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Wirkung von Kindergelderhöhungen und Steuerreform auf die Einkommensver- Einkommensver-teilung 39Einkommensver-teilung39

I. Einkommen, Vermögen und Überschuldung 1 Die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen

I.2.3 Wirkung von Kindergelderhöhungen und Steuerreform auf die Einkommensver- Einkommensver-teilung 39Einkommensver-teilung39

Änderungen im Steuer- und Transfersystem wirken sich unmittelbar auf die Einkommensstruk-turen aus. Die wesentlichen Maßnahmen zwischen 1998 und 2002 waren in diesem Bereich die Erhöhung des Kindergeldes und die Steuerreform.40 Zur Beurteilung ihrer Auswirkungen auf die Einkommensverteilung wurden Simulationsrechnungen durchgeführt. Weitere sozialpolitische Maßnahmen im Beobachtungszeitraum können an dieser Stelle nicht näher betrachtet werden, da ihre Verteilungseffekte erst in der Zukunft wirksam werden oder das Datenmaterial unzurei-chend ist.

Das Kindergeld für Erst- und Zweitkinder wurde 1999, 2000 und 2002 schrittweise von 112 Euro auf 154 Euro erhöht, und weitere kindbedingte Freibeträge wurden eingeführt.41 Für die Kinder-gelderhöhungen seit 1998 lassen sich folgende Wirkungen nachweisen (s. Tabelle I.4):

• Die Armutsrisikoquote wurde im Durchschnitt aller Haushalte um etwa 5% und bezogen auf solche mit Kindergeldbezug um fast 9% reduziert.

• Das Armutsrisiko der allein Erziehenden und ihrer Kinder verringerte sich durch die Anhe-bungen der Zahlbeträge seit 1998 um rund 8%.

39 Der Abschnitt zu den Wirkungsanalysen stützt sich auf das Gutachten von Hauser/Becker, 2005.

Die Konzeption der Analyse und die Interpretation der Ergebnisse oblagen dabei Dr. I. Becker und Prof. em. Dr. R. Hauser, die Berechnungen auf Grundlage des SOEP wurden vom DIW durchge-führt. Zur Beurteilung der Wirkung der beiden Maßnahmen dienen im Folgenden Simulationsrech-nungen. Man schätzt dabei die Ergebnisse für die Situation, die sich ergeben hätte, wenn die je-weilige Maßnahme nicht ergriffen worden wäre. Diese werden anschließend mit dem Ist-Zustand verglichen.

40 Vgl. zu weiteren Entlastungen durch die Steuerreform Teil B, Kap. I.2.

41 Vgl. dazu auch Kapitel III.

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• Für Kinder und Jugendliche bis zum Alter von 15 Jahren hätte die Risikoquote im Jahr 2003 ohne die Transferanhebungen um rund 6% höher gelegen; eine ähnliche Entlastungswir-kung ergibt sich für die Altersgruppe der 16- bis 24-Jährigen.

• In der Altersgruppe der 25- bis unter 49-Jährigen wird ein vergleichsweise schwacher Effekt sichtbar. Das Armutsrisiko liegt ohne Kindergelderhöhung um 5,5% höher. Der Grund ist, dass sich unter ihnen relativ viele Personen aus Haushalten ohne Kinder befinden.

Neben diesen Erleichterungen für Familien wurden nach dem Regierungswechsel im Herbst 1998 auch allgemeine Reduzierungen der Einkommensteuerbelastung durchgesetzt. So wurde der Grundfreibetrag bis zum Jahr 2002 um 913 Euro bzw. gut 14% angehoben. Gleichzeitig er-folgte eine schrittweise Senkung des Eingangssteuersatzes, der 1996 deutlich erhöht worden war. Infolge der Steuerreformen der Regierungskoalition seit 2001 lag er 2002 nur noch knapp über dem Niveau zu Beginn der 90er Jahre. Gleichzeitig wurde der Spitzensteuersatz von 53%

auf 48,5% reduziert.

Tabelle I.4:

Reduzierung der Armutsrisikoquote in % durch die Kindergelderhöhungen seit 1998 Haushaltstyp / Bevölkerungsgruppe Reduzierung seit 1998

(in %) Ausgewählte Haushaltstypen

Allein Erziehende 7,6

2 Erwachsene mit Kind(ern) 8,6

Differenzierung nach dem eigenen Alter

bis 15 Jahre 6,4

16 bis 24 Jahre 6,1

25 bis 49 Jahre 5,5

Gesamtbevölkerung in Haushalten...

mit Kindergeldbezug 8,6

ohne Kindergeldbezug --

insgesamt 4,9 1) Bezug: Neue OECD-Skala; Armutsrisikogrenze: 60% des Medians der Nettoäquivalenzeinkommen, der sich

für 2003 bei gegebener Kindergeldregelung ergibt; für die Referenzsituation wird also eine unveränderte Ar-mutsrisikogrenze angenommen.

2) Kinder: Personen unter 16 Jahren sowie Personen von 16 bis 24 Jahren, sofern sie nicht erwerbstätig sind und mindestens ein Elternteil im Haushalt lebt.

Quelle: SOEP 2003, Berechnungen von Hauser/Becker 2004

Wegen der Freistellung des steuerlichen Existenzminimums und des Bezugs von Transferleis-tungen im Niedrigeinkommensbereich sind Evaluationen der Auswirkungen der Einkommen-steuerreform auf das Ausmaß relativer Einkommensarmut wenig aussagekräftig. Im Unter-schied zur Wirkungsanalyse der Kindergelderhöhungen wurden daher bei den Analysen zur Einkommensteuerreform nicht ihre Effekte auf das Ausmaß relativer Einkommensarmut unter-sucht, sondern die Auswirkungen auf die personelle Einkommensverteilung insgesamt. Zur

Be-- 24 Be--

urteilung der Wirkung der Einkommensteuerreform zwischen 1998 und 2002 geht die Untersu-chung von den Bruttoeinkommen des Jahres 2002 aus und belegt diese einmal mit den Para-metern der Einkommensbesteuerung von 1998 und einmal mit denen von 2002. Danach haben die Entlastungsmaßnahmen bei der Einkommensteuer zu einer Erhöhung des durchschnittli-chen Nettoäquivalenzeinkommens um 2,4% geführt. Dieser Entlastungseffekt fiel im früheren Bundesgebiet mit 2,4% etwas stärker aus als in den neuen Ländern mit 2,1%.

I.2.4 Einkommensmobilität42

Einkommensarmut ist keineswegs ein permanenter Zustand, sondern wird vielmehr durch ein hohes Ausmaß an Fluktuation gekennzeichnet. In den Jahren 1998 bis 2003 ist es mehr als der Hälfte der dem Risikobereich der Einkommensarmut zuzuordnenden Bevölkerung gelungen, ihre Situation zu verbessern. Dabei zeigen sich zwischen den Mobilitätsmustern in den alten und in den neuen Ländern keine wesentlichen Unterschiede. Die Veränderung der Erwerbsein-kommen im Haushalt ist die entscheidende Ursache für Bewegungen im haushaltsspezifischen Wohlstandsniveau. Daneben kommen Änderungen beim Bezug von Transfers ebenso in Be-tracht wie be- oder entlastende Veränderungen der Haushaltszusammensetzung.

Schaubild I.1:

Mobilitätsprofile in und aus dem Risiko der relativen Einkommensarmut 1998-2003

0 20 40 60 80

Nie Arm Kurzzeit Arm Wiederkehrend Arm

Chronisch Arm Langzeit Arm

Anteile in % Deutschland

Früheres Bundesgebiet Neue Länder

Quelle: SOEP 1998 bis 2003, Berechnungen des DIW. Nettohaushaltsäquivalenzeinkommen des Vorjahres mit Mietwert selbstgenutzten Wohneigentums, alte OECD-Skala

42 Der Abschnitt stützt sich auf beim DIW durchgeführte Auswertungen des SOEP, die in das Gutach-ten von Hauser/Becker eingearbeitet wurden.

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Die meisten der Phasen in relativer Einkommensarmut sind eher kurzfristig. So sind im Zeit-raum von 1998 bis 2003 nach einem Jahr etwa ein Drittel dieser Phasen abgeschlossen oder unterbrochen und nach zwei Jahren etwa zwei Drittel.

Etwa drei Viertel der Bevölkerung (s. Schaubild I.1) sind nie von relativer Einkommensarmut betroffen, 9% der Bevölkerung waren in diesen sechs Jahren genau einmal davon betroffen (Kurzzeitarmut). 6% der Bevölkerung sind von wiederkehrenden Phasen relativer Einkommens-armut betroffen. Als chronisch einkommensarm gelten Personen, die in drei aufeinanderfolgen-den Jahren die Grenze von 60% des Medians des Einkommens der Gesamtbevölkerung unter-schreiten. Ihr Anteil beträgt etwa 4%. Die Gruppe derjenigen, die (fast) durchgehend dem Risiko der relativen Einkommensarmut ausgesetzt waren, machte 7% aus. Auch hier bestehen nur ge-ringe Unterschiede zwischen den alten und den neuen Ländern.

Personen, die über einen längeren Zeitraum einem erhöhten Armutsrisiko ausgesetzt sind, wei-sen häufig ein vergleichsweise niedriges Qualifikationsniveau auf. Sie sind zudem oft allein er-ziehend oder leben in Haushalten mit drei und mehr Kindern, sind getrennt oder geschieden, selbst arbeitslos oder leben in Haushalten von Arbeitslosen oder Nichterwerbstätigen.

Auch die Ergebnisse des Niedrigeinkommenspanels (NIEP)43 stützen die Thesen der hohen Mobilität im unteren Bereich der Einkommensverteilung und der Bedeutung des Erwerbsein-kommens für den Ausstieg aus der Armut. Bereits in dem kurzen Zeitraum von 1999 bis 2002 schaffte die Hälfte der Armutsgefährdeten zumindest zeitweilig den Ausstieg aus dem Risikobe-reich, etwa einem Viertel gelang dies sogar nachhaltig. Als Impulsgeber für diese Aufwärtsbe-wegungen fungiert vor allem die Ausweitung der Erwerbsbeteiligung. Nur jeder Fünfte verblieb durchgehend unterhalb der Armutsrisikogrenze.

Während sich in der Mitte der Einkommensverteilung Auf- und Abstiege mit jeweils etwa einem Drittel die Waage halten, zeigt sich am oberen Ende eine ebenso dynamische Entwicklung wie am unteren Ende: Die Hälfte derjenigen mit relativen Einkommenspositionen ab dem Doppelten des Medians der Nettoäquivalenzeinkommen ist fünf Jahre später in eine niedrigere Klasse ab-gestiegen.

43 Das NIEP wird im Glossar beschrieben.

- 26 - I.2.5 Erwerbstätigkeit und Einkommensarmut44

Übereinstimmend mit dem Ergebnis im 1. Armuts- und Reichtumsbericht zeigen auch die aktu-alisierten Untersuchungen, dass Erwerbstätige zu den Gruppen mit weit unterdurchschnittli-chem Armutsrisiko gehören. Die Entwicklung der Armutsrisikoquote wie auch -intensität lassen keine Tendenz zur Verschärfung der relativen Einkommensarmut bei Erwerbstätigkeit erken-nen. Für die Bevölkerung in Haushalten, in denen wenigstens ein Mitglied vollerwerbstätig oder mindestens zwei Mitglieder teilerwerbstätig sind (sog. Vollerwerbshaushalte), liegt die Armutsri-sikoquote für das Jahr 2002 etwa bei 4%. Das Risiko für Einkommensarmut trotz Erwerbstätig-keit hängt im wesentlichen von zwei Faktoren ab: Vom Umfang der ErwerbstätigErwerbstätig-keit und vom Vorhandensein von Kindern. Teilzeithaushalte sind armutsgefährdet, während bei Vollzeithaus-halten das Risiko ausgesprochen gering ist. Unter HausVollzeithaus-halten mit Kindern sind vor allem kin-derreiche Migrantenfamilien und allein Erziehende betroffen (ausführlich hierzu s. Teil A, Kap. V).

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