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3.2 Struktur und Analyse der Beiträge einzelner Mutationen zur Stabilität des disulfidfreien G3P

3.2.7 Strukturelle Analyse der Mutationen in der N1-Domäne

Zur Analyse der Mutationen in der Domäne N1 wurde der Strukturvergleich mit optimaler Überlagerung der N1-Domänen herangezogen (Abbildung 3.25a). In Abbildung 3.26 sind die Bereiche der Mutationen in der N1-Domäne markiert. Abbildung 3.27 zeigt Ausschnitte aus den überlagerten Strukturen von Wildtyp-G3P und stabilisiertem 0SS-G3P*, in denen Änderungen der Struktur durch die Mutationen deutlich werden.

(a) (b)

(c)/(e)

(d) (f)

N2

N1

Abbildung 3.26: Vergleich der Kristallstrukturen des N1N2-Fragments von G3P-Wildtyp (grün) und stabilisierter 0SS-G3P*-Variante (türkis). Die N1-Domänen wurden übereinandergelegt. Die Abbildung wurde mit dem Programm PyMol (DeLano Scientific, 2005) nach den Kristallstrukturdaten für Wildtyp-G3P (Lubkowski et al., 1998, pdb-file 1G3P) und dem stabilisierten 0SS-G3P* (R. Jakob, Universität Bayreuth) erstellt. Die umrahmten Bereiche (a)-(f) sind in Abbildung 3.27 im Detail dargestellt.

W38

F17

T13I

V215 N15G

(a) (b)

N39K D28

(c) K22

Y102

R29W

E50

(d)

T56I

T41 G55A

C46I V44

C53V

K22

R29W

N138G E50

I60V

L37

Y30

V58

(e) (f)

Abbildung 3.27: Ausschnitte aus den überlagerten Kristallstrukturen von Wildtyp-G3P (grün) und stabilisiertem 0SS-G3P* (türkis). (a) Bereich der Mutationen N15G und T13I, (b) Bereich Mutation N39K, (c) Bereich der Mutationen R29W, C46I, C53V, (d) Bereich der Mutationen G55A und T56I, (e) Bereich der Mutation N138G, (f) Bereich der Mutation I60V. Die mutierten Reste sind im Stäbchenmodell (a-c, e) bzw. als Kalottenmodell (d, f) dargestellt. Die Abbildung wurde mit dem Programm PyMol (DeLano Scientific, 2005) nach den Kristallstrukturdaten für Wildtyp-G3P (Lubkowski et al., 1998, pdb-file 1G3P) und dem stabilisierten 0SS-G3P*

(R. Jakob, Universität Bayreuth) erstellt.

Positionen 13 und 15

Die Mutation T13I wurde bereits in der ersten G3P-Selektion durch Zufallsmutagenese und Proside-Selektion identifiziert (Martin und Schmid, 2003b) und war Bestandteil des G3P* vor Ersatz der Disulfidbrücken. An Position 15 trägt die Asn → Gly-Mutation stark zur Stabilisie-rung des 0SS-G3P* bei (∆Tm = 5,9 °C). Dieser Effekt scheint kontextunabhängig zu sein, da die Mutation im bereits stabilisierten G3P* identifiziert wurde. Der Übergang der Einzelvari-ante ist hochkooperativ, da er die Domänendissoziation und die Entfaltung beider Domänen umfaßt. Die Erhöhung des Tm-Wertes um 5,9 °C entspricht daher einer sehr starken Stabilisie-rung. Die Rückgratwinkel Φ und Ψ nehmen für Asn ungünstige Werte an (Φ = -169°,

Ψ = -176°). Laut Ramachandran-Auftragung ist eine solche Rückgratkonformation nur für Glycin günstig, so daß die Selektion durch die sterisch günstigere Rückgratkonformation des Gly zu begründen ist. In der Nähe des Gly15 sind Val215 und Phe17, die beide ihre Konformation nach der N15G Mutation etwas ändern. Mit dem benachbarten Ile13 (aus der T13I Mutation) bilden sie einen hydrophoben Cluster in diesem Bereich (Abbildung 3.27 a).

Position 29

Die Mutation des Arg an Position 29 zum Trp ist die am stärksten stabilisierende der second-site-Mutationen. Im Vergleich zum 0SS-G3P* ist diese Einzelvariante um 14,0 °C stabilisiert.

Position 29 ist an der Domänengrenzfläche lokalisiert, so daß ein Effekt auf die Domäneninteraktionen zu vermuten ist (Abbildung 3.27 c). Die N2-Domäne von 0SS G3P*

R29W / N39K (Variante 19, Tabelle 3.7) trägt die Mutationen T101I, Q129H, D209Y und die Disulfidbrückensubstitutionen V188 und A201. Thermische Entfaltung dieser Variante ergibt einen zweiphasigen Übergang, wobei die Entfaltung der labileren N2-Domäne mit der Domänendissoziation gekoppelt stattfindet. Der Übergangsmittelpunkt des ersten Übergangs, also der N2-Entfaltung liegt bei 53,2 °C. Dieser Schmelzpunkt stimmt mit dem Tm der entsprechenden 2SS-G3P*-Variante (Variante 6, Tabelle 3.2) überein. Die Mutationen in N2 sind in beiden Proteinen gleich, der Tm liegt bei 53,3 °C. Der stabilisierende Effekt von Trp29 ist in unterschiedlichem Hintergrund im 0SS G3P* gleich groß. Wie bereits erwähnt, zeigt jedoch der Vergleich der Varianten 3SS-G3P* und 3SS-G3P* R29W eine Stabilisierung beider Domänen bzw. beider Entfaltungsübergänge. Dies läßt eindeutig auf einen Effekt auf die Domäneninteraktion schließen. Im Falle der Varianten 6 und 19 liegt ein weiterer Unterschied im Vorhandensein der Disulfidbrücke C46-C53 (in Variante 6 vorhanden, in Variante 19 substituiert), die ebenfalls an der Domänengrenzfläche lokalisiert ist. Die Mutation R29W und die Disulfidbrücke C46-C53 wirken vermutlich ähnlich stabilisierend auf die Domäneninteraktion.

Die Bedeutung der Wechselwirkung von W29 mit dem Disulfidbrückenersatz Ile46 / Val53 wird beim Vergleich des Stabilitätsbeitrags durch R29W im disulfidfreien und im disulfidverbrückten Protein deutlich (Varianten 24 und 26 in Tabelle 3.7 bzw. Variante 2 in Tabelle 3.2 und Variante 47 in Tabelle 3.7). Der Beitrag von Trp29 auf die Stabilität ist im disulfidfreien G3P* größer, was auf eine bessere Packung als im disulfidverbrückten Protein hinweist.

Abbildung 3.27 c zeigt die strukturellen Änderungen im Bereich der Position 29. Im Wildtyp-G3P interagiert das Arginin an Position 29 mit Glutamat an Position 50 (Abstand C=O – NH2: 3,1 Å). Lys22 ist in für eine ionische Wechselwirkung mit Glu50 zu weit entfernt (Abstand C=O – NH2: 8,0 Å). Der Ersatz von R29 zum W29 in Kombination mit dem Disulfidbrückenersatz I46 / V53 führt zu komplexen strukturellen Änderungen in diesem Bereich. Die Seitengruppen von Ile an Position 46 und Glu50 behindern sich gegenseitig.

Glu50 ändert die Position und klappt in Richtung der Position 29. Lys22 und Glu50 sind hier

noch zu weit voneinander entfernt, um eine Salzbrücke bilden zu können (Abstand im disulfidfreien G3P*: 6 Å). Die im Wildtyp-Protein im Innern verborgene Salzbrücke zwischen Arg29 und Glu50 scheint daher ungünstig zu sein. In der stabilisierten Variante ist diese ionische Wechselwirkung durch hydrophobe Interaktionen des Trp29 mit Tyr102 und mit Ile46 / Val53 ersetzt, welche die Disulfidbrücke substituieren. Unterstützt wird diese Annahme durch die geringe Lösungsmittelzugänglichkeit der entsprechenden Aminosäuren sowohl in der Wildtyp-Struktur als auch in der Struktur der disulfidfreien Variante. Arg29 ist mit nur 2,2 % zugänglicher Oberfläche im Ineren vergraben, genauso wie der Interaktionspartner Glu50 (2,7 %). Die Disulfidbrücke C46-C53 ist komplett unzugänglich (0 % zugängliche Oberfläche). In der disulfidfreien Variante ist das Trp29 mit 1,9 % zugänglicher Obefläche weiterhin vergraben und Glu50 mit 23,6 % zugänglicher Oberfläche deutlich exponierter.

Interessanterweise unterscheiden sich in diesem Bereich auch die Strukturen von M13-G3P und fd-G3P sehr stark. Im G3P des fd-Phagen ist Tyr102 in die entgegengesetzte Richtung gedreht und Glu50 bildet eine Salzbrücke mit Lys22 (Abstand C=O – NH2: 2,9 Å) statt mit Arg29. Die Flexibilität der Domänen führt zu einer Veränderung der Wechselwirkungen in der Domänengrenzfläche im N1N2-Fragment. Diese Variabilität der Interaktionen der Aminosäuren in der Domänengrenzfläche verdeutlicht nochmals den Zusammenhang zwischen Struktur und Funktion. Um die Infektiosität des Phagen gewährleisten zu können, muß die Domänenwechselwirkung labil sein. Bestätigt wurde dieser Zusammmenhang von Stabilität und Infektiosität beim Vergleich der Infektiositäten der Phagen mit unterschiedlich stabilem G3P (3.1.11).

Position 39

Position 39 ist an der Proteinoberfläche lokalisiert. Die Mutation von Asn zu Lys ist an dieser exponierten und gut zugänglichen Stelle günstig. Die Mutation stabilisiert das 0SS-G3P* um 6,6 °C. Auch in diesem Fall zeigt der Vergleich von 0SS-G3P* R29W / N39K mit der 2SS-G3P*-Variante (Variante 6, Tabelle 3.2), daß nur die Domäne N1 stabilisiert wird. Die Stabilität der N2-Domäne wird durch beide Mutationen nicht beeinflußt. Die Expression und Charakterisierung der isolierten N1-Domäne 0SS-G3P* R29W / N39K zeigt auch hier eine Übereinstimmung des Tm-Wertes mit dem des N1N2-Fragments (isolierte N1-Domäne:

Tm = 62,6 °C, N1N2-Fragment: Tm = 63,0 °C). In der Nähe von Lys39 ist an Position 28 ein Aspartat (Abstand: 3,8 Å) lokalisiert (Abbildung 3.27 b), so daß hier eine Salzbrücke gebildet werden kann. Diese Salzbrücke verbindet die β-Stränge 3 und 4 des antiparallelen Faltblatts in N1.

Alle 0SS-G3P*-Varianten mit der Kombination der Mutationen R29W und N39K zeigen bei der thermischen Entfaltung wieder den zweiphasigen Übergang des Wildtyp-Proteins, d.h. die Stabilisierung ist so stark, daß nach Domänendissoziation und Entfaltung der N2-Domäne die N1-Domäne stabil bleibt und erst bei höherer Temperatur separat entfaltet. Die Kombination

der Mutation N39K mit stabilisierenden Mutationen in N2 (Varianten 44, 45, Tabelle 3.7) führt nicht zum zweiphasigen Übergang. N1 ist in diesem Fall nicht stabil genug, so daß Domänendissoziation, Entfaltung von N2 und N1 in einem hochkooperativen Prozeß ablaufen. Die zusätzlich auftretende Mutation P65H, die in diesen Kombinationsvarianten auftritt, hat keinen Effekt auf die Stabilität der N1-Domäne.

Position 55 und 56

Die Mutation des Glycins an Position 55 zu Alanin führt zu einer Stabilisierung des Proteins um 4,3 °C. Die Φ- und Ψ- Winkel (Φ = 180°, Ψ = -174°) sind für Alanin erlaubte Rückgratwinkel. Position 55 ist im β-Strang 5 lokalisiert. Thr41, Val44 und Ile56 sind in der Umgebung von Position 55. Die zusätzliche Methylgruppe des Alanins an Position 55 könnte einen Hohlraum zwischen den Resten 55 und Val44 schließen. Eine verbesserte Packung in diesem Bereich könnte ein Grund für den stabilisierenden Effekt dieser Mutation sein (Abbildung 3.27 d).

Die Mutation des polaren Threonins an Position 56 zur hydrophoben Aminosäure Isoleucin hat nur einen kleinen Effekt auf die Stabilität. Die entsprechende 0SS-G3P*-Einzelvariante zeigt nur eine geringe Stabilisierung im Vergleich zu 0SS-G3P* (∆Tm = 1,4 °C).

Kombinationen der Mutation T56I mit verschiedenen anderen stabilisierenden Mutationen bestätigen die geringe Stabilisierung durch T56I (Tabelle 3.7). Die Mutation an Position 56 zeigt keine signifikanten strukturellen Änderungen. Position 56 befindet sich in der TolA-Bindungsstelle der N1-Domäne. Die Mutation zum Isoleucin könnte also eine Auswirkung auf die TolA-Bindung haben und damit die Infektiosität des Phagen günstig beeinflussen, was ihre Selektion erklären könnte.

Position 60

Die Mutation Ile→Val an Position 60 stabilisiert das Protein um 2,2 °C. Dieser vergleichsweise kleine Effekt wird auch im Hintergrund der übrigen stabilisierenden Mutationen deutlich. Vergleicht man die Tm-Werte der Varianten 46 und 23 (Tabelle 3.7), die sich nur in den Mutationen G55A und I60V unterscheiden, so unterscheiden sich diese in der Stabilität der N1-Domäne um 3,2 °C. Ein Vergleich der Varianten 20 und 41 aus Tabelle 3.7 zeigt das gleiche Ergebnis in anderem Hintergrund. Die entsprechenden Varianten unterscheiden sich ebenfalls in den Mutationen G55A und I60V, in diesem Fall im Hintergrund R29W / N39K / F199L 0SS-G3P*. Der Tm-Wert der N1-Domänen unterscheidet sich um 3,2 °C, der Tm-Wert der N2-Domänen um 1,7 °C. Val60 ist in der Struktur von hydrophoben Aminosäuren umgeben (Leu8, Leu37, Tyr30 und Val58) und kontaktiert außerdem die Seitenkette von Lys39. Allerdings gibt der Vergleich der Raumstrukturen keinen Hinweis darauf, warum die zusätzliche Methylgruppe von Ile60 im Wildtyp-Protein destabilisierend wirkt, insbesondere da sie lösungsmittelexponiert ist.