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Lauterkeitsrecht: Plädoyer für ein allgemeines Europäisches Wettbewerbsrecht

B. Begründung eines einheitlichen europäischen Ansatzes im Wettbewerbsrecht

I. Inhaltliches Argument

Das Recht zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs hat eine starke wettbe­

werbliche und marktordnende Komponente und weist insofern eine nahe Verwandt­

schaft zum Kartellrecht auf . Das ist unbestritten19 . Bei genauer Betrachtung verfol­

gen Kartell­ und Lauterkeitsrecht dieselben Schutzzwecke .

1. Die wettbewerbsfunktionale Auslegung des Lauterkeitsrechts

In § 1 UWG wird der wettbewerbliche Schutzzweck als ein „Interesse der Allge­

meinheit an einem unverfälschten Wettbewerb“ genannt . Daneben sind im deut­

schen UWG der Schutz der Verbraucher, der Mitbewerber und der sonstigen Markt­

teilnehmer ausdrücklich erwähnt .

Im europäischen Recht finden sich verschiedene Ansätze zur Schutzzweck­

Bestimmung . So können in der Richtlinie Unlautere Geschäftspraktiken schon in der Präambel mehrere Schutzzwecke identifiziert werden: Verbraucherschutz (Ziff . 1), Förderung grenzüberschreitender Geschäftstätigkeiten (Ziff . 2), unver­

zerrter Wettbewerb (Ziff . 3), Funktionieren des Binnenmarktes (Ziff . 3), Mitbewer­

berschutz (Ziff . 8) . In Art . 1 der Richtlinie wird dann insbesondere auf das Funktio­

nieren des Binnenmarkts und den Verbraucherschutz abgestellt . In der Richtlinie Vergleichende Werbung werden in der Präambel als Schutzzwecke benannt: Unver­

zerrter Wettbewerb (Ziff . 3), Verbraucherschutz (Ziff . 4), Schutz der Gewerbetrei­

benden (Ziff . 4), insbesondere auch der Mitbewerber (Ziff . 9), freier Waren­ und Dienstleistungsverkehr (Ziff . 5) . In Art . 1 der Richtlinie ist der Schutz der Gewer­

betreibenden als Zweck angegeben .

De lege lata ist die Wettbewerbsförderung also sowohl im nationalen Recht (zumindest dem hier herangezogenen deutschen Recht) als auch im europäischen Recht ausdrücklich verankert . Bei einer Auslegung des geltenden Rechts ist der Schutzzweck Wettbewerb also auf jeden Fall mit zu bedenken . Aus dem Gesetz geht nicht hervor, dass der Wettbewerb nur subsidiär oder „reflexartig“ geschützt werden soll20 . Bei den Richtlinien steht der Schutzzweck des Wettbewerbs nicht unmittelbar im Vordergrund21 . Ein Blick auf die Rechtsgrundlage der Richtlinie weist aber den deutlichen Wettbewerbsbezug auch dieser Richtlinien aus: Art . 95 EG, auf den beide Richtlinien gestützt sind, geht von einer Rechtsangleichung aus, die dem Funktionieren des Gemeinsamen Marktes dienen soll . Konstituierend für diesen Markt ist in erster Linie das Wettbewerbsprinzip, wie sich schon aus dem Begriff „Markt“, der Zielbestimmung in Art . 3 Abs . 1 lit . g EG und der gefestig­

ten Definition des Begriffs „Gemeinsamer Markt“ ergibt22 . Weitere Aspekte, etwa Verbraucher­ oder Umweltschutz, können bei der Ausgestaltung der Marktordnung hinzutreten, sind für diese aber nicht konstitutiv .

19 Laut Glöckner, a .a .O . (Fn . 14), S . 460, ist dies erstmals in der Diamantine­Entscheidung des RG von 1936 so angelegt .

20 Vgl . zum alten Recht Ohly, GRUR 2004, 889 (894 f .); Ullmann, GRUR 2003, 817 (821) .

21 Vgl . Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 26 . Aufl . 2008, § 1 UWG Rn . 4 (Aktualisierung) .

22 Vgl . Glöckner in: Hilty/Henning­Bodewig, Law Against Unfair Competition, S . 77 ff .; von der Groeben/Schwarze, EU­/EG­Vertrag, 6 . Aufl . 2003, Art . 308 EG Rn . 156 .

Dies bedeutet: Primär sind die Normen des Lauterkeitsrechts markt­ bzw . wett­

bewerbsfunktional auszulegen, oder, fallbezogen gewendet: Ein Verstoß gegen Lauterkeitsrecht liegt vor, wenn der Wettbewerb geschädigt wird23 . Erst in einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob weitere Interessen betroffen sind . Sollte es hier zu einer Divergenz kommen, ist das Rangverhältnis der Schutzzwecke zu thematisie­

ren .

Diese Sicht zum primären Schutzzweck des Lauterkeitsrechts ist auf drei Über­

legungen gestützt . Erstens: Jede ins Wirtschaftsleben eingreifende Regelung muss in erster Linie die Grundentscheidung akzeptieren, dass die Wirtschaftsordnung marktwirtschaftlich­wettbewerblich verfasst ist und also die größtmögliche Frei­

heitsentfaltung der wirtschaftlich Tätigen anstrebt . Ein Ordnungsverständnis, das dieses Primat der freien Entfaltung nicht anerkennt, würde die Marktwirtschaft verraten . Dies ist ein logisch­systematisches Argument . Zweitens: Der Gesetz­

geber hat dafür auch eine normative Basis geschaffen . Im europäischen Recht ist diese der Rechtsgrundlage Art . 95 EG zu entnehmen . Im deutschen Recht ist in die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit durch Art . 2 Abs . 1 GG i . V . m . Art . 9 und 14 GG geschützt . Eingriffe zugunsten allgemeiner Ordnungsüberlegun­

gen bedürfen immer einer besonderen Rechtfertigung . Die Rechtfertigung von grundsätzlich freiheits sichernden Regeln ist dem Grundrecht immanent wegen des „Freiheitsparadoxons“24: Freiheit darf nicht so weit reichen, die Freiheit wie­

der abzuschaffen . Die Rechtfertigung anderer Ziele allerdings (etwa Verbraucher­

schutz) ist nicht immanent, hier bedarf es also eines erhöhten Begründungsauf­

wands und ggf . des Ausgleichs mit der Wettbewerbsfreiheit . Drittens: Aus rechts­

wissenschaftlicher Perspektive wird die Marktbezogenheit des Lauterkeitsrechts deutlich in der Zuordnung des UWG­Rechts zum Zivilrecht . Die Zivilrechtler eint der Bezugspunkt der Privatautonomie . Es geht im Zivilrecht also immer in ers­

ter Linie um die Freiheitsentfaltung des Einzelnen . Öffentlich­rechtlich orientierte Wissenschaftler betonen hingegen den staatlichen Regelungsanspruch gegenüber dem Individuum . Ihnen geht es um den Eingriff zugunsten bestimmter Ziele der staatlichen Gemeinschaft . Wollen die Zivilrechtler ihrem Grundimpuls treu blei­

ben, müssen sie einer in erster Linie auf die freie Entfaltung gerichteten Interpreta­

tion des Lauterkeitsrechts zustimmen, und das bedeutet ein Bekenntnis zum Markt­

konzept, in dem sich die Privatautonomie verwirklicht, und also zum Wettbewerb . 2. Das Verhältnis des Lauterkeitsrechts zum Kartellrecht

Die wettbewerbsfunktionale Auslegung des Kartellrechts spiegelt sich auch in dem aktuellen Verhältnis zum Kartellrecht . Bei genauer Betrachtung ergeben sich aus diesem weitere inhaltliche Argumente für eine Zusammenfassung der Rechtsmate­

rien unter einem Dach .

23 Vgl . Schünemann in: UWG­Großkommentar, 1994, Einl . Rn . C 1 ff .; ders ., in: Harte­Baven­

damm/Henning­Bodewig, UWG, 2004, § 1 UWG Rn . 1 ff .; Baudenbacher, ZHR 1980, 145;

Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 1 UWG Rn . 35 ff .; Fezer, § 1 UWG Rn . 17 ff .

24 Popper, Die offene Gesellschaft und ihre Feinde, Band II, 1992, S . 145; Fikentscher, Die Frei­

heit und ihr Paradox, 1997, S . 9, 25, passim .

Traditionell wird unterschieden zwischen dem lauterkeitsrechtlichen Anspruch, Individualschutz zu gewähren, und dem Kartellrecht als Institutionsschutz25 . Kar­

tellrecht schütze das „ob“ der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit, Lauterkeitsrecht betreffe das „wie“26 . Schutzzweck der kartellrechtlichen Normen sei der Wettbe­

werb als Institution, davon abgeleitet würden mittels Wettbewerb verschiedene Ziele verfolgt27 . Die Schutzzwecktrias des UWG, die das Interessengemenge des Lauterkeitsrechts normiert, enthält eine Festlegung, die weiter geht als die im Kar­

tellrecht angelegte: Verbraucher­ und Mitbewerberschutz, ja, sogar der Schutz sonstiger Marktteilnehmer werden ausdrücklich und gleichrangig nebeneinander festgehalten .

Nach den Vertretern einer Auffassung ist aufgrund dieser weitergehenden Schutzzweckbestimmung im Lauterkeitsrecht von unterschiedlichen Schutzzwe­

cken im Kartell­ und Lauterkeitsrecht auszugehen28 .

Eine vermittelnde Meinung sieht in Lauterkeits­ und Kartellrecht „sich ergän­

zende Regelungssysteme“29, zwischen denen es Überschneidungen gibt30 . In den (genauer zu definierenden) Überschneidungsbereichen müsse im Wesentlichen von Fall zu Fall eine genaue Prüfung erfolgen, wie die Schutzzwecke zu einander ste­

hen und ob es ein Konkurrenzverhältnis gibt . Die Überschneidungsbereiche wer­

den vor allem beim Einsatz von Marktmacht gesehen, wenn diese eine konkrete Gefahr für den Wettbewerbsbestand begründet31 .

Noch weitergehend ist die Auffassung, dass zwischen Kartell­ und Lauterkeits­

recht lediglich eine künstliche Trennung bestehe – es handle sich eben um Wett­

bewerbsrecht, also um Marktverhaltensregelungen, die den Wettbewerbsbestand sichern sollen . Letztlich gebe es „keine substanziellen Unterschiede“32 . Die Diffe­

renzierung in Lauterkeits­ und Kartellrecht sei vielmehr historisch gewachsen und im Übrigen eine rein deutsche Unterscheidung33 .

Je enger Kartell­ und Lauterkeitsrecht nebeneinander gesehen werden, desto dringlicher stellt sich die Konkurrenzfrage, insbesondere wegen unterschiedli­

cher Sanktions­ und Verfahrensvorgaben . In der Wissenschaft wurde die von Peter Ulmer geprägte „Vorfeldthese“ gegen die Ansicht gestellt, das Kartellrecht entfalte eine Sperrwirkung gegenüber dem Lauterkeitsrecht34

.

Die Vertreter der Vorfeld­These meinen, Lauterkeitsrecht sei das dem Kartell­

recht vorgelagerte Instrument, um solche Probleme zu beseitigen, die „im Vorfeld“

25 Vgl . Köhler, a .a .O . (Fn . 25), 646 m .w .N .

26 Fikentscher, a .a .O . (Fn . 1), 182 .

27 Vgl . Bechtold, GWB, 5 . Aufl . 2008, Einf . GWB Rn . 39 ff .

28 Rehbinder, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, 4 . Aufl . 2007, § 22 GWB Rn . 16; Loewenheim/

Meessen/Riesenkampff, GWB, 2006, § 22 GWB Rn . 17 .

29 Köhler, a .a .O . (Fn . 11), 646 .

30 Vgl . Koppensteiner, WRP 2007, 475 (477) m .w .N .

31 Koppensteiner, a .a .O . (Fn . 30) m .w .N .; Glöckner, a .a .O . (Fn . 14), S . 461 .

32 Köhler, a .a .O . (Fn . 11), 646 .

33 Köhler, a .a .O . (Fn . 11), 646; Alexander, ZWeR 2007, 239 (240) .

34 P. Ulmer, Schranken zulässigen Wettbewerbs marktbeherrschender Unternehmen, 1977; Merz, Die Vorfeldthese, 1988 .

der kartellrechtlichen Eingreifschwellen entstehen, also insbesondere dann, wenn Marktmacht gegeben ist, aber noch keine Marktbeherrschung im Sinne von Art . 82 EG bzw . § 19 GWB35 . Zum Teil wird vertreten, dass wegen der unterschiedlichen Schutzzwecke selbst bei Deckungsgleichheit einzelner Verbotstatbestände UWG wie GWB uneingeschränkt nebeneinander anzuwenden seien36 .

Das Problem dieser These ist, dass sie die jeweiligen Wertungen der Gesetze unterläuft: Wer das Kartellrecht als abschließend anzusehendes „Grundgesetz der Marktwirtschaft“ bezeichnet, mag kaum zulassen wollen, dass es darüber hinaus staatliche Interventionen gibt . Deutlich wird dies etwa an der Frage der Klagebe­

fugnis, die der Gesetzgeber in § 33 und § 34 a GWB anders ausgestaltet hat als in in § 8 und § 10 UWG .

Vertreten wird daher die Theorie von der Sperrwirkung des Kartellrechts gegen­

über dem Lauterkeitsrecht: Das (speziellere) Kartellrecht gehe dem (generalklau­

selartigen) Lauterkeitsrecht vor37 .

Köhler schlägt vor, streng nach dem materiellen Gehalt der jeweiligen Norm zu differenzieren: Wenn sich die Tatbestände des Lauterkeits­ und des Kartellrechts decken, sind beide Normen nebeneinander anwendbar . Wenn der Tatbestand der kartellrechtlichen Norm nicht erfüllt ist, darf die lauterkeitsrechtliche Generalklau­

sel nur eingreifen, wenn besondere unlauterkeitsbegründende Umstände vorliegen, die im Kartellrecht nicht berücksichtigt werden, vom Kartellrecht aber auch nicht ausgeschlossen sind38 .

Der BGH hat sich in der Entscheidung Probeabonnement39 bei Prüfung der Konkurrenz zwischen § 4 Nr . 11 UWG und § 30 GWB für das Kartellrecht ent­

schieden und diesem eine Vorrangwirkung zugeschrieben . Zu entscheiden war über eine Klage von Zeitschriftenhändlern gegen den Verlag des Magazins „stern“ . Der Verlag bot ein Probeabonnement der Zeitschrift an, das den regulären Verkaufspreis im Einzelhandel pro Heft um 40 % unterschritt . Die Kläger rügten dieses Vorgehen des Verlags als unlauter, da der Verlag die in § 30 GWB normierte Preisbindung bei Zeitschriften missbräuchlich handhabe und die vom Verband Deutscher Zeitschrif­

tenverleger erstellten und vom Bundeskartellamt genehmigten Wettbewerbsregeln im Sinne von § 24 GWB missachtete . In diesen war ein maximaler Preisnachlass von 35 % bei Probeabonnements vorgesehen .

Der BGH wies die Klage, die auf „Vorsprung durch Rechtsbruch“ wegen der Verletzung kartellrechtlicher Normen gestützt war, ab . Die abschließende Regelung der Sanktionen im Kartellrecht dürfe nicht durch Lauterkeitsrecht unterlaufen wer­

den, „wenn sich der Vorwurf der Unlauterkeit allein auf die Verletzung eines kar­

35 Nachweise bei Köhler, a .a .O . (Fn . 11), 647 .

36 Rehbinder, in: Immenga/Mestmäcker, § 22 GWB Rn . 16; ähnlich wegen des „grundverschiede­

nen Zugangs“ Glöckner, a .a .O . (Fn . 14), S . 465 .

37 Mestmäcker, Der verwaltete Wettbewerb, 1984, S . 144 .

38 Köhler, a .a .O . (Fn . 11), 647 .

39 BGH GRUR 2006, 773 – Probeabonnement; vgl . die Anm . von Alexander, a .a .O . (Fn . 33);

Emmerich, JuS 2006, 1030 ff .; Wegner, EwiR 2007, 49; Bechtold, WRP 2006, 1162 .

tellrechtlichen Tatbestands stützt“40 . Bei eigenständigen lauterkeitsrechtlichen Tat­

beständen solle dieser Vorrang jedoch nicht gelten41 .

Die Reichweite der Sperrwirkung des Kartellrechts ist auch bei Auswertung dieser Entscheidung noch immer unklar . Der BGH hat nur vordergründig die Mei­

nung gestärkt, die dem Kartellrecht eine Sperrwirkung zuschreibt . Die Sperrwir­

kung wird nämlich lediglich für den Fall von § 4 Nr . 11 UWG bestätigt, also eine Norm, bei der das Unterlaufen der spezialgesetzlichen Sanktionsmechanismen auf der Hand liegt . In Fällen, die eigene lauterkeitsrechtliche Tatbestände beinhalten, akzeptiert der Gerichtshof aber das Nebeneinander von Lauterkeitsrecht und Kar­

tellrecht und erwähnt dafür ausdrücklich die Fälle des Boykotts und der unbilli­

gen Behinderung . So ist aus dieser Entscheidung im Sinne der Meinung von Köh-ler wohl zu lesen, dass es besonderer Umstände bedarf, um das UWG neben dem GWB anwenden zu können . Wenig nachvollziehbar ist freilich, wo gerade bei Boy­

kott und unbilliger Behinderung (zwei im GWB ausdrücklich genannten Fällen) das lauterkeitsrechtliche „Plus“ zu sehen sein soll .

Bemerkenswert ist ein anderer Aspekt der Entscheidung: Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hatte in der Entscheidung Probeabonnement eine kartellrecht­

lich ungewöhnliche Konstellation zu entscheiden: Die ins Feld geführten kartell­

rechtlichen Normen, gegen die verstoßen worden sein sollte, enthielten eigentlich anti­kompetitive Inhalte . § 30 GWB erlaubt systemwidrig die Preisbindung der zweiten Hand für Zeitungen und Zeitschriften, die Wettbewerbsregeln (§§ 24 ff . GWB) enthalten Branchenabsprachen über einzelne Aspekte, die gleichfalls eigentlich eben nicht besonders wettbewerbsförderlich sind . Die Kläger wollten also mit Hilfe des Kartellrechts Wettbewerbsvorstöße unterbinden . Dies hat der BGH nicht zugelassen . In der Substanz hat das Gericht damit den Wettbewerb gefördert, indem er den lauterkeitsrechtlichen Anspruch verneint hat . Darin kann eine Tendenz gesehen werden, auf den materiellen Gehalt des Verhaltens abzu­

stellen statt formelhaft zu würdigen . In diesem Fall wurde dem Schutzzweck Wett­

bewerb dadurch gedient . Möglicherweise ist Probeabonnement ein Indiz für eine auch beim BGH im Vordringen begriffene wettbewerbsfunktionale Auslegung des Lauterkeitsrechts42 . Jedenfalls aber macht diese Entscheidung – wie die gesamte Diskussion – deutlich, dass die Überschneidungen zwischen Lauterkeits­ und Kartellrecht so groß sind, dass eine Zusammenfassung der Rechtsmaterien inhalt­

lich gerechtfertigt ist . Bei durchdachter Ausgestaltung würden sich die Kontro­

versen um diese Abgrenzung erledigen und die Gerichte könnten sich auf die Frage konzentrieren, welche Marktfolgen und Wettbewerbswirkungen ein Verhal­

ten zeitigt .

In der iPhone­Entscheidung wurde das Konkurrenzverhältnis zwischen Lau­

terkeits­ und Kartellrecht nicht thematisiert . Alle Normen werden nebeneinander angewendet, und im einstweiligen Verfahren kam es folglich auch zu einer, soweit

40 Erster Leitsatz BGH, a .a .O . (Fn . 39) .

41 Vgl . Alexander, a .a .O . (Fn . 33), 245 f .

42 Vgl . Glöckner, a .a .O . (Fn . 14), S . 467 mit dem Beispiel Telefonmarketing; Alexander, a .a .O . (Fn . 33), Köhler, a .a .O . (Fn . 32) .

ersichtlich, Bejahung des lauterkeitsrechtlichen, aber Verneinung des kartellrecht­

lichen Anspruchs . Dies ist insofern überraschend, als die Kopplung von Produkten ebenso wie die Beschränkung der Produktwechselmöglichkeiten der Verbraucher klassische Themen des kartellrechtlichen Missbrauchsverbots sind . Hier wurde Lauterkeitsrecht als „kleines Kartellrecht“ angewendet .

3. Europäische Aspekte

Die Diskussion erhält unter europäischen Vorzeichen noch eine weitere Dimension:

In Art . 3 Abs . 3 VO (EG) 1/2003 und § 22 Abs . 4 S . 2 GWB ist eine Konkurrenz­

regel vorgesehen, die das europäische Kartellrecht absichert . Demnach dürfen die Mitgliedsstaaten nicht von den Vorgaben des europäischen Rechts abweichen – es sei denn, dass die einzelstaatlichen Regelungen „überwiegend ein von den Arti­

keln 81 und 82 des Vertrages abweichendes Ziel verfolgen .“

Sollte sich die Auffassung durchsetzen, Lauterkeitsrecht verfolge im Wesentli­

chen die Förderung des Wettbewerbs als Ziel, würde das europäische Kartellrecht also automatisch eine Vorrangstellung verlangen .

Der deutsche Gesetzgeber hat bei Verabschiedung von § 22 GWB festgestellt, das UWG verfolge abweichende Ziele43 . Diese Auffassung ist freilich, wie darge­

legt, weder unumstritten noch besonders gut begründet . Die Auslegung muss sich im Übrigen nach europäischem Recht richten . Dabei ist zu beachten, dass im euro­

päischen Kartellrecht angelegt ist, dass es sich um die abschließende Regelung der Wettbewerbspolitik handelt . Wer über das Kartellrecht hinaus ein rechtliches Instrument schaffen will, um den Wettbewerb speziell zu fördern, müsste begrün­

den, welche Probleme mit Kartellrecht nicht lösbar sind . Kartellrecht enthält näm­

lich ein Bekenntnis zu einer bestimmten Marktordnung . In dieser Marktordnung ist auch die Rolle des Staates angelegt – er hält sich mit weitergehenden Eingrif­

fen zurück und sichert allein die Privatautonomie der Unternehmen ab . Zuzugeben ist, dass der Erlass der Richtlinien zum Lauterkeitsrecht ein Anhaltspunkt dafür ist, dass zumindest die Kommission die Regelungen des Kartellrechts nicht als abschließend betrachtet .