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Faltungskinetik der stabilisierten β-Lactamase-Variante im Vergleich zum Wildtyp-Protein 158

3.6 Stabilisierung von TEM-1 β-Lactamase durch in vitro-Evolution

3.6.10 Faltungskinetik der stabilisierten β-Lactamase-Variante im Vergleich zum Wildtyp-Protein 158

Die Untersuchung der Faltungskinetik der β-La-Variante mit allen stabilisierenden Mutationen im Vergleich zum Wildtyp-Protein gibt Aufschluß über den Effekt der stabilisierenden Mutationen auf den Faltungsmechanismus des Proteins.

3.6.10.1 Faltungskinetik von β-La-Wildtyp

Die Betrachtung der Struktur der β-La wirft ein Problem für den Faltungsmechanismus auf.

Der zentrale Bereich des Proteins bildet eine globuläre Einheit mit hauptsächlich α-helikaler Struktur, und die N- und C-terminalen Bereiche des Proteins bilden gemeinsam ein fünfsträngiges β-Faltblatt. Dies bedeutet, daß weder der N-, noch der C-Terminus des Proteins entfalten können, ohne die gesamte Struktur zu zerstören. Für den Faltungsmechanismus bedeutet dies, daß entweder zunächst die α-helikale Einheit und später die β-Struktur gebildet wird oder daß die beiden Einheiten unabhängig voneinander falten (Vanhove et al., 1998b).

Für die TEM-1 β-Lactamase konnte festgestellt werden, daß sich zunächst eine molten globule-artige α-helikale Domäne ausbildet, wobei die N- und C-terminalen Bereiche kollabiert, jedoch noch nicht strukturiert vorliegen. Die Entfaltungs- und Rückfaltungsraten für die Faltungsreaktionen des Wildtyp-Proteins sind in Abbildung 3.70 in Abhängigkeit von der GdmCl-Konzentration in einer Chevron-Auftragung dargestellt.

3 2

1 0

100 10 1 0,1 0,01 0,001 0,0001

[GdmCl] (M) λ (s-1 )

Abbildung 3.70: Chevron-Auftragung der Faltungsraten von β-La Wildtyp. Faltung des frühen Intermediates (♦), schnelle Entfaltungsphase (●), langsame Entfaltungsphase (○, ▲), stopped-flow-Daten für die schnelle (∇) und langsame (▼) Entfaltungsphase, schnelle (○) und langsame (●) Rückfaltungsphase. Die Kinetiken wurden mit 0,2 µM Protein in 50 mM Natrium-Phosphat, pH 7,0 anhand der Fluoreszenzänderung bei 340 nm nach Anregung bei 280 nm bei 25 °C und einer Schichtdicke von 1 cm verfolgt (Bandbreiten: 3 nm (Anregung), 5 nm (Emission)).

Für die Faltung der TEM-1 β-Lactamase konnten sechs verschiedene Phasen beobachtet werden, wovon vier Phasen mittels intrinsischer Fluoreszenz des Proteins beobachtet werden können (Vanhove et al., 1998b). Die burst-Phase läuft innerhalb der Totzeit der stopped-flow-Mischung ab (Zeitkonstante τ < 1 ms) (Vanhove et al., 1998a). Dann bildet sich ein frühes Intermediat mit einer Zeitkonstante von τ1 =140 ms in Gegenwart von 0,4 M GdmCl. Es folgt eine schnelle Rückfaltungsphase mit τ2 = 32 s (in 0,4 M GdmCl) dann eine langsame Phase mit τ 3= 296 s (in 0,4 M GdmCl) (Abbildung 3.70). Bei Betrachtung der Faltung über die enzymatische Aktivität und mittels Fluoreszenz fällt ein zweiphasiger Verlauf der Faltungskinetiken auf (Gervasoni und Plückthun, 1997; Vanhove et al., 1995). Die Polypeptidkette faltet folglich über zwei parallele Faltungswege. Während die langsame

Faltungsphase (τ = 296 s) der trans → cis - Isomerisierung der E166-P167 Peptidbindung im Ω-Loop zuzuordnen ist, repräsentiert die schnellere Phase (τ2= 32 s) die Isomerisierung anderer Prolin-Reste (insgesamt 12 in der β-La) (Vanhove et al., 1996; Vanhove et al., 1995).

3.6.10.2 Faltungskinetik von β-La mit allen stabilisierenden Mutationen

Für die β-La-Variante mit allen stabilisierenden Mutationen (Variante 23) wurde ebenfalls die Faltung analysiert. Abbildung 3.71 zeigt beispielhafte Rückfaltungs- und Entfaltungsreaktionen nach manueller Mischung und nach schneller Mischung in der stopped-flow-Apparatur.

Abbildung 3.71: Beispielhafte Rückfaltungskinetiken der stabilisierten β-La-Variante bei (a) 0,36 bzw. (b) 0,4 M GdmCl und Entfaltungskinetiken bei (c) 4,40 M und (d) 5,60 M GdmCl. Dargestellt ist die Änderung der Fluoreszenz bei 340 nm nach Anregung bei 280 nm in Abhängigkeit von der Zeit bzw. die Änderung der PM-Spannung der stopped-flow-Apparatur (b, d) in Abhängigkeit von der Zeit. Die Kinetiken wurden mit 0,2 µM Protein in 50 mM Natrium-Phosphat, pH 7,0 bei 25 °C gemessen. Bei manueller Mischung (a, c) wurde bei einer Schichtdicke von 1 cm gemessen, bei schneller Mischung in der stopped-flow wurde die integrale Fluoreszenz nach Anregung bei 280 nm gemessen. Als cut-off-Filter wurde Aceton verwendet (Fluoreszenz oberhalb von 320 nm).

Die Rückfaltung kann anhand der Zunahme der Tryptophanfluoreszenz bei 340 nm beobachtet werden. Dabei geht den beiden langsamen Prolin-limitierten Phasen die schnelle Phase des frühen Intermediats voraus. Für Entfaltung und Rückfaltung können jeweils zwei Phasen beobachtet werden. Die erste Entfaltungsphase hat eine große Amplitude und

bestimmt die Entfaltungsreaktion. Die zweite Entfaltungsphase hat nur eine sehr geringe Amplitude und ist unabhängig von der GdmCl-Konzentration. Es könnte sich hier um Prolylisomerisierung im entfalteten Protein handeln. Allerdings können Artefakte, wie Verdünnungseffekte nicht sicher ausgeschlossen werden. Die Chevron-Auftragung der Faltungsraten ist in Abbildung 3.72 dargestellt.

6 5 4 3 2 1 0 100

10 1 0,1 0,01 0,001 0,0001

[GdmCl] (M) λ (s-1 )

Abbildung 3.72: Chevron-Auftragung von β-La mit allen stabilisierenden Mutationen (P62S/V80I/M182T/L201P/I247V E147G/I208M/A224V/R275L). Faltung des frühen Intermediates (♦), erste Entfaltungsphase (●), zweite Entfaltungsphase (○), stopped-flow-Daten für die schnelle (▼) und langsame (◊) Entfaltungsphase, schnelle (○) und langsame (●) Rückfaltungsphase. Die Kinetiken wurden mit 0,2 µM Protein in 50 mM Natrium-Phosphat, pH 7,0 anhand der Fluoreszenzänderung bei 340 nm nach Anregung bei 280 nm bei 25 °C und einer Schichtdicke von 1 cm verfolgt (Bandbreiten: 3 nm (Anregung), 5 nm (Emission)).

Bei der stabilisierten β-Lactamase-Variante ist die Rückfaltung kaum beeinflußt. Das frühe Intermediat bildet sich mit einer Zeikonstante von τ1 = 15 ms (in 0,4 M GdmCl), also etwa zehnmal so schnell wie im Wildtyp-Protein. Auch die beiden langsamen Phasen sind mit Zeitkonstanten von τ2 = 3 s und τ3 = 30 s bei 0,4 M GdmCl etwa um den Faktor zehn gegenüber dem Wildtyp-Protein beschleunigt. Die Entfaltung ist hingegen bei 3 M GdmCl mit einer Zeitkonstante von τ = 4100 s um etwa den Faktor 2000 langsamer als beim Wildtyp-Protein (τ = 2 s). Die Stabilisierung der β-Lactamase durch die selektierten Mutationen beruht damit nahezu ausschließlich auf einer verlangsamten Entfaltung und somit auf der Stabilisierung des nativen Zustands.

Die langsame Rückfaltungsrate in der β-Lactamase-Kinetik (τ3 = 314 s in 0,5 M GdmCl) ist der Prolylisomerisierung zuzuordnen. Der Versuch der Katalyse dieser Faltungsrate der Variante β-La C77A / C123A mittels verschiedener Peptidyl-Prolyl-cis-trans-Isomerasen (SlyD, FKBP12-IF1, Cyclophilin 18 und Trigger-Faktor) führte jedoch zu keiner signifikanten Erhöhung der Rückfaltungsrate. Die entsprechende Prolyl-Peptidbindung ist offenbar nicht für die Isomerasen zugänglich.

3.6.11 Fazit der in vitro-Evolution von TEM-1 β-Lactamase

Die TEM-1 β-Lactamase inaktiviert β-Lactam-Antibiotika. Ein optimales Verständnis der Prinzipien von Aktivität und Stabilität dieses Enzyms ist daher für die Entwicklung modifizierter β-Lactam-Antibiotika unerläßlich. Ferner dient die β-Lactamase als Modellprotein für Stabilitäts- und Faltungsuntersuchungen.

Ziel dieser Arbeit war die Selektion stabilisierter β-Lactamase-Varianten mit dem Proside-Selektionssystem. Der Einbau von β-Lactamase mit ihren 263 Aminosäuren als Gastprotein in das Gen-3-Protein des Phagen hatte eine deutliche Reduktion seines Titers zur Folge. Dieses Problem der geringeren Infektiosität konnte bereits von Krebber et al. bei der Analyse der Infektiositäten verschiedener Phagenkonstrukte festgestellt werden (Krebber et al., 1997). Die erfolgreiche Selektion stabilisierter La-Varianten in Gegenwart von Ampicillin zeigt, daß β-La als Fusionsprotein mit dem G3P des Phagen im Periplasma der infizierten E. coli-Zellen enzymatisch aktiv ist. Dies konnte durch die meßbare Aktivität der β-La im gereinigten Phagen in vitro bestätigt werden.

In vitro-Evolution wurde im Fall der β-Lactamase bisher vor allem im Hinblick auf eine erhöhte β-La-Aktivität angewendet. Die in natürlich vorkommenden sogenannten extended spectrum-β-Lactamasen mutierten Positionen 104, 164 und 237-240 waren dabei von besonderem Interesse (Zaccolo und Gherardi, 1999; Stemmer, 1994). Der mit dem Aktivitätsgewinn häufig einhergehende Stabilitätsverlust durch diese Mutationen war dabei häufig durch zusätzliche Mutationen entfernt vom aktivem Zentrum kompensiert (Wang et al., 2002). Die Mutation M182T ist eine solche generelle Suppressor-Mutation (Huang and Palzkill, 1997). Diese besonders wichtige und stark stabilisierende Mutation wurde auch in dieser Arbeit mit dem Ziel erhöhter thermodynamischer Stabilität häufig selektiert. Aktivität und Stabilität der β-Lactamase sind daher nur schwer unabhängig voneinander zu bewerten.

Hecky und Müller konnten eine ähnliche Beobachtung machen (Hecky und Müller, 2005).

Durch in vivo-Selektion mit N-terminal verkürzten und dadurch inaktiven Lactamase-Varianten in Gegenwart von Ampicillin konnten Lactamase-Varianten identifiziert werden, die neben β-La-Aktivität auch eine erhöhte Stabilität aufweisen.

Durch Proside-Selektion konnten neben M182T die besonders stark stabilisierenden Mutatio-nen A224V und R275L gefunden werden. Auch die Mutation R275L tritt in natürlichen β-Lactamase-Varianten auf (TEM-38, TEM-68). Struktur-Stabilitätsanalysen auf der Grundlage der Raumstruktur des Wildtyp-Proteins lassen keine eindeutige Aussage bezüglich der molekularen Basis der stabilisierenden Effekte zu. Allerdings scheinen die Ausbildung zusätzlicher Wasserstoffbrücken, die Optimierung von Ladungswechselwirkungen und eine verbesserte Seitenkettenpackung an der Stabilisierung beteiligt zu sein.

Wie schon erwähnt, müssen alle selektierten Varianten β-La-Aktivität besitzen, und tatsächlich unterscheiden sie sich nur minimal in ihrer Aktivität bei 25 °C. Eine genauere Analyse der β-La-Aktivität ist hier nicht möglich, da die Messungen nicht unter Substratsättigung durchgeführt wurden. Die stabilisierte Kombinationsvariante wird in der

Gruppe von A. Matagne (Lüttich, Belgien) in Bezug auf ihre katalytischen Eigenschaften genauer analysiert. Insgesamt konnte durch die Proside-Selektionen die thermodynamische Stabilität und die Kooperativität der β-Lactamase stark verbessert werden. Die selektierten Mutationen sind über die gesamte Struktur verteilt, und ihre stabilisierenden Beiträge sind nahezu additiv. Auffällig ist die Selektion von Mutationen, die auch natürlich vorkommen und stark zur Stabilität des Proteins beitragen. Um die Stabilitätsdaten auch auf struktureller Ebene analysieren zu können und den Effekt der Mutationen auf die Wechselwirkungen im Protein zu verstehen, wäre die Kristallstruktur der stabilisierten Kombinationsvariante sehr hilfreich.

3.7 Etablierung eines alternativen Selektionssystems zur Stabilisierung