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Grundeinkommen in Namibia

Im Dokument Stefan Krase, Bakk. Masterarbeit (Seite 79-84)

8.   Praxisbeispiele

8.1   Grundeinkommen in Namibia

Im Jahr 2002 wurde durch die Steuerkommission der namibischen Regierung ein Grundeinkommen vorgeschlagen. Bereits 2 Jahre später hatte sich eine breite Masse an NGOs für diesen Vorschlag eingesetzt und an der Umsetzung maßgebend mitgearbeitet. (vgl. Haarmann et al 2009, S. 23)

Rund 5 Jahre nach den ersten Verhandlungen zum BGE wurde im Jahr 2007 das weltweit erste Projekt mit einem bedingungslosen Geldtransfer durchgeführt. Als Ort für diesen Pilotprojekt wurde Otjivero-Omitara, ein Dorf mit 930 Bezugsberechtigten ausgewählt. Das Grundeinkommen wurde an alle Personen im Einzugsgebiet bis zur Erreichung des 60. Lebensjahres bar ausgezahlt und betrug ca. 9 € monatlich.

Danach wird eine universale Altersrente ausbezahlt. Für Personen unter 21 Jahren wird dieser Betrag an die Mutter ausgezahlt. Das Pilotprojekt sollte die Wirkungen des BGE für vorerst 2 Jahre, von Anfang 2008 bis Ende 2009, aufzeigen und danach eine empirisch fundierte Debatte zu ermöglichen. (vgl. Haarmann et al 2009, S. 24f)

8.1.1 Finanzierung  

Die Finanzierung dieses Pilotprojekts wurde ausschließlich über Spenden sichergestellt. Es konnten einige Politiker, aber auch andere Personen gewonnen werden die den Unterhalt von mehreren Personen übernommen haben. Die spätere Finanzierung eines BGE für ganz Namibia, soll über eine Mehrwertsteuererhöhung realisiert werden. (vgl. Haarmann et al 2009, S. 29)

Für ganz Namibia wurden ebenfalls Berechnungen durchgeführt. Für 2009 wurden etwa 1.9 Mio. Bezugsberechtigte angenommen. Dies ergibt sich aus der Anzahl der StaatsbürgerInnen abzüglich der über 60 jährigen Bevölkerung, die dann in das

Praxisbeispiele

Pensionssystem überwechseln. Die sich ergebenden Bruttokosten würden sich auf 2,3 Mrd. N$ pro Jahr belaufen. Von größerem Interesse sind jedoch die Nettokosten, diese wurden mithilfe eines Mikrosimulationsmodells berechnet. Die Nettokosten würden sich demnach in Abhängigkeit der Finanzierung zwischen 1,2 und 1,6 Mrd.

N$ bewegen. Dies entspricht 2,2% bis 3% des BIPs. Dieser Betrag könnte zum größten, durch eine moderate Anhebung des Spitzensteuersatzes auf 38% und einer Mehrwertsteuererhöhung um 2% erreicht werden. Die restliche Summe müsste durch weitere Steueranpassungen eingebracht werden. Neben reinen Steueranpassungen könnte jedoch auch auf Lizenzgebühren für Rohstoffe, Tourismus und dergleichen ausgewichen werden. (vgl. Haarmann et al 2009, S. 93ff)

Im Laufe des Projekts konnte ebenfalls gezeigt werden, dass zusätzliche finanzielle Mittel Nachfrage und Arbeitsplätze generieren und somit die Finanzierung eines BGE erleichtern. (vgl. Haarmann et al 2009, S. 99)

8.1.2 Schritte  zur  Realisierung  

Im Vorfeld des Pilotprojektes wurden Daten zur sozialen und wirtschaftlichen Situation erhoben. Des Weiteren wurde die Nahrungssituation und der Gesundheitszustand der BewohnerInnen festgestellt. Neben diesen Personenbezogenen Daten, welche mit Ende des Projekts erneut erhoben und verglichen werden sollten, wurden auch Daten zur Kriminalität, Gesundheitszustand und Wirtschaft bei den zuständigen Personen dokumentiert. (vgl. Haarmann et al 2009, S. 29) Die Daten zeigten ein einheitliches Bild. Hunger, Arbeitslosigkeit, Krankheit, Alkoholmissbrauch und Kriminalität standen auf der Tagesordnung. (vgl.

Haarmann et al 2009, S. 30ff)

Zu Beginn des Projektes wurden alle BewohnerInnen und somit Bezugsberechtigten erfasst und mit einer Chipkarte ausgestattet, welche zur Identifikation verwendet wurde. Personen die nach dieser Erhebung nach Otjivero-Omitara zogen waren nicht mehr bezugsberechtigt. (vgl. Haarmann et al 2009, S. 28)

8.1.3 Auswirkungen  

Im Vorfeld wurde teils heftige Kritik am Modellprojekt geäußert. Der Grundgedanke Armut zu beseitigen wurde zwar gutgeheißen, jedoch wurden zwei Hauptkritikpunkte

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• Arme Leute können Geld nicht verantwortungsvoll verwenden

• Bargeldzahlungen ohne Gegenleistungen verleihen Menschen Rechte ohne Verantwortung

Anhand der empirischen Daten kann jedoch gezeigt werden, dass die Zahl der unterernährten Kinder gesunken ist. Die Zahl der Schulbesuche ist angewachsen und auch die Zahl der ärztlichen Konsultationen, welche an den bezahlten Klinikgebühren gemessen wurde, ist gestiegen.

Des Weiteren hat sich gezeigt, dass die Bargeldzahlungen zum Rückgang von Bettelaktivitäten und damit zu einem ungemeinen Gewinn an Menschenwürde geführt hat. Soziale Beziehungen haben sich verbessert und die Gemeinschaft gestärkt. Nicht zu vergessen ist die Entwicklung der Kriminalität, die stark mit der sozialen Lage korreliert. Hier konnte im Beobachtungszeitraum ein deutlicher Rückgang von 36,5% verzeichnet werden. (vgl. Haarmann et al 2009, S. 53ff)

8.1.3.1 Migration  

Bereits sechs Monate nach Einführung des BGE konnte im Zuge einer Bevölkerungszählung festgestellt werden, dass es Zuwanderung im Ausmaß von 17% gab. Diese erhöhte sich in den nächsten Monaten auf rund 27%. Im selben Zeitraum wanderten jedoch 7% bzw. 16% der Bevölkerung ab. Die Abwanderer waren in der Lage ihr gewährtes Grundeinkommen mitzunehmen. Auch wenn die zugewanderten Personen keinen Anspruch auf das Grundeinkommen hatten, hofften diese ebenfalls davon zu profitieren. Üblicherweise war dies vor allem bei Großfamilien zu beobachten. Dieser Umstand führte dazu, dass der erhaltene Betrag für eine größere Anzahl an Personen ausreichen musste. (vgl. Haarmann et al 2009, S. 41ff)

8.1.3.2 Ernährung  

Vor Einführung des BGE gaben 73% der EinwohnerInnen an nicht immer ausreichend essen zu können. 30% mussten täglich Hunger leiden. Im Fall von betroffenen Kindern wird dieser Missstand im Rahmen des Unterernährungsindikator festgehalten. Vor Beginn des Projekts waren 42% der Kinder unternährt was selbst

Praxisbeispiele

gemessen an den sonst in Namibia herrschenden Verhältnissen von 24% bis 30%

sehr hoch war.

Bereits sechs Monate nach Einführung des BGE konnte eine deutliche Verbesserung der Situation beobachtet werden. Der prozentuelle Anteil an unterernährten Kindern war auf 17% gesunken und innerhalb weiterer sechs Monate galten keine Kinder mehr als unterernährt. Aufgrund der Abwanderung von Personen wurde die Unterernährung bei Kindern auf 10% geschätzt. In Haushalten mit starker Zuwanderung von Personen die kein BGE empfingen, konnte die Zahl an unterernährten Kindern zuerst auf 22% gesenkt werden, stieg dann jedoch wieder auf 27% an. (vgl. Haarmann et al 2009, S. 59ff)

8.1.3.3 Gesundheit  

Die Gesundheitssituation die sich vor Einführung des BGE abzeichnete war durch Armut, Unterernährung und damit oft einhergehend Krankheit verbunden. Die Korrelation zwischen Armut und Krankheit spiegelte sich in den eingehobenen Klinikgebühren wieder. Sowohl vor, als auch nach Einführung, wurde eine pauschale Gebühr von 0,4 € pro Klinikbesuch eingehoben. Die daraus resultierenden monatlichen Einnahmen beliefen sich vor Einführung auf lediglich 25 €. Nur bereits äußerst schwer kranke Personen nahmen, aufgrund ihrer finanziellen Situation, die Dienste der Klinik in Anspruch. Mit der Einführung des BGE stiegen die Konsultationen und somit die Klinikeinnahmen auf das 5 fache des Ausgangswertes an. Mit der verbesserten Einkommenssituation, wurde nicht mehr ausschließlich beim Auftreten von schweren Leiden medizinische Hilfe in Anspruch genommen, sondern auch bei Krankheiten und Leiden die zuvor einfach hingenommen wurden. Des Weiteren wurde festgestellt, dass sich im Beobachtungszeitraum der allgemeine Gesundheitszustand, aufgrund der besseren Ernährung deutlich verbessert hat. (vgl.

Haarmann et al 2009, S. 56ff)

8.1.3.4 Bildung  

Bereits lange vor dem Start des Pilotprojektes gab es in Otjivero-Omitara eine Grundschule. Doch 49% der befragten Haushalte gaben an, dass sie ihre Kinder nicht regelmäßig zur Schule gehen. Für diesen Umstand gaben rund 50% finanzielle

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Verpflegung in der Schule an. Darüberhinaus gaben 23% der befragten BewohnerInnen, an nicht lesen und schreiben zu können.

Im Zeitraum unmittelbar vor Einführung des BGE waren 250 SchülerInnen in den 7 Schulstufen gemeldet. Nur etwa 20% - 30% der SchülerInnen, erreichten gute Ergebnisse. Hohe Abbruchquoten von 30% - 40% und ein geringer Anteil an SchülerInnen, die danach weiterhin in Ausbildung blieben, waren die Folge.

Mit Einführung des Grundeinkommens konnte beobachtet werden, dass die Zahl der Kinder die aufgrund des Schulgeldes, in Höhe von 4,5 €/Jahr, nicht zur Schule gehen, um 42% gesunken war. Des Weiteren verminderte sich die Abbruchquote auf zuerst 5% und sank dann auf 0%.

Aber nicht nur im Bereich der Grundschule, sondern auch bei der Vorschule wurden Veränderungen dokumentiert. Waren vor Einführung des BGE nur 13 Kinder in der Vorschule waren es nach Einführung 52 Kinder.

Den Beobachtungen der LehrerInnen zufolge hat sich darüberhinaus, neben dem Lernerfolg, auch das Erscheinungsbild und vor allem die Pünktlichkeit deutlich verbessert. (vgl. Haarmann et al 2009, S. 73ff)

8.1.3.5 Wirtschaftliche  Aktivitäten  

Die wirtschaftlichen Aktivitäten, damit ist hauptsächlich die Arbeitsaufnahme gemeint, stellt einen der häufigsten Kritikpunkte am BGE dar. Untersucht wurde deshalb auch, wie sich die Einführung des Grundeinkommens auf die Beschäftigung auswirkt.

KritikerInnen befürchten meist den Rückzug aus dem Erwerbsleben und den verbleib in der sozialen Hängematte.

Gezeigt werden kann jedoch, dass es in der betroffenen Region, innerhalb des 12 monatigen Beobachtungszeitraum, zu einem Rückgang der Arbeitslosigkeit von vormals 60% auf 45% gekommen ist. Zu berücksichtigen ist zusätzlich, dass es im Beobachtungszeitraum wie bereits zuvor in Abschnitt 8.1.3.1 erwähnt zu einem Bevölkerungszuwachs gekommen ist.

Im selben Zeitraum konnte ebenfalls eine zusätzliche Erhöhung des individuellen Einkommens im Ausmaß von 29% nachgewiesen werden. Das bedeutet, dass das BGE, durch die Schaffung von Nachfrage und der Möglichkeit zur selbstständigen Arbeit, zu zusätzlichem Einkommen geführt hat. (vgl. Haarmann et al 2009, S. 80ff)

Praxisbeispiele

8.1.4 Zusammenfassung  

Durch die Einführung des BGE konnte gezeigt werden, dass es auch ohne Bedingungen zu sinnvollen Ergebnissen in durchwegs allen betrachteten Bereichen gekommen ist. Die BürgerInnen hatten stets die Wahl sich selbst für oder gegen Ausgaben, Arbeit und Bildung zu entscheiden und haben sich, wider den Erwartungen von KritikerInnen, dafür entschieden. Dies deckt sich ebenfalls mit internationalen Erfahrungen, wonach Geldtransfers an arme Haushalte zu steigenden Ausgaben für Wohl und die Entwicklung eines Haushaltes führt. (vgl.

Haarmann et al 2009, S. 98)

Das Pilotprojekt kann somit, wenn auch nur für einen kleinen örtlichen und zeitlich begrenzten Raum, als gelungen bezeichnet werden und durchaus als Inspiration für größere Versuche gesehen werden.

Im Dokument Stefan Krase, Bakk. Masterarbeit (Seite 79-84)