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Wettbewerbsrecht ohne Wettbewerbstheorie?

Auflösungserscheinungen eines Rechtsgebiets?

B. Wettbewerbsrecht ohne Wettbewerbstheorie?

Die Botschaft ist damit klar: Gerade in wirtschaftsrechtlichen Kernbereichen, wozu in einer marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung nun ganz sicher das Wettbe­

werbsrecht gehört, ist es nicht sinnvoll, an den rechtlichen Stellschrauben des Sys­

tems zu drehen, ohne die wirtschaftstheoretischen, speziell wettbewerbstheoreti­

schen Aussagen über das Regelungssubstrat gebührend zur Kenntnis zu nehmen . Im kurz so genannten Kartellrecht ist man da traditionell schon etwas weiter, zumindest in der Grundeinsicht über die zwischen Ontologie und Normierung bestehenden Zusammenhänge an sich . Im Lauterkeitsrecht liegen die Dinge indes nicht anders und können auch gar nicht anders liegen, rückt doch seit Jahren die Einsicht von der inneren Einheit des Wettbewerbsrecht immer mehr ins Bewusstsein, nicht unbe­

dingt in der anwaltlichen und forensischen Praxis, aber ganz klar in der Rechtswis­

senschaft .

Nun lässt sich gegen den hier vertretenen, den Autarkieanspruch der Jurispru­

denz jedenfalls im thematischen Fokus doch ziemlich schwächelnden Ansatz ein­

wenden, Juristen seien eben nun einmal keine Ökonomen, und umgekehrt . Und heißt es nicht: „Schuster, bleib´ bei deinem Leisten!“? Dies mag man als individu­

elle Entlastung oder gar als Tugend des Einzelnen gelten lassen wollen, rechtfertigt aber auf die Wissenschaft und auch auf die Rechtsprechung als Ganze bezogen nicht Abschottung und Ignoranz . Ein gewisses Maß an motortechnischen Kennt­

nissen sollte schon vorhanden sein, bevor man anfängt, an den Stellschrauben zu drehen, auch wenn man keine Gesellenprüfung im Kfz­Mechanikerhandwerk vor­

weisen kann . Und ohne wirtschaftswissenschaftliche Kenntnisse, mögen sie auch nicht in voller Breite und Tiefe den Anforderungen der Volkswirtschaftslehre genü­

gen, sollte man davon Abstand nehmen, das ökonomische Sein durch speziell auch lauterkeitsrechtliche Sollenssätze beeinflussen zu wollen . Wettbewerbsrecht bedarf der Wettbewerbstheorie, nicht als „Hilfswissenschaft“, deren man sich nach Belie­

ben bedient oder eben auch nicht, sondern um die dem Wettbewerbsrecht über­

haupt zur Verfügung stehenden Gestaltungsspielräume, wenn vielleicht auch nur schemenhaft, wahrnehmen zu können . Denn allemal ist das flackernde Licht einer Fackel der völligen Dunkelheit vorzuziehen, wie Morgenstein schon 1934 in sei­

nem Werk über die „Grenzen der Wirtschaftspolitik“ sehr richtig zu bedenken gegeben hat .

Hinzu kommt, dass es ja möglicherweise im Bereich der Wettbewerbstheorie ökonomische Konzepte gibt, die von den Juristen nichts verlangen, was diese nicht ohne Weiteres leisten könnten, wenn sie denn nur wollten: nämlich sich in wettbe­

werbsrechtlichen Dingen zurückzunehmen und eine überlegte Liberalität zu pfle­

gen, statt forsch mit dem Verdikt der Unlauterkeit aufzuwarten . Um im Bild zu bleiben: Wo das Wissen der Ingenieure über unliebsame Effekte des Motors und deren Ursachen endet, sollten sich Architekten, Anwälte und Ärzte keinesfalls mit dem Schraubenzieher ans Werk machen, um nicht unabsehbare und in hohem Maße schädliche Konsequenzen ihres Handelns zu provozieren .

Davon ganz abgesehen hat man es im Wettbewerbsrecht allenthalben mit einer Begrifflichkeit zu tun, die nun nicht gerade dem Kernbereich der Jurisprudenz entstammt, sondern ihre natürliche Heimat in der Ökonomik hat . Wenn etwa das europäische Primärrecht in Art . 4, 98 EG von „offener Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb“ spricht, dann haben wir es nicht mit Begriffen zu tun, denen wir uns als Juristen ganz unbefangen nähern dürften, wenn wir uns nicht dem Vorwurf der Arroganz und der Realitätsferne aussetzen wollen . Als Teil von Rechtstexten sind es zwar Rechtsbegriffe, doch stehen sie damit noch nicht zur freien Disposition der juristischen Hermeneutik . Vielmehr hat die Jurisprudenz an eine wirtschaftswis­

senschaftliche Vorprägung dieser Begriffe und an dazu gewonnenen Einsichten der Ökonomik anzuknüpfen, wo immer dies möglich ist, um die Synergien zwischen der Wettbewerbstheorie, verstanden als Wirklichkeitswissenschaft, und der Wettbe­

werbsdogmatik, verstanden als Normativwissenschaft, nutzen zu können .

Wer hätte etwa zum Begriff des Mitbewerbers Gehaltvolleres zu sagen als die Wirtschaftswissenschaft? Es ist schon bedenklich genug, wenn hier der deutsche Gesetzgeber, wenngleich vielleicht gezwungen durch den europäischen Richtlini­

engeber, überhaupt zu Legaldefinitionen greift, doch kann natürlich auch auf die­

sem Wege nicht die Wirklichkeit der Märkte und ihrer Wirkgrößen in ein juristi­

sches Prokrustesbett gezwängt werden, soll das UWG mehr sein als ein legislatives Schattenboxen . Kein Gesetzgeber kann schließlich wissenschaftliche Einsichten dekretieren, zumal solche, deren Gegenstandsbereich nicht genuin juristischer Art ist . Auch eine Legaldefinition muss kompatibel bleiben mit der ökonomischen Realität . Das gilt natürlich auch für das „konkrete Wettbewerbsverhältnis“ nach § 2 Abs . 1 Nr . 3 UWG .

Wer sich hier mit Abgrenzungen von „konkreten“ zu „abstrakten“ oder ganz fehlenden Wettbewerbsverhältnissen exponiert, muss sich schon fragen lassen:

Gibt es überhaupt den sachlich, räumlich und zeitlich relevanten Markt als logi­

sche Bedingung eines wie auch immer spezifizierten Begriffs des „konkreten“ Mit­

bewerbers oder ist die Substituierbarkeit von Gütern nicht vielmehr, auch auf der Zeitachse, eine gänzlich privatautonome Entscheidung des individuellen Nachfra­

gers am Markt? Ist die Figur des relevanten Marktes dann nicht nur eine Fiktion, eine von außen, vom jeweiligen Betrachter an den Markt herangetragene, letztlich willkürliche Kategorisierung und Partialisierung eines völlig einheitlichen Mark­

tes, in dem alles mit allem und jeder mit jedem „konkret“ im Wettbewerb um Kauf­

kraft steht? Gleicht nicht auf beinahe tragische Weise dem technisch inkompeten­

ten Zeitgenossen und seinem ebenso naiven wie selbstgefälligen Umgang mit dem Schraubenzieher beim stotternden Motor, wer z . B . als Richter oder Kommentator seine eigenen Präferenzstrukturen zum Maßstab für Substituierbarkeit von Gütern, für „relevante“ Märkte und also für „konkrete“ Mitbewerber erklärt, ein Vorgang, über den in Wahrheit jeder einzelne Nachfrager am Markt permanent ganz alleine befindet?

Die Zwillingsschwester der Handlungs­ und Entscheidungsfreiheit am Markt scheint mir von daher allein das Totalmarktkonzept zu sein, in dem sich der „Mit­

bewerber“ nicht mehr begrifflich­restriktiv einfangen lässt, ohne den Bereich rea­

litätsgerechter Annahmen zu verlassen . Auch der Gesetzgeber ändert nichts daran, dass ein Herr anlässlich einer Abendeinladung als Gastgeschenk an die Dame zwi­

schen einem Strauß roter Rosen, einem besonders geschmackvollen Kaffee oder vielleicht auch: edlen Dessous wählt, diese bzw . ihre Anbieter somit ohne Zwei­

fel „konkret“ konkurrieren, mögen die historischen „Väter“ und „Mütter“ des § 2 Abs . 1 Nr . 3 UWG auf europäischer wie auf nationaler Bühne auch ganz andere Vorstellung zur „konkreten“ Substituierbarkeit von Gütern verfolgen? Welche Erleichterung für die rechtliche Ordnung wettbewerbsgesteuerter Märkte sollte es uns bedeuten, angeblich einen Blumenmarkt von einem Markt für Genussmittel (oder ist das schon zu weit gegriffen?) und einem Markt für Damenunterwäsche aus Gründen der „Marktrelevanz“ zu unterscheiden, wenn wir doch zugleich mit den Händen greifen können, dass dabei keine Realitätsbeschreibung erfolgt, son­

dern rein dezisionistische, heteronome Sichtweisen Platz greifen? Und wie konnte die traditionelle, in Partialmärkten denkende Judikatur und Literatur in der bekann­

ten „Onko statt Blumen“­Entscheidung überhaupt ein „konkretes“ Wettbewerbs­

verhältnis bejahen, ohne ihr eigenes Konzept augenscheinlich über Bord werfen zu müssen?

Es wäre mir ein Leichtes, weitere Beispiele für das überzeugende, mit der Frei­

heit, speziell auch mit der viel beschworenen Konsumentenfreiheit, Ernst machende Totalmarktkonzept zu liefern und dabei ganz nebenbei auch die im Zeitalter von ICE, Flugzeug und ebay reichlich laienhaften Vorstellungen räumlich getrennter, insoweit „irrelevanter“ Märkte zu konterkarieren . Vor diesen Dingen können wir auch in der Dogmatik des § 2 Abs . 1 Nr . 3 UWG, bei Kommentierung und Anwen­

dung in casu nicht einfach die Augen verschließen und müssten in letzter Konse­

quenz auch bereit sein, angesichts der ökonomischen Realität schlechterdings nicht operationalen Normen die juristische Gefolgschaft zu versagen . Im sachgerechten

Verständnis des § 2 Abs . 1 Nr . 3 UWG sind wir zu solch einem rigorosen Schritt freilich doch gar nicht gezwungen: Es genügt dabei, die Einsicht zu formulieren, dass alle Marktteilnehmer „konkret“ miteinander in einem Wettbewerbsverhältnis stehen . Dies entwertet die genannte Norm in der Tat, ist indes ihrer realitätsfeindli­

chen Schein­Sinngebung entschieden vorzuziehen .

Noch viel bedeutsamer für Auslegung und Anwendung des Wettbewerbsrechts ist es, sich eine wettbewerbstheoretisch fundierte Vorstellung von seinem Gegen­

stand überhaupt zu machen: dem ökonomischen Wettbewerb . Die rechtliche Rele­

vanz dieses Unterfangens erhellt für das deutsche Lauterkeitsrecht unmittelbar ein­

sichtig aus § 1 UWG, der jeder teleologisch angeleiteten Auslegung des UWG die klare Richtung vorgibt: den Wettbewerb im Individualinteresse der Marktteilneh­

mer wie der Allgemeinheit vor Verfälschungen durch unlautere geschäftliche Hand­

lungen zu schützen . Aber auch ohne solche textliche Verankerung muss sich juris­

tische Hybris im Verständnis dessen, was wirtschaftlichen, „geschäftlichen“ Wett­

bewerb charakterisiert, angesichts der zentralen Rolle des Wettbewerbsbegriffs für die Bestimmung der Unlauterkeit als Wettbewerbswidrigkeit bei § 3 Abs . 1 UWG geradezu fatal auswirken . Die Gefahr ist umso größer, je mehr dabei Paradigmen Pate stehen, deren Attraktivität sich Juristen wegen der scheinbar evidenten Plausi­

bilität des gewählten Bildes wohl gar nicht ernsthaft erwehren wollen .

Die Rede ist hier vom sportlichen Wettbewerb, der sich als exegetische Blau­

pause auch für den ökonomischen Wettbewerb wohl jedem aufdrängt, der in juristi­

scher Selbstgenügsamkeit der Ökonomik völlig fernsteht . Hierbei bedarf es gewiss schon einmal mehrerer Akteure: Ist nur ein Sprinter auf der Bahn, läuft nur eine Fußballmannschaft ein, findet hier und heute, also „konkret“ kein Wettbewerb statt . Und völlig selbstverständlich konkurrieren Sprinter und Fußballspieler überhaupt nicht miteinander, nicht einmal „abstrakt“; dies trifft nur für Fußballspieler über­

haupt zu . Geklärt ist auch, wer überhaupt, konkret oder abstrakt, Akteur ist: die Läufer, Spieler etc .: ja, Schiedsrichter und Zuschauer: nein . Von daher nur konse­

quent wird deshalb in juristischer Literatur wie Judikatur der Nachfrager, nament­

lich der Konsument, zum „Schiedsrichter“ über die im Wettbewerb der Anbieter erbrachten „Leistungen“ erklärt, Leistungen, deren Maßstab exogen vorgegeben ist . Man streitet sich allenfalls darum, ob nur „Qualität“ und „Preis“ als Messlatte dienen oder ob und welche sonstigen Kriterien für die Leistungsmessung zulässig bzw . heranzuziehen sind . In einem derartigen Gedankengebäude lassen sich auch gut der Schutz der „Mitbewerber“ untereinander vor „foul play“ und der Schutz der Zuschauer vor Übergriffen, bei Autorennen vor Verletzungen, vor baulichen Män­

geln der Tribüne etc . gedanklich voneinander trennen . Ebenso sinnfällig erschei­

nen dann Konkurrentenschutz einerseits, Schutz der Marktgegenseite, namentlich der Verbraucher (und natürlich auch der „Verbraucherinnen“!) andererseits als klar unterscheidbare Kategorien .

Alles erscheint so selbsterklärend und einfach, und doch ist das Paradigma des sportlichen Wettbewerbs für den ökonomischen Wettbewerb schlicht grundfalsch . Dass die Erde eine Scheibe ist, die Sonne sich um die Erde dreht und Frauen so von ihren Trieben beherrscht werden, dass sie etwa als Richterinnen, Professorinnen

oder Vorstandsmitglieder in großen Aktiengesellschaften, wo Vernunft gefordert ist, ihrem Wesen nach nicht in Betracht kommen, erschien in früheren Zeiten auch unmittelbar einsichtig, hat sich aber gleichwohl und glücklicherweise als Irrtum und Vorurteil erwiesen . Natürlich streiten sich auch Ökonomen über vieles, nicht aber darüber, dass sich die Prozesse in wettbewerbsgesteuerten Marktwirtschaften nicht nur, wie eben im Sport, nur in Parallelprozessen erschöpfen, sondern glei­

chermaßen durch die in ihnen stattfindenden Austauschprozesse zwischen Anbie­

tern und Nachfragern geprägt sind . Dabei sind Parallel­ und Austauschprozesse interdependent, in wechselseitiger Beeinflussung derart miteinander verknüpft, dass sie sich realiter gar nicht mehr unterscheiden lassen . Bleiben wir im Bild des sportlichen Wettbewerbs: Der Zuschauer spielt doch mit! Und Schiedsrichter ist der Markt als Veranstaltung der Wirtschaftsgesellschaft: Er verteilt die Belohnun­

gen in Gestalt von Profit und Wachstum und er bestraft durch geschäftlichen Miss­

erfolg, durch Verluste, bis zum erzwungenen Marktausscheiden, ohne dass immer klar wäre, was „echte Leistung“ und was einfach nur Glück oder Pech war .

Wie verfehlt jede Analogie vom sportlichen Wettbewerb auf den ökonomischen Wettbewerb angesetzt ist, zeigt sich in vielerlei anderer Hinsicht: So läuft ökono­

mischer Wettbewerb auf einer Zeitachse ohne Anfang und Ende ab . Es gibt keinen Startschuss oder Anpfiff, und es gibt auch kein Ende des Laufes oder der Spielzeit, sodass ein neues Spiel mit neuem, ungewissen Ausgang begonnen werden könnte . Der „newcomer“ am Markt findet völlig legitim oft sehr marktstarke Mitbewerber vor, gegen die er sich naturgemäß viel schwerer wird behaupten können, als wenn alle zu einer Stunde Null und mit ein und derselben Ausstattung gestartet wären . Es ist eben auch insoweit anders als beim Boxen: Dort boxt das „Fliegengewicht“

nicht gegen das „Schwergewicht“ . In der marktwirtschaftlichen Ordnung hingegen ist Unternehmensstärke kein Grund, ein rechtliches Handicap zu verordnen, etwa durch eine Verschärfung des Lauterkeitsmaßstabs .

Auch eine grundsätzliche Bevorzugung des Verbrauchers gegenüber dem Unternehmer bzw . eine substanziell unterschiedlich lauterkeitsrechtliche Behand­

lung des B2B­Geschäftes einerseits, des B2C­Geschäftes andererseits wird man aus wettbewerbstheoretischer Sicht kaum mit dem Hinweis auf unterschiedlich starke Marktpositionen begründen können . Die in diesem Zusammenhang gerne verwendete Wendung von der „strukturellen“ Unterlegenheit des Verbrauchers ist zunächst einmal nicht mehr als eine Worthülse . Denn es dürfte schwierig sein, bei Verbrauchern andere lauterkeitsrechtlich schützenswerte Interessen auszumachen als bei Unternehmern: Verbraucher wie Unternehmer üben als Marktakteure im Kontraktverhalten jeweils ihre Handlungs­ und Entscheidungsfreiheit aus . Dass empirisch betrachtet Verbraucher oft weniger marktrational handeln als Unterneh­

mer, ist durchaus einzuräumen, führt aber vor dem Hintergrund eines gerade auch auf europäischer Rechtsebene normativ geprägten Leitbildes eines informierten und verständigen Verbrauchers noch nicht zur Anerkennung spezifischer, wettbe­

werbsrechtlich schützenswerter Verbraucherinteressen .

Immerhin liefert dieses Leitbild ein Stichwort, doch ein gewisses spezifisches Verbraucherinteresse anzuerkennen, nämlich bezüglich hinreichender Information .

Insoweit wird man durchaus anerkennen müssen, dass es ein Gefälle nicht nur an faktischer Informiertheit gibt, sondern auch und gerade ein spezifisches Delta hin­

sichtlich des Zugangs zu produkt­ und marktrelevanten Informationen zwischen Unternehmern einerseits und Verbrauchern andererseits . Dies gilt insbesondere für Informationen, über die originär und substanziell zunächst überhaupt nur der Unternehmer als Produzent bzw . An­ und Weiterverkäufer, Importeur etc . verfügt . Hier besteht aus wettbewerbstheoretischer und daraus abgeleitet: aus wettbewerbs­

rechtlicher Sicht ein schützenswertes Verbraucherinteresse am Zugang zu derarti­

gen Informationen, um letztlich Marktversagen als Folge spezifisch nachfragesei­

tig, „strukturell“ asymmetrischer Information zu verhindern . Es geht dabei aber nicht darum, den Verbraucher von seiner wettbewerblichen Obliegenheit zu entbin­

den, gleichsam selber die Augen offen zu halten, sich um Informationsbeschaffung zu bemühen und aus diesen Informationen Entscheidungshilfen für seine ihm allein aufgegebenen Marktentscheidungen abzuleiten .

Es ist nun ganz selbstverständlich, dass die Verbraucher diese ihre Aufgabe der Informationsbeschaffung und der Informationsauswertung individuell ganz unterschiedlich bewältigen werden . Diese Unterschiede einzuebnen, ist wahrlich kein Gebot funktionierender Märkte . Denn noch immer sollte gerade im wettbe­

werbsrechtlichen Verbraucherschutz als Richtschnur gelten, dass seit den Zeiten des römischen Rechts Gesetze doch schlechthin für die Wachsamen, für die Auf­

geschlossenen, da sind, „leges vigilantibus“. Demjenigen, der sich in der lebens­

praktischen Anwendung der Gesetze als geschickter erweist, gebühren durchaus auch die Belohnungen des Marktes . Die Menschen sind nun einmal unterschied­

lich, nach Anlagen und Begabung, nach Sozialisation in Elternhaus und Schule, nach Umsicht und Informiertheit, nach Willens­ und Tatkraft und noch in vielerlei anderer Hinsicht .

Und das ist gut so . Es steht für die unverwechselbare Individualität der Men­

schen, die sich auch in seinem Marktverhalten und den jeweils ganz konkret erziel­

ten Transaktionsergebnissen ausdrückt . Das Wettbewerbsrecht hat keinerlei Ver­

anlassung, diesem Befund seinen Respekt zu versagen . Meine Position bedeutet deshalb auch eine klare Absage an die im Einzelnen unterschiedlich gefärbten Plä­

doyers für eine „materielle“ Vertragsgerechtigkeit, die die unbestreitbare rechtli­

che, formelle Gleichheit der Marktakteure nach Rechts­ und Geschäftsfähigkeit nur für gering achten . Ist es wirklich „gerecht“ oder zumindest sinnvoll, dem aus wel­

chen Gründen auch immer guten Schwimmer die Hände auf den Rücken zu binden, um dadurch ausgleichende Gerechtigkeit zugunsten des schlechten Schwimmers zu üben? Kann es dann bei konsequenter Durchführung dieses Kompensationsmodells überhaupt noch Gewinner und Verlierer geben und bleiben dabei nicht alle Anreize auf der Strecke, überhaupt besser sein zu wollen als andere, wenn jeder Vorsprung wieder abgeschöpft, jeder Vorteil neutralisiert wird?

Ich breche deshalb gerade für die Organisation von Markt­ bzw . Wettbewerbs­

prozessen durch Recht deutlich eine Lanze für die aus populistischer Sicht gewiss unpopuläre formelle Freiheit und Gleichheit . Allein in ihrer Ausübung löst sich letztlich das scheinbar antagonistische Verhältnis von Unternehmer­ zu Verbrau­

cherinteressen dialektisch überhaupt auf: Derart funktionierende wettbewerbsge­

steuerte Märkte sind deshalb keineswegs wirtschaftsethisch allemal bedenkliche Plattformen unternehmerischer Bereicherungsaktivitäten zu Lasten der Verbrau­

cher, sondern, um mit Malony, dem Vater eines bekannten Reports zum Verbrau­

cherschutz aus dem Jahre 1962 zu sprechen, in Wahrheit deren bester Freund über­

haupt . Auch von daher ist es durchaus kein Zufall, dass dem sozialistischen Men­

schenbild und dem sozialistischen Gesellschafts­ und Wirtschaftsmodell derartige komparative Vorteile des Individuums prinzipiell ein Dorn im Auge waren . Sie sollten durch umfassende gesellschaftliche Solidarität überwunden werden, ohne dass den Verbraucherinteressen im real existierenden Sozialismus auch nur annä­

hernd wie unter den Bedingungen wettbewerbsgesteuerter Marktwirtschaft gedient gewesen wäre .

Die Unfruchtbarkeit, ja geradezu Schädlichkeit des Paradigmas vom sport­

lichen Wettbewerb in seiner Projektion auf den wirtschaftlichen Wettbewerb auf Märkten tritt schließlich, um zum Ausgangspunkt zurückzukehren, im Schlagwort vom Leistungswettbewerb bzw . in einem sportlich unterlegten Begriff ökonomi­

scher Leistung zu Tage: Die Leistung eines Tennisspielers in Schlagtechnik und Schlagkraft, Spieltaktik und Reaktionsgeschwindigkeit lässt sich nach gewonnenen Sätzen bestimmen, die des Boxers nach erzieltem oder erlittenem Knockout, hilfs­

weise nach Punkten, bezogen freilich immer auf das jeweilige Spielgenres: Der beste Boxer gilt nichts auf dem Tennisplatz und der beste Tennisspieler nichts im Boxring . Der Grund dafür ist einfach: Ein auf die Akteure bezogenes, ihnen gegen­

über heteronomes Regelwerk entscheidet darüber, was jeweils als ihre Leistung zu gelten hat .

In der Marktwirtschaft hingegen fehlt es an jeder vergleichbaren Situation: Die Aktionsparameter und deren Bewertung, also welches „Spiel“ gerade gespielt wird und die Messlatte für die dort erzielten Leistungen, liegen ausschließlich in den Händen der konkret­individuellen Teilnehmer einer Markttransaktion: Sie entschei­

den autonom, „privatautonom“, darüber, welche Angebote gemacht und was dann in der Nachfrage als Marktleistung gelten soll: vielleicht Qualität und Preis, viel­

leicht aber auch völlig andere Bewertungskriterien wie Prestige oder „Lifestyle“ . Ökonomische Leistung und Leistungswettbewerb auf Märkten entziehen sich damit notwendig einer Bewertung vom Standpunkt eines Dritten . Im vollkommen formal gefassten Rechtsbegriff der Leistung (man denke nur an die §§ 194, 241, 362, 812 BGB), den allein und willkürlich Gläubiger und Schuldner mit Inhalt fül­

len, findet sich eine kaum zufällige Parallele zur Ökonomik .

Nur um einer Frage schon hier zuvorzukommen: Die wirtschaftswissenschaft­

lich zu Recht so geschätzte Spieltheorie, der wir, wie etwa in den unterschiedlichen Szenarien des „Gefangenendilemmas“, wichtige Einblicke etwa in das Nutzenkal­

kül von Akteuren oder in Anreizstrukturen verdanken, liefert in diesem Zusammen­

hang nur ein scheinbar sachlich affines Stichwort und ändert nichts an der Feststel­

lung, dass der in „Sport und Spiel“ sich entfaltende Wettbewerb keinen Schlüssel zum Verständnis des wettbewerbsgesteuerten Marktes liefert .