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Working Poor – Arm trotz Arbeit

Im Dokument Stefan Krase, Bakk. Masterarbeit (Seite 16-22)

2.   Armut

2.2   Working Poor – Arm trotz Arbeit

Unter Working Poor wird der Teil der arbeitenden Bevölkerung verstanden, der trotz Arbeit nicht über die zuvor in Kapitel 2 definierten Schwellenwerte hinwegkommt.

Diese Personen können in Österreich wie in Kapitel 2.2.3 gezeigt wird, dies gilt auch für Deutschland, um Unterstützung in Form von Sozialhilfe ansuchen.

Die Arbeiterkammer publizierte im Dezember 2011 eine Studie zur Working Poor Problematik in Wien. Um die Entwicklungen in diesem Bereich darzustellen wurden mehrere Szenarien erarbeitet, um ein möglichst gutes Abbild der Situation zu

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erhalten. Auch in diesem Bereich stellt sich die Problematik vor allem in der Auswahl des Szenarios und der darin gewählten Parameter dar. Als Working Poor gilt man laut dieser Studie somit, wenn man trotz zehn- oder mehr stündiger Beschäftigung für 3 oder mehr Monate Sozialhilfe bezieht. (vgl. Arbeiterkammer Wien 2011, S. 9) Auf diese Definition wird sich auch der vorliegende Abschnitt beziehen.

2.2.1 Working  Poor  Jobs  

Nicht unerheblich für die weitere Vorgehensweise stellt sich der vorliegende Abschnitt über die Art der Jobs und vor allem auch die Arbeitszeiten der Working Poor dar.

Einen bedeutenden Faktor stellt die Arbeitszeit dar. Rund 79% der von der Arbeiterkammer befragten Working Poor gaben an nur Teilzeitbeschäftigt zu sein.

Dies bedeutet weniger als 35 Stunden Wochenarbeitszeit. Der Durchschnitt wurde mit 21 Wochenstunden errechnet. Wobei in diesem Zusammenhang erwähnenswert ist, dass dieser bei Frauen lediglich bei 18 Stunden und bei Männern bei 25 Stunden lag. (vgl. Arbeiterkammer Wien 2011, S. 38)

Erhebungen der Arbeiterkammer für den Zeitraum 2000 bis 2009 zeigen, dass ca.

67% der Working Poor ausschließlich oder überwiegend ihr Einkommen aus einer vollversicherten Erwerbstätigkeit beziehen. Etwa 8% kommen durch LeiharbeiterInnen zustande und 22% gehen lediglich einer geringfügigen Beschäftigung nach. (vgl. Arbeiterkammer Wien 2011, S. 28) Kritisch ist der Anstieg im Bereich der LeiharbeiterInnen zu beobachten. Für den Raum Leipzig, Deutschland, konnte der DGB zeigen, dass sich diese Beschäftigungsverhältnisse im Zeitraum 2009 bis 2012 um rund 60% zugenommen haben. „Mit dem Boom der Leiharbeit frisst sich schlecht bezahlte und instabile Beschäftigung weiter in den Arbeitsmarkt. Etwa die Hälfte der Leiharbeitsverhältnisse wird nach weniger als drei Monaten wieder beendet, [...]“. 8

Die Betroffenen sind zu 43% im Dienstleistungsgewerbe beschäftigt, wobei Reinigungskräfte und HausbesorgerInnen klar dominieren. Rund 27% der Personen sind in Produktionsberufen tätig, welche unter anderem Hilfstätigkeiten, Lagerarbeiten und Tätigkeiten im Baubereich umfassen. Die letzte große Gruppe ist

8 http://www.l-iz.de/Wirtschaft/Leipzig/2012/04/Leiharbeit-in-Leipzig-um-sechzig-Prozent-angestiegen-41421.html

Armut

mit 18% die Kleinste und setzt sich vor allem aus VerkäuferInnen im Lebensmitteleinzelhandel und TaxilenkerInnen zusammen. (vgl. Arbeiterkammer Wien 2011, S. 33)

Besonders die erwähnten Gruppen von Personen und die zugehörigen Sektoren würden, wie noch zu zeigen ist, besonders von einem BGE betroffen sein. Hier wird es vor allem die Niedriglohnsektoren, welche sich durch Stundenlöhne die weniger als 2/3 des Medianstundenlohns betragen, betreffen. Rund 39% der Working Poor wären diesem Niedriglohnsektor, in welchem insgesamt jedoch nur 15-16% der Beschäftigten tätig sind, zuzurechnen. (vgl. Arbeiterkammer Wien 2011, S. 42)

2.2.2 SozialhilfebezieherInnen  mit  parallelem  Erwerbseinkommen  in  Wien   Der Anteil der SozialhilfebezieherInnen die einer Beschäftigung nachgehen ist im Beobachtungszeitraum, welcher sich vom Jahr 2000 bis 2009 erstreckt, von 9,2% auf 16,5% gestiegen. Entwicklungen innerhalb dieser Gruppe zeigen, dass sich die Zusammensetzung nur wenig ändert. Frauen sind mit 45,2% weniger betroffen als Männer. Rund zwei Drittel der Working Poor befinden sich im Haupterwerbsalter zwischen 25 und 49 Jahren. Wenig erstaunlich ist, dass die Gefahr zu dieser Gruppe zu gehören, mit steigender Ausbildung abnimmt. (Arbeiterkammer Wien 2011, S. 8ff) Bedenklich stimmt jedoch der Trend zu mehr LangzeitbezieherInnen. Diese haben im Zeitraum von 2003 bis 2006 von 11% auf 14% zugelegt. Sollte sich dieser in Zukunft fortschreiben, ist mit einer Verstärkung der Working Poor Problematik zu rechnen.

(vgl. Arbeiterkammer Wien 2011, S. 21)

2.2.3 Hartz  IV  trotz  Erwerbstätigkeit  

Die im Allgemeinen als Hartz 4 bekannte Gesetzesregelung ersetzt seit 1.1.2005 die zuvor geltenden Regelungen für Sozialhilfe und Arbeitslosengeld in Deutschland. Die Bemessungsgrundlage basiert nicht mehr, wie zuvor auf dem zuletzt erhaltenen Nettoverdienst, sondern an der Höhe der gewährten Sozialhilfe. Diese wird jedoch, um eine bedarfsorientierte Komponente erweitert, welche vor allem durch Kosten für Unterkunft, aber auch speziellen Bedürfnissen beeinflusst werden.

Leistungen des ALG II, genauer gesagt die Grundsicherung für Arbeitssuchende, erhalten grundsätzlich alle erwerbsfähigen und hilfsbedürftigen Personen im Alter

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Arbeitsmarkt tatsächlich zur Verfügung stehen muss, um Leistungen zu erhalten. Es handelt sich somit nicht um ein bedingungsloses Grundeinkommen, da zumindest eine Bereitschaft zur Arbeit vorhanden sein muss.

Hartz IV bzw. Arbeitslosengeld 29 setzt sich aus den sog. Regelleistungen und den Kosten für Unterkunft zusammen. Diese bewegt sich zwischen 374 € monatlich für volljährige Alleinstehende, Alleinerziehende und Personen mit minderjährigem Lebenspartner bis zu einer Untergrenze von 219 Euro monatlich für Kinder von 0 bis 5 Jahren.

Am 17.06.2011 wurde durch den deutschen Bundestag das Existenzminimum für 2012 festgelegt. Dies beläuft sich für Alleinstehende auf 7.896 Euro pro Jahr. Für Ehepaare wurde es auf 13.272 Euro angeben und für Kinder gilt ein Betrag von 4.272 Euro jährlich. (Deutscher Bundestag) Wird dieses Minimum unterschritten kann man trotz Erwerbstätigkeit Hartz IV beantragen.

Mehr als vier Milliarden Euro muss der Bund, laut DGB, für Hartz IV EmpfängerInnen ausgeben, obwohl diese erwerbstätig sind. Der Staat subventioniert sozusagen ArbeitgeberInnen, die ArbeitnehmerInnen unter dem Existenzminimum entlohnen.

Dies belastet in Deutschland nicht nur den Bund, sondern auch die Kommunen, da diese für etwaige Wohnungskosten herangezogen werden. (vgl. Adamy 2012, S. 2) In Deutschland zählten Mitte 2011 rund 570.000 Beschäftigte zu den sog.

„Aufstockern“, welche zusätzlich zu ihrem Einkommen Hartz IV erhalten. Von diesen gingen rund 330.000 einer sozialversicherten Vollzeitbeschäftigung nach. Bezieht man zusätzlich noch die EmpfängerInnen von Hartz IV mit ein, die einer geringfügigen oder selbstständigen Beschäftigung nachgehen, kommt man auf rund 1,36 Millionen BezieherInnen. Das entspricht 29% aller Hartz IV EmpfängerInnen im Alter von 15 bis 64 Jahren. Die Anzahl könnte jedoch um einiges höher ausfallen, da vermutlich jede(r) zweite Vollzeitbeschäftigte trotz Bedürftigkeit nicht aufstockt.

(Adamy 2012, S. 2 und S. 9)

Auffällig ist in diesem Zusammenhang auch, dass sich manche Wirtschaftsbereiche, besonders der Arbeitnehmerverleih, mit 43.451 vollzeitbeschäftigten Hartz IV EmpfängerInnen, durch eine überdurchschnittlich hohe Anzahl an Aufstockern hervorhebt. In dieser Branche waren 2010 nur rund 2,7 Prozent aller sozialversicherten Beschäftigten tätig. Jedoch wurden mehr Aufstocker als im größten Sektor, dem verarbeitendem Gewerbe, mit 26.830 Aufstockern registriert.

9http://www.sozialleistungen.info/hartz-iv-4-alg-ii-2/alg-ii-leistungen.html

Armut

Erstaunlich ist außerdem, dass die Hartz IV-Bedürftigkeit Erwerbstätiger besonders in Sektoren, die sich nicht im internationalen Wettbewerb befinden, besonders hoch ist. (vgl. Adamy 2012, S. 7) Die auf diese Weise indirekt subventionierten Wirtschaftssektoren, heißen dieses Kombilohnmodell verständlicherweise gut. Die VertreterInnen dieser Branchen argumentieren mit zusätzlichen Arbeitsplätzen, die durch diese Niedriglöhne geschaffen würde. Dieser Umstand kann jedoch durch die Empirie in anderen Staaten mit Mindestlöhnen nicht bestätigt werden. Fehlende Mindestlöhne verursachen darüber hinaus, nicht nur intersektoral Verzerrungen sondern auch Intrasektoral. Da es in Deutschland keinen generellen Mindestlohn gibt, können Betriebe bis zu einer Sittenwidrigkeitsgrenze, Löhne reduzieren und sich somit Vorteile gegenüber dem MitbewerberInnen sichern. (vgl. Adamy 2012, S. 16)

2.2.4 Exkurs:  Kinderarmut  

Rätz und Krampertz (2011, S. 48) sprechen sich für die baldige Einführung eines BGE im Bereich der Kinder aus. Ihre Forderung begründen sie mit der Tatsache, dass in Deutschland derart viele Kinder in Armut leben, wie in kaum einem anderen Industrieland. Zurzeit gibt es in Deutschland einen Kinderfreibetrag in Höhe von 500

€. Dieser setzt sich aus den Freibeträgen für Existenzminimum, in Höhe von 320 €, und für Erziehung und Ausbildung, in Höhe von 180 €, zusammen. Aufgrund der Wirkungsweise eines Freibetrages, werden jedoch nur Personen unterstützt die in der Lage sind Steuern zu bezahlen. Personen die ein sehr geringes Einkommen vorweisen und somit nicht in das progressive Steuersystem fallen, profitieren nicht von diesem Freibetrag. Zusätzlich steigt der Nutzen eines Freibetrags, jedoch mit dem Einkommen. Die Autoren fordern deshalb die Umwandlung der bisherigen Freibeträge in eine Grundsicherung für Personen bis 27 Jahren, um nicht nur das Überleben, sondern auch den Abschluss einer adäquaten Ausbildung zu gewährleisten. Dieses Modell der Grundsicherung in Höhe von 500 € pro Monat und Kind, kostet laut Berechnungen der Autoren ca. 100 Milliarden Euro und soll alle bisherigen Transferleistungen in diesem Bereich ersetzen. Diese Summe entspricht zunächst dem Dreifachen der momentanen Leistungen. Jedoch werden die realen Kosten mit zusätzlichen 10 Milliarden Euro angegeben. Da wegfallende Transferleistungen mit 44,5 Milliarden Euro bewertet werden. Rund 30 Milliarden fließen durch steuerliche Einnahmen wieder in die Staatskassen. Diese zusätzlichen

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Steuereinnahmen werden durch den Einkommenscharakter und die damit als Einkommen zu versteuernde Wertigkeit der Transferleistungen lukriert. Außerdem wird einer Ersparnis von 18 Milliarden Euro, durch den Wegfall des Ehegattensplittings kalkuliert.

Verteilungsgerechtigkeit - normativ

Im Dokument Stefan Krase, Bakk. Masterarbeit (Seite 16-22)