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Lauterkeitsrecht oder rein wirtschaftliche Betrachtungsweise?

G. Schluss und Ausblick

I . Das Wettbewerbsrecht hat eine lange Tradition darin, ethische Maßstäbe an das wettbewerbliche Verhalten zu stellen . In Deutschland hat sich über Jahrzehnte die Tendenz gezeigt, dies nur zu tun, wenn die Einhaltung solcher Standards Marktprozesse stärkt und deren Missachtung nachteilige Auswirkungen auf die Schutzzwecke dieses Rechtsgebiets hat . Man kann darin eine Entmoralisierung des Lauterkeitsrechts sehen . Parallel dazu hat das Lauterkeitsrecht es aber auch vermocht, ursprünglich ethische Ziele zu verrechtlichen und dadurch eine Ord­

nungs­ oder Rechtsmoral zu etablieren . Die reine Handlungsethik bleibt ein Feld für die Werbe selbstkontrolle und eigene Verhaltenskodizes der Unterneh­

men . Nachhaltiges und moralisches Verhalten ist dabei zum Marktgut gewor­

den . Diese Entwicklung wurde durch die Rücknahme der lauterkeitsrechtlichen Kontrolle ermöglicht und gestärkt . Soweit handlungsethische Versprechen in die Werbung gelangen, besteht nun die Aufgabe des Rechts darin sicherzustellen, dass die unternehmerischen Versprechen keine bloßen Lippenbekenntnisse blei­

ben . Die Mechanismen zur Unterstützung der Ernsthaftigkeit des Bekenntnisses zur Handlungsethik stellt das Lauterkeitsrecht mit den Irreführungs­ und Trans­

parenznormen (§§ 5, 5a UWG) .

Im reformierten deutschen UWG 2008 werden die Vorschriften über die Zu­

gehörigkeit zu Selbstkontrolleinrichtungen weitere Anschlussstellen liefern . Mit ihnen wird es möglich, jedenfalls über die Selbstverpflichtung diejenigen Ver­

haltensweisen zu erfassen, die mit rechtlichen Maßstäben nur schwer zu kon­

trollieren sind . Hierunter fällt der gesamte Bereich der geschmacklosen, weit­

gehend auch derjenige der diskriminierenden Werbung . Die hier geltenden Ver­

haltensmaßstäbe sind überwiegend über Äußerungsfreiheiten geschützt, so dass gerichtliche Verbote sehr schnell in den Verdacht der Zensur geraten . Dieser Verdacht besteht nicht mehr, wenn Unternehmen sich Verhaltensregeln aufer­

legen, diese Auferlegung in ihren geschäftlichen Handlungen erwähnen (insbe­

sondere in der Werbung), tatsächlich die Standards aber nicht einhalten . Auch dann greift nunmehr der Irreführungsschutz (§ 5 Abs . 1 Satz 2 Nr . 6 UWG;

Anhang zu § 3 Abs . 3 UWG Nr . 1­4) .

II . Abschließend stellt sich die Frage, ob das (deutsche) Lauterkeitsrecht alles rich­

tig gemacht hat . In einem Feld bleiben Zweifel, die allerdings durch die kon­

sequente Anwendung der vorstehend beschriebenen Mechanismen beseitigt werden können . Indem social sponsoring als Wettbewerbsinstrument anerkannt wurde, und zwar auch dann, wenn kein sachlicher Bezug zu Produkten oder

81 BGH, a .a .O . (Fn . 7), 363 f .

Unternehmensleistungen besteht, hat man eine Gruppe von Anbietern auf die­

sem „Markt für Sponsoringleistungen“ möglicherweise existenziell gefährdet:

nämlich die rein karitativ und nicht unternehmerisch tätigen Spendenorganisa­

tionen . Eine Werbung des Volksbunds der Deutschen Kriegsgräberfürsorge ver­

rät, dass solche Mitspieler durchaus zu Recht befürchten, auf dem Markt um die Aufmerksamkeit von Spendenwilligen nicht mithalten zu können .

Wer über einen bescheidenen Werbeetat verfügt, kommt nicht in die Hochglanz­

magazine und auf die Fernsehbildschirme . Das Wettbewerbsrecht sorgte früher dafür, dass die Aufmerksamkeit des Spendenwilligen nicht auf den Radarschirm der Unternehmenswerbung geriet . Dadurch wurde die Aufmerksamkeit für kari­

tative Einrichtungen geschont, das Angebot solcher Werbungen verknappt, die Suchkosten für Spendenwillige und die Publizitätskosten für Spendensammler verringert . Das sog . Sachlichkeitsgebot hatte daher durchaus einen auch (auf­

merksamkeits­) ökonomisch vernünftigen Hintergrund . Um dieses berechtigte Anliegen auch heute noch zu wahren, wird es umso wichtiger, dass das Lau­

terkeitsrecht nicht den Fehler macht, einen einhelligen Markt von Sponsoring­

dienstleistungen anzuerkennen, auf dem sich Non­Profit­ und For­Profit­Orga­

nisationen als Konkurrenten gegenüberstehen .82 Nur die Unternehmen müssen auf diesem Markt mit lauterkeitsrechtlichen Maßstäben kontrolliert werden . So bleibt die Balance zwischen Werbeetat und inhaltlichem Hauptanliegen gewahrt .

82 Insoweit gegen Köhler, a .a .O . (Fn . 74), 282 .

Diskussion

Katja Heintschel von Heinegg

Ich möchte darauf hinweisen, dass beim Zentralverband der Werbewirtschaft (ZAW) seit über 30 Jahren der Deutsche Werberat als Selbstregulierungsorgan besteht . Er leistet sehr erfolgreiche Arbeit in den Fällen, die vom Recht nicht erfasst werden, also z .B . bei diskriminierender oder auch Gewalt verherrlichender Wer­

bung . Als Beispiel für die Arbeit des Werberats möchte ich den aktuellen „Dolce und Gabbana“­Fall nennen – hier war meines Wissens die Werbung in Deutschland nur in einer einzigen Zeitschrift veröffentlicht . Sie war uns jedoch aus Italien, wo sie vom italienischen Werberat sofort beanstandet worden war, bekannt . Der Deut­

sche Werberat, der über die Medienberichterstattung auf die Werbung aufmerksam geworden war, ist sofort eingeschritten und hat dafür gesorgt, dass das Unterneh­

men die Werbung zurückgezogen hat . In diesem Bereich funktioniert die Selbstkon­

trolle effektiver als eine rechtliche Regelung . Fast jeder europäische Mitgliedstaat hat mittlerweile eine eigene Selbstkontrolleinrichtung, die im Europäischen Ver­

bund „EASA“ zusammengeschlossen sind . Es sollte nicht alles rechtlich reguliert werden, auch wenn die Richtlinie unerlaubte Geschäftspraktiken durch die von ihr in den Vordergrund gestellten Verhaltenskodizes ein gewisses Eingangstor hierfür geschaffen hat .

Frauke Henning-Bodewig

Danke für diesen wertvollen Hinweis . In der Tat ist bei der rechtlichen Beurteilung einzelner Probleme und natürlich erst recht bei jeder seriösen Rechtsvergleichung immer das jeweilige System der Selbstkontrolle mit zu berücksichtigen . Die Selbst­

kontrolle hat in den einzelnen Ländern einen sehr unterschiedlichen Stellenwert . In einigen Ländern, z .B . Italien, Niederlande, Großbritannien ist sie so ausgeprägt, dass sie gesetzlichen Regelungen gleichkommen kann; in anderen Ländern hinge­

gen eher nicht . Das hat man deutlich bei der „Benetton­Werbung“ gesehen, die in einer ganzen Reihe von Ländern von der Selbstkontrolle beanstandet und unter­

bunden wurde . In Deutschland wurde die Werbung zwar vom Deutschen Werberat beanstandet, allerdings haben sich weder Benetton noch die Medien daran gehalten . Erst danach, d .h . weil die Selbstkontrolle in diesem Fall erfolglos blieb, kam die Sache zu den Gerichten . Es ist daher m .E . schief zu sagen, die „Benetton“­Werbung wurde nur in Deutschland verboten, wenn man nicht die Rolle der Selbstkontrolle in anderen Ländern – die zu demselben Ergebnis geführt hat – mit einbezieht .

Ansgar Ohly

Zwei kurze Bemerkungen: Erstens wurde bereits die Philosophie von Immanuel Kant angesprochen . Eine der großen Errungenschaften von Kant ist die Trennung zwischen Tugendlehre und Rechtslehre, also zwischen Recht und Moral . Nach Kant muss nicht alles, was moralisch ist, auch mit rechtlichen Mitteln durchge­

setzt werden . Der „kategorische Imperativ“ ist eine Kategorie der Sittenlehre, die sich damit beschäftigt, was ein autonomes, sittliches Individuum tun soll, nicht

jedoch unbedingt eine Maßgabe für den Gesetzgeber . Diese Weisheit von Kant ist im Lauterkeitsrecht erst in den letzten Jahren angekommen . Ich bin also skeptisch bezüglich des Einsatzes des UWG als Moral­ und Tugendinstanz . Zweite Bemer­

kung: Das ganze Dilemma zeigt sich im UWG in § 4 Nr . 1 . Dort ist ja u .a . die Rede von Werbung, die in menschenverachtender Weise die Entscheidungsfreiheit zu beeinträchtigen geeignet ist . Die Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit ist das funktionale Kriterium, über das gestern Herr Schünemann schon gesprochen hat; die „menschenverachtende Weise“ entweder die Moralisierung oder der Schutz der Menschenwürde . Ich bin persönlich davon überzeugt, dass das funktionale Verständnis richtig ist und dass es nicht Aufgabe des UWG sein kann, sämtliche grundrechtlichen Wertungen durchzusetzen . Auch wenn in den Grundrechten ein bestimmter Minimalkonsens verrechtlicht worden ist, kann es nicht Aufgabe des UWG sein, auf dem Markt Menschenwürdewächter zu spielen .

Annette Kur

Um zum Thema „Acquis Communautaire“ zurückzukommen: Mich würde die Auffassung von Herrn Peifer dazu interessieren, was von diesen ethischen Wer­

ten konkret europäisch vorgegeben ist . Oder umgekehrt: Wo setzt möglicherweise das europäische Recht einer Berücksichtigung Grenzen? Möglicherweise kann das europäische Recht, und zwar nicht nur das sekundäre, sondern auch das primäre Recht, der Berücksichtigung ethischer Gesichtspunkte, die nicht gleichlaufen mit dem Irreführungsverbot, Grenzen setzen, wobei auch die Rolle der Selbstkontrolle von Interesse ist . Könnte also durch die Auslagerung ethischer Wertungen, die viel­

leicht in Grenzfällen auf eine Art Geschmackszensur hinauslaufen, ein Problem mit dem primären Gemeinschaftsrecht entstehen, d .h . werden hier möglicherweise Kommunikationsfreiheiten, auch Warenverkehrsfreiheiten beschnitten? Wird hier vielleicht auch die Freiheit des Wettbewerbs in einer bedenklichen Art und Weise berührt?

Karl-Nikolaus Peifer

Ich möchte zurückkommen auf die Unterscheidung zwischen Recht und Tugend­

lehre . Sie ist zwar wichtig, aber wir sind jetzt im 21 . Jahrhundert in einer Situation, in der mehr und mehr ursprüngliche Tugendwerte in Rechtswerten Eingang gefun­

den haben . Das hängt dann auch mit der Frage nach den Vorgaben und Grenzen des Europarechts zusammen . Die Richtlinie 2005/29/EG scheint darauf hinzudeuten, dass es keine Grenzen gibt für die Berücksichtigung sittlicher, religiöser und kul­

tureller Besonderheiten in den Mitgliedstaaten; aber das ist eine Blankettformel, die die Rechtsprechung des EuGH zu den Grundfreiheiten und vielleicht auch zu den Grundrechten, so es denn einmal einen festen Grundrechtekatalog geben sollte, unberührt lässt .

Annette Kur

Zu den Grundrechten …(?)

Karl-Nikolaus Peifer

Das betrifft auch Grundwerte, die vom EuGH bereits anerkannt werden, d .h . Äuße­

rungsfreiheiten . Ich bin auch zuversichtlich, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die „Benetton“­Fällen, wie das BVerfG entscheiden würde . Ethi­

sche Anstandsregeln würden natürlich gegenüber der Verwirklichung der Grund­

freiheiten und Grundrechte zurückstehen müssen . Allerdings wird es schwieriger, das, was ich Handlungsethik, Anstandsregeln genannt habe, also etwa den Bereich der Werbeselbstkontrolle, von dem Bereich der Ordnungsethik abzugrenzen, der natürlich auch auf europarechtlicher Ebene immer stärker angefüllt wird durch Wertvorstellungen, die das Europarecht auch erreichen soll . Hier ist alles in Bewe­

gung, und es wäre erfreulich, wenn wir eine Grundrechtecharta hätten, auf deren Grundlage man eine Dogmatik für die Abwägung entwickeln könnte .

Rolf Sack

Die Ausführungen von Herrn Peifer zu den Fällen „Busengrapscher“ und „Schlüp­

ferstürmer“ möchte ich durch den Hinweis ergänzen, dass das DPA bereits 10 Jahre zuvor im Markenrecht die Eintragung als Marke wegen Sittenwidrigkeit abgelehnt hatte (Mitt . 1989, 215) .

Das Thema des Vortrags „Ethische Werte oder wirtschaftliche Betrachtungswei­

sen“ sieht nach Konfrontation aus . Sie steht und fällt allerdings mit der Frage, was eigentlich ein ethischer Wert ist . Ethik ist – so jedenfalls die philosophische Defini­

tion – die Lehre vom richtigen Handeln . Und in die Lehre vom richtigen Handeln kann natürlich auch die wirtschaftliche Betrachtungsweise eingehen; dann entfällt der Gegensatz . Ein Gegensatz entsteht wieder, wenn alle ethischen Werte außer den sich aus der wirtschaftlichen Betrachtungsweise ergebenden gemeint sind . Beim früheren § 1 UWG, also unter der alten „Sittenwidrigkeitsklausel“, gab es speziell beim Rechtsbruchstatbestand die Unterscheidung zwischen ethisch fundierten Nor­

men, deren Verletzung per se als sittenwidrig galt, und bloß wertneutralen Normen, die nur über den Vorsprungsgedanken zur Sittenwidrigkeit nach § 1 UWG führten . Ich habe nie eine Definition gefunden, die den Begriff „ethisch fundiert“ befrie­

digend definiert hätte . Stattdessen gab es eine Kasuistik: ethisch fundiert waren Strafgesetze, grundrechtliche Wertungen, Gesundheitspflege und Rechtspflege und vielleicht noch alle Fundamentalnormen . Begrifflich war das unbefriedigend, aber man wollte eben brauchbare Ergebnisse . Und damit zur nächsten Frage, die unmit­

telbar das diskutierte Thema betrifft: Sind ethische Werte, die nicht der wirtschaft­

lichen Betrachtungsweise entsprechen, eigentlich noch mit § 1 UWG vereinbar?

Die von Herrn Peifer zitierte Rechtsprechung steht und fällt mit der Schutzzweck­

trias des jetzigen § 1 UWG, der den Schutz der Verbraucher, der Mitbewerber, der Markt beteiligten und im Satz 2 die Interessen der Allgemeinheit nennt . Ich fürchte, dass bei der vorherrschenden engen Auslegung des § 1 UWG ein Teil der früheren Kasuistik hinfällig geworden ist, weshalb ich § 1 UWG auch für ziemlich verfehlt halte .

Hans-Jürgen Ahrens

Wir sollten nicht den Fehler machen, dem Wettbewerbsrichter Instrumente an die Hand zu geben, die es ihm ermöglichen, wie ein Gesetzgeber Abwägungsvor­

gänge mit völlig offenen Abwägungsergebnissen durchzuführen . Das ist Aufgabe des Parla ments . Was die rechtliche Erfassung der sog . Menschenwürde betrifft, so möchte ich darauf hinweisen, dass die Benetton­Entscheidungen des BVerfG auf mehreren grandiosen Irrtümern beruhen und zwar auch bezüglich des „Acquis Communautaire“ . Eine dieser Fehlvorstellungen wurde im Fall „IM Sekretär“

inzwischen korrigiert, nämlich die Variantenlehre . Für den auf die Zukunft gerich­

teten Unterlassungsanspruch kommt es nicht mehr darauf an, eine dem Äußernden günstige Auslegung zugrunde zu legen . Das ist gegenüber der „Benetton“­Recht­

sprechung eine deutliche Korrektur . Karl-Nikolaus Peifer

Es handelte sich um Tatsachenbehauptungen, nicht um Werturteile . Hans-Jürgen Ahrens

Ob da wirklich ein Unterschied besteht, ist fraglich, spielt hier jedenfalls keine große Rolle . Ein wichtiger Punkt ist hingegen die Frage, wie der schillernde Begriff der Menschenwürde zu verstehen ist . Man kann ihn ganz eng verstehen wie die Verfassungsrechtler, die ihn in Art . 1 GG mittels rhetorischer Auslegungstricks auf Sklaverei und einige gleichgewichtige Dinge verengen . Den Begriff der Menschen­

würde gibt es aber auch als Rechtsbegriff im Europäischen Gemeinschaftsrecht, z .B . in der Fernsehrichtlinie, jetzt wieder bekräftigt durch die Richtlinie über audio­

visuelle Mediendienste . Dieser Begriff ist nicht identisch mit dem, was in der Ver­

fassungsinterpretation des Art . 1 GG verstanden wird . Und hätte Herr Ullmann nach der zweiten „Benetton“­Entscheidung des BVerfG nicht die weiße Fahne gehisst, hätte sich m .E . das BGH­Urteil mit einer kleinen Begründungsveränderung, näm­

lich der Analogie zur Verwendung dieses Begriffs im Rundfunkstaatsvertrag, der die Fernsehrichtlinie umgesetzt hat, halten lassen und zwar in verfassungsgerichts­

fester Weise . Es besteht also offenbar auch unter Berücksichtigung des Gemein­

schaftsrechts Bedarf, solche äußersten Grenzen aufzuzeigen . Jochen Glöckner

Ich möchte auf die Aussage von Herrn Peifer zurückkommen, wonach „corporate social responsibility“ in dem Augenblick rechtlich relevant wird, in dem sie über Gütezeichen und dergleichen in die Irreführungsdogmatik eingeht . Dem stimme ich ohne weiteres zu . Daneben klingt aber immerhin durch, dass die „CSR“ an der Schwelle steht, gleichsam die ethisch­sittliche Ausfüllung der Generalklausel zu revitalisieren . Sehen Sie das ante portas? Ein Unternehmen schreibt z .B . auf seiner Website, „Unsere Vision ist Umweltpolitik“ und dann stellt sich heraus, dass bei der Errichtung einer Produktionsstätte in Südamerika der Urwald abgeholzt wurde . Ist das bereits unlauter?

Karl-Nikolaus Peifer

In der Tat sind wir im Bereich der Ordnungsethik bereits bei Dingen, die auch das Wettbewerbsrecht als Bestandteil der Rechtsordnung nicht unberührt lassen kann . Bei der Handlungsethik besteht eine starke Bewegung, derzufolge Handlungsethik im Wettbewerbsrecht nichts zu suchen habe, weil das ein Bereich der Selbstkon­

trolle, nicht nur der Werbeselbstkontrolle, sondern auch der Selbstkontrolle der Unternehmen über Verhaltenskodizes sei . Anders sieht es aus, wenn das Verhalten in die klassischen wettbewerbsrechtlichen Kategorien fällt, insbesondere Irrefüh­

rung . Insofern ist das letzte Beispiel von Herrn Glöckner sehr instruktiv . Es könnte sein, dass die Irreführungsdogmatik noch stärker ausgefeilt werden muss, um für derartige Fälle eine Kategorie zur Verfügung zu stellen; dazu wäre zu fragen, was der Verbraucher wirklich ernst nimmt, wann sich welche Marktentscheidungsfolgen ergeben und wann sie so relevant sind, dass wir das Unternehmen beim Wort neh­

men müssen . Im Ergebnis bleiben wir dann im Wettbewerbsrecht auch im Rahmen der Funktionen des § 1 UWG .

Lauterkeitsrecht: Plädoyer für ein allgemeines