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V. Erwerbstätigkeit und Arbeitsmarkt

V.4 Einkommenslage bei Erwerbstätigkeit 144

Die Teilhabe am Erwerbsleben ist das zentrale Element zur Sicherung individueller und familiä-rer Teilhabe- und Verwirklichungschancen und gesellschaftlicher Integration. Mit einer Voll-zeiterwerbstätigkeit sollte ein Einkommen bezogen werden können, das eine Teilhabe am all-gemeinen Wohlstand ermöglicht und zumindest oberhalb der Armutsrisikogrenze (60% des Medians der Nettoäquivalenzeinkommen) liegt. Das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) der Jahre 1992-2002 zeigt, dass die Intensität der Erwerbsbeteiligung das weitaus wichtigste Cha-rakteristikum für das Armutsrisiko bei Erwerbstätigkeit ist. So liegt für die Bevölkerung in Voller-werbshaushalten, definiert als Haushalte, in denen mindestens ein Mitglied einer Vollzeiter-werbstätigkeit bzw. mindestens zwei Mitglieder einer TeilzeiterVollzeiter-werbstätigkeit nachgehen, die Armutsrisikoquote bei rund 4%, für die Bevölkerung in Haushalten mit nur einer Teilerwerbstä-tigkeit jedoch in einer Größenordnung von 30%.

Minderjährige Kinder im Haushalt und das Fehlen einer Vollzeiterwerbstätigkeit können Armuts-risiken verstärken. Hierdurch sind insbesondere allein Erziehende betroffen. Selbst in Voller-werbshaushalten weisen allein Erziehende, Haushalte mit mehr als zwei Kindern und Zuwande-rer überdurchschnittlich hohe Armutsrisikoquoten auf. Unterdurchschnittlich sind Armutsrisiko-quoten in kinderlosen Haushalten, bei Elternpaaren mit Kindern über 15 Jahren, Personen im

144 Die nachfolgenden Ausführungen basieren auf Ergebnissen eines Gutachtens, das vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) zum Thema „Lebensstandarddefizite bei Er-werbstätigkeit“ im Jahr 2004 erstellt wurde.

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Alter von über 50 Jahren und Personen über 15 Jahren mit einer formalen Ausbildung. Dies gilt im Wesentlichen auch für die Bevölkerung in Teilerwerbshaushalten.

Neben der Höhe und Entwicklung der Armutsrisikoquoten ist auch die „Tiefe der Armut“, also die Verteilung der Einkommen unterhalb der Armutsrisikogrenze, von Bedeutung. Ein wichtiges Konzept zur Messung der Tiefe der Armut ist die so genannte Armutslücke. Sie bezeichnet die Differenz zwischen dem individuell einer Person zugerechneten Einkommen und der Armutsri-sikogrenze. Aus dem Vergleich der Armutslücken in den Jahren 1992, 1997 und 2002 lässt sich erkennen, dass die Armutsintensität in den Vollerwerbshaushalten mit einem preisbereinigten Median der Armutslücke in der Größenordnung von 1.000 Euro im Jahr als vergleichsweise

„flach“ gelten kann. Hingegen fällt für die Bevölkerung in Teilerwerbshaushalten dieser Wert mit rund 2.000 Euro in den meisten Jahren zwar erwartungsgemäß höher aus, weicht aber nicht wesentlich von dem Median der Armutslücke der Gesamtbevölkerung ab.

Insgesamt lässt die Entwicklung der Armutsrisikoquoten wie auch der Armutsintensität seit 1992 entgegen einer verbreiteten Vorstellung keine Tendenz zur Verschärfung des Armutsrisikos bei Erwerbstätigkeit erkennen.

Betrachtet man die individuellen Verläufe von Armutsrisiko und Erwerbstätigkeit, zeigt sich das Bild einer hohen Mobilität: Etwa die Hälfte der Armutsrisikobevölkerung in Erwerbshaushalten eines Jahres verlässt im folgenden Jahr den Bereich des Armutsrisikos und eine etwa gleich große Gruppe tritt hinzu. Dies geht oft mit einer unterbrochenen Erwerbsbiografie oder zumin-dest mit Perioden eingeschränkter Erwerbsintensität einher. Dabei handelt es sich bei der Hälfte der Zutritte um Personen, die bereits in früheren Perioden ein Armutsrisiko aufwiesen (so genannte Wiedereintritte). Trotz der festgestellten Mobilität ist aber auch ein verfestigtes Ar-mutsrisiko bei Erwerbstätigkeit zu beobachten. Der Anteil dieser Gruppe an der Bevölkerung in Erwerbshaushalten bewegt sich jedoch nur in einer Größenordnung von 1%.

Die Risiken von Armut und sozialer Ausgrenzung können erfolgreich nur über eine teilhabeori-entierte Beschäftigungs-, Sozial- und Familienpolitik bekämpft werden, indem vorrangig stabile Rahmenbedingungen für mehr Wachstum und Beschäftigung gesetzt, durch die Unternehmen Arbeitsplätze geschaffen und den Erwerbsfähigen geeignete Anreize zur Aufnahme einer Er-werbstätigkeit - insbesondere einer sozialversicherungspflichtigen VollzeiterEr-werbstätigkeit - ge-boten werden.

- 117 - Erwerbs- und Einkommenssituation von Frauen

Nach den Feststellungen des Berichts der Bundesregierung zur Berufs- und Einkommenssitua-tion von Frauen und Männern vom 25. April 2002 erreichen Frauen im Durchschnitt 75,8% des durchschnittlichen Jahresbruttoeinkommens der Männer.145 Die Einkommensunterschiede zwi-schen Frauen und Männern sind im früheren Bundesgebiet wesentlich größer als in den neuen Ländern: Während in Westdeutschland eine Frau knapp 75% des durchschnittlichen Einkom-mens eines Mannes erzielt, sind es in Ostdeutschland knapp 94%. Junge Frauen (20 bis 24 Jahre) verdienen mit 95% in Westdeutschland bzw. 99% in Ostdeutschland fast annähernd so viel wie die gleichaltrigen Männer, wogegen ältere Frauen (60 Jahre und älter) noch nicht ein-mal 66% in Westdeutschland bzw. 77% in Ostdeutschland des Einkommens ihrer männlichen Altersgenossen erreichen.

Die Zahl der Teilzeitbeschäftigten hat auf 7,3 Mio. Beschäftigte zugenommen. 85% der Teilzeit-beschäftigten sind Frauen. Die Teilzeitquote der Frauen ist von 30,2% (1991) auf 41,4% (2003) gestiegen, die der Männer nur von 2,1% auf 6%. In Westdeutschland liegt die Teilzeitquote der Frauen bei 45%, in den neuen Ländern bei 27%. Die Teilzeitquote von Müttern im Jahre 2003 – Anteil aktiv erwerbstätiger Mütter an allen Müttern – betrug rund 39 %. In Ostdeutschland lag sie bei 21%. Mit einem Anteil von 70,2% gingen deutlich mehr Frauen als Männer einer gering-fügigen Beschäftigung nach. Die über das Leben kumulierten Erwerbszeiten und Erwerbsein-kommen von Frauen sind daher deutlich geringer als diejenigen von Männern. Das kumulierte Erwerbseinkommen von Frauen (Geburtsjahrgänge 1936-1955) beträgt im Durchschnitt rund 42% des Männereinkommens.

145 Vgl. Deutscher Bundestag: Bericht der Bundesregierung zur Berufs- und Einkommenssituation von Frauen und Männern. Drucksache 14/8952 vom 25. April 2002, Berlin 2002.

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Zusammenfassung: Erwerbstätigkeit und Arbeitsmarkt

Die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt seit 1998 verlief in zwei Phasen. Von 1998 bis 2000 lag das Wachstum über der Beschäftigungsschwelle und die Zahl der Er-werbstätigen stieg entsprechend. Die ErEr-werbstätigenquote erhöhte sich von 63,8%

(1998) auf 65,4% (2002). Dies beruhte vor allem auf dem Anstieg im früheren Bundesgebiet sowie auf der gestiegenen Quote erwerbstätiger Frauen. Damit hat Deutschland sich dem Lissabonner EU-Ziel einer allgemeinen Erwerbstätigen-quote von 70% bis 2010 weiter angenähert. Die spezifische ErwerbstätigenErwerbstätigen-quote der Frauen hat mit 58,8% das EU-Ziel von 60% schon fast erreicht. Die Erwerbs-tätigenquote der über 55-Jährigen stieg zwar zwischen 1998 und 2002 von 37,8%

auf 38,7% und erreichte im Jahr 2003 mit 39,4% den höchsten Stand seit der deutschen Einheit. Sie liegt aber noch weit vom EU-Ziel einer Erwerbstätigenquote Älterer von 50% bis 2010 entfernt.

Die wirtschaftliche Schwächephase in den Jahren 2001 bis 2003 führte in der Folge zu einem Rückgang der Erwerbstätigkeit auf 38,31 Mio. und die Zahl der Ar-beitslosen stieg auf 4,377 Mio. (Quote: 11,6%). Im Jahr 2004 kam es bei der Er-werbstätigkeit zu einer Trendwende. Die Zahl der Erwerbstätigen stieg um 128.000 auf 38,44 Mio. an. Die Zahl der Arbeitslosen blieb mit 4,381 Mio. ungefähr auf dem Niveau des Vorjahres (11,7%). Die Arbeitslosenquote war 2004 in den neuen Län-dern mit 20,1% immer noch mehr als doppelt so hoch wie im früheren Bundesge-biet (9,4%).

Der Anteil der Langzeitarbeitslosen sank im Jahresdurchschnitt von 37,4% (1998) auf 33,7% (2002). Durch die schwierige wirtschaftliche Entwicklung ist der Anteil der Langzeitarbeitslosen bis zum Jahr 2004 bundesweit allerdings wieder ange-stiegen und erreichte den Stand von 38,4%. In den neuen Ländern lag der Anteil 2004 mit 43,6% deutlich höher als im früheren Bundesgebiet (36,7%). Die Ar-beitslosenquote der unter 25-Jährigen lag vergleichsweise niedrig und sank zwi-schen 1998 und 2004 von 11,8% auf 9,9%. Sie lag somit um 1,8 Prozentpunkte unter der aller Arbeitslosen (11,7%). Bei den Jugendlichen unter 20 Jahren sank die Quote von 9,3% (1998) deutlich auf 4,2% (2004); sie war damit deutlich niedri-ger als die Gesamtarbeitslosenquote. Schwerbehinderte Menschen waren von 1998 bis 2004 von Arbeitslosigkeit nach wie vor überdurchschnittlich betroffen, wenngleich sich ihre Zahl aufgrund der arbeitsmarktpolitischen Anstrengungen der Bundesregierung bis 2002 deutlich verringert hatte. Ausländer sind vor allem we-gen schlechterer Qualifikation etwa doppelt so stark von Arbeitslosigkeit betroffen wie die Gesamtbevölkerung. Der Strukturwandel von der Industrie- zur Dienstleis-tungsgesellschaft verbessert hingegen die Beschäftigungschancen von Frauen, auch wenn dies vor allem in einer Zunahme von Teilzeitarbeitsplätzen und ge-ringfügigen Beschäftigungsverhältnissen begründet liegt. Während ihre Arbeitslo-senquote 1998 noch 0,9 Prozentpunkte höher lag als die der Männer, war sie 2004 um 1,7 Prozentpunkte niedriger. Beim Anteil der Langzeitarbeitslosen an allen Ar-beitslosen liegt der Anteil bei den Frauen im Jahr 2004 mit 40,5% aber deutlich höher als derjenige bei den Männern (36,7%).

Die Armutsrisikoquote von Arbeitslosen ist von 33,1% (1998) auf 40,9% (2003) gestiegen. In Haushalten mit nur einem Teilzeiterwerbstätigen beträgt die Armuts-risikoquote rund 30%, in Haushalten, in denen mindestens ein Mitglied einer vollen Erwerbstätigkeit bzw. mindestens zwei Mitglieder einer Teilzeiterwerbstätigkeit nachgehen, jedoch nur rund 4%. Die Entwicklung lässt keine Tendenz zur Ver-schärfung des Armutsrisikos bei Erwerbstätigkeit erkennen.

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