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Zugehörigkeitsgefühl

Im Dokument Sinn in der Unfreiwilligkeit (Seite 94-99)

Erkennbar ist, dass Expert*innen sowohl Vorschläge bezüglich strikterer gesetzli-cher Rahmenbedingungen einbringen, zur Verbesserung der Lage ihrer Klient*in-nen und deren Bezugssystem, als auch Lockerungen für sinnvoll erachten würden in manchen Bereichen.

7.4 Zugehörigkeitsgefühl

Folgendes Kapitel umreißt Datenmaterial, welches sich auf das Zugehörigkeitsge-fühl von Berater*innen in deren Tätigkeitsbereich bezieht. Konkret abgefragt wurde der Umgang mit Kolleg*innen und Formen des Austausches. Deduktiv entstand die Kategorie der Bewertungen zur Kooperation mit zuweisenden Stellen durch Inter-viewinhalte.

93 7.4.1 Umgangsformen im Kollegium

Ein Berater spricht davon, wie bedeutsam für ihn eine Vertrauensbasis im Team ist und dass man sich bei Besprechungen öffnen kann, ohne das Gefühl zu haben, als inkompetent angesehen zu werden. Er begründet dies folgendermaßen:

„ […] weil es gibt einfach Fallen, in die tappen wir auch noch nach 15 Jahren Berufser-fahrung hinein. Das ist einfach so.“ (EI1_SB, Abs.81).

In seinen Teams hat er den Eindruck, dass jene wertschätzende Haltung auch ein-genommen wird und er beschreibt, dass Teamsitzungen seinerseits nie unzufrieden verlassen werden, da zum einen eine humorvolle Stimmung vorherrsche und er auch mit jedem Male Neues dazulerne (EI1_SB, Abs. 85).

Eine Expertin erzählt, dass zwar bei Gruppen innerhalb des Kollegiums Konflikte vorhanden seien, jedoch wären diese nicht auf die Arbeit mit den Klient*innen be-zogen. Dahingehend berichtet sie über viel Wertschätzung und Dankbarkeit dar-über, dass man sich jederzeit an Kolleg*innen wenden kann bei Fragestellungen.

Auch würde das vorherrschende Verständnis dafür, wie herausfordernd ihr Klientel sei, Anerkennung im Team begünstigen bei der Erreichung von Zielen oder Teilzie-len (EI2_AM, Abs.81). Ein weiterer Kollege der AMS-Maßnahme bestätigt jene wert-schätzende Haltung im Team (EI8_AM, Abs.96). Die Expertin der Bewährungshilfe berichtet ebenso über ein sehr wertschätzendes Arbeitsklima und weist darauf hin, dass jener Zusammenhalt und das Wissen um stete Unterstützung, sowie gemein-samer Humor sie in ihrem Arbeitsalltag sehr stärken würde und wesentlich sei in der Arbeit mit ihrem Klientel (EI6_BH, Abs. 45). Über jenen Beistand spricht auch eine weitere Beraterin und meint, dass sie sich jederzeit auf ihre Kolleg*innen ver-lassen könne, sie jedoch auch durch die Unterstützung ihrer Führungskraft in ihrem Arbeitsprozess produktiver sei (EI7_SB, Abs.62).

7.4.2 Bedeutsamkeit von Austausch

Zur Bedeutsamkeit des Austausches mit Kolleg*innen wurden einige Aussagen ge-troffen, obwohl die Fragestellung dahingehend sehr offen gestaltet war im Hinblick auf Diskussionen oder Meinungsverschiedenheiten und allgemeiner Haltungen in-nerhalb des Kollegiums. Aufgrund dessen wurde jene Kategorie ebenso auf Basis des umfangreichen Datenmaterials induktiv bestimmt.

94 Ein Experte berichtet davon, dass er bei persönlicher Befangenheit angewiesen ist auf die Rückmeldung der Teamkolleg*innen, um seine Klient*innen professionell beraten zu können, da ohne jenes Feedback bei bestehenden Antipathien die Ge-fahr bestünde, dass Klient*innen indirekt an der Erfüllung ihrer Auflagen gehindert würden (EI1_SB, Abs.81). Er merkt weiters an, dass durch die Beziehungsarbeit mit Klient*innen, manchmal auch sympathiebedingt und durch ein Verständnis, welches man dem Gegenüber entgegenbringt, gewisse Delikte gedanklich bagatellisiert wer-den. Auch dazu ist für ihn der Austausch mit Kolleg*innen von hohem Wert, da er, um professionell zu bleiben, auf jene Sichtweisen angewiesen sei (EI1_SB, Abs.81).

Zusammenfassend unterstreicht er noch einmal die Notwendigkeit der kollegialen Beratung:

„[…] gerade im psychosozialen Bereich und besonders in der Arbeit mit Weisungskli-enten- und klientinnen und ganz besonders mit, wenn es in die Straffälligkeit geht, also wenn da der Austausch nicht möglich ist, wenn es da keinen, keinen professio-nellen Diskurs gibt, ich glaube dann sind wir, ist das auf lange Sicht zum Scheitern verurteilt, da geht sicher etwas schief dann.“ (EI1_SB, Abs.85).

Ähnliche Hintergründe zur Bedeutsamkeit von Austausch beschreibt eine weitere Beraterin. Sie nimmt ihr Team als allzeit hilfsbereit wahr, weist auf die Möglichkeit von Perspektivenzugewinn durch Kolleg*innen in umfassen-den Teamsitzungen hin und betont umfassen-den wesentlichen Wert gemeinsamer hu-morvoller Momente in der Kommunikation (EI6_BH, Abs.45; Abs.65). Eine Expertin der AMS-Maßnahme gibt an, dass auch für sie der Austausch we-sentlich sei, um motiviert zu bleiben in ihrem Tun. Sie weist auf die Heraus-forderung hin, auf sichtbare Ergebnisse oftmals lange zu warten und be-schreibt, dass vor allem der Humor, als auch Ideenweitergabe zu Methoden oder pragmatischen Inhalten einen hohen Wert besitzen für Sie (EI2_AM, Abs.75).Drei weitere Fachpersonen berichten ebenso über den vorwiegen-den Profit innovativer Ideen zur Methovorwiegen-denfindung bei fordernvorwiegen-den Beratungs-fällen (EI7_SB, Abs.62; EI8_AM, Abs.96; EI9_EB, Abs.95).

Weniger bedeutsam ist für einen Experten in der AMS-Maßnahme der kollegiale Austausch. Er meint, dass es schon vorkomme, dass man flüchtige Gespräche zur

95 Psychohygiene führen würde, jedoch wären Hilfestellungen für ihn nur bei beson-ders fordernden Fällen in Teamsitzungen notwendig (EI5_AM, Abs.109).

Die Expert*innen der Erziehungsberatung haben keine unmittelbaren Kolleg*innen aufgrund ihrer Selbständigkeit, jedoch berichtet eine Beraterin, dass eigeninitiativ eine Gemeinschaft gegründet wurde, in welcher regelmäßiger Austausch stattfin-det, um sich Sichtweisen von Kolleg*innen zu holen, was für sie äußerst bedeutsam sei (EI4_SB, Abs.113). Für die Beraterin von Gefängnisinsass*innen ist zum einen ebenso die Unterstützung durch Kolleg*innen bei Ideenarmut wesentlich, jedoch beschreibt sie auch, dass ein intensiver Austausch vor allem dadurch von hohem Wert sei, da der psychosoziale Dienst in dem umfangreichen System der Strafjustiz als Einheit auftreten möchte, wenn es um die Interessen der Insass*innen geht. Aus dem Grund sind intensive Auseinandersetzungen und Diskussionen im Team es-senziell, um sich auf gewisse Haltungen zu einigen (EI10_IB, Abs.61).

Eine klare Linie der Bedeutsamkeit von Austausch zur Verbesserung des persönli-chen professionellen Wirkens kann deutlich aus den Interviewinhalten herausgefil-tert werden. Auch wird ersichtlich, dass eben jene Kollegialität und Bereitschaft zur gegenseitigen Unterstützung in den meisten Einrichtungen der befragten Expert*in-nen vorhanden ist.

7.4.3 Kooperation mit zuweisenden Stellen

In den Gesprächen wurde von Berater*innen ebenso über die Kommunikation mit zuweisenden Stellen berichtet, weswegen auch jene Kategorie induktiv hinzugefügt wurde, da sich der Bereich einfügt in die Frage nach der Zugehörigkeit in einem größeren Gesamtsystem.

Ein Berater der Suchthilfe berichtet darüber, dass ein wesentlicher Punkt, von wel-chem der Beratungserfolg abhängt, die Transparenz zuweisender Stellen zu Zieler-wartungen sei und ebenso geklärt wird, welche Konsequenzen eintreten, sollten Ziele nicht erreicht werden (EI1_SB, Abs.61). Weiter merkt er an, dass derzeit noch

96 eine gemeinsame Besprechungsstruktur mit Richter*innen hilfreich sei, um gemein-same Wege zu finden, wie mit Situationen umzugehen sei, in welchen Weisungen von Klient*innen verweigert werden. Jene Besprechungsstruktur sei jedoch nur un-ter hohem organisatorischen Aufwand möglich und würde aus dem Grund sehr sel-ten stattfinden (EI1_SB, Abs.69). Eine Expertin erzählt, dass sie grundsätzlich viel Gestaltungsspielraum habe bei Fällen, welche sie anders bewertet als die zuwei-sende Stelle. Sie meint, dass meist ein Anruf bei zuständigen Richter*innen genü-gen würde, um ihre Sichtweisen darzulegenü-gen und ein Einverständnis zu bekommen für beispielsweise durchgehende gemeinsame Beratungseinheiten von strittigen El-tern, obwohl Richter*innen ursprünglich anders entschieden hätten (EI3_EB, Abs.43). Eine weitere Expertin der Erziehungsberatung hat ähnliche Erfahrungen und meint, dass wegen bereits erarbeitetem Vertrauen zu ihrer Arbeitsweise Rich-ter*innen teilweise kein Stundenausmaß von Erziehungsberatung mehr vorschrei-ben, sondern dies ihrem Ermessen überlassen (EI4_EB, Abs.31).

In der Beratung von Gefängnis*insassinnen wird darüber berichtet, dass im System der Strafjustiz das Gefühl einer klaren Abgrenzung zwischen den verschiedenen Berufsgruppen vorhanden sei, wenn die Expertin auch darüber berichtet, dass sie und ihr Team doch verhältnismäßig gut integriert wären. Klare Haltungen zu bezie-hen bei bestimmten Themen, wie beispielsweise der Aufhebung von Covidregelun-gen zu Besuchskontakten wäre dennoch wichtig, da in jenem Fall die Befürchtung besteht, dass die Kontaktnotwendigkeit von Entscheidungsträger*innen differenziert betrachtet werden würden (EI10_IB, Abs.61).

Zusammenfassend kann dargestellt werden, dass die Kooperation mit Zuweiser*in-nen von manchen Expert*inZuweiser*in-nen als ein wesentlicher Teilbeitrag zu Beratungserfol-gen angesehen wird. Ein hohes Maß an Gestaltungsspielraum in ihrer Tätigkeit er-leben sie als hilfreich und wertschätzend. Gleichzeitig berichten jedoch auch man-che Berater*innen von ungleich empfundenen Anforderungen an Klient*innen, wel-che sie nicht nachvollziehen können (EI8_AM, Abs.75) oder von unzureiwel-chendem Austausch zu Lasten der Klient*innen (EI1_SB, Abs.69).

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Im Dokument Sinn in der Unfreiwilligkeit (Seite 94-99)