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Wirkstoffe mit Einfluss auf die Biosynthese der Sexualsteroide und die

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4.1 Risikoorientierte Auswahl der Testsubstanzen

4.1.3 Wirkstoffauswahl unter Berücksichtigung der spezifischen Toxizität

4.1.3.1 Wirkstoffe mit Einfluss auf die Biosynthese der Sexualsteroide und die

Fenarimol

Fenarimol aus der Pestizidklasse der Pyrimidine gehört zur Gruppe der Fungizide. Die fungi-toxische Wirkung beruht auf einer Hemmung bestimmter Cytochrom P450-Enzyme, die an der Bildung von Ergosterol beteiligt sind (SISLER et al. 1984).

Ergosterol in Pilzen stellt – analog zu Cholesterol in Säugerzellen – einen wesentlichen Be-standteil von Zytoplasmamembranen dar. Es beeinflusst die Membranfluidität, so dass bei

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fehlendem Einbau dieses Moleküls die Membranstabilität beeinträchtigt ist und somit weder ein normales Zellwachstum noch eine normale Zellteilung möglich sind.

In mehreren In-vitro-Studien wurden für Fenarimol hormonelle Wirkungen nachgewiesen.

Unter anderem hemmt es sowohl in humanen Plazenta-Mikrosomen als auch in JEG-3-Zellen (Ursprung: humanes Chorionkarzinom) signifikant die Aromatase-Aktivität (VINGGAARD et al. 2000). Die Aromatase (CYP19) ist das Schlüsselenzym für die Umwandlung der Androgene in Estrogene. SANDERSON et al. (2002), die die Wirkung von Fenarimol auf die Aromatase-Aktivität in H295R-Zellen (Ursprung: humanes Nebennierenkarzinom) untersuch-ten, stellen hingegen die Spezifität der Aromatase-Hemmung in Frage und gehen stattdessen von einem zytotoxischen Effekt aus.

In einer Studie von ANDERSEN et al. (2002) senkt Fenarimol ebenfalls signifikant die Aromatase-Aktivität in humanen Plazenta-Mikrosomen. Darüber hinaus übt der Wirkstoff in einem Androgenrezeptor-Transaktivierungsassay mit CHO-K1-Zellen (Ursprung: Ovarzellen des Hamsters) eine signifikante anti-androgene Wirkung aus. In MCF-7-Zellen (Ursprung:

humanes Brustdrüsen-Adenokarzinom) stimuliert er die Zellproliferation und wirkt damit östrogen.

Difenoconazol, Imazalil, Penconazol, Prochloraz, Tebuconazol und Triadimenol

Diese Wirkstoffe gehören zur Pestizidklasse der Imidazole (Imazalil und Prochloraz) oder Triazole (Difenoconazol, Penconazol, Tebuconazol und Triadimenol) und sind Demethylase-Inhibitoren. In Pilzen hemmen sie das Cytochrom P450-Protein Lanosterol-14α-Demethylase und blockieren infolgedessen die Synthese von Ergosterol. Die meisten Substanzen weisen einen sehr lipophilen Charakter auf und gelangen daher leicht in Zellorganellen wie Mito-chondrien oder Mikrosomen und damit auch an ihr Angriffsziel. Ihr Einsatz beschränkt sich nicht nur auf den Pflanzenschutz, sondern Demethylase-Inhibitoren werden auch in der Medizin bei der Behandlung von Mykosen eingesetzt (PFEIL 2007, S. 1388).

Imidazole und Triazole können in Säugerzellen hormonelle Wirkungen hervorrufen. So hemmen Imazalil, Prochloraz und Triadimenol in humanen Plazenta-Mikrosomen signifikant die Aromatase-Aktivität (MASON et al. 1985; VINGGAARD et al. 2000; ANDERSEN et al.

2002). In einer Studie von ANDERSEN et al. (2002) löst Prochloraz zudem antagonistische Wirkungen an Estrogen- und Androgenrezeptoren aus.

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In H295R-Zellen (Ursprung: humanes Nebennierenkarzinom) sind Imazalil und Prochloraz ebenfalls potente Aromatase-Inhibitoren; Difenoconazol und Penconazol üben eine schwächere inhibitorische Wirkung aus (SANDERSON et al. 2002). Tebuconazol, welches ebenfalls von SANDERSON et al. untersucht wurde, löst nach Meinung der Autoren durch einen unspezifischen, zytotoxischen Einfluss eine Aromatase-Inhibition aus.

Methomyl, Pirimicarb und Propamocarb

Zur Pestizidklasse der Oximcarbamate wird Methomyl gezählt, Pirimicarb und Propamocarb sind Carbamate. Der Wirkmechanismus von Pirimicarb und Methomyl beruht auf einer Acetylcholinesterase-Hemmung, weshalb sie auch als Insektizide im Pflanzenschutz einge-setzt werden. Methomyl wird darüber hinaus als Akarizid angewendet. Bei Propamocarb handelt es sich um ein Fungizid, das durch Hemmung der Lipidsynthese gegen Pilze wirksam ist (PPDB 2009).

Hormonelle Effekte dieser Wirkstoffe wurden in einer Studie von ANDERSEN et al. (2002) nachgewiesen: Zum einen üben sie einen schwachen stimulierenden Effekt auf die Aroma-tase-Aktivität in humanen Plazenta-Mikrosomen aus. Zum anderen verstärken Pirimicarb und Propamocarb die östrogene Wirkung von 17β-Estradiol im Estrogenrezeptor-Transaktivie-rungsassay in MCF-7-Zellen (Ursprung: humanes Brustdrüsen-Adenokarzinom), ohne jedoch selbst einen östrogenen Effekt bei alleiniger Gabe aufzuweisen.

Iprodion und Procymidon

Beide Pflanzenschutzmittelwirkstoffe gehören zur Pestizidklasse der Dicarboximide.

Vermutlich hemmen sie in ihrer Funktion als Fungizide die mitochondriale NADH-Cytochrom c-Reduktase sowie die Lipidsynthese bzw. schädigen Membranen durch Lipidper-oxidation (PFEIL 2007, S. 1378-1379).

Sowohl in vivo als auch in vitro ist Procymidon hormonell wirksam und wirkt anti-androgen durch kompetitiven Antagonismus am Androgenrezeptor (OSTBY et al. 1999). Auch Iprodion übt eine anti-androgene Wirkung aus. Der Mechanismus beruht bei dieser Substanz jedoch auf einer Hemmung der Androgensekretion. So blockieren Iprodion und dessen Metabolit RP36112 den aktiven Transport von Cholesterol, dem Ausgangsstoff für die Steroidbiosynthese, in die Mitochondrien. Ein weiterer Metabolit (RP36115) hemmt zudem die Funktion von für die Steroidbiosynthese notwendigen Enzymen (PFEIL 2007, S. 1383).

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Procymidon und Iprodion stimulieren schwach die Aromatase-Aktivität in humanen Plazenta-Mikrosomen (ANDERSEN et al. 2002). Dieser Effekt wurde von VINGGAARD et al. (2000) im gleichen Testsystem jedoch nicht nachgewiesen.

In primärkultivierten Hepatozyten von Regenbogenforellen übt Procymidon einen östrogenen Effekt aus, der vermutlich durch den Einfluss radikaler Sauerstoffspezies ausgelöst wird (RADICE et al. 2004).

Carbendazim

Carbendazim ist der Metabolit von Benomyl sowie Thiophanat-methyl und zählt zur Pestizid-klasse der Benzimidazole. Im Pflanzenschutz werden diese als Fungizide eingesetzt, wobei ihr Wirkmechanismus auf einer Hemmung der Mitose beruht: Durch Bindung an die β-Unter-einheit von Mikrotubuli wird die Ausbildung des Spindelapparats gestört und damit eine Zell-teilung verhindert (PFEIL 2007, S. 1357).

In einer In-vivo-Studie an Ratten löst eine mehrtägige orale Gabe von Carbendazim in der weiblichen Nachkommenschaft androgene Effekte aus und erhöht in Hoden und Nebenhoden von männlichen Tieren die Anzahl der Androgenrezeptoren. Zudem bindet Carbendazim in vitro an Androgenrezeptoren. Die Autoren schließen aus ihren Ergebnissen, dass der Wirk-stoff über Wege, die Androgen- und Androgenrezeptor-abhängige Mechanismen beinhalten, eine hormonelle Wirkung ausübt (LU et al. 2004).

Chlorpyrifos und Dimethoat

Chlorpyrifos und Dimethoat zählen zur Pestizidklasse der Organophosphate, die durch eine irreversible Hemmung der Acetylcholinesterase charakterisiert werden und daher insbeson-dere als Insektizide und Akarizide im Pflanzenschutz verwendet werden. Organophoshate werden darüber hinaus in Biozidprodukten und als Antiparasitika in der Veterinärmedizin ein-gesetzt (SOLECKI 2007, S. 1439).

ANDERSEN et al. (2002) untersuchten Chlorpyrifos und Dimethoat auf ihre hormonelle Wirksamkeit. Chlorpyrifos stimuliert die Zellproliferation von MCF-7-Zellen (Ursprung:

humanes Brustdrüsen-Adenokarzinom) und aktiviert in der gleichen Zelllinie Estrogenrezep-toren in einem Transaktivierungsassay. Beides weist damit auf eine östrogene Wirkung der Substanz hin. Dimethoat übt einen anti-androgenen Effekt im

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vierungsassay mit CHO-K1-Zellen (Ursprung: Ovarzellen des Hamsters) aus, doch gehen die Autoren hierbei von einem zytotoxischen Effekt aus. In humanen Plazenta-Mikrosomen hat Chlorpyrifos in einer Konzentration von 50 µM keinen Einfluss auf die Aromatase-Aktivität (VINGGAARD et al. 2000).

4.1.3.2 Wirkstoffe mit Einfluss auf mitochondriale Funktionen