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Orientierung

Im Dokument Sinn in der Unfreiwilligkeit (Seite 80-84)

Jenes Kapitel erfasst als ersten Faktor von Sinnempfinden die Orientierung. Dazu wurde aufgezeichnet, welche Ziele von zuweisenden Stellen vorgegeben werden und inwieweit diese Ziele divergieren zu jenen der Klientinnen, sowie die persönli-che Bewertung der Expert*innen zu den Aufträgen und Zielsetzungen.

7.2.1 Vorgegebene Ziele

Folgende Ziele wurden von den Expert*innen der verschiedensten Bereiche ge-nannt:

In der Suchtberatung wurde angeführt, dass das implizite Überziel des Gerichts sei, dass die Personen in Folge nicht mehr straffällig zu werden, bzw. deren vollständige

79 Abstinenz anvisiert werden soll (EI1_SB, Abs.21; EI7_SB, Abs.13). In der Maß-nahme des AMS können verschiedene Ziele angestrebt werden. Sowohl eine Wie-dereingliederung in den ersten oder zweiten Arbeitsmarkt, als auch die Überführung in ein alternatives Versorgungssystem, wie I-Pension, eine Reha-Maßnahme, oder eine reguläre Alterspension (EI2_AM, Abs.19, EI5_AM, Abs.11). Ein Experte be-richtet auch darüber, dass das Ziel sei, die Teilnehmer*innen überhaupt beratungsfit zu machen (EI8_AM, Abs.19-21). Teilziele auf dem Weg wären demnach auch, die Menschen auf gesundheitlicher Ebene zu stabilisieren (EI2_AM, Abs.19). In der Er-ziehungsberatung wird über das vorgegebene Ziel berichtet, dass die Eltern lernen sollen, Verständnis für den Loyalitätskonflikt der Kinder aufzubringen und demnach angehalten sind, an ihrer Kommunikation zu arbeiten, um diese respektvoller zu gestalten, damit die Belastungsfaktoren der Trennung für die Kinder möglichst ge-ringgehalten werden (EI3_EB, Abs.15; EI4_EB, Abs.17).

Die Expertin des psychosozialen Dienstes im Strafvollzug beschreibt folgende Ziel-setzungen:

„ […] Im Endeffekt ist glaube ich so das, das große übergeordnete Ziel, ist einen funkti-onierenden Strafvollzug zu haben, was auch immer das genau bedeutet und zu schauen, vom Anfang bis zum Schluss eine Betreuung zu gewährleisten. Da geht es um anstaltsinterne Angelegenheiten, auch viel um Entlassungsvorbereitung, wo na-türlich das Ziel ist, möglichst gut die Leute zu resozialisieren […]“ (EI10_IB, Abs.21).

Klient*innen zu resozialisieren ist ebenso das Ziel der Bewährungshilfe. Auf die-sem Weg ist die Existenzsicherung, die Delikteinsicht und damit der Opferschutz, sowie die Psychoedukation bei psychisch kranken Klient*innen ebenso ein Ziel, welches erreicht werden soll (EI6_BH, Abs.19).

7.2.2 Ziele von Klient*innen

Über Ziele von Klient*innen wurde nur am Rande der Interviews gesprochen, da diese in der Frage zu den Haltungen der Klient*innen zum Beratungskontext impli-ziert sind. Dennoch konnten ein paar Aussagen dazu gefiltert werden. Ein Experte gab an, dass es Klient*innen gäbe, welche als einziges Ziel hätten, die Bestätigung für ihre Beratungseinheit zu erhalten (EI1_SB, Abs.21). Im Gegenzug dazu ist

je-80 doch für eine Expertin auch wahrnehmbar, dass manche Menschen mit einem Über-maß an Zielen, welche sie umsetzen möchten, in der Beratung starten. Sie sind motiviert abzunehmen, möchten sich sportlich betätigen, gleichzeitig aufzuhören, Substanzen zu konsumieren und übersehen dabei, kurzfristige Ziele zu benennen, was die Gefahr birgt, sich zu überfordern (EI7_SB, Abs.29). Weitere Ziele der Kli-ent*innen in der Suchtberatung sind teilweise, Zeiten der Abstinenz zu schaffen, sowie eine Arbeit zu finden (EI7_SB, Abs.15). In der Maßnahme des AMS kann es vorkommen, dass Klient*innen sich zum Ziel setzen, ihre Schulden abzubauen, oder auch alltagspraktische Dinge zu erledigen, indem sie sich bei dem*der Berater*in informieren über bürokratische Vorgänge wie beispielsweise eine Impfanmeldung (EI8_AM, Abs.25; EI5_AM; Abs.55).

Hier kann zusammengefasst werden, dass Ziele der Klient*innen von der alleinigen Zufriedenstellung der zuweisenden Stelle (Gericht) reichen, bis hin zu selbständig motivierten Vorhaben, welche teilweise auch übereinstimmen mit vorgegebenen Zielen. Die Bandbreite dahingehend ist offenbar groß und kann nur vereinzelt in seinen Facetten dargestellt werden, ohne jedoch Häufigkeiten der Übereinstim-mung aufzudecken.

7.2.3 Umgang mit divergierenden Zielen

Zwei Expert*innen berichten darüber, dass bei absolut divergierenden Zielen, wel-che nicht im Einklang zu bringen sind, bzw. bei einem Mangel an Einsicht von Kli-ent*innen zur Notwendigkeit der Maßnahme die zuweisende Stelle informiert wird und diese letztlich darüber entscheidet, welche weiteren Schritte gesetzt werden (EI1_SB, Abs.39; EI6_BH, Abs. 41). Auch beim AMS-Projekt ist eine Teilnahme nicht möglich, wenn kein passender Auftrag von Seiten der Teilnehmer*innen kommt (EI5_AM, Abs.23). Viele Expert*innen berichten jedoch darüber, dass ein Zugeständnis von Zeit zur Bearbeitung der Situation die Haltung der Klient*innen oftmals positiv verändern würde und eine Kooperation durch einen Prozess möglich wird (EI5_AM, Abs.23; EI6_AM, Abs.43; EI7_SB, Abs.25).

81 7.2.4 Zielkohärenz

Jene Subkategorie behandelt jegliche Inhalte, welche die Deckung oder die Diver-genz von Zielen zwischen Berater*innen und zuweisenden Stellen oder Klient*in-nen betreffen.

Ein Experte der Suchtprävention beschreibt, dass er in der Regel konform gehen würde mit den vorgegebenen Zielen der zuweisenden Stelle. Er berichtet jedoch auch über verschiedenste Divergenzen in der Zielkohärenz:

„[…] Ich sag vielleicht, natürlich entsprechen die Ziele manchmal nicht unseren An-sprüchen, aber das ist ja in der Arbeit mit Freiwilligen auch so, dass wir vielleicht manchmal das Gefühl hätten, naja, da könnte man die Latte schon höher legen, aber (lacht), oder vielleicht das Ziel ist zu ambitioniert, aber das ist ja nicht unser, es geht ja nicht um unsere Ziele, sondern um die Ziele der Klienten und Klientinnen […]

(EI1_SB, Abs.27).

Er klärt weiter, dass es für ihn wesentlich ist, stets die eigenen Zielvorstellungen von jenen der Klient*innen zu trennen, da er den Eindruck habe, dass Berater*in-nen und Psychotherapeute*inBerater*in-nen oft mit einem sehr hohen Anspruch in die Tätig-keit gehen. (EI1_SB, Abs.31). Die Fachkraft der Suchtberatung denkt, dass vorge-gebene Ziele mit jenen von jugendlichen Klient*innen mehr divergieren und sich eher im Erwachsenenalter decken würden (EI7_SB, Abs.42). Das Fachpersonal der AMS-Maßnahme berichtet geschlossen davon, dass ihnen vorgegebene Ziele sehr gewinnbringend erscheinen würden (EI2_AM, Abs.21, EI5_AM, Abs.17, EI8_AM, Abs.25). Ein Experte sagte jedoch auch aus, dass teilweise ambivalente Auflagen des AMS kommen würden, welche er nicht nachvollziehen könne. Er bringt das Beispiel eine*r Teilnehmer*in, welche*r sich offiziell gesundheitlich sta-bilisieren soll im Projekt und gleichzeitig vom AMS Jobvorschläge geschickt be-kommt (EI8_AM, Abs. 75). Auch die Expert*innen der Erziehungsberatung sehen vorgegebene Ziele durchgehend als notwendig an. (EI3_EB, Abs.19, EI4_EB, Abs.19, EI9_EB, Abs 62-63). Ein Berater berichtet jedoch auch darüber, dass teil-weise Ziele der Eltern kommen, welche in der Umsetzung eine Herausforderung darstellen. Konkret bringt er das Beispiel, dass ein Elternteil sich wünscht, dass der*die andere Schimpfwörter vermeidet. Er selbst sieht jedoch seinen Auftrag da-rin, dass er Ziele mit den Parteien erarbeitet, welche beiden ein Anliegen ist im

82 Hinblick auf das Kindeswohl (EI9__EB, Abs.35). Die Expertin der Bewährungshilfe berichtet darüber, dass ihr die vorgegebenen Ziele für die Klientinnen sehr ge-winnbringend erscheinen. Sie argumentiert dies zusätzlich damit, dass Resoziali-sierung und Delikteinsicht einhergehen würden mit Opferschutz und somit einen präventiven Charakter haben. Klientinnen selbst würden solche Ziele oftmals an-fangs als unnötig einstufen, jedoch mit der Zeit großteils ihre Haltung dazu ändern und sich einsichtig zeigen (EI6_BH, Abs.23; EI6_BH, Abs.43). Auch die Sozialar-beiterin der Beratung von Gefängnisinsass*innen gibt an, dass ihr die Ziele allge-mein sehr gewinnbringend erscheinen würden (EI10_IB, Abs.25).

Auffallend konform gehen die Expert*innen in ihrer Einstellung, dass sie die Ziele, welche von zuweisender Stelle vorgegeben werden, als sehr sinnvoll und gewinn-bringend für ihre Klient*innen einschätzen.

Im Dokument Sinn in der Unfreiwilligkeit (Seite 80-84)