innen für die Fächer Deutsch und Mathematik auf einer vierstufigen Skala ih-re Fähigkeit ein, die Aufgaben zu machen, Prüfungen zu schih-reiben, Fragen zu beantworten, im Unterricht mitzumachen, die Inhalte zu verstehen und zu behal-ten. Schliesslich sollten sie einschätzen, ob sie im entsprechenden Fach „ein gu-ter Schüler / eine gute Schülerin“ seien.

Intrinsische und extrinsische Motivation: Als „intrinsisch motiviert“ wird eine Verhaltensweise bezeichnet, die kein offensichtliches Ziel ausserhalb der Hand-lung selbst hat. Spielerische Aktivitäten von Kindern oder künstlerische Betäti-gungen von Erwachsenen sind Beispiele für intrinsisch motivierte Tätigkeiten.

Wird eine Handlung im Hinblick auf ihre Ergebnisse und bestimmte anzustre-bende Ziele ausgeführt, so ist sie extrinsisch motiviert. Intrinsische Motivation setzt Lust an der Tätigkeit voraus: Kinder spielen, weil es ihnen Spass macht;

darüber hinaus erwerben sie im Spiel Kompetenzen, die ihnen in der Zukunft von Nutzen sind (Schneider 1996). Deci und Ryan (1993) nennen zwei Bedin-gungsfaktoren für den Aufbau von intrinsischer Motivation: Förderung von Au-tonomie und Förderung von Kompetenzaufbau. Die Förderung von AuAu-tonomie meint, dass Kinder gewisse Handlungsfreiheiten besitzen und nicht durch exter-ne Kontrolle allzu stark eingeschränkt werden. Die Förderung von Kompetenzen setzt voraus, dass das Kind Gelegenheit hat, herausfordernde, seinem Fähig-keitsniveau angepasste Aufgaben zu meistern, was positive Emotionen hervor-ruft. Diese positiven Emotionen sind eine wichtige Voraussetzung dafür, dass Kinder in schwierigen Leistungssituationen Ausdauer und Anstrengungsbereit-schaft zeigen und sich von Misserfolgen nicht allzu rasch entmutigen lassen.

Wir erfassten die Motivation im Unterricht und bei der Erledigung der Hausauf-gaben. Intrinsisch motivierte Schüler/innen machen ihre Hausaufgaben, weil sie sie gerne machen, weil sie wissen wollen, ob ihre Antwort richtig ist und weil sie den Stoff verstehen möchten. Extrinsisch motivierte Schüler/innen möchten keinen Ärger bekommen; sie wissen, dass das Erledigen der Hausaufgaben von ihnen verlangt wird und möchten, dass ihr Lehrer / ihre Lehrerin sie für einen guten Schüler resp. eine gute Schülerin hält. Die Antwortmöglichkeiten zu den Gründen, sich im Unterricht Mühe zu geben, waren sehr ähnlich (Extrinsisch:

damit die Lehrperson zufrieden ist; weil man nicht beim „Schlafen“ ertappt wer-den möchte; weil es erwartet wird. Intrinsisch: um zu erfahren, ob die Antwort stimmt; aus Interesse; weil man den Stoff verstehen möchte).

Volition: Der Begriff der Volition bezieht sich auf die gewollte Umsetzung einer Intention in eine Handlung. Er stammt aus der Forschungstradition der Willens-psychologie, die sich mit der Frage auseinandersetzt, welche Prozesse sich bei der Zielsetzung und Zielerreichung abspielen. Gollwitzer (1996) postuliert in seinem Rubikonmodell der Handlungsphasen, dass ein Individuum in einer zeit-lichen Abfolge verschiedene Phasen durchläuft, wenn es ein Ziel anstrebt. An

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erster Stelle stehen das Wünschen und Abwägen (prädezisionale Phase), wobei entschieden werden muss, ob der Wunsch realisierbar ist. Wenn der Wunsch in eine Intention transformiert wird (präaktionale Phase), bedeutet dies, dass sich die Person jetzt der Zielerreichung verpflichtet fühlt. Sie hat den „Rubikon über-schritten“ (daher der Name des Modells), d. h. aus dem relativ unverbindlichen Wunsch ist der Entschluss gewachsen, das angestrebte Ziel zu erreichen. Zu die-sem Zeitpunkt kommt die Volition ins Spiel: Wenn die Person sich dem Errei-chen des gesetzten Ziels stark verpflichtet fühlt, so ist ihre Volition hoch. Das ist eine günstige Voraussetzung, damit das angestrebte Ziel erreicht werden kann.

Nun müssen zielgerichtete Handlungen vorgenommen werden (aktionale Phase), wobei der Erfolg, d. h. die Zielerreichung, nicht nur von der Volitionsstärke ab-hängig ist, sondern auch von allfällig auftretenden Hindernissen, die überwun-den werüberwun-den müssen. Im Rückblick (postaktionale Phase) wird sich die Person Rechenschaft darüber ablegen müssen, ob sich ihre Anstrengung gelohnt hat.

Das Ergebnis dieser Überlegungen wird die Volitionsstärke in zukünftigen ähn-lichen Situationen vermutlich beeinflussen (Gollwitzer 1996). Schüler/innen, die sich auf eine Prüfung vorbereiten, haben bezüglich des Aufwandes, den sie zu leisten bereit sind, gewisse Entscheidungen zu treffen. Eine hohe Volition führt dazu, dass das einmal gesetzte Ziel (z. B. mindestens eine Fünf zu schreiben) ei-ne hohe Verbindlichkeit besitzt und mit entsprechend grosser Entschlossenheit zu erreichen versucht wird. Schüler aus einem Elternhaus mit höheren Bildungs-erwartungen werden sich im Schulleistungsbereich vermutlich tendenziell höhe-re Ziele stecken. Sie erkennen, dass ihhöhe-re Eltern einen höhehöhe-ren Bildungsabschluss als wünschbar einstufen. Zudem sind sie bezüglich der Realisierbarkeit des Ziels zuversichtlich, weil sich ihre Eltern gute Leistungen eher mit Fähigkeit und Inte-resse als mit Glück erklären. Somit ist von Schülerinnen und Schülern mit einer hohen Volition zu erwarten, dass sie bessere Leistungen zeigen und den Unter-richt weniger stören. Allerdings gibt es nur wenige Befunde zu den Zusammen-hängen zwischen Volition und Schulleistungen, und in den meisten Fällen er-wiesen sie sich als schwach oder inkonsistent (Helmke & Weinert 1997). Wir haben die Volition unabhängig von bestimmten Schulfächern im Sinne eines Persönlichkeitsmerkmals erfasst. Die Schüler/innen sollten auf einer vierstufigen Skala Aussagen einschätzen wie z. B. „Ich fange oft Sachen an und schaffe es nicht, sie zu Ende zu bringen“ oder „Ich habe das Gefühl, dass ich einen ziem-lich schwachen Willen habe“.

Geschlecht: Das biologische Geschlecht ist für die Vorhersage von Schülerver-halten bedeutsam, wie zahlreiche Untersuchungen zeigen. So erbringen die Jun-gen in den mathematischen Fächern nach wie vor tendenziell bessere Leistun-gen, die Mädchen dagegen in den Sprachfächern (Helmke & Weinert 1997). Die Frage, wie diese Leistungsunterschiede zu erklären sind, lässt sich zwar nicht zweifelsfrei beantworten. Aber es gibt Befunde, dass sowohl die Jungen und Mädchen selber als auch Eltern und Lehrpersonen Leistungsunterschiede über Selbstwirksamkeitsüberzeugungen oder Ursachenzuschreibungen für Erfolg und Misserfolg geschlechtsstereotypisch interpretieren (Eccles 2003). Dies würde erklären, weshalb sich in der Grundschule im allgemeinen keine geschlechtsty-pischen Leistungsunterschiede finden, sondern erst im sekundären und tertiären Bildungsbereich. In Kapitel 6.4.2 wird der Frage nachgegangen werden, inwie-fern sich solche geschlechtsspezifischen Erklärungen für (tatsächlich vorhande-ne oder vermeintliche) Leistungsunterschiede auch in unserer Untersuchung fin-den lassen.

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6.2.4 Weitere Einflussgrössen für das Schülerverhalten:

Im Dokument Forschung & Entwicklung (Seite 107-110)