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3.2 Struktur und Analyse der Beiträge einzelner Mutationen zur Stabilität des disulfidfreien G3P

3.2.8 Strukturelle Analyse der Mutationen in der N2-Domäne

Für die strukturelle Untersuchung der Mutationen in der N2-Domäne des stabilisierten disulfidfreien G3P* im Vergleich zum Wildtyp-Protein wurden die N2-Domänen der Kristallstrukturen überlagert. In Abbildung 3.28 sind die Bereiche, in Abbildung 3.29 die Mutationen im Detail gezeigt.

(a)

(d) (b)

(c) N2

N1

Abbildung 3.28: Vergleich der Kristallstrukturen des N1N2-Fragments von G3P-Wildtyp (grün) und stabilisierter 0SS-G3P*-Variante (türkis). Die N2-Domänen wurden überlagert. Die Abbildung wurde mit dem Programm PyMol (DeLano Scientific, 2005) nach den Kristallstrukturdaten für Wildtyp-G3P (Lubkowski et al., 1998, pdb-file 1G3P) und dem stabilisierten 0SS-G3P* (R. Jakob, Universität Bayreuth) erstellt. Die umrahmten Bereiche (a)-(d) sind in Abbildung 3.29 im Detail dargestellt.

Position 101

Die Mutation T101I ist eine der Mutationen aus der evolutiven Stabilisierung des Wildtyp-G3P, und ihr stabilisierender Effekt wurde bereits im Hintergrund des Wildtyp-Proteins betrachtet (Martin und Schmid, 2003b). Diese Mutation ist am Ende des β-Strang 6 in der Gelenk-Subdomäne der N2-Domäne lokalisiert. Ile101 ist in der Nähe von zwei Valinresten lokalisiert, Val43 und Val45. Die Seitenkette von Val43 ändert ihre Konformation in Richtung des hydrophoben Isoleucin. Glu206 ist ebenso in der Nähe des Ile101. Im Vergleich zum Wildtyp-Protein ist Glu206 ins Innere gedreht und nicht ganz so exponiert (Abbildung 3.29 a). Ein stabilisierender Effekt von Thr → Ile Mutationen an Positionen nahe der Proteinoberfläche konnte auch bei der Stabilisierung der β-Domäne des Streptococcen-Proteins G beobachtet werden (Wunderlich et al., 2005b). Dieser stabilisierende Effekt könnte darauf beruhen, daß Threonin im Gegensatz zu Isoleucin beim Faltungsprozeß desolvatisiert

werden muß und Isoleucin als Cβ-verzweigte Aminosäure an dieser Position ebenso zu einer guten Packung führt.

Position 129

Q129H ist ebenfalls eine Mutation aus der Proside-Selektion des Wildtyp-Proteins (Martin und Schmid, 2003b). Die Struktur des stabilisierten 0SS-G3P* bestätigt, daß der stabilisierende Effekt von Q129H auf günstigen Wechselwirkungen mit den drei umgebenden Tyrosinresten Tyr151, Tyr166 und Tyr168 beruht und daß His129 deshalb einen starken Einfluß auf die Tyr-Fluoreszenz hat (Abbildung 3.29 b). Dies wurde bereits bei der Diskussion auf der Grundlage der Wildtyp-G3P-Struktur vermutet (Martin und Schmid, 2003b). Position 129 ist im globulären Teil der N2-Domäne lokalisiert und hat keinen Kontakt zur Domänengrenzfläche. Deshalb ist nur ein Effekt auf die N2-Domäne feststellbar.

Q206 T101I V43

V45

(a) (b)

(c) (d)

Y166

Y168 Y151

Q129H

I198P F199L

H191

S207L D209Y C188V C201A

Abbildung 3.29: Ausschnitte aus den überlagerten Kristallstrukturen von Wildtyp-G3P (grün) und stabilisiertem 0SS-G3P* (türkis). (a) Bereich der Mutation T101I, (b) Bereich Mutation Q129H, (c) Bereich der Mutationen L198P, F199L, C188V und C201A. Der Pfeil zeigt die Konformationsänderung des Loops zwischen den Restem S192 und F199. (d) Bereich der Mutationen S207L und D209Y. Die mutierten Reste sind im Stäbchenmodell dargestellt. Die Abbildung wurde mit dem Programm PyMol (DeLano Scientific, 2005) nach den Kristallstrukturdaten für Wildtyp-G3P (Lubkowski et al., 1998, pdb-file 1G3P) und dem stabilisierten 0SS-G3P*

(R. Jakob, Universität Bayreuth) erstellt.

Position 138

Die Mutation N138G stabilisiert das disulfidfreie G3P* um 5,9 °C (Tabelle 3.7, Variante 32).

Die Φ- und Ψ- Winkel für Asn138 im Wildtyp-Protein liegen im unerlaubten Bereich (Φ = +67°, Ψ = +10°), so daß sich die Mutation zu Glycin durch die für diesen Rest günstige Rückgratkonformation erklären läßt. Gly138 ist in einer Loop-Region zwischen den

β-Strängen 8 und 9 an der Domänengrenzfläche lokalisiert. Die benachbarten Aminosäuren Q137 und N139 sind durch viele Wechselwirkungen fixiert, die eventuell einen positiven Φ-Winkel an Position 138 erfordern. Diese Spannung im Peptidrückgrat des Wildtyp-Proteins wird durch N138G relaxiert. Im Wildtyp-G3P interagiert Asn138 mit Glu50. In der stabilisierten disulfidfreien G3P*-Variante ändert Glu50 seine Position, da dieser Rest mit Ile46 kollidieren würde. Die Mutation N138G ist damit auch mit den sterischen Änderungen und Behinderungen durch den Disulfidbrückenersatz zu erklären (Abbildung 3.27 e).

Position 198

Die Mutation L198P ist eine der beiden Mutationen, in denen sich das G3P der Phagen M13 und fd unterscheiden und kommt somit auch natürlicherweise vor. In der für den Vergleich verwendeten G3P-Kristallstruktur (pdb-file 1G3P) ist an Position 198 ein Isoleucin in die Elektronendichte eingepaßt. Pro198 wurde in verschiedenen Bibliotheken wiederholt als stabilisierende Mutation identifiziert. An Position 198 wurden neben Prolin auch Valin und Isoleucin selektiert, wobei der Ersatz zu Prolin am besten ist (Tabelle 3.7). Pro198 stabilisiert 0SS-G3P* um 5,3 °C, in Gegenwart von Trp29 ist der stabilisierende Beitrag nahezu gleich groß (∆Tm = 5,6 °C). Die Mutationen R29W und L198P beeinflussen sich nicht, die stabilisierenden Effekte sind additiv. Kombination von L198P mit den Mutationen R29W, N39K und T56I führt zu einer Stabilisierung der N2-Domäne um 4,3 °C. Hier wird nochmals der Einfluß der stabilisierenden Mutationen in N1 auf die Domäneninteraktionen deutlich. Die Stabilität der N1-Domäne ist etwas höher in Gegenwart der Mutation in N2 (∆Tm = 1,3 °C).

Position 198 hat keinen Kontakt zur N1-Domäne, sondern befindet sich in einem Loop-Bereich, der für die Bindung des F-Pilus verantwortlich ist. Die Rückgratwinkel (Φ = -100°, Ψ = +92°) im Wildtyp-Protein sind für Prolin ungünstig. Im disulfidfreien stabilisierten G3P*

ändert sich das Rückgrat (Φ = -98°, Ψ = +142°). Durch die Mutation zum Prolin ändert sich die Konformation des Loops zwischen den Resten S192 und F199. Dies wurde bereits von Holliger et al. (1999) bei der Analyse der Unterschiede zwischen M13- und fd-G3P beobachtet und ist in Abbildung 3.29 c (siehe Pfeil) erkennbar.

Position 199

Der Ersatz der aromatischen Aminosäure Phenylalanin zur aliphatischen Aminosäure Leucin an Position 199 hat eine Stabilisierung des Proteins um 3,5 °C zur Folge (Tabelle 3.7, Abbildung 3.14, Variante 35). Die Kombination dieser 0SS-G3P*-Variante mit den Mutationen R29W und N39K in der N1-Domäne führt zu einem zweiphasigen Übergang in der thermischen Entfaltung. Die N2-Domäne ist in diesem Fall um 3,2 °C stabilisiert. Dies zeigt, daß in der Einzelvariante die Gesamtstabilität durch diese Mutation erhöht wird, da N1 zu instabil ist, um separat entfalten zu können. Leu199 ist am Anfang des β-Strangs 12 lokalisiert. Es befindet sich in unmittelbarer Nähe zu Val188 (Abstand 4,3 Å), dem Cystein-Ersatz an dieser Position. Phe199 interagiert im Wildtyp-Protein mit der Disulfidbrücke

C188-C201 (Bhattacharyya et al., 2004). Diese Wechselwirkungen werden in der disulfidfreien G3P*-Variante zerstört. Durch die Zugänglichkeit dieser Position könnte ein Leucin (25,2 % lösungsmittelzugängliche Oberfläche) günstiger als das hydrophobe Phenylalanin (8,4 % zugängliche Oberläche) sein. Durch die Mutation zum Leu199 klappt His191 nach außen.

Positionen 207 und 209

Durch die Mutation des Serins an Position 207 zum Leucin wird das 0SS-G3P* um 2,8 °C stabilisiert (Tabelle 3.7). Leu207 befindet sich in der Gelenk-Subdomäne der N2-Domäne am Anfang des β-Strangs 13. Leu207 ist Tyr209 nahe (Abstand: 4,4 Å), einer stabilisierenden Mutation aus der ersten Zufallsmutagenese des Wildtyp-G3P (D209Y) (Martin und Schmid, 2003b). Außer den zusätzlichen hydrophoben Wechselwirkungen dieser Reste findet sich kein struktureller Hinweis für den stabilisierenden Effekt. Beide Reste sind oberflächenexponiert, und an Position 207 sollte an sich eine polare Aminosäure günstiger sein.