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Partei Autochthon

Übersicht 19: Einrichtung A

10.2 Zusammenfassung Einrichtung A

Anerkennung und Respekt

Das Arbeitsklima und die im Kollegium herrschende Stimmung werden durchweg als positiv gewertet. Auch die multiethnische Teamzusammenstellung ruft keine Ände-rungswünsche in Bezug auf Beschaffenheit hervor – die Mischung an MitarbeiterInnen und ihren Kulturen wird goutiert, sodass der Faktor Ethnizität keine Bedeutung hat. Den ausländischen KollegInnen wird von den Einheimischen eine wichtige Bedeutung ein-geräumt, gleichzeitig wird aber auch gemutmaßt, dass sie ersetzbar sind. Allen Kolle-gInnen wird Wertschätzung entgegengebracht, sowohl vertikal durch die Einrichtung bzw. Stationsleitung als auch horizontal untereinander auf Pflegeebene. Der Umgang lässt sich rücksichtsvoll und von Respekt geprägt deuten. Die Pflegekräfte werden aktiv, wenn es um eine wechselseitige Hilfestellung bei emotionalen Ausnahmesituationen geht (d. h. emotionale Unterstützung). Jeder bietet jedem seine Hilfe an, unabhängig von ethnischen Zugehörigkeiten, sodass auch die instrumentelle und informative Hilfe gewährleistet ist. Es werden keinerlei negative Haltungen im Sinne von Vorurteilen ar-tikuliert. Bei beiden Gruppen lassen die Antworten keine Rückschlüsse auf die Einbe-ziehung ethnischer Faktoren zu. Als Beleg kann die offensichtliche Bevorzugung einer kroatischen Pflegekraft gelten, die im Einklang von allen anderen Teammitgliedern mitgetragen wird.

Kommunikation

Schwierigkeiten in der Interaktion resultieren aus unzureichenden Kommunikations- und Abspracheprozessen. Die Beteiligten lassen jedoch erkennen, dass dies nur

margi-nale negative Auswirkungen auf die Multiethnizität des Teams hat. Es zeigt sich, dass teilweise die ungenügende Sprachkompetenz bei den ausländischen KollegInnen das gemeinsame Miteinander beeinträchtigt. Diese Einschätzung einiger Befragter fand auch Bestätigung in den durchgeführten Befragungen, in denen sich z. T. nach Ein-schätzung des Interviewers unzureichende Kenntnisse der Deutschen Sprache offenbar-ten (Galina, m. E. Paula). Fragen wurden oftmals wiederholt, re-formuliert oder neu er-klärt und dennoch war vereinzelt daran zu zweifeln, ob der Inhalt sinngemäß verstanden wurde. Besonders Galina weiß um ihre schlechte Konversationsfähigkeit, spricht aber zu Hause nach ihren Aussagen dennoch nur russisch. Sie betrachtet die Arbeitszeit als primäre Möglichkeit, um ihre Deutschkenntnisse zu verbessern.

Als Folge wird eingeräumt, dass dieser Umstand Missverständnisse und Ungenauigkei-ten z. B. bei der Dokumentation nach sich zieht: „Durch die Sprache können die [Aus-länder d. A.] die Pflegeberichte nicht so schreiben, wie es sein muss“ (Mehmet, S. 13).

Diese Einschränkungen stellen aber laut den Befragten keine unüberwindbaren Beein-trächtigungen dar. Beide Parteien, d. h. die Einheimischen bzw. „Sprachkompetenten“

und die weniger gut Deutsch Sprechenden, bemühen sich aktiv um eine klare Verstän-digung. Während die einheimischen Teammitglieder Nachfragen anstellen oder Äuße-rungen wiederholen, nutzen die ausländischen Pflegenden ihre Muttersprache, um in Gesprächen mit Ärzten und ihren zu betreuenden BewohnerInnen zu dolmetschen.

Gleichzeitig wird die Plattform Altenpflegeheim dazu genutzt, die eigenen Sprachdefi-zite zu verbessern (laut Aussage von Galina).

Es gibt keine expliziten Äußerungen von den Befragten, die die Sprachfertigkeit von ei-nigen ausländischen KollegInnen negativ bewerten oder kritisieren. Zwar scheint es Fäl-le zu geben, in denen die Kommunikationskompetenz in deutscher Sprache weniger gut ausgeprägt ist, jedoch sorgt dies weder für Verärgerung noch für Unmut. Dieses Defizit scheint also nicht desintegrierend zu wirken, vielmehr kompensieren die übrigen Pfle-gemitarbeiter einen derartigen Mangel und nutzen die anderen Stärken der Betroffenen.

Einen Reibungspunkt stellt der Faktor Subkommunikation dar. Durch das Sprechen in nichtdeutscher Sprache fühlen sich einige einheimische Pflegekräfte vom Gesprächsin-halt ausgegrenzt, was mitunter zu Unmut führt. Die allochthonen Pflegekräfte sehen umgekehrt derartige Gespräche als Chance zu schnellerem Austausch und einer besse-ren Ausdrucksmöglichkeit. Um diesbezüglich weitere Spannungen zu unterbinden, wurde von Seiten der Stationsleitung die Order zur ausschließlichen Kommunikation in

deutscher Sprache ausgegeben. Einzelne Verstöße dagegen werden situationsspezifisch auf verbaler Ebene und ohne weitere Folgen geklärt.

Kooperation bzw. Konflikt und Kollegialität

Die (multiethnische) Mischung im Team wird als wichtig erachtet. So wird in den Mit-arbeiterInnen (mit einer Ausnahme) stets nur die KollegIn, nicht die KonkurrentIn gese-hen.

Eine vertrauensvolle Basis scheint ebenso als gegeben, was sich unabhängig von ethni-schen Hintergründen zeigt. Vielmehr stehen hierbei Faktoren wie das Alter, die indivi-duelle Stationszugehörigkeit oder persönliche Einschätzungen (d. h. Sympathie und An-tipathie) im Vordergrund. Kleinere Cliquen, die anscheinend auf Sympathie beruhen und jedoch keine explizite Bedeutung für das Stationsgeschehen aufweisen (z. B. mit einer Abgrenzung nach außen), lassen sich innerhalb des Teams finden. Umgekehrt spielen ethnische Zugehörigkeit, Muttersprache oder andere Zuschreibungen keine Rol-le. Dies deutet darauf hin, dass alle MitarbeiterInnen im Team integriert sind.

In der Vergangenheit wurde das Stationsklima durch einen interethnischen Konflikt ge-stört, der seine Ursache anscheinend in einer Macht-, Anerkennungs- und Kompetenz-asymmetrie hatte. Aufgrund der Aussagen der Beteiligten lässt sich rückschliessen, dass nicht die ethnischen Differenzen der Auslöser bzw. von Bedeutung waren. Wie aufgezeigt, standen Qualifikations- und Hierarchieunterschiede im Fokus des Konflikts.

Die unterschiedlichen stationsinternen Versuche zur Lösung zeigten sich wirkungslos, sodass die konfliktive Situation erst geklärt werden konnte, als eine der Konfliktparteien aus Vertragsgründen die Institution verlassen musste. Es scheint, als ob in diesem Fall vor allem diskrepante Auffassungen auf persönlicher Ebene eine Lösung verhindert ha-ben. Dazu Miriam: „Die haben sich gefetzt und gestritten. Es war eine persönliche Ebe-ne“ (S. 5). So ist hier die Schlussfolgerung zulässig, dass diesem Streit kein Integrati-onsproblem zugrunde lag, denn ursächlich waren formale Kriterien, die eine Nichtaner-kennung von ausländischen Qualifikationen zur Folge hatten.

Anzumerken ist noch die Bestätigung von Stereotypen. Die verbreiteten Annahmen zu Nationalcharakteren, wie beispielsweise die rational arbeitenden Deutschen, die gemüt-lichen Bayern, die fleißigen Ostdeutschen, die emotionalen SüdländerInnen und die leis-tungsbereiten Personen mit Spätaussiedlerherkunft wurden teilweise sowohl von au-tochthoner als auch von allochthoner Seite untermauert. Dabei wurden aber keinerlei negative Zuschreibungen getätigt.

Die Wechselseitigkeit bei Hilfestellungen wird von allen betont, ebenso wird von der Existenz eines gemeinsamen Gruppenzieles berichtet und der Wille zu einem Zusam-menhalt des Teams bekundet. Nach den Ausführungen von Spieß (1999: 78) kann bei diesem Kollegium eine empathische Art der Kooperation abgeleitet werden. Diese Ein-schätzung mit den dafür notwendigen Voraussetzungen (u. a. empathisches Verhalten, Kommunikation, gemeinsame Zielsetzung) kann somit ebenso als Kriterium für eine ge-lungene Integration gewertet werden.

Auf organisatorischer Ebene wurde im bzw. durch das Team sowohl eine Normenstruk-tur (Raucherpausen, Umgang mit Angehörigenkritik, Respekt der Privatsphäre usw.) als auch eine von allen mitgetragene Zieldefinition erarbeitet. Beides fördert die Leistungs-bereitschaft, die Kooperationsbestrebungen, aber ebenso die Kohäsion. So wird solidari-sches Denken als auch Handeln innergruppal praktiziert. Die aktive Herangehensweise an den Faktor Integration zeigt sich hier an der gemeinsam initiierten Zielfindung: alle Teammitglieder haben sich die Umsetzung einer Vorgabe (z. B. das „Miteinander“; Mi-riam) bewusst vor Augen geführt. Unabhängig von Sympathie oder Nationalität eint dies die tägliche Arbeit in dem Wohnbereich.

Sympathiebeziehungen, Cliquenbildungen (z. B. alteingesessenes Kernteam) oder Ein-zelgängertum beeinträchtigen das Gemeinschaftsgefühl der gesamten Gruppe in keiner Weise – individuelle Verhaltensweisen oder Arbeitsrhythmen werden akzeptiert. Die positiv empfundene Kollegialität ist eine der Entscheidungskriterien für eine erfolgrei-che Integration. In diesem Rahmen weisen alle Pflegekräfte einen professionellen Um-gang mit Fehlern bzw. Kritik auf, so dass Friktionen und gegenwärtige Konflikte (die keineswegs negiert werden) meistens in Gesprächen gelöst werden können.

Die erklärten Wünsche der ProbandInnen dokumentieren die positiven Einstellungen zu den MitkollegInnen, denn die wunschhaften Vorstellungen behandeln primär organisa-torisch-formale Sachverhalte (u. a. Personalbestand, Räumlichkeiten, Bezahlun-g) oder bürokratische Verbesserungsvorschläge (z. B. Dienstplan).

Das gesamte Spektrum der abgefragten Indikatoren wird von einer positiven Grund-stimmung im Team dominiert, womit Spaß, Zufriedenheit, Zusammenhalt, Wertschät-zung und Gemeinsamkeit verknüpft werden.

Die Aussagen der Teammitglieder zu den einzelnen Indikatoren und somit zu den kon-struierten Kategorien lassen die Interpretation auf eine aktive Gestaltung der

autochtho-nen bzw. allochthoautochtho-nen Integrationsleistung zu. Das Team als Ganzes funktioniert, un-abhängig von den ethnischen Hintergründen der MitarbeiterInnen. Integration wird ge-lebt, indem vereinzelte Defizite (z. B. Kommunikationskompetenz) von anderen Mitar-beiterInnen kompensiert werden. Verschiedenartigkeiten werden nicht betont, vielmehr wird Interesse am Gegenüber geäußert. Die Interaktionen finden ohne Ansehen der be-teiligten Personen problemlos statt.

Die Bewertung aller erhaltenen Daten in Einrichtung A lässt auf eine gelungene Integra-tion schließen.