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Ethische Argumente als Verkaufsargumente I. Unternehmensethik als Werbemittel

Lauterkeitsrecht oder rein wirtschaftliche Betrachtungsweise?

E. Ethische Argumente als Verkaufsargumente I. Unternehmensethik als Werbemittel

Wirtschaftsethik wird zunehmend von den Public Relations Abteilungen der Unter­

nehmen in die operativen Bereiche transferiert . Die zunehmende Bewerbung karita­

tiver Aktivitäten von Unternehmen ist nicht nur auf die gelockerte Rechtsprechung in diesem Bereich zurückzuführen .57 Sie ist ein Instrument, um Sympathie bei den prospektiven und aktuellen Kunden zu wecken bzw . zu erhalten . Die CRS erfasst immer mehr Bereiche, so etwa:

– die Betonung einer guten Corporate Governance,

– der Hinweis auf umweltschonendes Verhalten, ressourcenschonende Produkte oder die finanzielle Unterstützung des Umweltschutzes;58

– das Bekenntnis zum Vorgehen gegen die Schattenwirtschaft und zur Beförderung der Steuermoral,

– das Vorgehen gegen Korruption in den eigenen Reihen und im Finanzbereich das Bekenntnis zur Eindämmung von Insiderhandel und Spekulation;

– das Bekenntnis zum diskriminierungsfreien Umgang mit Mitarbeitern, Kunden und Zulieferern,

– die Formulierung von Verhaltensstandards bei der Ausgestaltung der Produk­

tionsbedingungen (Mitarbeiter­, Kinder­ und Tierschutz in der Produktion), – die Formulierung von Standards der Einstellungs­ und Ausbildungspolitik und

familiengerechter Arbeitsbedingungen;

– im Sportbereich das Bekenntnis gegen den Umgang mit Drogen,

57 Allerdings wurde gemutmaßt, dass diese Rechtsprechung sozial­ und kulturpolitisches Engage­

ment von Unternehmen in der Vergangenheit verhindert hat, vgl . Nordemann/Dustmann, in: FS Tillmann, S . 207 (212) .

58 Diese Fallgruppe hat bisher in der lauterkeitsrechtlichen Judikatur eine besondere Rolle ge­

spielt, vgl . die früheren Verbotsfälle KG GRUR 1984, 635 – Ein Baum für Köln (Ford­Händler wirbt damit, für jeden verkauften PKW der Stadt Köln einen Baum zu spenden); OLG Köln WRP 1993, 346 (Hinweis auf Umweltengagement); OLG Stuttgart WRP 1999, 456 – Schoko-lade für die Umwelt (Warensonderaktion von Ritter mit Bezugnahme auf die Unterstützung von Fundraising, das bedrohten Tierarten zugute kommen soll); zur neueren Sichtweise BVerfG GRUR 2002, 455 – Tier- und Artenschutz; BGH GRUR 2006, 75 – Artenschutz .

– der Hinweis auf Sponsoringtätigkeiten im Bereich von karitativen Tätigkeiten59 sowie auf Kunst und Kultur (Mäzenatentum),

– die Einhaltung von Werbestandards (Selbstkontrolle) .

Die Tendenz, sich als ethisch verantwortungsbewusst und um Nachhaltigkeit ernst­

haft bemühtes Unternehmen zu präsentieren, ist nicht neu . In den USA setzte diese Tendenz bereits in den 1960er und 1970er Jahren ein .60 Einer der Auslöser war der Vietnamkrieg, in dessen Verlauf gegen Herstellung und Vertrieb des Entlau­

bungsgifts agent orange durch das Chemieunternehmen Dow Chemical protestiert wurde . Umweltverträgliches, Kinderarbeit meidendes, Arbeitssicherheit und sozia­

len Schutz gewährendes, nachhaltiges Wirtschaften wurde seither immer wieder zum Anlass genommen, zum Boykott gegen Unternehmen aufzurufen, welche gegen diese als Grundregeln moralischen Wirtschaftens angesehenen Regeln ver­

stießen .61 Die Frage, ob das Management eines Unternehmens Teile des den Eigen­

tümern zustehenden Überschusses in den Aufbau eines positiven Erscheinungs­

bildes investieren, ob Umsatzanteile an wohltätige Organisationen weitergegeben werden dürfen, mag man mit gesellschaftsrechtlichen Argumenten des sharehol-der value anzweifeln .62 Die tatsächliche Entwicklung ist darüber hinweggegangen . Die betriebswirtschaftliche Literatur wird nicht müde zu behaupten, dass Tugend ein Marktgut geworden ist, dementsprechend der Erwerb sozialen Kapitals durch Investitionen in die Stärkung dieses Gutes auch unternehmerisch sinnvoll und ertragbringend ist .63

Dieses Bekenntnis ist nicht ohne Gegenstimmen . Eine Untersuchung von Vogel kommt für den Beginn des 21 . Jahrhunderts zu der Einschätzung, dass CRS keines­

wegs ein sicheres oder gar obligatorisches Erfolgsrezept ist, sondern Unternehmen,

59 Vgl . BGH GRUR 1987, 534 – McHappy-Tag („Erlös von jedem verkauften Mc Mac geht voll als Spende an das Deutsche Kinderhilfswerk e .V .“); OLG Hamburg GRUR­RR 2004, 216 – Kindernothilfe („Kaloderma unterstützt die Kindernothilfe e .V .“) .

60 D. Vogel, The Market for Virtue . The Potential and Limits of Corporate Social Responsibility, 2005, S . 6 .

61 Vgl . in Deutschland nur OLG Hamburg, NJW­RR 1998, 1121 (Markenanlehnung in kritischer Absicht: Zu Totenkopf verfremdete Shell­Muschel); und die Bespiele bei Möllers, NJW 1996, 1374­1378 .

62 Die Frage wurde in der Tat thematisiert von A.P. Smith Mfg. Co v. Barlow 13 N .J . 145 = 98 A .2d 581 (N .J . 1953) . Der Supreme Court von New Jersey befand, dass diese Praxis sehr wohl im Einklang mit dem Gesellschafterinteresse stehe, weil Unternehmen ebenso wie Menschen phil­

anthropisch handeln dürften (98 A .2d 581 (586)) .

63 Stellvertretend für viele: Chris Laszlo, The Sustainable Company: How to Create Lasting Value through Social and Environmental Performance, Washington 2003, S . xxiii: “… an integrated economic, social, and environmental approach leads to more enduring shareholder value . (…) It is a long­term strategy, uniquely relevant to the twenty­first century, in which responsible so­

cial change can become a source of innovation and profits rather than added cost .” Bereits 2002 kam eine von PricewaterhouseCoopers durchgeführte Befragung zu der Einschätzung, dass “70 percent of global chief executives believe that CSR is vital to their companies’ profitability”, zitiert bei Vogel, a .a .O . (Fn . 60), S . 20 .

die sich egoistisch verhalten, häufig besser abschneiden .64 In der Beobachtung der tatsächlichen Praxis in den Unternehmen liest man auch die nicht unplausible Ein­

schätzung, dass die Behauptung, korporativ verantwortlich zu handeln, zu „95%

aus Rhetorik und nur zu 5% aus tatsächlichen Handlungen“ besteht .65

Gleichwohl ist unbestritten, dass CSR in einer globalisierten und deregulierten Wirtschaftslandschaft ein Weg ist, um Verhaltensmaßstäbe auch ohne unmittelbare und imperative staatliche Regelung dort durchzusetzen, wo Unternehmen, sei es auch aus eigennützigen Motiven, beginnen, solche Verhaltensmaßstäbe als wett­

bewerbsrelevant anzusehen . Anders formuliert: Nachdem das Lauterkeitsrecht die Zügel für gefühlsbetonte, schockierende und die Spendenbereitschaft des Verbrau­

chers ansprechende Werbung erheblich gelockert hat, hat es die wettbewerbliche Relevanz solcher Werbung gefördert . Damit allerdings ist seine Gestaltungswir­

kung wieder berufen . Denn wenn für den Verbraucher das karitative und soziale Verhalten eines Unternehmens Bedeutung erhält, wird die Werbung mit solchen Verhaltensweisen auch marktentscheidungsrelevant .

II. Lauterkeitsrechtliche Relevanz

Zu den tradierten Kontrollmaßstäben des Lauterkeitsrechts gehört es, irreführende und intransparente Praktiken zu bekämpfen . In diesem Zusammenhang spielt die Werbung mit karitativem Engagement eine Rolle . Prominent hervorgetreten in die­

ser Richtung ist der Fall „Krombacher“ . Die Brauerei warb unter anderem mit fol­

gendem Motiv für die Koppelung eines Warenverkaufs mit dem Versprechen einer Sponsoringleistung:66

64 Vogel, a .a .O . (Fn . 60), S . 45 .

65 Moskowitz, What Has CSR Really Accomplished?, Business Ethics (Mai/Juni/Juli/August 2004), S . 4 .

66 In der Bildunterschrift hieß es unter anderem: „Die Krombacher Regenwald­Aktion läuft vom 01 .05 . bis 31 .07 .2002 . In diesem Zeitraum wird mit jedem gekauften Kasten Krombacher 1m2 Regenwald in Dzanga Sangha nachhaltig geschützt . Dies stellt der WWF Deutschland sicher .“

Erkennbar hat das Engagement keinen Produktbezug .67 Das plakative Versprechen

„Schützen Sie 1m2 Regenwald .“ wurde auch nicht als vertragliche Gegenleistung für den Produkterwerb in Aussicht gestellt oder verstanden . Die entscheidende Frage in solchen Konstellationen lautet letztlich: Genügt jede Form des mit dem Versprechen in Zusammenhang stehenden Engagements? Bejaht man dies und ist das Engagement marktentscheidungsrelevant für den Abnehmer, so wäre ein unter­

lassenes Engagement irreführende geschäftliche Handlung . Die weitere Frage lau­

tet, ob die Werbung Art und Ausmaß des konkreten Engagements näher darlegen muss, um ausreichend transparent zu sein .68 Auch diese Frage hängt davon ab, ob Ausmaß und Art des Engagements für den Kunden und Werbeadressaten marktent­

scheidungsrelevant sind . Der BGH hat die erstgenannte Frage bejaht, die zweite Frage jedoch verneint .69 Eine besondere Aufklärungspflicht will das Gericht erst annehmen, wenn „die Werbung konkrete, für die Kaufentscheidung relevante irrige Vorstellungen hervorruft“ .

Interessant für den vorliegenden Zusammenhang ist, dass der BGH anerkannt hat, dass ein unrichtiges Sponsoringversprechen irreführende Werbung ist . Das folgt nun § 5 Abs . 1 Satz 2 Nr . 4 des UWG 2004, wonach nicht nur Produkt­ und Unternehmenseigenschaften im engeren Sinne, sondern auch „Aussagen oder Sym­

bole, die im Zusammenhang mit direktem oder indirektem Sponsoring stehen“ „zur Täuschung geeignete Angaben“ sein können . Ein begrenztes Potential hat zudem

§ 5 Abs . 1 Satz 2 Nr . 6 UWG, der vorsieht, dass der Hinweis auf die Einhaltung eines Verhaltenskodexes, auf den sich der Unternehmer verbindlich verpflichtet hat, zu den Umständen gehört, über welche irregeführt werden kann .70 Allerdings kommt eine positive Irreführung nur in Betracht, wenn auf eine verbindliche Ver­

pflichtung hingewiesen, diese aber nicht eingehalten wird . Die Crux liegt in dem Attribut „verbindlich“ . Geht man davon aus, dass eine „verbindliche“ Verpflichtung zumindest voraussetzt, dass der Kodex überwacht und die Nichteinhaltung sanktio­

niert wird, so würde man eine eindeutige Verpflichtungserklärung verlangen müs­

sen .71 Die bloß freiwillige Befolgung genügt dann nicht . Immerhin wird § 5 Abs . 1 Satz 2 Nr . 6 UWG flankiert durch ein per se­Verbot in Nr . 1 des Anhangs zu § 3 Abs . 3 UWG,72 der die unwahre Angabe eines Gewerbetreibenden, zu den „Unter­

zeichnern“ eines Kodexes zu gehören, für ohne weiteres unlauter erklärt . Auch hier muss es sich jedoch um eine ausdrückliche Angabe handeln, das bloße Er­

wecken des Eindrucks, man verhalte sich kodexgetreu, genügt nicht .

67 Darauf kommt es in der Tat nicht mehr an, vgl . nur BGH, a .a .O . (Fn . 58), Rn . 18 .

68 So OLG Hamm NJW 2003, 1745 = GRUR 2003, 975 . Der Verfasser ist Mitglied des entschei­

denden Senats, war jedoch an der Entscheidung selbst nicht beteiligt .

69 BGH GRUR 2007, 247, Rn . 23 – Regenwaldprojekt; vgl . auch Rn . 29 (zur Irreführung) .

70 Damit dürfte die Kritik überholt sein, die davon ausging, dass die Einhaltung von Verhaltens­

kodizes aus Sicht des Verbrauchers keinen marktentscheidungserheblichen Umstand darstellt, vgl . insoweit Lettl, Der lauterkeitsrechtliche Schutz vor irreführender Werbung in Europa, 2004, S . 32; Seichter, WRP 2005, 1087 (1095) .

71 Fezer/Peifer, UWG, § 5 Rn . 399 und 400; Dreyer, WRP 2007, 1295 (1297) .

72 Flankiert wird das Verbot durch Nr . 3 des Anhangs, wonach die unwahre Angabe, ein Verhal­

tenskodex sei von einer öffentlichen oder anderen Stelle gebilligt, als per se unlauter gilt .

Größeres Potential gibt es im Bereich der irreführenden Unterlassung . Hier ist der Gestaltungsspielraum für die Gerichte noch groß . Zu klären ist hier, ob es ein anerkennenswertes Interesse des Kunden daran gibt, über die Eigenschaften der immateriellen Zusatzleistung (= Sponsoring) hinreichend aufgeklärt zu wer­

den . Während man zum UWG 2004 noch argumentieren konnte, dass das UWG eine allgemeine Aufklärungspflicht nicht kennt,73 wird dieses Argument zum UWG 2008 problematisch . Jedenfalls im Rahmen des neuen § 5a Abs . 3 UWG, der auf euro päische Grundlagen zurückgeht (Art . 7 RL 2005/29/EG), ist der Katalog der Informationspflichten erheblich ausgeweitet worden . Sponsoringbehauptungen können in der Verbraucherwerbung relevant werden, wenn sie zu den „wesentli­

chen Merkmalen der Ware oder Dienstleistung“ gehören (§ 5a Abs . 3 Nr . 1 UWG) . Davon wird man beim Sponsoring als Zusatzleistung ausgehen können, wenn man argumentiert, dass der werbende Unternehmer eine zusätzliche Leistung verspricht, nämlich die bestimmungsgemäße Weiterleitung eines Umsatzanteils zugunsten eines Hilfsprojektes .74 Es liegt nicht völlig fern davon auszugehen, dass diese Zusatzleistung ihrerseits wesentliche Merkmale aufweist, die – in Verbraucheran­

geboten nach § 5a Abs . 3 UWG – anzugeben sind . Zudem enthält § 5a Abs . 1 UWG 2008 (wie auch bereits § 5 Abs . 1 Satz 2 UWG 2004) das Gebot, über alle markt­

entscheidungserheblichen Umstände aufzuklären . Je stärker das Umwelt­ oder Sozialengagement Eingang in die Kaufüberlegungen des Kunden findet, desto eher wird die Rechtsprechung bereit sein müssen, über einen solchen Umstand Auf­

klärung bereits in der Werbung zu verlangen .75

Insgesamt hat das Recht der Irreführung und der Transparenzherstellung die Unternehmensethik damit deutlich auf dem Radarschirm . Die Sichtweise ist wohl auch angemessen . Wenn es nämlich zutrifft, dass CRS „zu 95% Rhetorik und nur zu 5% Handlung“ ist, so muss das UWG privatrechtsregulierend (oder koregulie­

rend) durch die Mittel des Täuschungsschutzes tätig werden .76

Im Ergebnis zeigt sich, dass das UWG Instrumente zur Verfügung stellt, um CRS als Konzept beim Wort zu nehmen . Die Gerichte müssen damit nicht auf Kon­

zepte der Moral und des Anstands zurückgreifen . Der neue Weg ist wettbewerbs­

systemkonform . Er akzeptiert, dass es Handlungsethik gibt, die noch nicht Ord­

nungsethik ist, macht das ethisch motivierte Verhalten aber über sekundäre Krite­

rien wie Irreführung und Transparenz rechtlich überprüfbar .

73 So BGH, a .a .O . (Fn . 69) .

74 In diese Richtung Köhler, GRUR 2008, 281 (284) (zu § 5 Abs . 1 Satz 2 Nr . 2 UWG 2008) .

75 So Nordemann/Dustmann, in: FS Tillmann, S . 207 (217): „Stellt der Unternehmer sein soziales Engagement werblich heraus, so muss er den Verbraucher eindeutig über Umfang und Anlass des Engagements aufklären .“

76 So auch Vogel, a .a .O . (Fn . 60), S . 15: „While civil regulation has forced some improvements in corporate practices, for it to have greater impact public regulations must also be strengthened .“