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Zufallsmutagenese und thermische Selektion der disulfidfreien β-Lactamase

3.6 Stabilisierung von TEM-1 β-Lactamase durch in vitro-Evolution

3.6.3 Zufallsmutagenese und thermische Selektion der disulfidfreien β-Lactamase

Das Selektionssystem ist zum einen limitiert durch die Stabilität des G3P, zum anderen durch die Stabilität der verwendeten Protease, in diesem Fall Chymotrypsin. Der für die Selektion verwendete Phage verfügt bereits über ein stabilisiertes G3P (G3P*, vier stabilisierende Mutationen), das bis 60 °C stabil ist (Übergangsmittelpunkt der N2-Domäne), und die verwendete Protease Chymotrypsin kann bis etwa 57 °C verwendet werden. β-La mit der Mutation M182T hat einen Übergangsmittelpunkt von 56,5 °C. Damit wird die Grenze des Selektionssystems bereits mit dieser Einzelmutation erreicht. Dies wird auch bei Betrachtung der zugehörigen Proteasestabilitäten von Phagen mit β-La Wildtyp bzw. der M182T-Variante als Gastprotein in Abbildung 3.57 deutlich.

60 rel. Phageninfektiosität nach Proteolyse (%)

Abbildung 3.57: Proteasestabilität nach Proteolyse von Phagen mit β-La Wildtyp (○) und β-La M182T (●) als Gastprotein. Dargestellt sind die relativen Infektiositäten nach 15minütiger Proteolyse mit etwa 109 Phagen in 100 mM Kalium-Phosphat, 100 µM CaCl2 (pH 8,0) mit 0,25 µM Chymotrypsin. Die Infektiosität nach der Inkubation eines Kontrollansatzes bei der gleichen Temperatur wurde gleich 100 % gesetzt.

Während Phagen mit β-La Wildtyp nur bis etwa 40 °C proteasestabil sind, ist bei Phagen mit β-La M182T bereits das Selektionslimit erreicht, da diese Phagen bis 55 °C proteaseresistent sind. Um einen größeren Spielraum für weitere Mutationen zu erhalten, wurde das Protein durch den Ersatz der Disulfidbrücke C77-C123 durch zwei Alanine destabilisiert (Vanhove et al., 1997). Die Harnstoff-induzierte Entfaltung der disulfidfreien β-Lactamase im Vergleich zum Wildtyp-Protein ist in Abbildung 3.58 dargestellt.

(a)

(b) 1 0,8 0,6 0,4 0,2 CD Signal bei 220 nm 0

8 7 6 5 4 3 2 1 0 1 0,8 0,6 0,4 0,2 0

[Urea] (M)

Fluoreszenz bei 340 nmrel. Signaländerung von

2 1

2 1

Abbildung 3.58: Harnstoff-induzierte Entfaltung von β-Lactamase-Wildtyp (1) bzw. der disulfidfreien Variante C77A/C123A (2) beobachtet mittels CD bei 220 nm (a) bzw. Fluoreszenz bei 340 nm nach Anregung bei 280 nm (b). Die Übergänge wurden mit 0,35 µM Protein in 50 mM Natrium-Phosphat, pH 7,0 bei einer Schichtdicke von 1 cm gemessen. Dargestellt sind die relativen Signaländerungen von CD bzw. Fluoreszenz nach Auswertung der Daten gemäß einem Zweizustandsmodell in Abhängigkeit von der Harnstoff-Konzentration. Die Stabilitätsdaten aus der Zweizustandsanalyse sind in Tabelle 3.19 aufgeführt.

Die Harnstoff-induzierte Entfaltung zeigt die Destabilisierung der disulfidfreien β-Lactamase (CD-Daten) in den beiden Entfaltungsreaktionen, wobei die zweite Reaktion (Entfaltung des Intermediats zum entfalteten Protein) stärker betroffen ist als die erste. Die Fluoreszenz-Daten bestätigen das Ergebnis für die erste Reaktion, und auch die thermische Entfaltung (Daten nicht gezeigt) zeigt die Destabilisierung der disulfidfreien Variante. Aufgrund der hohen Kooperativität des Übergangs und der kooperativen Einheit aus beiden Domänen gibt der Schmelzpunkt in diesem Fall nur einen Anhaltspunkt, die freie Enthalpie der Entfaltung ist in diesem Fall deutlich niedriger, die Aktivität der disulfidfreien Variante ist ebenfalls niedriger als die des Wildtyp-Proteins. Die thermodynamischen Daten und die enzymatischen Aktivitäten sind in Tabelle 3.18 aufgeführt.

Ausgehend von der disulfidfreien β-Lactamase wurden zwei unabhängige Bibliotheken mittels fehlerbehafteter PCR erstellt. In der anschließenden thermischen Proside-Selektion

wurde innerhalb von 11 Selektionsrunden die Temperatur von 40 °C auf 50 °C erhöht. Die Selektion wurde in Gegenwart von lediglich 20 µg/ml Ampicillin durchgeführt, da E. coli-Zellen mit der β-Lactamase ohne Disulfidbrücke in Gegenwart von 300 µg/ml Ampicillin nicht mehr wachsen. In den zwei Bibliotheken konnten vier verschiedene Varianten identifiziert werden, die in Tabelle 3.17 als Varianten B1-B4 aufgeführt sind. Die Mutation M182T erscheint erneut in beiden Bibliotheken und auch in allen selektierten Varianten. In diesem Fall ist die Mutation jedoch mit einer Vielzahl weiterer Mutationen kombiniert. Dabei tritt zum einen die Position 224 wieder auf, diesmal jedoch mit einer Mutation zum Threonin.

Neben der Doppelvariante M182T / K146R konnten noch eine Vierfach- und eine Fünffachvariante identifiziert werden. Auffällig ist dabei zum einen die Mutation L201P, die in den Varianten B3 und B4 auftritt, zum anderen der Austausch von Pro zu Ser an Position 62.

Um den Vergleich mit den vorherigen Varianten zu ermöglichen und den stabilisierenden Effekt der Mutationen auf das Wildtyp-Protein untersuchen zu können, wurde die thermodynamische Stabilität der Varianten im disulfidverbrückten Protein untersucht. Die Selektion wurde hingegen im disulfidfreien Protein durchgeführt. Die thermischen Entfaltungsübergänge der gereinigten Proteine sind in Abbildung 3.59 a dargestellt. Die thermische Entfaltung zeigt, daß alle selektierten Varianten stark stabilisiert sind, wobei die Fünffach-Variante P62S / V80I / M182T / L201P / I247V mit einem Übergangsmittelpunkt von Tm = 59,3 °C am stabilsten ist. Alle selektierten Varianten zeigen β-La-Aktivität, eine Folge der Selektion in Gegenwart von Ampicillin. Abbildung 3.59 b zeigt für die Variante V80I / T118I / M182T / L201P die geringste Aktivität, die Fünffachvariante zeigt hingegen eine Verschiebung des Optimums der Aktivität zu höheren Temperaturen. Die Aktivitätsmessungen mit Nitrocefin wurden nicht unter Substratsättigung durchgeführt und sind deshalb nur qualitativ zu bewerten.

80 rel. Änderung des CD-Signals bei 223 nm

4 6 5

Abbildung 3.59: Charakterisierung der Varianten aus der Zufallsmutagenese β-La C77A/C123A.

(a) Thermische Entfaltung der β-La-Varianten in Gegenwart der C77-C123 Disulfidbrücke. Dargestellt sind β-La Wildtyp (1), β-La V80I/T118I/M182T/L201P (4), β-La K146R/M182T (6) und β-La P62S/V80I/M182T/L201P/I247V (5). Die relative Signaländerung des CD nach Auswertung gemäß einem Zweizustandsmodell ist in Abhängigkeit von der Temperatur aufgetragen. Die Übergänge wurden unter den in Abbildung 3.55 angegebenen Bedingungen gemessen. Die Tm-Werte sind in Tabelle 3.18 aufgeführt.

(b) Temperaturabhängige Aktivität der β-La-Varianten. Gezeigt sind die Temperaturprofile von β-La Wildtyp (1, ∆), β-La V80I/T118I/M182T/L201P (4, □), β-La K146R/M182T (6, ●) und β-La P62S/V80I/M182T/L201P/I247V (5, ▲). Gezeigt ist die Absorptionsänderung bei 486 nm/s bei Spaltung des chromogenen Substrats Nitrocefin in Abhängigkeit von der Temperatur. Die Aktivitäten wurden unter den in Abbildung 3.55 angegebenen Bedingungen gemessen.

Auch für diese Varianten wurde die Stabilität gegenüber Harnstoff untersucht, um den stabilisierenden Einfluß der Mutationen auf die beiden Entfaltungsreaktionen bestimmen zu können (siehe Abbildung 3.60). Die Harnstoff-induzierten Entfaltungsübergänge bestätigen auch bei diesen Varianten die Ergebnisse der thermischen Entfaltung. Die mittels CD beobachtete Entfaltung zeigt einen besonders starken Einfluß auf die erste Reaktion, also eine Stabilisierung des nativen Zustands relativ zum Intermediat. Die Fluoreszenz-Daten bestätigen die Reihenfolge der Varianten gemäß ihrer Stabilität aus der thermischen Entfaltung.

(a)

(b) 1 0,8 0,6 0,4 0,2 CD Signal bei 220 nm 0

8 7 6 5 4