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I. Einkommen, Vermögen und Überschuldung 1 Die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen

I.3.2 Weitere Aspekte der Vermögensverteilung

Da sich die vorstehenden Ausführungen zur Verteilung des Privatvermögens statistisch bedingt auf Geld- und Immobilienvermögen beschränken, werden hier weitere Vermögensarten be-trachtet, um eine umfassendere Beurteilung zu ermöglichen. Dazu gehören das Eigentum am Produktivkapital über Aktien und Aktienfondsanteile hinaus (Betriebsvermögen), der Wert lang-lebiger Konsumgüter (Gebrauchsvermögen), der Bildungs- und Ausbildungsstand (Humanver-mögen) und die Ansprüche an Systeme der sozialen Sicherung (Sozialver(Humanver-mögen).53

I.3.2.1 Betriebsvermögen54

Personen- bzw. haushaltsbezogene Angaben zur Höhe des Betriebsvermögens liegen nur im Rahmen der im SOEP erhobenen persönlichen Vermögensbilanz für das Jahr 2002 vor. Da-nach verfügen 6,2% der Haushalte über Betriebsvermögen, 6,4% in Westdeutschland und 5,4%

in Ostdeutschland. Dabei sind die durchschnittlichen Vermögenswerte dieser Haushalte sehr unterschiedlich. Während das Betriebsvermögen westdeutscher Haushalte im Durchschnitt rund 275.000 Euro beträgt, liegt der entsprechende Wert ostdeutscher Betriebe bei rund 80.000 Euro.

Ein Vergleich der Verteilung des gesamten privaten Nettovermögens einschließlich Betriebs-vermögen mit der Verteilung des NettoBetriebs-vermögens ohne BetriebsBetriebs-vermögen zeigt eine nur ge-ringfügige Änderung der Konzentration. Dies lässt darauf schließen, dass der Ausschluss des nicht in Wertpapieren verbrieften Produktivvermögens in Verteilungsanalysen wegen des gerin-gen Anteils am gesamten Privatvermögerin-gen nicht zu wesentlich verzerrten Ergebnissen führt.

53 Vgl. dazu auch Westerheide/Ammermüller/Weber, a.a.O.

54 Vgl. dazu auch Bach, S./Bartholmai, B.: Produktivvermögen privater Haushalte, Bonn 2001.

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Dies gilt, obwohl im Wesentlichen nur der äußere Rand der Vermögensverteilung davon be-troffen ist.

I.3.2.2 Gebrauchsvermögen55

Analysen zur Höhe und Verteilung des Gebrauchsvermögens - hier definiert als langlebige Gebrauchsgüter ohne Berücksichtigung des Wohneigentums - der privaten Haushalte können nur sehr eingeschränkt erfolgen, da zwar das Vorhandensein, nicht aber der Wert von langlebi-gen Gebrauchsgütern erhoben wird. Eine nachträgliche Bewertung der in den Umfralanglebi-gen erho-benen Gebrauchsgüter mit Durchschnittspreisen ist angesichts der erheblichen Spannweite möglicher Bewertungen - wie sich am Beispiel von Kraftfahrzeugen leicht verdeutlichen lässt - nicht sinnvoll.

Zur Verteilung lassen sich lediglich empirische Indizien finden: So belegen die Daten der EVS, dass ein ausgeprägter Zusammenhang zwischen dem Ausstattungsgrad in ausgewählten Gebrauchsgütern und dem Nettoeinkommen der Haushalte besteht. Aus diesen Angaben las-sen sich jedoch keine sicheren Schlüsse darüber ableiten, ob eine zusätzliche Berücksichtigung des Gebrauchsvermögens die Vermögensverteilung nivellieren oder ungleicher werden lassen würde. Angesichts der allgemein bereits hohen Ausstattungsgrade mit langlebigen Gebrauchs-gütern ist eine gleichmäßigere Verteilung als beim Geld- und Immobilienvermögen allerdings wahrscheinlich.

I.3.2.3 Humanvermögen56

Die Verteilung der Bildungsabschlüsse variiert nach Geschlecht, Region (Ost- und

West-deutschland) und Nationalität. Männer erreichen ein höheres durchschnittliches Bildungsniveau als Frauen. Sie sind bei den akademischen Abschlüssen stärker vertreten, während Frauen häufiger keinen berufsqualifizierenden Abschluss besitzen. In der westdeutschen Bevölkerung sind die Anteile der Personen in den unteren Bildungskategorien tendenziell höher als in der ostdeutschen Bevölkerung, während die Ostdeutschen stärker beim Qualifikationsniveau Lehr-abschluss und Abitur vertreten sind. Die Unterschiede zwischen Männern und Frauen sind im früheren Bundesgebiet größer als in den neuen Ländern. Weiterhin unterscheidet sich das Bil-dungsniveau nach der Nationalität. Bei den fünf größten Bevölkerungsgruppen mit nicht deut-scher Nationalität ist der nicht berufsqualifizierende Abschluss am häufigsten vertreten, wäh-rend bei Deutschen die Lehre der häufigste Abschluss ist.

55 Vgl. dazu auch Münnich, M./Illgen, M.: Zur materiellen Ausstattung der Haushalte von Niedrigein-kommensbeziehern, Bonn 2001.

56 Vgl. dazu auch Schüssler, R.: Die Verteilung des Humankapitals auf private Haushalte und Perso-nen, Bonn 2001.

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Die Bildungsrendite57 schwankt in Westdeutschland im Zeitverlauf zwischen 8 und 10% (1985-2002), in Ostdeutschland zwischen 7 und 8% (1992-2002). Während die Renditen der Frauen in Westdeutschland im Zeitverlauf zunächst über den Renditen der Männer lagen, scheint zur Jahrtausendwende eine Änderung eingetreten zu sein, so dass Männer in Westdeutschland nunmehr eine leicht (aber statistisch signifikant) höhere Rendite als Frauen aufweisen. Ver-gleicht man Bildungsrenditen für Ost- und Westdeutschland, so liegen die Renditen der west-deutschen Erwerbsbevölkerung über jenen der Ostwest-deutschen. Dabei ist es auffällig, dass die qualifikatorische Rendite für den Lehrabschluss in den neuen Ländern deutlich unter derjenigen im früheren Bundesgebiet liegt, zugleich aber ein größerer Anteil der ostdeutschen Bevölkerung in diese Qualifikation investiert hat.

In einem alternativen, kostenorientierten Ansatz wird Humankapital an den öffentlichen Bil-dungsausgaben und dem während der Ausbildungszeit entgangenen Einkommen gemessen.

Dabei werden über die Lohnkosten neben dem entgangenen Einkommen auch die entgange-nen Steuern und Abgaben berücksichtigt. Die Höhe des so gemesseentgange-nen Humankapitals variiert zwischen 14.400 Euro für Personen, die nur die Hauptschule besucht haben, und 528.000 Euro für Humanmediziner. Personen mit einer Lehrausbildung besitzen nach dieser Berechnung ein Humankapital von 137.000 Euro. Der durchschnittliche Wert des Humankapitals für die ge-samte betrachtete Bevölkerung liegt bei 148.800 Euro. Bei Erwerbstätigen liegt dieser Wert er-wartungsgemäß mit 158.000 Euro etwas höher als bei Erwerbslosen mit 120.500 Euro. Insge-samt ist das Humankapital deutlich gleichmäßiger verteilt als die materiellen Privatvermögen.

I.3.2.4 Sozialvermögen

Neben dem materiellen Vermögen übernimmt auch das soziale Sicherungssystem Vermö-gensfunktionen, insbesondere die Sicherung gegen Krankheit, Arbeitslosigkeit, Invalidität und Alter. Die folgenden Analysen beschränken sich aber auf vermögensähnliche, durch Beitrags-zahlungen akkumulierte Ansprüche an Systeme der sozialen Sicherung, deren Inanspruch-nahme und Nutzbarkeit nicht von unvorhergesehenen Ereignissen abhängen. Dies sind im weitesten Sinne Ansprüche an die Systeme der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) und die (statistisch nicht einbezogene) Beamtenversorgung sowie an die betriebliche Alterssiche-rung (einschließlich der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst).

Die durchschnittlichen kapitalisierten Ansprüche an die GRV hätten im früheren Bundesgebiet eine ähnliche Größenordnung wie das in den jeweiligen Altersgruppen erworbene materielle Vermögen. In den neuen Ländern wären diese Ansprüche infolge der Überführung der in den

57 Die Bildungsrendite misst den Wert einer Investition in Bildung, indem sie die jährliche Rendite wi-derspiegelt, die in Folge einer verbesserten Qualifikation durch höhere Löhne auf dem Arbeits-markt erzielt wird.

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Sozialversicherungssystemen der ehemaligen DDR erworbenen Anwartschaften in die GRV sogar im Durchschnitt mehr als doppelt so hoch wie die vorhandenen materiellen Nettovermö-gen. Die Verteilung dieser Ansprüche wäre insgesamt erheblich gleichmäßiger als die Vertei-lung des materiellen Nettovermögens. Durch eine zusätzliche Einbeziehung der betrieblichen Alterssicherung würde die aus den GRV-Anwartschaften resultierende Verteilung der Altersein-kommen bzw. Sozialvermögen allerdings ungleichmäßiger, da die Verteilung der Ansprüche an die betriebliche Alterssicherung von einem hohen Anteil geringer Ansprüche geprägt ist und sowohl der Abdeckungsgrad als auch die Höhe der Ansprüche im Allgemeinen positiv mit der Höhe der Ansprüche in der GRV korrelieren. Darüber hinaus bestehen starke Unterschiede zwischen Unternehmensgrößen und Wirtschaftszweigen sowie auch zwischen früherem Bun-desgebiet und neuen Ländern.

I.3.3 Erbschaften58

Durch Erbschaften und Schenkungen werden in Deutschland jährlich durchschnittlich knapp 50 Mrd. Euro zwischen den Generationen transferiert. Von 1999 bis 2002 traten Erbschaften oder Schenkungen von Immobilien oder größeren Geldbeträgen (über 2.500 Euro) pro Jahr bei rund einer Mio. Privathaushalte auf; das sind etwa 2,5% aller Haushalte. Dabei betrug die durch-schnittliche Erbschafts- bzw. Schenkungssumme rund 50.000 Euro.59

Erbschaften haben je nach vorheriger Vermögenssituation einen unterschiedlichen Einfluss auf die Vermögensausstattung der Haushalte. Für Haushalte mit geringem Vermögen stellen Erb-schaften eine bedeutsame Quelle des persönlichen Vermögensaufbaus dar. Für bereits begü-terte Haushalte macht die Vermögensübertragung demgegenüber einen geringeren Anteil ihres Vermögens aus. Auch in der individuellen Längsschnittperspektive des Zeitraums 1988 bis 2002 zeigt sich für Westdeutschland ein großer Vermögenszuwachs durch Erbschaften bei Haushalten mit bisher geringem oder keinem Vermögen.

So lag im Jahr 1988 für alle Haushalte mit Erbschaften der durchschnittliche Anteil der hochge-rechneten Erbsumme am Nettogesamtvermögen des Jahres 2002 bei etwa 27%. Für die Haus-halte, die im Ausgangsjahr 1988 über keinerlei Vermögen verfügten, machte der Zuwachs aus Erbschaften immerhin mehr als ein Drittel des durchschnittlichen Nettogesamtvermögens im Jahr 2002 aus. In der Gruppe derjenigen hingegen, die 1988 bereits ein Vermögen von mehr

58 Erste Ergebnisse des Gutachtens „Zusammenhänge und Wechselwirkungen zwischen Erbschaften und Vermögensverteilung" der Forschungsgruppe Altern und Lebenslauf (FALL) und des Deut-schen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Bonn 2005, auf Basis der in den Jahren 1988 und 2002 im SOEP erhobenen Vermögensbilanz. Das Projekt wird unter Leitung von Prof. M. Kohli durchgeführt.

59 Vgl. dazu auch Schupp, J./Wagner, G. G., Repräsentative Analyse der Lebenslagen einkommens-starker Haushalte. Erbschaft, soziale Herkunft, spezielle Lebenslagenindikatoren, Bonn 2005 (im Erscheinen).

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als 200.000 Euro hatten, machte der Zuwachs im Jahr 2002 lediglich 18,3% aus. Erbschaften tragen also in bislang wenig vermögenden Haushalten in relativ stärkerem Maße zum Vermö-gensaufbau und zur Vermögenssteigerung bei als in den Haushalten, die zuvor bereits über hohe Vermögen verfügten. Zwar tritt in den letzteren Haushalten durch Erbschaften und Ver-mögensverteilung häufiger ein weiterer kumulativer Zuwachs auf; dieser macht jedoch einen geringeren Anteil an ihrem Gesamtvermögenszuwachs aus.

Die Annahme, Erbschaften würden generell die soziale Ungleichheit vergrößern, wird durch diese Ergebnisse nicht bestätigt. Es lassen sich neben ungleichheitsverstärkenden auch un-gleichheitsreduzierende Effekte ausmachen.

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