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Unter den in vitro-Selektionsmethoden für Proteine nehmen die Display-Verfahren die bedeutendste Rolle ein. Man unterscheidet dabei Displaymethoden an der bakteriellen Oberfläche vom sogenannten phage display (Fernández, 2004; Castagnoli et al., 2001;

Samuelson et al., 2002). Bei letzterem werden Bibliotheken von Nukleotidsequenzen des zu evolvierenden Proteins in ein Hüllproteingen eines filamentösen Phagen inseriert (Smith, 1985). Die entsprechenden Proteine werden dann auf der Oberfläche der filamentösen Phagen präsentiert und entsprechend der zu optimierenden Eigenschaft selektiert.

1.5.1 Varianten des phage display

Als Vektoren für das phage display werden meist die filamentösen Phagen M13, fd und verwandte Phagemide verwendet (Fernandez-Gacio et al., 2003). Filamentöse Phagen infizieren F-Pilus-tragende E. coli-Stämme, ohne diese zu lysieren. Sie bestehen aus einer einzelsträngigen DNA, die von einer Hülle aus insgesamt fünf verschiedenen Proteinen umgeben ist. Das Haupthüllprotein ist das Gen-8-Protein (G8P), welches das Capsid bildet.

Es besteht aus 50 Aminosäuren; die Kopienzahl hängt von der Größe der verpackten DNA ab.

Weitere Hüllproteine sind auf einer Seite des Capsids das Gen-7-Protein und das Gen-9-Protein, auf der anderen Seite das Gen-6- und das Gen-3-Protein (G3P). Das G3P liegt in drei bis fünf Kopien vor und ist für die Infektiosität des Phagen verantwortlich. Alle fünf Hüllproteine wurden bereits für Display-Verfahren verwendet. Die meisten Bibliotheken werden jedoch durch Fusion mit dem N-Terminus des G8P oder des G3P erstellt.

G3P und G8P unterscheiden sich deutlich in ihrer Kopienzahl. Proteine werden bevorzugt als G3P-Fusion in den Phagen eingebaut, da G8P-Fusionen in dieser Größe problematisch sind.

Peptid- und Protein-Fusionen an den N-Terminus von G7P (Gao et al., 1999) und G9P (Gao et al., 2002) sind ebenso möglich wie Fusionen an den C-Terminus von G6P (Hufton et al., 1999), G8P (Weiss und Sidhu, 2000) und G3P (Fuh und Sidhu, 2000). cDNA-Bibliotheken können über C-terminale Fusionen an G6P (Jespers et al., 1995), G3P (Sidhu, 2001) oder den Leucin-Zipper Fos (Crameri et al., 1993; Brunet et al., 2002) auf der Phagenoberfläche präsentiert werden.

Das Gastprotein liegt in allen Fällen exponiert im Periplasma vor, da alle Hüllproteine vor dem Zusammenbau des Phagen in der inneren Membran der Wirtszelle verankert sind. Dies ermöglicht die Ausbildung von Disulfidbrücken in Peptid- und Proteinbibliotheken. Die verschiedenen Arten des phage display sind in Abbildung 1.1 dargestellt. Neben dem Einbau des Gastproteins als Fusionsprotein im Phagengenom (Abbildung 1.1 A) kann auch ein Phagemid zur Erstellung der Bibliothek genutzt werden (Abbildung 1.1 C). Hierbei wird das Gastprotein als Fusionsprotein des G3P auf einem Plasmid in die Zelle eingebracht. Das Plasmid enthält eine Antibiotikumresistenz als Marker, bakterielle und Phagen-origins of replication und ein Verpackungssignal des Phagen. Die Phagemid-DNA wird dann zur Transformation von E. coli-Zellen verwendet. Um das Display der Peptid- bzw.

Proteinvarianten auf der Phagenoberfläche zu ermöglichen, werden die Phagemid-tragenden Bakterien mit Helfer-Phagen infiziert, welche die Informationen für die Phagenhüllproteine enthalten. Helfer-Phagen besitzen meist ein defektes Verpackungssignal, so daß nur die Phagemid-DNA von den Hüllproteinen umschlossen wird. Die zugehörigen Phagen besitzen dann verschiedene Varianten des G3P: zum einen das Wildtyp-Protein, das vom Helfer-Phagen codiert wird, zum anderen die Variante des Fusionsproteins aus der Bibliothek des Phagemids (Kehoe und Kay, 2005). Helfer-Phagen können den Erfordernissen der Selektion angepaßt werden und daher unterschiedlich aufgebaut sein. So können beispielsweise die N1- und die N2-Domäne des G3P deletiert werden, so daß der Helfer-Phage nur noch die CT-Domäne des G3P enthält (Kramer et al., 2003). In diesem Fall können nur Phagen mit Fusionsprotein propagiert werden.

Abbildung 1.1: Verschiedene Arten des phage display. A. Phagensysteme. Das zu optimierende Protein wird als G3P-Fusionsprotein exprimiert. B. Hybridsysteme. Das Phagengenom enthält zwei Kopien des G3P, eines mit Fusionspartner, eine Kopie ohne. Das Wildtyp-Protein wird in größeren Mengen exprimiert.

C. Phagemidsysteme. Das Virion enthält nur das Phagemid, welches die Fusionsbibliothek codiert. Durch Infektion mit einem Helferphagen wird die Expression der Phagenproteine sichergestellt. Gezeigt ist die Phagen-DNA umgeben von der Proteinhülle des Phagen, wobei das G3P in schwarz und das zu optimierende Protein in weiß (∇) dargestellt ist. (Die Abbildung ist der Publikation von Kehoe und Kay (2005) entnommen.)

Eine weitere Möglichkeit zur Konstruktion der Bibliotheken sind Hybridsysteme (Abbildung 1.1 B) zwischen dem Wildtyp-Hüllprotein und einer weiteren Kopie dieses Proteins unter der Kontrolle eines induzierbaren Promotors und mit einer multiple cloning site im Phagengenom.

Gastproteine können hier als N-terminale Fusion des Hüllproteins, meist G8P, eingebaut und exprimiert werden (Zwick et al., 2000; Yu et al., 2000; Bonnycastle et al.,1996).

Der Export des Fusionsproteins zwischen G3P und Gastprotein erfolgt über den Sec-Transportweg, wobei das Fusionsprotein mittels der CT-Domäne des G3P in der Periplasma-Membran verankert bleibt (Davis et al., 1985; Endemann und Model, 1995). Der Sec-abhängige Transport ist nicht für alle Proteine geeignet, da die ungefaltete Polypeptidkette ins

Periplasma transportiert wird und dort in die native Konformation falten muß. Paschke und Höhne haben 2005 deshalb ein phage display-System entwickelt, bei dem das Fusionsprotein über den Tat-Transportweg (twin arginine translocation) gefaltet exportiert wird (Paschke und Höhne, 2005). Protein-Transport über den Tat-Transportweg ist jedoch langsamer und energetisch aufwendiger (Paschke, 2006). Die Wahl des geeigneten Display- und Exportsystems ist damit von dem zu evolvierenden Protein abhängig.

1.5.2 Anwendungen des phage display

Das phage display hat in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Während die ersten Anwendungen vor allem auf die Identifikation von Bindungsproteinen mit hoher Affinität abzielten, gewinnen Selektionen auf eine erhöhte Stabilität und zahlreiche andere Anwendungen immer mehr an Bedeutung.

1.5.2.1 Phage display

Im traditionellen phage display wird die Phagenbibliothek mit einem für das zu optimierende Protein spezifischen Liganden inkubiert, der an einer Matrix immobilisiert vorliegt. Eine Bindung des Phagen an die Matrix ist nur bei einer korrekten dreidimensionalen Struktur des auf dem Phagen präsentierten Gastproteins möglich. Dabei muß in diesem Fall ein Ligand des untersuchten Proteins bekannt sein. Im Gegensatz dazu ermöglicht das phage display über ein System aus zwei bekannten interagierenden Komponenten eine Selektion ohne einen solchen Liganden (Chakravarty et al., 2000). Phage display wird meist zur Entwicklung von Affinitätsreagentien angewendet, wobei häufig Immunoglobulin-Fragmente verwendet werden (Bradbury und Marks, 2004). Da IgGs von eukaryontischen Zellen produziert werden, ist ihre Expression in Bakterien problematisch (Simmons et al., 2002). Deshalb werden bevorzugt single-chain-Fragmente der variablen Regionen (scFvs) (Sheets et al., 1998) und Antigen-bindende Fragmente (Fabs) (de Haard et al., 1999) anstelle dessen verwendet. Als sogenannte alternative scaffolds für die Entwicklung von Bindungsproteinen kommen unter anderem Affibodies (Hansson et al., 1999), Lipocaline (Beste et al., 1999), Fibronectin-TypIII-Domänen (Koide et al., 1998), β-Lactamase (Legendre et al., 2002), Zinkfinger-Domänen (Bianchi et al., 1995) und Ankyrin Repeats (Binz et al., 2004; Forrer et al., 2003) zum Einsatz. Voraussetzung für die Verwendung eines Proteins als scaffold-Protein für die Evolution von Bindungsmodulen ist das Vorhandensein lösungsmittelzugänglicher Loops oder Bereiche zugänglicher Reste, die eine Veränderung ohne Beeinträchtigung von Struktur und Stabilität des Proteins erlauben (Smith, 1998). Es muß sich auf der Phagenhülle präsentieren lassen und in Bakterien gut exprimiert werden.

Man unterscheidet beim phage display die indirekte Selektion mit Inhibitoren von der direkten Selektion mit Substraten. Da Übergangszustandsanaloga die Geometrie und Ladungsverteilung des Übergangszustands widerspiegeln und die katalytische Aktivität der Enzyme durch die höhere Affinität zum Übergangszustandsanalogon geprägt ist, sollte die Selektion mit diesen Inhibitoren effektiver sein. Der Erfolg dieser indirekten Methode hängt

jedoch von den strukturellen Änderungen zwischen Substratbindung und Übergangszustand ab. Ferner sind solche Inhibitoren nicht für alle Enzymklassen vorhanden. Aufgrund dieser Einschränkungen sind direkte Methoden gefragt, wobei häufig Enzym und Substrat gleichzeitig auf der Phagenoberfläche präsentiert werden. Die Selektion erfolgt in diesem Fall durch eine produktbindende Matrix (Fernandez-Gacio, 2003; Demartis et al., 1999; Heinis et al., 2001).

Das phage display findet in der Biotechnologie vielfältige Anwendung, z.B. zur Selektion von Peptiden, die an anorganische Materialien und Nanopartikel binden (Kehoe und Kay, 2005), zur Identifikation von Substraten von Proteasen (Deperthes, 2002) und zur Selektion von Proteinen mit bestimmter Aktivität (Atwell, 1999).

1.5.2.2 Selectively infective phage (SIP)

Eine Abwandlung des phage display ist die Methode des selectively infective phage (SIP), wobei die Wechselwirkung von Protein und Ligand direkt mit der Infektiosität des Phagen verknüpft wird. Dabei wird die Infektiosität des Phagen durch Eliminierung entweder der N1-Domäne (Armstrong et al., 1981; Stengele et al., 1990) oder des N1N2-Fragments des Phagen-G3P zerstört (Krebber et al., 1997). Die Bibliothek des zu evolvierenden Peptids oder Proteins wird als N-terminales Fusionsprotein des modifizierten Phagen-G3P auf der Phagenhülle präsentiert. Der zugehörige Ligand wird an die N1-Domäne des G3P bzw. an das deletierte N1N2-Fragment gekoppelt. Nur wenn eine Bindung des Fusionsproteins an den Liganden erfolgt, kann der zugehörige Phage eine Bakterienzelle infizieren (Jung et al., 1999). Das SIP umgeht die unspezifische Bindung von Phagen an die Affinitätsmatrix, welche im phage display zur Identifikation falsch-positiver Klone führt (Adey et al., 1995).

Im in vitro-SIP werden die Komponenten einzeln gereinigt (Phage mit Fusionsprotein und Ligand-N1(N2)-Fusionsprotein) und dann in definierten Mengen zusammengegeben. Im in vivo-SIP wird der Ligand genetisch mit N1 bzw. N1N2 fusioniert und ebenfalls im Phagengenom codiert. Der Ligand wird ins bakterielle Periplasma exportiert, die CT-fusionierte Proteinbibliothek bleibt mit der inneren Membran der Wirtszelle verbunden. Nur bei einer Interaktion von Protein und Ligand im Periplasma kann ein infektiöser Phage entstehen.

1.5.2.3 Selektion auf erhöhte thermodynamische Stabilität eines Proteins: Proside

Eine Selektion thermodynamisch stabilisierter Proteinvarianten kann ebenfalls durch abgewandelte phage display-Systeme errreicht werden. Dazu wurden bislang vor allem zwei verschiedene Ansätze verfolgt.

Proside (protein stability increased by directed evolution) (Sieber et al., 1998) ist ein auf dem SIP basierendes Selektionssystem, in dem eine erhöhte Proteaseresistenz stabilisierter Proteinvarianten mit der Infektiosität filamentöser Phagen verknüpft wird. Eine Bibliothek des zu stabilisierenden Gastproteins wird zwischen der N2- und der CT-Domäne des Phagen-G3P eingebaut. Die resultierende Phagenbibliothek enthält dann Fusionsproteine zwischen

G3P und dem Gastprotein (P), die an der Phagenoberfläche präsentiert werden (Abbildung 1.2). Die Phagenbibliothek wird in einem in vitro-Schritt mit einer Protease inkubiert. Unter den gewählten Bedingungen instabile Gastproteinvarianten liegen ungefaltet vor, sind für die Protease somit zugänglich und können von dieser geschnitten werden (P1, P2). Die zugehörigen Phagen verlieren ihre Infektiosität. Nur wenn die drei Domänen des G3P erhalten bleiben, d.h. wenn das Gastprotein resistent gegenüber Proteolyse ist (Variante P3), bleibt der Phage infektiös und kann in wiederholten Zyklen von in vitro-Selektion, Infektion von E. coli und Phagenpropagation angereichert werden. Die Funktionsweise des Proside-Selektionssys-tems ist in Abbildung 1.2 schematisch dargestellt.

Abbildung 1.2: Proside-Selektionssystem für stabilisierte Proteinvarianten (nach Sieber et al., 1998, verändert).

Das Proside-Selektionssystem ist wie SIP unabhängig von einer Affinitätsmatrix. Limitiert wird das System durch die thermodynamische Stabilität des Wildtyp-G3P. Durch Zufallsmutagenese konnte das G3P jedoch stark stabilisiert werden, so daß die zugehörigen Phagen bis etwa 60 °C proteasestabil sind (Martin und Schmid, 2003b). Mit dem Proside-System konnten für das Kälteschockprotein CspB aus Bacillus subtilis (Martin et al., 2001;

Martin et al., 2002; Wunderlich et al., 2005) und die β-Domäne des Streptococcen-Proteins G enorme Stabilisierungen erzielt werden (Wunderlich et al., 2005b; Wunderlich und Schmid, 2006). Kristensen und Winter konnten das gleiche Selektionsprinzip auf die Barnase anwenden. Aus einer Mischung von Barnase-Mutanten unterschiedlicher Stabilität eingebaut als Fusionsprotein zwischen N2- und CT-Domäne des G3P konnte durch wiederholte Zyklen von Proteolyse, Infektion und Propagation die stabilere stark angereichert werden (Kristensen und Winter, 1998).

Einen anderen Ansatz zur evolutiven Stabilisierung verfolgten Finuncane et al. (1999). Die Gastproteinbibliothek wurde in diesem Fall N-terminal an die N1-Domäne des G3P fusioniert

und mit einem His-Tag versehen. Auch in diesem Fall wurde eine Proteolyse der Phagenbibliothek durchgeführt. Die Kopplung von erhöhter Proteaseresistenz und Infektiosität ist in diesem Fall jedoch nicht gegeben, stattdessen erfolgt die Selektion durch einen Affinitätsschritt an einer Ni-NTA-Matrix.

Um die Stabilität von Proteinen bzw. Enzymen unter gleichzeitigem Erhalt ihrer Aktivität zu erreichen, ist eine kombinierte Selektion auf Stabilität und Aktivität erforderlich (Dalby et al., 2000). Eine Erhöhung der Stabilität geht häufig mit einem Verlust an Aktivität bei niedriger Temperatur einher. In vitro-Evolution und protein engineering konnten jedoch zeigen, daß dies nicht immer der Fall sein muß (Miyazaki und Arnold, 1999; Gershenson und Arnold, 2000).

1.5.3 Vollständig in vitro ablaufende Selektionen

Alle phage display-Systeme sind neben dem in vitro-Selektionsschritt auch einer in vivo-Selektion unterworfen. Bakterienzellen, die toxische Proteine oder schlecht exportierbare Proteine exprimieren, können im Laufe der Selektion verloren gehen. Ferner kann das präsentierte Protein die Infektiosität des Phagen beeinflussen, wenn es in vielen Kopien vorliegt (vor allem bei Fusionen mit dem G8P). Dieses Problem kann durch das Abtrennen des Gastproteins vor der Infektion der Bakterienzelle umgangen werden (Fernandez-Gacio, 2003). Um diese in vivo-Selektion zu unterdrücken, wurden vollständig in vitro ablaufende Selektionssysteme entwickelt.

Im Ribosomen-Display (Hanes und Plückthun, 1997) können Bibliotheken von nativen Proteinen in einem zellfreien System evolviert und damit unabhängig vom zellulären Milieu betrachtet werden. Es wird eine DNA-Bibliothek erstellt, die transkribiert und in vitro translatiert wird. Das gefaltete Protein und die zugehörige codierende DNA bleiben mit dem Ribosom verbunden, und die Selektion erfolgt durch Ligandenbindung an einer Affinitätsmatrix.

Beim mRNA-Display werden Polypeptidkette und codierende mRNA kovalent miteinander verknüpft, indem synthetische mRNAs, die mit Puromycin verknüpft sind, in vitro translatiert werden (FitzGerald, 2000). Bei der in vitro-Translation erreichen die Ribosomen die Verknüpfungsstelle zwischen mRNA und DNA-Linker. Nun kann Puromycin in die ribosomale A-Stelle eintreten und die Bildung einer stabilen Amidbindung mit dem codierten Peptid herbeiführen.