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Ressourcen zur Bewältigung von Überschuldung

I. Einkommen, Vermögen und Überschuldung 1 Die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen

I.4 Überschuldung privater Haushalte - ein Armutsrisiko

I.4.4 Ressourcen zur Bewältigung von Überschuldung

Eine erfolgreiche Entschuldungs- und Präventionsstrategie muss mit ihren Maßnahmen sowohl an gesellschaftlichen als auch individuellen Ressourcen ansetzen. Ziel ist die Prävention, die Verbesserung und Überwindung von Überschuldungslagen. Auf gesellschaftlicher Ebene stel-len wesentliche Ressourcen die Insolvenz- und Schuldnerberatung, die verantwortungsbewus-ste Kreditvergabe durch Finanzdienstleiverantwortungsbewus-ster sowie rechtliche Maßnahmen zum Verbraucher- und Schuldnerschutz dar. Auf individueller Ebene bilden zentrale Ressourcen wie z.B. eine gute Allgemeinbildung in finanziellen Fragen sowie Alltags- und hauswirtschaftliche Kompetenzen die Handlungsansätze für Entschuldungsmaßnahmen und Prävention.

Auf struktureller Ebene nimmt die Schuldnerberatung in diesem Prozess eine Schlüsselrolle ein.

Schuldnerberatung hilft Menschen, einen Weg aus der Überschuldung zu finden, eine realisti-sche Schuldenbereinigung für Überschuldete und Gläubiger in Angriff zu nehmen sowie für Überschuldete so die Arbeitsaufnahme wieder lukrativ zu machen und wieder am sozialen und ökonomischen Leben teilzuhaben. Nicht nur die Überschuldeten, sondern auch die Gläubiger profitieren von der Schuldnerberatung. Analysen bestätigen die Wirksamkeit von Schuldnerbe-ratung. So zeigten sich z.B. im Hinblick auf die Erwerbssituation Überschuldeter Verbesserun-gen (s. Schaubild I.6). Danach sank nach einjähriger Beratung der Anteil der überschuldeten Privathaushalte, deren Mitglieder keiner Berufstätigkeit nachgingen, von 49,6% auf 39,2%. Der Anteil der überschuldeten Menschen, die den Weg in gesicherte Arbeitsverhältnisse fanden, er-höhte sich von 27,7% auf 46,0%. Die Arbeitgeber werden von Kosten durch Lohnpfändungen

77 Vgl. auch im Folgenden Jaquemoth, B.: Verschuldung von Kindern und Jugendlichen, Nürnberg 2004.

78 Eine Befragung des Instituts für Jugendforschung kam im Jahr 2003 zum Ergebnis, dass in der Altersgruppe der 13- bis 17-Jährigen bereits 6% verschuldet sind, mit einer durchschnittlichen Schuldenhöhe von 370 Euro. Vgl. Institut für Jugendforschung: Die Finanzkraft der 13- bis 24-Jäh-rigen in der Bundesrepublik Deutschland, München 2003.

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entlastet und die Arbeitseffizienz steigt. Sozialversicherungssysteme profitieren und bedarfsab-hängige Leistungen werden gespart.

Schaubild I.6:

Nutzen der Schuldnerberatung am Beispiel der Erwerbssituation Überschuldeter

46,0%

4,6%

39,2%

10,2%

27,7%

15,2%

49,6%

7,5%

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60%

gesicherte Arbeit ungesicherte Arbeit

keine Berufstätigkeit Sonstiges z.B.

Ausbildung

zu Beginn der Beratung nach einjähriger Beratung

Quelle: Hamburger, F. et al.: Wirksamkeit von Schuldnerberatung, Gummersbach 2004

Die Finanzierungsproblematik der Schuldnerberatungsstellen wird zurzeit durch Mittelkürzun-gen in einzelnen Bundesländern verschärft. Die ohnehin nicht ausreichende Kapazität an Schuldnerberatung, die sich in den Jahren 2003/2004 weiter reduziert hat, bietet unseriösen und am Rande der Legalität arbeitenden Anbietern von Schuldenregulierung und Kreditvermitt-lung eine Grundlage für Geschäfte mit der Armut.

Seit der Erstellung des 1. Armuts- und Reichtumsberichts hat sich die Situation überschuldeter Haushalte auf der rechtlichen Ebene deutlich verbessert. Im Mittelpunkt wirksamer rechtlicher Maßnahmen zur Schuldenbekämpfung und -prävention stehen die Verbraucherinsolvenz, die Anhebung der Pfändungsfreigrenzen, die außergerichtlichen Schuldenbereinigungsverhandlun-gen und die Verbesserung des Pfändungsschutzes.

Die Zahl der Verbraucherinsolvenzverfahren stieg von 1.634 im Jahr 1999 auf 32.131 Fälle im Jahr 2003. Dabei ist ein wesentlicher Teil des Anstiegs durch die Auflösung des bis zur Novel-lierung Ende 2001 bestehenden Antragsstaus zu erklären. Dort, wo von Anfang an keine Kos-tenhürden bestanden, war ein wesentlich geringerer Anstieg der Verfahren zu verzeichnen.

Daneben hat die Erhöhung der Pfändungsfreigrenzen für Arbeitseinkommen zum 1. Januar 2002 deutlich zur Verbesserung der wirtschaftlichen Situation Betroffener beigetragen. Eine nachhaltige Korrektur der Wohngeldpfändung ist zum 1. Januar 2005 eingetreten.

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Die Kontopfändung hat sich inzwischen zu einer massenhaften und formalisierten Form des vollstreckungsrechtlichen Zugriffs auf das Vermögen der Schuldnerin bzw. des Schuldners ent-wickelt. Das geltende Kontenpfändungsrecht erweist sich jedoch bei gleichzeitiger Pfändung von Arbeitseinkommen und Sozialleistungen als äußerst kompliziert und unübersichtlich, insbe-sondere wenn mehrere Personen eine Verfügungsmacht über das Konto haben und das Ein-kommen von Angehörigen darauf gutgeschrieben wird. Darüber hinaus ist auch der Pfändungs-schutz bei privaten Altersvorsorgeverträgen nur in Ansätzen geregelt.

Ein wichtiger Beitrag zum Schuldnerschutz ist der Zugang zu einem Girokonto auf Guthaben-basis. Ein Girokonto ist für die wirtschaftliche Integration und die Integration auf dem Arbeits-markt unentbehrlich. Trotz der Selbstverpflichtung der im Zentralen Kreditausschuss (ZKA) zu-sammengeschlossenen Verbände der Kreditwirtschaft ist gegenwärtig nicht für jede natürliche Person der Zugang zu einem Girokonto gewährleistet. Auch Kündigungen wegen Kontenpfän-dungen oder Eröffnung des Insolvenzverfahrens bilden weiterhin keine Ausnahme.79

Über Fragen der Finanzdienstleistungen herrscht in der Bevölkerung allgemein ein relativ nied-riger Wissensstand.80 Nicht nur armutsprekären Haushalten fehlt häufig die erforderliche Markt-, Produkt- und Verfahrenskenntnis, um eigenständig finanzielle Risiken abzuwägen. Privathaus-halte brauchen aber die Möglichkeit von Finanzdienstleistungen, um ihre jeweils erforderliche Ausgabenliquidität zu sichern. Grundsätzlich sind Finanzdienstleister in der Lage, die Risiken für die Haushalte tragbar zu gestalten. Aus Sicht der meisten Finanzdienstleister lohnt es sich aber nicht, bei armutsprekären Haushalten personalintensive Finanzdienstleistungen mit gerin-gem Volumen anzubieten, so dass die Betroffenen häufig nur standardisierte Finanzprodukte vorfinden. Hier ist die Verantwortung der Finanzdienstleister gefragt, durch zielgruppenspezifi-sche Beratung der Überschuldung vorzubauen.

Probleme mit der Haushaltsführung und im Umgang mit externen Anforderungen z.B. von Be-hörden, Vermietern, Banken etc. können den Überschuldungsprozess auslösen oder verstär-ken. Die Stärkung von Alltags- und hauswirtschaftlichen Kompetenzen, der Eigenverantwortung und der Allgemeinbildung in finanziellen Fragen bildet die Basis für eine wirksame Teilnahme am Erwerbsleben sowie an einem gesellschaftlich produktiven Leben.

79 Vgl. Bericht der Bundesregierung zur Umsetzung der Empfehlungen des Zentralen Kreditaus-schusses zum Girokonto für jedermann, Deutscher Bundestag: Bericht der Bundesregierung zur Umsetzung der Empfehlungen des Zentralen Kreditausschusses zum Girokonto für jedermann.

Drucksache 15/2500 vom 11. Februar 2004, Berlin 2004.

80 Vgl. Reifner, U.: Überschuldungsprävention durch sozial verantwortliche Finanzdienstleister und durch Stärkung der finanziellen Bildung der Bürgerinnen und Bürger, Hamburg 2004, S. 3.

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Zusammenfassung: Überschuldete Haushalte

Überschuldung liegt vor, wenn Einkommen und Vermögen eines Haushaltes über einen längeren Zeitraum trotz Reduzierung des Lebensstandards nicht ausreichen, um fällige Forderungen zu begleichen. Überschuldung ist verbunden mit einer psy-cho-sozialen Destabilisierung der Betroffenen. Zwischen 1999 und 2002 hat sich die Gesamtzahl der überschuldeten Privathaushalte von 2,77 Mio. auf 3,13 Mio. Haus-halte bzw. um 13% erhöht. Bezogen auf alle 38,7 Mio. privaten HausHaus-halte in

Deutschland waren im Jahr 2002 8,1% (früheres Bundesgebiet: 7,2%; neue Länder:

11,3%) von Überschuldung betroffen.

Hauptauslöser für den Wechsel von der Verschuldung in die Überschuldung waren Arbeitslosigkeit, dauerhaftes Niedrigeinkommen, Trennung bzw. Scheidung und ge-scheiterte Selbstständigkeit. Die häufigste Schuldenart der Klientinnen und Klienten der Schuldnerberatung war die Verschuldung bei Kreditinstituten. In den neuen Län-dern stellen die Mietschulden weiterhin ein gravierendes Problem dar. Die Haupt-einkommensquellen der in den Beratungsstellen betreuten Überschuldeten waren im früheren Bundesgebiet mit 47% Lohn und Gehalt. In den neuen Ländern bezog der größte Teil Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe (43%).

Zur Vermeidung, Verbesserung und Überwindung von Überschuldungslagen setzen die Maßnahmen der Bundesregierung sowohl auf struktureller, rechtlicher sowie in-dividueller Ebene an. Im Fokus stehen die Schuldner- und Insolvenzberatung, die Verbesserung des rechtlichen Verbraucher- und Schuldnerschutzes sowie die Stär-kung individueller Alltags- und Haushaltskompetenzen. Analysen belegen den indi-viduellen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Nutzen der Schuldnerberatung.

Beispielsweise sank nach einjähriger Beratung der Anteil derjenigen überschuldeten Haushalte, die keiner Berufstätigkeit nachgingen, von 49,6% auf 39,2%; der Anteil der Überschuldeten, die den Weg in gesicherte Arbeitsverhältnisse fanden, erhöhte sich von 27,7% auf 46,0%. Mit der Reform des Insolvenzrechts wurde seit 1999 auch privaten Schuldnerinnen und Schuldnern mit dem Verbraucherinsolvenzver-fahren eine Restschuldbefreiung eröffnet. Die Entwicklung bei den Verbraucherin-solvenzverfahren bestätigt die Wirksamkeit der ergriffenen Maßnahmen.

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