• Keine Ergebnisse gefunden

3.2 Struktur und Analyse der Beiträge einzelner Mutationen zur Stabilität des disulfidfreien G3P

3.2.1 Analytische 0SS-G3P*-Varianten

Im Verlauf der Selektion disulfidfreier G3P*-Varianten wurden stabilisierende Mutationen sowohl in der N1- als auch in der N2-Domäne identifiziert. Ein generelles Prinzip von Proside ist, wie bereits erwähnt, die Stabilisierung des labilsten Teils des Proteins. Beim Verlust der Disulfidbrücken in N1 wird diese Domäne extrem stark destabilisiert. Second-site-Mutationen, die durch Zufallsmutagenese selektiert wurden, müssen den Stabilitätsverlust durch den Disulfidbrückenersatz kompensieren, so daß Mutationen in N1 einen beachtlichen Effekt auf die Gesamtstabilität des G3P* haben. Die Mutationen im stabilisierten disulfidfreien G3P* sind in Abbildung 3.12 dargestellt. Die Analyse der individuellen Beiträge zur Stabilität erfordert die Konstruktion und Untersuchung vieler Einzelvarianten im 0SS-G3P*-Hintergrund. Die entsprechenden Varianten wurden überexprimiert, gereinigt und ihre Stabilitäten bestimmt. Die Schmelzpunkte der Varianten sind in Tabelle 3.7 zusammengestellt, ihre thermischen Entfaltungsübergänge sind in Abbildung 3.14 a/b gezeigt.

Die thermischen Entfaltungsübergänge aller Einzelvarianten sind im Gegensatz zum zweiphasigen Entfaltungsübergang des Wildtyp-Proteins hochkooperativ. Wie in 3.1.3 ist auch in diesem Fall N1 durch die Substitution von zwei Disulfidbrücken so stark destabilisiert, daß die Entfaltung gekoppelt mit der Domänendissoziation und der Entfaltung von N2 abläuft. Die Beiträge der Mutationen zur Stabilität der N1-Domäne allein können in diesem Fall also nicht bestimmt werden. Die Expression entsprechender isolierter N1-Domänen ist für die 0SS-G3P*-Einzelvarianten nur schwer möglich, weil sie zu instabil sind.

Entsprechende Expressionsversuche für verschiedene N1-Domänen mit einzelnen Mutationen sind fehlgeschlagen. Nur für die Variante R29W 0SS-G3P* konnte N1 isoliert exprimiert und charakterisiert werden (Stöckl, 2005). Der Vergleich der thermischen Übergänge zeigt für die Einzelvarianten mit Mutationen in N1 die stärkste Stabilisierung durch die Mutation R29W (∆Tm = 14,0 °C im Vergleich zu 0SS-G3P*). Einen großen stabilisierenden Effekt haben ebenso die Mutationen N15G und N39K. Die Mutationen T13I, G55A und I60V stabilisieren ebenfalls, allerdings weniger stark, und die Mutation T56I hat nur einen kleinen Effekt auf die Proteinstabilität.

1 0,8 0,6 0,4 0,2 0

70 60

50 40

30 20

1 0,8 0,6 0,4 0,2 0

T (°C)

2726 24 30 28 25

24 35 33 32

rel. Änderung des CD-Signals bei 230 nm

(a)

(b)

Abbildung 3.14: Thermische Stabilität der Einzelvarianten im 0SS-G3P*-Hintergrund. (a) Dargestellt sind die Einzelvarianten mit Mutationen in N1, 0SS-G3P* (24), I60V (30), G55A (28), N15G (25), N39K (27) und R29W (26). (b) Dargestellt sind die Varianten mit Mutationen in N2, 0SS-G3P* (24), F199L (35), L198P (33) und N138G (32). Die relative Änderung des CD-Signals nach Auswertung gemäß einem Zweizustandsmodell ist in Abhängigkeit von der Temperatur aufgetragen. Die Übergänge wurden mit 4 µM Protein in 100 mM Kalium-Phosphat, pH 7,0 bei einer Schichtdicke von 10 mm gemessen. Die Tm-Werte sind in Tabelle 3.7 aufgeführt.

Die im Wildtyp-Protein labilere Domäne N2 wurde in ersten Selektionen (Martin und Schmid, 2003b) durch die Mutationen Q129H im globulären Teil und T101Y und D209Y in der Gelenk-Subdomäne stark stabilisiert. Substitution der Disulfidbrücke und anschließende Zufallsmutagenese führten zur Identifizierung der Mutationen N138G, L198P, F199L und S207L. Im Hintergrund von 0SS-G3P* (enthält die Mutationen T13I, T101I, Q129H und D209Y) zeigen auch diese Einzelvarianten einen hochkooperativen Entfaltungsübergang, wobei die Mutation N138G den größten Effekt auf die Stabilität hat (∆Tm = 5,9 °C), gefolgt von den Mutationen L198P und F199L.

Tabelle 3.7: Stabilitätsdaten für Wildtyp-G3P, 0SS-G3P* und alle analytischen Einzel- und Kombinationsvarianten.

N1N2-Fragment isol. N1 Nr. G3P* Variante Tm(N2) Tm (N1) Tm(°C) 0SS G3P* R29W/N39K/G55A/I60V/F199L 0SS G3P* N15G/R29W/ N39K/G55A/F199L 0SS G3P* N15G/R29W/N39K/T56I/N138G/

Angegeben sind die Schmelztemperaturen (Tm) für alle 0SS-G3P*-Varianten. Die Tm-Werte für die N1- bzw.

N2-Domäne sind die Mittelpunkte des ersten (N2) bzw. zweiten (N1) Übergangs im biphasischen Entfaltungsübergang des N1N2-Fragments nach Auswertung gemäß einem Dreizustandsmodell. Die Tm-Werte der isolierten N1-Domänen sind die Mittelpunkte der einphasigen Entfaltung von N1 nach Auswertung gemäß einem Zweizustandsmodell. Für die 0SS-G3P*-Einzelvarianten sind die Übergänge nicht zu trennen. In diesem Fall sind apparente Tm-Werte angegeben, die die Hälfte der Signaländerung angeben. Für die Auswertung der Entfaltungsübergänge wurde für die N2-Domäne eine konstante Wärmekapazitätsänderung von ∆Cp = 10 000 J mol-1 K-1 und für die N1-Domäne ein konstantes ∆Cp von 1 000 J mol-1 K-1 angenommen. Die zugehörigen Entfaltungsenthalpien sind im Anhang in Tabelle 9.3 aufgeführt. Die Nummerierung der Varianten dient der Identifizierung der Varianten in den Abbildungen in 3.2, die Daten für die Variante 3SS-G3P* R29W wurden von M. Stöckl im Rahmen einer Diplomarbeit erarbeitet (Stöckl, 2005).

Durch die Kombination der Mutationen in N1 und N2 können die Beiträge einzelner Mutationen in verschiedenen Hintergründen bestimmt werden. Aus dem Vergleich der Varianten können dann Rückschlüsse auf die Additivität der Beiträge bzw. eventuelle Wechselwirkungen zwischen den Aminosäuren gezogen werden. In einem thermodynamischen Zyklus (Mutationszyklus) können entsprechende Wechselwirkungen identifiziert werden. Da hier jedoch ein komplexes Modell zur Entfaltung des Zweidomänenproteins vorliegt, welches sich für die verschiedenen Varianten je nach Stabilität der beiden Domänen ändert, kann nur ein Vergleich über die Schmelzpunkte der Varianten erfolgen. Ein Vergleich der freien Enthalpien ist aufgrund der Problematik des richtigen Entfaltungsmodells nicht möglich. In Abbildung 3.15 und Abbildung 3.16 sind die Varianten zusammenfassend dargestellt. Abbildung 3.15 zeigt nur den Zusammenhang der Varianten mit Mutationen an den Positionen 29, 39, 56 und 198, und in Abbildung 3.16 sind neben den Einzelvarianten die selektierten 0SS-G3P*-Varianten dargestellt. Die Differenz der Tm-Werte gibt in beiden Schemata den stabilisierenden Beitrag der jeweiligen Mutation an.

R29W N39K T56I

R29W / N39K N39K / T56I R29W / T56I

R29W / N39K / T56I

R29W / N39K / T56I/ L198P

R29W/ L198P T56I/ L198P

L198P 0SS G3P*

0SS G3P*

+14,0°C

+6,6°C +1,4°C

+12,2°C +3,8°C

-1,4°C N1: +19,7°C

N2: + 9,9°C N1: +12,3°C

N2: + 2,5°C

N1: +25,2°C

N2: +11,6°C N1: +16,8°C N2: + 3,2°C N1: +4,1°C

N2: +0,3°C

N1: +1,3°C N2: +4,1°C

+5,3°C +14,3°C

N1: +12,1°C N2: + 1,3°C

N1: +26,6°C N2: +15,8°C

-0,2°C

Abbildung 3.15: Schema zur Analyse der stabilisierenden Effekte der second-site-Mutationen in N1 und N2.

Zusammenhang der Varianten mit Mutationen an den Positionen 29, 39, 56 und 198. Mutationen in N1 sind in rot dargestellt, Mutationen in N2 in schwarz. Angegeben ist der Unterschied der Übergangsmittelpunkte der thermischen Entfaltung der Varianten (∆Tm). Bei Varianten, bei denen die Entfaltung hochkooperativ verläuft, ist die Temperatur bei der Hälfte der Signaländerung angegeben, für Varianten mit einem Dreizustandsübergang sind die Differenzen der Schmelzpunkte für beide Domänen angegeben.

Betrachtet man zunächst die Einzelbeiträge der Mutationen in N1, so wird der enorm stabilisierende Effekt der Mutation R29W deutlich. Während N39K ebenfalls einen großen Beitrag zur Stabilisierung beider Domänen leistet, ist für die Mutation T56I praktisch fast kein stabilisierender Effekt erkennbar. Die Beiträge der Mutationen sind in diesem Fall auf beide Domänen bezogen, da ein hochkooperativer Entfaltungsvorgang vorliegt. Der Effekt auf die N1-Domäne allein kann nicht unabhängig analysiert werden. Die N1-Domäne 0SS-G3P* N39K konnte nicht als gefaltetes Protein isoliert werden, die N1-Domäne 0SS-0SS-G3P*

R29W liegt bei Raumtemperatur gefaltet vor, ist jedoch mit einem Tm von etwa 36 °C sehr instabil (Stöckl, 2005). Der Vergleich der Varianten R29W / T56I und T56I zeigt ebenfalls die starke Stabilisierung durch R29W. Die Kombinationsvariante ist genauso stabil wie 0SS-G3P* R29W, T56I hat hier keinen Einfluß auf die Stabilität. Bestätigt wird dies ebenfalls beim Vergleich der Kombinationsvarianten N39K / T56I mit den jeweiligen Einzelvarianten.

In Kombination stabilisieren die Mutationen R29W und N39K die Domäne N1 so stark, daß diese getrennt von N2 bei 63 °C entfaltet. Auch die isolierte Domäne N1 mit diesen beiden Mutationen ist stabil und entfaltet bei 62,6 °C. Durch den Vergleich der Varianten R29W / T56I bzw. N39K / T56I mit der Variante R29W / N39K / T56I wird der stark stabilisierende Einfluß der jeweiligen zusätzlichen Mutation in N1 auf diese Domäne deutlich (∆Tm der N1-Domänen). Der Einfluß auf die N2-Domäne durch die betrachteten Mutationen in N1 ist gering.

In Domäne N2 hat die Mutation L198P einen großen stabilisierenden Effekt (∆Tm = 5,3 °C).

Der Vergleich mit R29W / L198P zeigt die Additivität der Beiträge von L198P und R29W.

Die Differenz der Schmelzpunkte ergibt den Einzelbeitrag der Mutation R29W. Insgesamt wird beim Vergleich dieser Varianten mit hochkooperativem Übergang die gute Additivität der Beiträge der Einzelmutationen sehr deutlich.

Zusätzlich zu den in Abbildung 3.15 aufgeführten 0SS-G3P*-Varianten sind in Abbildung 3.16 alle Einzelmutationen aus der Selektion für die Domänen N1 und N2 dargestellt. In diesem Schema werden vor allem die 0SS-G3P*-Varianten verglichen, bei denen die N1-Domäne so stabil ist, daß die beiden Entfaltungsübergänge entkoppelt sind. Dabei werden die Einflüsse der Mutationen auf die Stabilität der einzelnen Domänen besonders deutlich. Bei der Kombination von R29W / N39K mit der Mutation F199L in N2 wird die N2-Domäne um 3,2 °C stabilisiert. Die Mutationen N15G und G55A stabilisieren vor allem die N1-Domäne bei Kombination mit der Variante R29W / N39K / F199L (∆Tm = 10,5 °C). Zusätzlich ist bei diesen Varianten auch eine Stabilisierung der N2-Domäne feststellbar, wie auch für die Kombination G55A / I60V im R29W / N39K / F199L-Hintergrund. Besonders deutlich wird der stabilisierende Beitrag dieser Domänen, wenn man die Differenz der Einzelvarianten (N15G + G55A bzw. G55A + I60V) mit den Kombinationen dieser Mutationen mit R29W / N39K / F199L betrachtet. Durch den unterschiedlichen Entfaltungsmechanismus der Einzelvarianten (hochkooperative Entfaltung der Domänen) und den Kombinationsvarianten

(zweiphasige Entfaltungsreaktion) ist nur ein qualitativer Vergleich möglich, da bei den Einzelvarianten der genaue Effekt auf die einzelnen Domänen nicht bestimmbar ist.

0SS G3P*

Abbildung 3.16: Schema zur Analyse der stabilisierenden Effekte der second-site-Mutationen in N1 und N2.

Zusammenhang der Varianten mit Mutationen in N1 und N2. Mutationen in N1 sind in rot dargestellt, Mutationen in N2 in schwarz. Die stabilsten 0SS-G3P*-Varianten aus der Selektion sind blau umrahmt, die disulfidfreie Variante mit allen stabilisierenden Mutationen ist schwarz umrahmt. Angegeben ist der Unterschied der Übergangsmittelpunkte der thermischen Entfaltung der Varianten (∆Tm). Bei Varianten, bei denen die Entfaltung hochkooperativ verläuft, ist die Temperatur bei der Hälfte der Signaländerung angegeben, für Varianten mit einem Dreizustandsübergang sind die Differenzen der Schmelzpunkte für beide Domänen angegeben.

Der Vergleich der beiden stabilsten Varianten aus der Selektion (siehe Abbildung 3.16, blau umrahmt) mit der Kombinationsvariante mit allen stabilisierenden Mutationen (siehe Abbildung 3.16, schwarz umrahmt) zeigt die zusätzliche Stabilisierung der N2-Domäne durch die drei zusätzlichen Mutationen (N138G, L198P und S207L), wobei die stabilisierenden Beiträge der einzelnen Mutationen im Vergleich zu den Mutationen in N1 deutlich geringer sind (N2 wird insgesamt um 6,9 °C bzw. 8,9 °C stabilisiert). N1 wird im Vergleich zu den selektierten Varianten jeweils durch zwei Mutationen verändert. Die stabilsten Varianten aus der Selektion unterscheiden sich nur in den Mutationen N15G und I60V in N1. Der Unterschied der Tm-Werte zwischen diesen Varianten und der Kombinationsvariante ist damit den Mutationen I60V bzw. N15G zuzuordnen (N1 ist um 3,5 °C bzw. 8,3 °C stabilisiert). Ein Effekt der Mutationen in N1 auf die Stabilität der Domäne N2 und umgekehrt ist schwer zu bestimmen, da die Komplexität der Dreizustandsübergänge, die Änderung des Anteils der

Entfaltung von N2 an der gesamten Signaländerung und die geringe Kooperativität der N1-Domäne ohne Disulfidbrücken die Auswertung dieser Übergänge erschwert. Ein Vergleich der Tm-Werte von N1 im N1N2-Fragment mit den Tm-Werten der isolierten N1-Domänen zeigt jedoch eine relativ gute Übereinstimmung und läßt daher auf eine hohe Verläßlichkeit der Daten schließen.