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Einschätzung der Rahmenbedingungen

Im Dokument Sinn in der Unfreiwilligkeit (Seite 86-90)

7.3 Kohärenz

7.3.2 Einschätzung der Rahmenbedingungen

Drei Expertinnen berichten über einen übermäßig hohen Arbeitsaufwand und dass sie in ihrer Normalarbeitszeit das Pensum an Anforderungen vielfach nicht erfüllen könnten, sondern darüber hinaus arbeiten, (EI6_BH, Abs.45) bzw. Aufträge nicht

85 zufriedenstellend ausführen würden (EI2_AM, Abs.53; EI10_IB, Abs.51). Ein weite-rer Berater kritisiert ebenso, dass seines Erachtens die Zeit, welche einzelnen Kli-ent*innen zustehen würde nicht ausreiche und mehr positive Entwicklung möglich wäre bei höheren Zeitressourcen (EI1_SB, Abs.61).

Alle drei Expert*innen der Erziehungsberatung äußern sich dahingehend kritisch, dass Klient*innen die Beratung, welche ohnehin bereits auferlegt ist, selbst bezah-len müssen (EI3_EB, Abs.37; EI4_EB, Abs.73; EI9_EB, Abs.83).

Die Expertin, welche Gefängnisinsass*innen berät meint, dass sie sich mehr Selb-ständigkeit bezüglich der Nutzung von Räumlichkeiten wünscht und im erweiterten Setting zu wenig Anerkennung von weiteren involvierten Berufsgruppen erhalten würde (EI10_IB, Abs.51).

7.3.2.2 Positive Rahmenbedingungen

Fünf Berater*innen berichten, dass sie in dem Setting einen großen Handlungs-spielraum hätten und Termine frei einteilen könnten, sowie Themen mit Klient*innen gemeinsam definieren können und schätzen dies als sehr hilfreich ein (EI10_IB, Abs.53, EI9_EB, Abs.77, EI8_AM, Abs. 27, EI5_AM, Abs.125).

Ein weiteres positives Kriterium im Setting ist für einen Berater, dass die zuweisen-den Stellen sehr klar und transparent sind in ihren Erwartungen und zuweisen-dennoch Ver-trauen haben in die Einschätzungen der Expert*innen vor Ort und somit auch deren Entscheidungen respektieren (EI1_SB, Abs.61).

Passende Räumlichkeiten und ausreichend Platz ist bedeutsam für zwei Expert*in-nen (EI5_AM, Abs.37; EI7_SB, Abs.52).

Eine Beraterin spricht davon, dass sie die Arbeit in einem multiprofessionellen Team und die Möglichkeit auf Austausch mit weiteren Experten als große Bereicherung ansieht (EI7_SB, Abs.52).

86 Dass im Gegensatz zu Erziehungsberatung die auferlegte Mediation von Familien finanziell gefördert wird, schätzt eine Beraterin als positiv für den Beratungsprozess ein (EI4_EB, Abs.73).

Zwei Berater des AMS-Projektes heben stark hervor, dass sie es als hilfreich emp-finden, dass sie kein Kontrollorgan sind und die Teilnehmer*innen bei Terminabsa-gen nicht unmittelbar melden müssen. Auch die Freiwilligkeit der Teilnahme von Klient*innen an unterschiedlichen weiterführenden Workshops oder Einzelberatun-gen empfinden sie als anEinzelberatun-genehm, bzw. als Grundvoraussetzung für erfolgreiche Beratung (EI5_AM, Abs.125, EI8_AM, Abs.27).

Die Beraterin in der Bewährungshilfe zählt folgende positive Rahmenbedingungen ihrer Tätigkeit auf:

„Was irrsinnig hilfreich ist, ist, ich muss echt sagen, dieser Verein, erstens hast du irr-sinnig viele Möglichkeiten, du kannst in Bildungskarenz gehen, du kannst ins Sabbati-cal gehen, die Leitung wird immer eine Möglichkeit finden, wenn du irgendetwas brauchst, du kannst dich fortbilden, du kannst über alles reden.“ (EI6_BH, Abs.45).

Eine Expertin der Erziehungsberatung spricht einen für sie positiven Punkt an, wel-chen dezidiert der Zwangskontext mit sich bringt. Sie schätzt die Möglichkeit, auch provokante Fragen in den Raum zu stellen, ohne Bedenken zu haben, dass Perso-nen die Beratung abbrechen würden (EI3_EB, Abs.45).

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass eine große Bandbreite an bereits vorhandenen hilfreichen Rahmenbedingungen genannt wurden, obwohl keine dezi-dierte Fragestellung dahingehend im Interviewleitfaden vorhanden war. Dennoch sind auch Veränderungsvorschläge vorhanden, wie folgendes Unterkapitel aufzeigt.

7.3.2.3 Veränderungsvorschläge

Es wird von einem Berater genannt, dass die Termine zeitlich ausgedehnter statt-finden sollen, um mehr Möglichkeiten der Reflexion mit Klient*innen ausschöpfen zu können. Dies betrifft laut ihm den finanziellen Rahmen für Personal (EI1_SB, Abs.61). Eine weitere Expertin denkt, dass es hilfreich wäre, wenn Personen mit

87 Beratungsbedarf geringere Wartezeiten hätten. Sie gibt an, dass teilweise in der Beratungsstelle aufgrund von Überlastung an andere Institutionen weiterverwiesen werden muss, was ebenso die Finanzierung aus öffentlicher Hand anbelangt (EI7_SB, Abs.52). Drei weitere Expertinnen wünschen sich einen höheren Betreu-ungsschlüssel, um den Auftragsanforderungen gerecht zu werden (EI2_AM, Abs.53; EI6_BH, Abs.45, EI10_IB, Abs.51).

Damit einher geht der Wunsch einer Bewährungshelferin, auch in den Maßnahme-vollzügen den Personalschlüssel anzuheben, um Klient*innen intensiver zu be-treuen:

„ […] Also, da würde ich wirklich, das würde ich einfach ändern, (..) weil sonst werden sie irgendwann einfach entlassen (.) und haben nicht die adäquate Behandlung erfah-ren, setzen vielleicht ihre Medikamente ab und delinquieren wieder. Und das ist ein-fach, (.) das ist sehr sinnbefreit dann, ja.“ (EI6_BH, Abs.47)

Die Sozialarbeiterin, welche Gefängnisinsass*innen berät, wünscht sich eine fun-diertere Ausbildung von Justizwachebeamten in Bezug auf kulturell bedingte Vorur-teile. Sie hat den Eindruck, dass diesbezüglich schon Besserung eintrete, da jün-gere Generationen der Berufsgruppe bereits kultursensibler und reflektierter agie-ren würden, jedoch sei weiterhin ihr Eindruck, dass Häftlinge ohne Migrationshin-tergrund bevorzugt behandelt werden würden (EI10_IB, Abs.65-69).

Die Erziehungsberater*innen wünschen sich geschlossen, dass die verpflichtende Erziehungsberatung für Eltern kostenlos ist und vom Staat übernommen wird. Be-gründet wir dies von zwei Berater*innen damit, dass ihrer Meinung nach Wider-stände in der Beratung geringer ausfallen könnten (EI3_EB, Abs.73, EI4_EB, Abs.69, EI9_EB, Abs.109).

Die Unzufriedenheit über geringe Personalschlüssel im Sozialbereich ist offiziell be-kannt. Es überrascht somit wenig, dass auch im Zwangskontext der psychosozialen Beratung Expert*innen mehr finanzielle Mittel zur Betreuungsintensivierung wün-schen. Argumente, welche trotz aller Komplexität politökonomischer Wechselwir-kungen für ein höheres Budget im Sozialbereich sprechen, bringt Seithe, welche kritisiert, dass der Versuch, im Sozialbereich immer mehr einzusparen, dazu führen

88 wird, dass Problemlagen von Menschen sich vergrößern und den Bedarf an Unter-stützung somit wesentlich heben. Sie schlägt vor, dass die Entwicklung und der Ausbau gesundheitsfördernder Präventionsprogramme, sowie die Intensivierung von Mitteln für soziale Arbeit gegeben werden muss, damit sie tatsächlich nachhaltig wirken kann (vgl. Seithe, 2012, S.146). Jene Kritik deckt sich ebenso mit vorherge-hender Aussage einer Expertin zu ihrer Einschätzung von sinnvoller und nachhalti-ger Betreuung, welche gebunden ist an ein hohes Maß an Ressourcen zur Präven-tion von Rückfällen delinquenter Klient*innen (EI6_BH, Abs.47).

Im Dokument Sinn in der Unfreiwilligkeit (Seite 86-90)