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Übersicht 5: Alterspyramide der ausländischen Bevölkerung in Deutschland (2003)

4. Der Pflegebereich alter Menschen in Deutschland

4.3 Profession und Professionalisierung

Bara-cken, um die größte Not zu lindern und um die alten Menschen überhaupt vor dem Hungertod zu bewahren. Vor allem ausländische Wohlfahrtsorganisationen gaben den Heimen in großem Umfang Lebensmittelspenden. Es entstanden Flüchtlings-Alten-heime und allmählich stellte auch der Staat Geldmittel zur Verfügung, um einerseits die bestehenden Altenheime auszubauen und zu modernisieren, aber andererseits auch, um neue Einrichtungen zu bauen. Den größten Anteil auf diesem Gebiet hatten allerdings die Wohlfahrtsverbände, die erheblichen Aufwand zur Ausgestaltung der geschlossenen Altenfürsorge betrieben. Auch leer stehende Kasernen wurden in Altenheime umge-wandelt, ebenso dienten von ihren Besitzern verlassene Schlösser oder Groß-Villlen als Altenunterkünfte. In der Not der Nachkriegsjahre ähnelten die Einrichtungen in ihrer Ausstattung mit Mehrbettzimmern, Gemeinschaftstoiletten, engen langen Gängen und nüchternen Gemeinschaftsräumen vielfach den früheren Kasernen (Katscher 1989).

Erst seit Mitte der 50er Jahre kamen neue Überlegungen für den Altenheimbau auf. Man versuchte moderne, schöne Wohnräume und Personaltrakte zu gestalten, auch um gut ausgebildetes und erfahrenes Personal bleibend in den Häusern anzusiedeln.

überbordenden Bürokratie in der Alltagspraxis steht aber immer noch aus (Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen 2005).

Aus haftungsrechtlichen und qualitätssichernden Gesichtspunkten ist es einerseits not-wendig, den Pflegeprozess in einer Institution der Altenpflege transparent zu machen.

So sind jegliche Leistungen, Maßnahmen, Wahrnehmungen, Vorkommnisse und Ab-weichungen zu dokumentieren sowie zukünftige Planungen und Therapiemodelle schriftlich zu entwickeln. Andererseits gilt es aus juristischer Perspektive, sämtliche Schutz- und Sicherungshandlungen sowohl ärztlich und richterlich genehmigen zu las-sen als auch deren Verlauf und Handhabung nachweisbar festzuhalten.

Das Hauptmotiv zur schriftlichen Nachweisführung aller Tätigkeiten liegt allerdings bei der Vergütungssystematik der Pflegekassen. Über das Abzeichnen der pflegerischen Leistungen in diversen Schemata und Katalogen sowie die Ausformulierung der indivi-duell zugeschnittenen Pflegeplanungen ergibt sich das Maß an Bedürftigkeit, welches dann entsprechend der vorhandenen Pflegestufe finanziell honoriert wird. Die Doku-mentation der Leistung sichert also die Existenz der Einrichtung.

Pflegepersonen

Um neben den Dokumentationstätigkeiten auch generell den Anfordernissen dieses

"Beziehungsberufes" gerecht zu werden, wurden diverse Qualitätsmerkmale ausformu-liert, über die eine Pflegeperson verfügen sollte. In diesem Kontext wird von Schlüssel-qualifikationen gesprochen, also von "Fähigkeiten, die notwendig sind, um fachlich kompetente und der Situation angemessene Pflege leisten zu können" (Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen 1999: 1). Die Fä-higkeiten werden auf unterschiedliche Grundpfeiler pflegerischen Denkens und Agie-rens verteilt:

Fachkompetenz: Kenntnisse und Fertigkeiten zur Bewältigung pflegespezifi-scher Aufgaben (Fachwissen);

Methodenkompetenz: der Umgang mit Fachwissen, bzw. die Anwendung von Lern- und Arbeitsmethoden;

Sozialkompetenz: Gestaltung des eigenen Verhaltens innerhalb eines Teams, der Umgang und Austausch mit KollegInnen;

Persönlichkeitskompetenz: der Umgang mit sich selbst d. h. das kritische Hin-terfragen eigener Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten und eventuell das Einleiten von korrigierenden Maßnahmen;

Ökologisch-systemische Kompetenz: der Umgang mit ethischen und morali-schen Werten sowie der wirtschaftliche Einsatz von Ressourcen.

Andere Autoren propagieren in hohem Maße die Notwendigkeit einer Kommunikati-onskompetenz (z. B. Ulich 2003: 124): schriftliche und mündliche Ausdrucksfähigkeit, Diskussionsfähigkeit und zielorientierte Gespräche.

Eine detaillierte Ausgestaltung der jeweiligen Kompetenz orientiert sich an der indivi-duellen Berufsrolle in einer Alten(pflege)institution: je höher die Position, desto ausge-prägter und umfangreicher das Anforderungsprofil. In diesem Zusammenhang ist es in-teressant, das Kompetenzrepertoire einer Pflegehilfskraft darzustellen. Die Vertreter des bayerischen Landespflegeausschusses (eine Gemeinschaft der bayerischen Spitzenver-bände der freien Wohlfahrtspflege) gehen in diesem Berufsbild davon aus,

dass die Bereitschaft besteht, sich anleiten zu lassen,

dass eine Dokumentation der eigenen pflegerischen Tätigkeiten erfolgt, dass Offenheit im Umgang mit Fehlern und Konflikten vorherrscht,

dass die Bereitschaft gegeben ist, bei Auffälligkeiten im Befinden der Heimbe-wohnerInnen nachzufragen,

dass Umgangsformen und eine angemessene Kommunikation beachtet wird, dass Informationen in deutscher Sprache verbal und in schriftlicher Form

wei-tergegeben werden (siehe die Ausführungen zur Kategorie Kommunikation un-ter 7.3)

und dass ethnische Toleranz gelebt wird (Bayerisches Staatsministerium für Ar-beit und Sozialordnung, Familie und Frauen 1999: 5ff).

Werden alle Schlüsselqualifikationen betrachtet und auf die Beschäftigten in der statio-nären Altenhilfe bezogen, so lässt dies signifikante Rückschlüsse zu, wie heterogen die Belegschaft gestaltet sein muss, u. a. bezüglich Qualifizierung, Herkunft oder Kompe-tenzstruktur.

Zentral sind solche Anforderungsprofile für die Gruppe der Fachkräfte, bestehend aus examinierten Altenpflege-, Gesundheits- und Krankenpflege- sowie Gesundheits- und Kinderkrankenpflegekräften. Den so genannten Hilfskräften ist das Ausführen von Tä-tigkeiten, die fundiertes Wissen voraussetzen aus ordnungs- und leistungsrechtlichen Vorgaben untersagt. Darunter sind beispielhaft invasive Maßnahmen (Injektionen),

pharmakologische Therapie (Medikamentenvorbereitung und -abgabe), Wund-versorgung, spezielle Pflegedokumentation (Pflegeplanung) zu verstehen. In der Heim-personalverordnung bzw. den z. T. novellierten Landesheimgesetzen wird die Zusam-mensetzung des Pflegepersonals nach Qualifikationen reglementiert. Danach ist der Nachweis einer Mindestfachkraftquote von 50% (d. h. qualifizierte, examinierte Fach-personen) innerhalb einer Alten(pflege)einrichtung zu erbringen.

Diese Forderung wird einerseits nicht in allen Institutionen umgesetzt (vgl. BMFSFJ 2002: 261; Zimber / Weyerer 1998: 93), andererseits wird verdeutlicht, wie anhand der zahlenmäßigen Präsenz von Hilfskräften eine Vielzahl von Pflegeaktivitäten primär von den teilweise unterrepräsentierten Fachpersonen zu verrichten sind. Die Konsequenz aus der Personalbesetzung sind somit intensivierte Kommunikationsprozesse und eine ein-seitige Überlastung auf Seiten der examinierten Pflegenden. Denn werden geschilderte fachliche Maßnahmen fällig, so liegt die Durchführungsverantwortung nicht bei den Hilfspersonen, sondern auf Seiten der examinierten Fachkräfte. Dies erfordert von den Fachkräften Delegationsgeschick, auf Seite der HelferInnen die Artikulation von Unter-stützungs- und Hilfsbereitschaft sowie die Bereitschaft zur Entgegennahme von Anwei-sungen.

Ähnlich verhält es sich bei Arbeitsabläufen, deren Umsetzung für eine Pflegeperson al-lein als problematisch zu bezeichnen ist. Bei diversen Maßnahmen ist es nötig, dass mindestens zwei Pflegende kooperieren, um einen Erfolg zu ermöglichen. Als Beispiel sind Mobilisationsaktivitäten, Positionsverlagerungen oder Badevorhaben von bettläge-rigen, adipösen oder pflegeaufwändigen BewohnerInnen zu nennen.

Dass es um die Pflegequalität teilweise schlecht steht, wird zunehmend bekannt (z. B. 2.

Bericht des MDS 2007). Neben teilweiser polemischer medialer Kritik gibt es auch fun-dierte Aufklärungsarbeit und seriöse Ansätze, die auf Missstände hinweisen. So sind einige Träger dazu übergegangen, jährliche Qualitätsberichte auf freiwilliger Basis zu veröffentlichen (z. B. Wohlfahrtswerk Stuttgart, Münchenstift). Auch das Bestreben, sich als Altenpflegeeinrichtung freiwillig von externen Prüfinstitutionen zertifizieren zu lassen, verdeutlicht den Trend zur Transparenz. Ordnungspolitische Neuerungen (durch das Pflegeweiterentwicklungsgesetz zum 1. Juni 2008 oder verschiedene novellierte Landesheimgesetze seit Sommer 2008) verkürzen die Intervalle von unangemeldeten Prüfungen durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen bzw. durch die

kommu-nalen Heimaufsichtsbehörden zusätzlich.

Bezugnehmend auf die mitunter kritische Versorgung in den Heimen weist der Pflege-kritiker Fussek (2002) in seinen Mindestanforderungen an eine menschenwürdige Pfle-ge explizit auf die Kommunikation hin, wobei er fordert, dass jeder pflePfle-gebedürftiPfle-ge Mensch die Möglichkeit haben muss, über einen Mitarbeiter der Station zu verfügen, der die Muttersprache spricht. Da (noch) davon auszugehen ist, dass sich die Bewohnerklientel überwiegend aus Einheimischen rekrutiert, ist der Schluss zulässig, dass in Großstädten und Ballungsräumen u. U. Altenpflegeteams existieren, in denen die Kommunikation in deutscher Sprache keine Selbstverständlichkeit mehr darstellt.

Die Fürsorge, also das Helfen, Unterstützen, bildet den Kern der professionellen Pflege und ist in jeder menschlichen Kultur spezifisch ausgeprägt. Es gibt folglich kulturspezi-fische Unterschiede und Übereinstimmungen. Wesentlich für die Unterschiede ist zum einen die Wertschätzung für und die Bedeutung von Fürsorge in einer Kultur, ebenso wie die Pflege innerhalb familialer Strukturen bewertet wird. Zum anderen resultiert aus unterschiedlichen Pflegeausbildungsstrukturen, die durch die jeweiligen kulturellen Werte, das Welt- und Wirklichkeitsverständnis oder durch die Religion in einem Kul-turkreis beeinflusst werden, auch ein differierendes Pflegeverständnis.

Entscheidend ist somit die Aussage, dass verschiedene Kulturen auch unterschiedlich pflegen (Leininger 1998: 86). Sind also Pflegeteams mit Kräften aus unterschiedlichen Kulturen besetzt, so existieren m. E. auch unterschiedliche Pflegeverständnisse.

Zusammenfassend lässt sich festhalten:

Pflege ist eine soziale Dienstleistung, die zwischen zwei oder mehreren Menschen voll-zogen wird. Dabei werden nicht nur Aktivitäten auf einer Handlungsebene vollvoll-zogen, es werden auch emotionale und vielfache kommunikative Prozesse geknüpft. Die Pflegetä-tigkeit wird innerhalb eines Teams erbracht, wobei ein funktionaler Arbeitsablauf und somit der Erfolg einer Schicht vom Wirken aller Beteiligten eines Pflegekollegiums ab-hängt (Teamarbeit). Hierbei leisten neben qualitativen Kompetenzen der professionellen Individuen v. a. die Kommunikationsfähigkeiten einen wesentlichen Beitrag.