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Auswirkungen auf die rechtliche Beurteilung der Werbeblockierung

Im Dokument Der Schutz vor unerwünschter Werbung (Seite 167-0)

Teil I Einleitung

B. Auswirkungen auf die rechtliche Beurteilung der Werbeblockierung

Die grundsätzliche Feststellung des Fehlens einer rechtswidrigen Persönlichkeitsverletzung und der damit im Zusammenhang stehenden Lauterkeit der von Medienunternehmen verwen-deten Werbeformen wirkt sich nicht unmittelbar auf die rechtliche Beurteilung von Werbeblo-ckern selbst aus. Denn so geht es innerhalb dieser Beurteilung vorrangig um die Beziehung zwischen Werbendem und Werbeblocker-Betreibern. Das Persönlichkeitsrecht der Beworbe-nen dient innerhalb einer Interessenabwägung nur als richtungsweisend, aber nicht notwendi-gerweise als richtungsentscheidend.

Werbeblocker – eine rechtliche Untersuchung

§ 1 Gang der rechtlichen Untersuchung

Den Untersuchungsgegenstand bilden Werbeblocker im Allgemeinen. Fernseh- und Werbeblo-cker unterscheiden sich zwar in ihrem technischen Funktionsumfang, für die rechtliche Bewer-tung hat dies jedoch nur marginale Abweichungen zur Folge, auf die sodann jeweils eingegan-gen wird.

Einleitend wird auf die unterschiedlichen Adblockervarianten eingegangen und deren Funkti-onsumfang geschildert. Die darauffolgende Untersuchung der rechtlichen Zulässigkeit bemisst sich nach dem Lauterkeits-, Urheber-, Delikts- sowie Kartellrecht. Auf dieser Ebene werden die bisherigen Rechtsansichten der Rechtsprechung und Literatur dargestellt. Darauf wird in einem eigenen Ansatz, unter Beachtung oben gemachter Erwägungen bezüglich der Direktwer-bung und den betroffenen Parteiinteressen, die Zulässigkeit und Notwendigkeit von Werbeblo-ckern untersucht und kritisch mit den zuvor dargestellten Ansichten verglichen.

Der Schwerpunkt der rechtlichen Untersuchung liegt auf § 4 Nr. 4 und § 4a UWG. Entscheidend ist die bei § 4 UWG vorzunehmende Interessenabwägung sowie die Herangehensweise zum

„Hindernis nichtvertraglicher Art“ und der „unzulässigen Beeinflussung“ im Sinne des § 4a

Abs. 2 Nr. 4 UWG. Im Hinblick auf die urheberrechtliche Zulässigkeit ist sowohl auf die Werks- als auch die Eingriffsqualität einzugehen. Im Anschluss daran sollen die deliktsrechtli-chen Normen untersucht werden, die von den bereits zum Lauterkeitsrecht gemachten Erwä-gungen getragen werden. Abschließend erfolgt sodann noch eine kartellrechtliche Untersu-chung, wobei hier insbesondere auf die Voraussetzungen der kartellrechtlich relevanten Schwelle der Marktbeherrschung und der relativen Marktmacht im Sinne der §§ 18 ff. GWB einzugehen ist.

§ 2 Begriffliche und technische Einordnung A. Fernseh-Werbeblocker

I. Fernsehfee der TC Unterhaltungselektronik AG

Bereits 1999 war es durch ein Vorschaltgerät dem Fernsehzuschauer möglich, ungeliebte Wer-bespots auszublenden. Das Gerät mit dem Namen „Fernsehfee“ von der TC Unterhaltungs-elektronik AG erlaubte dem Fernsehzuschauer, nach Anschluss an den Fernseher mittels der

“Spot-Stop-Funktion” die automatische Ausblendung von Werbung aus dem laufenden Pro-gramm vorzunehmen. Das Gerät erhielt man für einen Kaufpreis von 299,00 DM und den Ser-vice gegen ein monatliches Entgelt von 4,00 DM.724

Fast zwei Jahrzehnte später vertreibt nun dasselbe Unternehmen die Fernsehfee 3.0.725 Die ak-tuelle Fassung der Fernsehfee ist eine zum Preis von 129,00 € mit Quad-Core Prozessor betrie-bene physische Fernsehererweiterung, die basierend auf dem Android Betriebssystem die Mög-lichkeit bieten soll, als Live-TV-Werbeblocker zu fungieren.726 Der Funktionsumfang zur ers-ten Iteration unterscheidet sich dabei nicht wesentlich.

Die Fernsehfee 3.0 ist als Vorschaltgerät konzipiert, welches zwischen das Fernsehempfangs-gerät und den Receiver geschaltet wird. Das vom vorhandenen Receiver an den Fernseher ge-sendete Bild des Fernsehsenders wird vom gege-sendeten Bild der Fernsehfee als Overlay über-blendet, sodass einerseits das gewöhnliche Fernsehprogramm zu sehen ist und andererseits die Bedien- und Informationsoberfläche des Werbeblockers. Hierüber kann unter anderem die Werbeblocker-Funktion727 gesteuert werden. Das Gerät kennzeichnet dem Nutzer in einer Sen-derliste die Programme, die zum derzeitigen Zeitpunkt Werbung anzeigen. Eine rote Ampel

724 Beitrag „Fernsehfee“, abrufbar unter: https://www.spiegel.de/wirtschaft/stichwort-fernsehfee-a-48917.html;

Ladeur, GRUR 2005, 559.

725 S. die Webseite www.fernsehfee.de.

726 Vergleiche die Produktbeschreibung auf www.fernsehfee.de.

727 Das dazugehörige Patent, das der TC Unterhaltungselektronik AG erteilt wurde „Verfahren zum Umschalten von TV-Signalquellen für Kabelkopfstationen“ ist unter Az. 100 63 395.1 im Register des DPMA zu finden.

neben dem Sender signalisiert Werbung, eine grüne Werbefreiheit. Die Information über den Werbeinhalt wird der Fernsehfee händisch durch Mitarbeiter über eine bestehende Internetver-bindung mitgeteilt. Startet ein Werbeblock während des laufenden Programms, hat der Nutzer verschiedene Handlungsmöglichkeiten: Entweder wird die Audioausgabe des Programms wäh-rend der Werbepause stumm geschaltet oder für die Dauer der Unterbrechung wird auf ein zu-vor festgelegtes „Lieblingsprogramm“ gewechselt. Zappt der Nutzer durch die verschiedenen Programme auf der Suche nach einem interessanten Programminhalt, so werden automatisch Sender nicht berücksichtigt, auf denen zu der Zeit Werbung angezeigt wird. Der Betreiber der Fernsehfee beabsichtigt laut eigenen Angaben, bis zu 95 % der populärsten „gesehenen Sender“

auf Werbeblöcke zu überprüfen.728 Insgesamt bietet die Fernsehfee damit eine Leistung an, die sonst vom Fernsehzuschauer selbst vorgenommen werden müsste, wenn er keine Werbung se-hen wolle. Die Fernsehfee automatisiert diese Handlung für ihn.

II. Hopper von Dish Network

Wirft man einen Blick in die USA, zeigt sich, dass dort ein anderer Lösungsansatz verfolgt wird. Das Medienunternehmen Dish Network bietet den Kunden den sogenannten „Hopper“

an. Der Hopper ist ein digitaler Videorecorder, der durch mehrere Funktionen das Fernseher-lebnis seiner Nutzer verbessern soll. Eine dieser Funktionen ist das sogenannte „Autohop“. Au-tohop soll dem Nutzer ein werbefreies Fernseherlebnis bieten – allerdings mit Einschränkun-gen. Autohop zeichnet Sendungen zeitversetzt auf, um sie im Nachhinein dem Kunden voll-ständig befreit von Werbeblöcken schauen zu lassen.729 Dish zeichnet dabei lediglich die Sen-dung auf, ohne diese an sich zu bearbeiten. Danach wird dem Hopper mittels einem via Internet übertragenem Signal mitgeteilt, an welchen Stellen Werbeblöcke vorliegen, sodass die Auf-nahme daraufhin automatisch Werbeblöcke überspringen kann. Es besteht aber weiterhin die Möglichkeit, die Werbung zu sehen, indem man das Überspringen unterbindet. Einschränkun-gen bestehen insoweit, dass nur SendunEinschränkun-gen aus der Primetime, welche Dish zuvor auswählt, angeboten werden. Werbeblöcke, die außerhalb der Primetime liegen, sind daher mit Autohop nicht überspringbar. Zudem wird auch hier keine programminterne Werbung ausgeblendet. Der Autohop ermöglicht wie die Fernsehfee ebenfalls nur die Automatisierung eines Vorgangs (hier das Vorspulen), der dem Zuschauer zuvor händisch möglich gewesen ist.730

728 S. den Versionsvergleich und die Bedienungsanleitung, abrufbar unter: http://www.fernsehfee.de/versionsver-gleich-fernsehfee-20-und-30.html; http://www.fernsehfee.de/downloads/bedienungsanleitungfernsehfee.pdf.

729 Vgl. „AutoHop“-Funktion auf der Produktseite von Dish, https://www.dish.com/hopper-3/.

730 Vgl. zur juristischen Auseinandersetzung Fox Broad. Co. v. Dish Network, LLC, 905 F.Supp.2d 1088 (C.D.Cal.2012).

III. Stellungnahme

Zur technischen Funktionalität beider Blockervarianten fällt auf, dass keine der genannten Vor-richtungen das Sendesignal der Fernsehsender verändert, manipuliert oder in einer sonstigen Weise hierauf einwirkt. Stattdessen wird innerhalb der Sphäre des Konsumenten ein Gerät zwi-schengeschaltet, das Nutzerhandlungen automatisiert. Die Automatisierung rührt dabei noch von der Nutzerhandlung her, wenn dieser die Geräte installiert oder sich der Dienstleistungen bedient. Dies wird auch unter rechtlichen Gesichtspunkten Berücksichtigung finden müssen.

IV. Blockade programmexterner Werbung

Durch die zeitliche Trennung von Programminhalt und Werbung kann programmexterne Wer-bung durch Umschalten oder durch zur Hilfenahme eines Werbeblockers als technischem Hilfs-programm umgangen werden. Hierzu wird zum Zeitpunkt des Werbespots umgeschaltet, der Ton ausgestellt oder das Bild geschwärzt. Ob das Umschalten händisch oder automatisiert er-folgt, ist irrelevant, da beide Verfahren in gleicher Weise zur Vermeidung von Werbespots geeignet sind. An ihre Grenzen stößt zumindest die Fernsehfee bei der Blockierung einzeln gesendeter Werbespots, die nicht innerhalb eines Werbeblocks gesendet werden. Denn bis diese von einem Mitarbeiter als solche erkannt sind und dem Gerät des Fernsehzuschauers mitgeteilt werden, ist davon auszugehen, dass das automatische Umschalten für einige Sekunden stören-der ist, als den Werbespot durchlaufen zu lassen.

Im Hinblick auf das Sendungssponsoring bedarf es einer differenzierten Betrachtung. Der Sponsorhinweis kann vor und nach der Sendung platziert sein.731 Für das Blockieren ergibt sich dabei für vor und nach der Sendung gezeigte Sponsorenhinweise nichts anderes als bei obiger Spotwerbung. Durch das Umschalten oder den Einsatz eines Werbeblockers, der ein Signal zum Umschalten empfängt, kann eine Rezeption des Hinweises verhindert werden. Erfolgt der Sponsorhinweis allerdings während der Sendung – möglichst noch durch Einblendung in das redaktionelle Programm – ist ein Blockieren durch Umschalten aufgrund der kurzen Dauer des Sponsorenhinweises von ca. 5 – 10 Sekunden nicht mehr möglich, ohne dabei das redaktionelle Programm zu verpassen.

V. Blockade programmintegrierter Werbung

Programmintegrierte Werbung, bei der das Trennungsprinzip nicht mehr in zeitlicher, sondern nur noch durch eine räumliche Trennung gegeben ist, kann aufgrund der engen Verknüpfung

731 EuGH, MMR 2016, 626 (628), erlaubt einen Sponsorhinweis auch während der Sendung.

von Inhalt und Werbung mit den heute gegebenen Techniken zumindest in Echtzeit nicht blo-ckiert werden. Wird Werbung beispielweise in Teilbelegung neben der Sendung ausgestrahlt, so ist es zwar möglich, mittels eines Werbeblockers das Bild als Ganzes auszuschalten, aller-dings kann nicht der programmintegrierte Werbeteil ausgeblendet werden und der Programm-teil beibehalten werden. Dies ist lediglich durch einen Werbeblockerdienst möglich, der das Programm aufzeichnet, um es nachfolgend dem Nutzer in bearbeiteter Form befreit von Wer-bung wieder zur Verfügung zu stellen. Ein solcher Dienst existiert nicht.

VI. Zwischenergebnis

Festzuhalten ist, dass nicht jede Fernsehwerbung vom Inhalt getrennt und ausgeblendet werden kann. Insbesondere programmintegrierte Werbung kann derzeit nicht auf Kosten des redaktio-nellen Inhalts herausgefiltert werden.

Was bei vorangegangen Ausführungen auffällt, ist der Zusammenhang zwischen Filtermög-lichkeit und rundfunkrechtlichem Trennungsgebot. Nur wenn das Trennungsgebot in zeitlicher Sicht gewahrt ist, kann Werbung zum derzeitigen Stand der Technik erfolgreich ausgeblendet werden. Die zurzeit gängigste und möglicherweise auch wichtigste Werbung in Form der Spot-werbung ist mit Geräten wie der „Fernsehfee“ und dem „Hopper“ jedoch leicht zu umgehen.

Folglich besteht die Möglichkeit, dass bei einer starken Verbreitung von Fernseh-Werbeblo-ckern – durch beispielsweise einer Kooperation eines Fernseherherstellers mit der Fernsehfee – das bestehende Geschäftsmodell stark beeinträchtigt werden kann.

B. Internet-Werbeblocker

Die Menge an Werbung, die damit verbundene Ressourceninanspruchnahme sowie die Gefahr Schadsoftware herunterzuladen, haben zum Verdruss der Beworbenen geführt. Als Gegenbe-wegung heraus bedienen sich derzeit in Deutschland bis zu 29 % der Internetnutzer eines Ad-blockers, um suggestive und ressourcenhungrige Werbung zu vermeiden und ihre Selbstbe-stimmung im Internet zu wahren.732 Nach Prognosen ist dies dennoch nur der Anfang. Wenn sich Adblocking auf dem Smartphone durchsetzt, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass mehr als die bisherigen 1 % der deutschen Nutzer mobil Vorkehrungen treffen werden.733

732 „PageFair 2017 Adblock Report“, S. 8, abrufbar unter: https://pagefair.com/downloads/2017/01/PageFair-2017-Adblock-Report.pdf; Beitrag „BVDW-Messung: Adblocker-Rate liegt bei 19,92 Prozent“: der OVK teilt mit, dass im Q1 2017 19,92 % der Online-Display-Werbung in Deutschland blockiert wurde, abrufbar unter:

https://www.bvdw.org/der-bvdw/news/detail/artikel/bvdw-messung-adblocker-rate-liegt-bei-1992-prozent-4/.

733 Vgl. Prognose von „PageFair 2017 Adblock Report“, S. 5, 9, abrufbar unter: https://pagefair.com/down-loads/2017/01/PageFair-2017-Adblock-Report.pdf; sobald Adblocking populärer oder sogar bereits nativ mit

I. Historische Entwicklung

Während es 1999 mit dem Webwasher734 lediglich einen Werbeblocker auf dem deutschen Markt gab, finden sich derzeit mehrere dutzend Anbieter von Werbeblockern auf den Endgerä-ten der Nutzer wieder. Weltweit existieren derzeit 615 Millionen Geräte, die eine Blockertech-nologie einsetzen.735 Das jährliche Wachstum betrug zwischen Dezember 2015 und Dezember 2016 142 Millionen Geräte.736 Hinzu kommt, dass die Entwickler von Google Chrome ihren Browser seit 2018 mit einem standardmäßig aktiviertem Adblocker ausliefern, der ausschließ-lich Werbung zulassen soll, die sich an den „Better Ads Standard“ hält.737 Google Chrome hat Stand März 2020 einen Marktanteil von 63,69 % weltweit.738

z. B. dem nächsten iOS ausgeliefert wird, was gerade im Hinblick auf Apples und Alphabets Konkurrenzverhält-nis denkbar ist, kann die mobile Adblocking Rate schlagartig ansteigen. Apples Geschäftsmodell basiert auf der Bereitstellung und dem Verkauf von Soft- und Hardware, während Alphabet seine größten Umsätze im Werbe-markt generiert.

734 Artikel über Webwasher, abrufbar unter: https://de.wikipedia.org/wiki/Webwasher.

735 Pagefair 2017 Adblock Report, S. 5, https://pagefair.com/downloads/2017/01/PageFair-2017-Adblock-Re-port.pdf.

736 Vgl. Pagefair 2017 Adblock Report, S. 5, abrufbar unter https://pagefair.com/downloads/2017/01/PageFair-2017-Adblock-Report.pdf.

737 Beitrag “Building a better web for everyone”, abrufbar unter: https://www.blog.google/topics/journalism-news/building-better-web-everyone/.

738 Daten abrufbar unter: http://gs.statcounter.com/#all-browser-ww-monthly-201512-201603.

21.000.000 30.000.000 39.000.000 54.000.000

Abbildung 3 Entwicklung der Zahl an Geräten, die eine Werbeblocker-Technologie einsetzen (weltweit), (Quelle: Pa-geFair 2017 Adblock Report, abrufbar unter: https://pagefair.com/downloads/2017/01/PaPa-geFair-2017-Adblock-Re-

https://pagefair.com/downloads/2017/01/PageFair-2017-Adblock-Re-port.pdf)

Der Popularitätsanstieg von Adblockern führte zum zuletzt häufig auftretenden gesellschaftli-chen Diskurs über sowohl ethische als auch rechtliche Probleme.739 Während die eine Seite die Position vertritt, sich nur das ansehen zu müssen, was sie auch wirklich sehen will – was in diesem Fall eben der Wunsch sei, keine Werbung zu sehen740 – beruft sich die Gegenansicht darauf, dass ein solches Verhalten „asozial“ und „schmarotzerhaft“ wäre741, denn so würden die Wirtschaftsmodelle der Internetseiten in existenzgefährdender Weise behindert werden, während der Nutzer die Inhalte kostenlos konsumieren könne.

Diese Bedrohung der Werbefinanzierung wurde sodann zum Anlass der Medienunternehmen genommen, den Konflikt auf die rechtliche Dimension auszuweiten, sodass erste Gerichte 2015 über die Zulässigkeit der Blocker urteilten.

II. Formen von Internet-Werbeblockern

Alle Adblocker haben gemein, dass sie dem Nutzer eine Lösung für das Problem unerwünschter Werbung im Internet anbieten. Unterschiede treten jedoch in der technischen Herangehens-weise auf. Werbeblocker können auf unterschiedlichen Ebenen in den Datenverkehr zur Wer-befilterung eingreifen. Werbung kann bereits auf Netzwerkebene des Internetproviders blo-ckiert werden oder aber erst mit Hilfe einer Erweiterung im Browser des Nutzers.742 Aber auch mit Hilfe der Konfiguration eines Virtual Private Network (VPN), der DNS-Filterung oder ei-nes HTTP Proxy ist die Werbefilterung möglich. Je nach Blocker können unterschiedliche Wer-beformen blockiert werden. Unabhängig davon lassen sich alle Adblocker zunächst entweder als „vollständige“ oder „differenzierende“ Adblocker einstufen, sodass sich die Arbeit zunächst dieser groben Unterscheidung widmet.

739 Auf dem Medienforum in Köln diskutierten Politiker und Medien, ob die Kompetenzen der Medienregulierer neu sortiert werden müssen. Ein Thema dabei waren auch die immer stärker vertretenen Adblocker. Ausgangs-punkt der Diskussion waren zahlreiche Beschwerden von Verbänden der Medienindustrie. Sie sehen einen rechts- und medienpolitischen Bedarf für ein gesetzliches Verbot von Adblockern, abrufbar unter:

https://www.heise.de/newsticker/meldung/Medienforum-Eine-Regulierung-fuer-alle-2194519.html.

740 Hoeren erklärt gegenüber der F.A.Z. warum er einen Internet-Werbeblocker benutzt, abrufbar unter:

https://community.beck.de/2015/10/12/der-adblocker-eine-antwort-auf-den-offenen-brief-der-faz.

741 Artikel „Leute, die Werbeblocker einsetzen, finde ich asozial“, abrufbar unter: https://www.mobilege-eks.de/artikel/leute-die-werbeblocker-einsetzen-finde-ich-asozial/.

742 Beispielhaft Adblock Plus, Adblock, Blockr; die Browser „Opera“ und „Brave“ haben nativ einen Werbeblo-cker eingebaut.

1. Unterschiede zwischen vollständigen und differenzierenden Werbeblockern

Vollständige Werbeblocker unterscheiden sich von differenzierenden dadurch, dass sie keine Whitelist743, sondern nur eine Blacklist744 implementiert haben. Unter deutschen Adblockernut-zern ist die länderspezifische Blacklist „EasyList Germany“745 am verbreitetsten. Diese Daten-bank umfasst tausende Filterregeln, die vorschreiben, welche Adressen nicht auf den Browser des Nutzers heruntergeladen werden sollen. Neben der EasyList Germany kann der Adblock-Nutzer auch seine eigenen Filterregeln implementieren, indem er entweder händisch eine Fil-terregel eingibt oder im Browser per Klick bestimmte Elemente der Liste hinzufügt. So ist es dem Nutzer möglich, sich eine Internetseite individuell zu gestalten und wirklich nur die Ob-jekte anzuzeigen, die erwünscht sind.746

Adblocker, die sowohl eine Blacklist als auch eine Whitelist nutzen, nennen sich differenzie-rende Adblocker, da sie anders als vollständige Blocker bei der Blockierung zwischen Werbe-inhalten unterscheiden.747 Während in der Blacklist zu filternde Elemente vorgehalten werden, definiert die Whitelist Ausnahmen von jener Filterung, sodass Inhalte, die eigentlich der Sperr-liste zugehörig wären, dennoch beim Nutzer angezeigt werden.

Zu unterscheiden sind hier zwei Formen des differenzierenden Adblockings: Erstens gibt es Werbeblocker, die es ihren Nutzern erlauben, für individuelle Seiten eine Ausnahme von der Filterung in nutzereigene Whitelists einzutragen. Zweitens existieren auch White- bzw. Aus-nahmelisten, die von dem Adblock-Anbieter selbst kuriert werden und von vornherein mit dem Werbeblocker-Programm vertrieben werden, sodass ohne Zutun des Nutzers bereits nicht mehr alle Werberessourcen herausgefiltert werden. Beide Varianten unterliegen jedoch der autono-men Entscheidung des Nutzers. So bleibt dem Nutzer stets die Wahl, das Whitelisting zu deak-tivieren oder zu modifizieren. In beiden Konstellationen ist daher auch das Nutzerinteresse in der rechtlichen Bewertung zu berücksichtigen.

743 Auch Weiße Liste oder Ausnahmeliste.

744 Auch Schwarzliste oder Sperrliste.

745 Vgl. www.easylist.to.

746 Zum Beispiel „Element Hiding Helper für Adblock Plus“, der das Erstellen von Regeln zum Verstecken von Elementen erleichtert, abrufbar unter: https://adblockplus.org/de/elemhidehelper.

747 Weiße Liste auf wikipedia.org, abrufbar unter: https://de.wikipedia.org/wiki/Weiße_Liste: bezeichnet in der Informationstechnik – im Gegensatz zu einer schwarzen Liste – ein Werkzeug, mit dessen Hilfe gleiche Ele-mente (wie zum Beispiel Personen, Unternehmen oder Programme) zusammengefasst werden, welche nach Mei-nung der Verfasser der Liste vertrauenswürdig sind.

Der bekannteste differenzierende Werbeblocker ist Adblock Plus von der Firma Eyeo748. Für das Whitelisting verwendet Adblock Plus einen Kriterienkatalog, wonach „akzeptable Wer-bung“ gegen eine Umsatzbeteiligung zugelassen werden kann.749 Die Zulassung von Unterneh-men erfolgt dabei nach einer Prüfung durch Adblock Plus aufgrund einer Vereinbarung mit dem Webseitenbetreiber. Wird sich auf die Zusammenarbeit zwischen Medienplattform und Adblock Plus geeinigt, so wird zunächst in einer Testphase festgestellt, welche finanziellen Auswirkungen die Freischaltung der zuvor blockierten Werbeinhalte für das Unternehmen hat.

Der festgestellte Umsatz dient sodann als Bemessungsgrundlage der durch das Unternehmen zu zahlenden Vergütung. In der Regel erhält Adblock Plus 30 % des Werbeumsatzes. Bei klei-neren und mittleren Unternehmen erhebt Adblock Plus nach eigenen Angaben keine Vergü-tung.750 Nach Einigung über die Vergütung werden exemplarische Werbebeispiele der akzep-tablen Werbung in ein Forum auf der Homepage von Adblock Plus eingestellt. Hier dienen sie als Diskussionsgrundlage für die Forum-Besucher. Insofern keine Bedenken bestehen, erfolgt eine Aufnahme in die Whitelist. Beachtenswert ist, dass in der Vereinbarung keine Verpflich-tung enthalten ist, dass die werbende Medienplattform zukünftig ausschließlich „akzeptable Werbung“ schaltet.751

Noch einen Schritt weiter geht der Browser „Brave“752. Brave ist ein Browser, der nativ eine Adblock-Funktion integriert. Anders als die Konkurrenz blockiert Brave jedoch nicht nur die Werbung, sondern spielt stattdessen nach bestimmten Maßstäben als angemessen geltende Werbung aus seinem eigenen Werbenetzwerk auf die geblockte Bannerfläche der fremden In-ternetseite auf. Die Werbung wird somit erst blockiert und dann ersetzt. Dieses Vorgehen setzt jedoch die vorherige Zustimmung der Nutzer voraus. Liegt diese nicht vor, wird Werbung le-diglich blockiert. Die wirtschaftlichen Interessen sind hier ähnlich. Während Adblock Plus ver-sucht, mittels der Whitelist an der Umsatzbeteiligung der Medienunternehmen zu partizipieren, wendet Brave sich unmittelbar an den Werbekunden mit dem Angebot, seine Werbemittel über Braves hauseigenes Werbenetzwerk an die Internetnutzer zu verbreiten. Im Unterschied zu Ad-block Plus hat das Medienunternehmen keine Möglichkeit mehr, seine Werbeflächen freizu-kaufen.

748 Internetseite von Adblock Plus: https://adblockplus.org.

749 Erläuterung der „Acceptable Ads“: https://adblockplus.org/de/features#acceptable.

750 Vgl. OLG Köln, GRUR 2016, 1082 (1082).

751 Vgl. OLG Köln, GRUR 2016, 1082 (1082 f.).

752 Vgl. die Informationen auf www.brave.com.

2. Grundlagen zur technischen Funktionsweise des Internets

2. Grundlagen zur technischen Funktionsweise des Internets

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