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Charakteristika medienfinanzierender Werbung

Im Dokument Der Schutz vor unerwünschter Werbung (Seite 25-31)

Teil I Einleitung

D. Charakteristika medienfinanzierender Werbung

Bei medienfinanzierender Werbung handelt es sich zumeist um Massenwerbung. Bereits ge-nannte Werbeträger wie Fernseh- und Webseitenwerbung zielen darauf ab, ein möglichst gro-ßes Publikum anzusprechen, das zwar auch teilweise aufgrund von Daten spezifisch ausgewählt wird, jedoch nicht den Grad an Individualität erreicht, wie dies bei Direktwerbung der Fall ist.

Auch der Handlungsschwerpunkt, der zur Werbesuggestion führt, ist bei medialer Werbung ein anderer als bei Direktwerbung. So liegt der Schwerpunkt bei medialer Werbung zumeist beim Beworbenen, wenn dieser im Wissen um die Möglichkeit der Suggestion von Werbung sich dieser trotzdem freiwillig aussetzt, indem er die Öffentlichkeit, Fernsehsender, Kinofilme oder das Internet aufsucht. Der Werbende ist hier derjenige, der etwas zum Zugriff für andere be-reitstellt, namentlich die Medienplattform. Er errichtet eine Werbequelle, sei es durch das Schalten von Werbebannern auf Internetseiten oder durch das Aufhängen von Werbeplakaten an Litfaßsäulen. Erst durch das Einschalten des TV-Geräts, dem Besuch der Webseite oder dem Aufsuchen der Öffentlichkeit kann die Werbung ihre Wirkung entfalten. Der zur Suggestion

28 Beispielhaft in Duhigg, Macht der Gewohnheit, Kap. 7.

29 Siegert/Brecheis, Werbung in der Medien- und Informationsgesellschaft, S. 22.

führende Handlungsschwerpunkt liegt folglich beim Beworbenen, der die werbende Quelle auf-sucht.

Durch diesen passiven Kontakt gegenüber dem Beworbenen kann dieser der Werbung auch einfacher ausweichen, indem er wegschaut, Fernsehwerbung wegschaltet oder bestimmte In-ternetseiten nicht aufruft. Medienfinanzierende Werbung hat daher häufig einen geringeren Störfaktor als Direktwerbung.

Aufgrund der unterschiedlichen Wirkintensität und der divergenten Zusammensetzung der Be-teiligten zwischen Direktwerbung und medialer Werbung ist im weiteren Gang der Untersu-chung zwischen diesen zu differenzieren.

§ 5 Aufmerksamkeit als Tausch- und Zahlungsmittel

Wie aus obigen Ausführungen bereits hervorgeht, kommt medialer Werbung die Besonderheit zu, dass nicht nur der Werbende ein Interesse an der Existenz der Werbeschaltung hat. So steht neben dem Werbenden, der eine bestimmte kommerzielle Botschaft über ein Produkt oder eine Dienstleistung an seine Zielgruppe kommunizieren will, das Medienunternehmen, welches auf seinen Medienplattformen dem Werbenden Werbeflächen zur Anzeige seiner Werbebotschaf-ten an die KonsumenWerbebotschaf-ten des medialen Angebots bereitstellt.

Dem Grundsatz nach ermöglicht der Werbende dem Konsumenten den kostenlosen Konsum der Medien, in der Hoffnung, dass dieser seine Aufmerksamkeit nicht nur den medialen Inhal-ten widmet, sondern auch der dort geschalteInhal-ten Werbung. Wissenschaftlich ist die Rede von der „Ökonomie der Aufmerksamkeit“30. Der Begriff verdeutlicht die Anerkennung der Auf-merksamkeit des Einzelnen in einer Zeit von Informationsflut als wirtschaftliches Gut und knappe Ressource.31 Während die Menge an Informationen stetig zunimmt32, lässt sich die Auf-merksamkeit nicht in demselben Maße steigern. Die dadurch entstehende Knappheit führt dazu, dass hier eine Art immaterielle Währung entsteht.33

Der wirtschaftliche Erfolg eines auf Aufmerksamkeit aufbauenden Geschäftsmodells hängt folglich von der Verkäuflichkeit des Mediums als Werbefläche ab. Hieraus erwächst ein Anreiz

30 Hierzu ausführlich: Frank, Ökonomie der Aufmerksamkeit.

31 Ausführlich hierzu Haller, Dissens als kommunikatives Instrument, S. 205 ff.; Frank, Ökonomie der Auf-merksamkeit.

32 Vgl. Statistik „Tägliches Zeitbudget für die Mediennutzung in Deutschland in ausgewählten Jahren von 1964 bis 2015“, abrufbar unter: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/462835/umfrage/zeitbudget-fuer-medien-nutzung-in-deutschland/.

33 Haller, Dissens als kommunikatives Instrument, S. 205 ff.; Frank, Ökonomie der Aufmerksamkeit.

werbefreundliche Inhalte zu erstellen, die durch reißerische Schlagzeilen und polarisierende Inhalte auffallen.

Die Bereitstellung einer Werbefläche ist das Angebot der Medienunternehmen, Aufmerksam-keit für das beworbene Produkt zu aggregieren. Der Wert dieses Angebots wird dabei nicht in Euro bestimmt, sondern in Auflagenhöhen, Besucherzahlen und Einschaltquoten, kurzum in Reichweite.34 Diese ist für die Werbeindustrie gerade deshalb attraktiv, da sie für die Distribu-tion ihrer Werbebotschaften keine eigene Infrastruktur aufbauen muss, sondern von der beste-henden Infrastruktur eines Medienunternehmens profitieren kann. Jedes mediale Produkt arbei-tet dabei mit eigenen Kennzahlen, um der einzelnen Plattform einen Erfolgsindikator für den Werbenden beimessen zu können. Die Kennzahl entscheidet über den Preis der Werbefläche.

Das Geschäftsmodell steht jedoch auf wackeligen Beinen. Wenn der Konsument in seiner Funktion als Produkt seine Aufmerksamkeit für die Werbeindustrie nicht mehr bereitwillig zur Verfügung stellen will, hat dies Folgen für die Refinanzierung der angebotenen Informationen.

Mediale Werbung funktioniert nur aufgrund eines stillschweigend vereinbarten gesellschaftli-chen „Kontrakts“35, der den kostenlosen Konsum im Gegenzug zur Aufmerksamkeit auf Wer-bung zum Inhalt hat. Erklärt der Konsument jedoch die WerWer-bung für ihn als unerwünscht und ergreift er dementsprechend Gegenmaßnahmen, um diese nicht mehr sehen zu müssen, so be-fördert dies das Geschäftsmodell der „Ökonomie der Aufmerksamkeit“ in eine wirtschaftliche Abwärtsspirale.

34 Vgl. Frank, Ökonomie der Aufmerksamkeit, S. 749; Carjell/Urban, Multimedia Marketing, S. 21.

35 OLG Köln, GRUR 2016, 1082 (1083).

Mediales Produkt Kennzahl Definition Zeitungen/Zeitschriften

Verkaufte Auflage Anzahl der an den Endverbraucher ab-gesetzten Exemplare einer Ausgabe aus Verkauf und Abonnement Reichweite Anzahl der Leser einer Zeitung oder

Zeitschrift (im Allgemeinen deutlich höher als die verkaufte Auflage) Verbreitung Relative oder absolute Absatzmenge

in geografischen Regionen Rundfunk

Tabelle 1 Für Medienunternehmen relevante Kennzahlen zur Bestimmung der Medienstärke und dazugehörige Preisangaben im Internet, Carjell/Urban, Multimedia Marketing, S. 25; 121 Watt, Online-Marketing Seminar 2015, abrufbar unter:

https://de.slideshare.net/alex362/online-marketing-seminar-auszug-2015.

Durch den Fortschritt im digitalen Bereich und der hier schier unendlichen Informationsvielfalt ist die Ökonomie der Aufmerksamkeit in eben diesem Bereich am deutlichsten. Wo einst Me-dieninhalte nur durch wenige Dutzend Medienunternehmen angeboten wurden, stehen im digi-talen Informationszeitalter aufgrund des Web 2.0 die Inhalte des Nutzers unter anderem als

36 Vgl. hierzu Frosch-Wilke/Raith, Marketing-Kommunikation im Internet, S. 63 ff.

Reichweite Anzahl der Zuschauer/Zuhörer, die in einem bestimmten Zeitintervall er-reicht werden

Einschaltquote Anteil an der gesamten Zuschaueran-zahl innerhalb eines bestimmten

PageImpressions Anzahl der Abrufe einer Webseite durch einen Besucher

AdClicks Anzahl der angeklickten Werbebanner

Preis basierend auf der Zahl der AdI-mpressions, die gebucht werden. Ein TKP von 20 € bedeutet, dass der Wer-bende 20 € zahlen muss, wenn die Werbeanzeige 1.000 Mal eingeblendet worden ist.

Cost-per-Click Preis basierend auf der Anzahl an Clicks, die eine Anzeige erhält.

Cost-per-Action Preis basierend auf der Anzahl an Ak-tionen, die ein Werbemittel generiert.

Cost-per-Lead Preis basierend auf der Anzahl an qua-lifizierten Neukunden-Anfragen, die die Werbeanzeige erzielt hat.

Cost-per-Order Preis, der auf der Anzahl an Bestellun-gen basiert, die aufgrund der Werbe-anzeige generiert wurden.

Blogger oder YouTuber im Mittelpunkt. Das hierdurch bedingte rapide Wachstum des media-len Angebots bei einem gleichbleibend begrenzten Bestand an Aufmerksamkeitspotential37 führte dazu, dass in der heutigen digitalen Medienlandschaft die Fähigkeit, Aufmerksamkeit zu erregen und so die Profitabilität der Plattform für Werbung zu steigern, erfolgsimminent ist.

Theoretische Perspektive Traditionelle Me-dienökonomie

Ökonomie der Aufmerksamkeit

Knappes Gut Medieninhalte Aufmerksamkeit (Nutzungszeit) Anbieter des knappen

Guts

Medienunterneh-men

Rezipient

Nachfrager Rezipient Medienunternehmen bzw.

Werbein-dustrie

Tabelle 2 Traditionelle Ökonomie gegen Aufmerksamkeitsökonomie aus Fischer, Unternehmenskommunikation und Neue Medien, S. 156.

§ 6 Ab wann Werbung als unerwünscht gilt

Nach der ersten Begriffsbestimmung und einer Einleitung in die Thematik steht abschließend die Frage, ab wann Werbung als unerwünscht zu klassifizieren ist. Ansatzpunkt ist der Wort-laut. Hieße die Frage „Ab wann ist Werbung erwünscht?“, so wäre die Antwort naheliegend.

Erwünscht ist etwas dann, wenn der Wille des Einzelnen sich mit einem in der Realität eintre-tenden Ereignis deckt. Hiervon ausgehend muss für das Antonym sodann gelten, dass etwas unerwünscht ist, wenn der tatsächliche Eintritt eines Ereignisses oder Zustands vom Willen des Einzelnen abweicht.

Aus diesen Überlegungen folgen zwei Gangmöglichkeiten für die Überlegung des Erwünscht bzw. Unerwünschtsein von Werbung. Erstens könnte Werbung so lange als erwünscht gelten, bis der potentielle Werbeadressat sich aktiv gegen den Erhalt der Werbung ausgesprochen hat (Opt-out). Zweitens könnte aber auch die Unerwünschtheit so lange zu Gunsten des Einzelnen gelten, bis dieser sich entweder ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten in den Empfang der kommerziellen Kommunikation einverstanden erklärt hat (Opt-in). Während beim Opt-in ein positives Verhalten für die Zulässigkeit vorausgesetzt wird, genügt beim Opt-out ein Nichts-tun.

37 Fischer, Unternehmenskommunikation und Neue Medien, S. 155.

Diese unterschiedliche Beurteilung ist ein Resultat der unterschiedlichen Wirkqualität von di-versen Werbeformen. Bei Werbung, die den Beworbenen nur unerheblich belästigt, könnte der Interessenkonflikt zwischen Werbenden und Beworbenen dahingehend zu lösen sein, dass dem Beworbenen eine Opt-out-Möglichkeit zur Seite gestellt wird. Kommerzielle Kommunikation, die allerdings bereits aus ihrer Sache heraus ein großes Störpotential hat, mag wiederum unter Berücksichtigung der beteiligten Interessen erst über die Opt-in-Lösung zur Zulässigkeit gelan-gen. So wird das Stör- und Belästigungspotential im jeweiligen Einzelfall für die einzelnen Werbeformen anhand von Kriterien wie der Wirkintensität, der Einwirkungsdauer, dem Wir-kungsort und bestimmten Eigenarten der Werbeform, die einen Opt-out bereits nicht möglich machen, im Verlaufe der Arbeit zu bestimmen sein.

Teil II – Verfassungsrechtsrechtliche Einordnung

Teil I hat gezeigt, dass abhängig vom Vorliegen von Direktwerbung oder medienfinanzierender Werbung unterschiedliche Interessensgruppen betroffen sind. Teil II geht insoweit näher auf diese Interessen ein und ordnet diese dem Verfassungsrecht zu.

Gegenüberstellung der widerstreitenden Interessen

Die Interessensgruppen sind unterteilt in Werbende, Medienunternehmen, Werbeadressaten so-wie Anbieter von Leistungen, die es dem Werbeadressaten erleichtern oder sogar erst ermögli-chen, Werbung zu blockieren.

§ 1 Drittwirkung der Grundrechte

Aus dogmatischer und historischer Sicht erfüllen Grundrechte ihre Funktion als Abwehrrechte des Bürgers vor Eingriffen des Staates.38 Daneben bestehen auch subjektive Leistungs- und Schutzrechte, die den Staat zu einem bestimmten Handeln gegenüber Privatrechtssubjekten durch staatliche Maßnahmen verpflichten können.39 Da Werbung allerdings zumeist eine Kom-munikationshandlung zwischen Personen des Privatrechts darstellt, ist vorliegend auf die An-wendbarkeit von Grundrechten zwischen Personen des Privatrechts einzugehen.

38 Nach Jellineks staatsrechtlicher Status-Lehre auch „Status negativus“, abrufbar unter: https://archive.org/de-tails/systemdersubjek00jellgoog; BVerfG, NJW 1958, 257 (257) – Lüth; Müller-Franken, in: Schmidt-Bleib-treu/Hofmann/Henneke, GG, Vorb. Art. 1 Rn. 17 f.

39 Nach Jellineks staatsrechtlicher Status-Lehre auch „Status positivus“, abrufbar unter: https://archive.org/de-tails/systemdersubjek00jellgoog; Es kann lediglich ausnahmsweise einzelnen Grundrechten im Wege der Ausle-gung ein Leistungsrecht entnommen werden, so z. B. die Verpflichtung des Staates zum Schutze der Menschen-würde, Müller-Franken, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Vorb. Art. 1 Rn. 18; s. allgemein zur Staatsrechtslehre auch Müller-Franken, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Vorb. Art. 1 Rn. 16 ff.;

Horn, in: Stern/Becker, GG, Art. 2 Rn. 70 ff.

Im Lüth-Urteil wurde erstmals höchstrichterlich die objektiv-rechtliche Funktion der Grund-rechte erörtert. Der Senat traf eine Grundsatzentscheidung, indem er ausführte:

„Ohne Zweifel sind die Grundrechte in erster Linie dazu be-stimmt, die Freiheitssphäre des einzelnen vor Eingriffen der öf-fentlichen Gewalt zu sichern; sie sind Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat. […] Ebenso richtig ist aber, dass das Grundge-setz, das keine wertneutrale Ordnung sein will, in seinem Grund-rechtsabschnitt auch eine objektive Wertordnung aufgerichtet hat und dass gerade hierin eine prinzipielle Verstärkung der Gel-tungskraft der Grundrechte zum Ausdruck kommt. Dieses Wert-system, das seinen Mittelpunkt in der innerhalb der sozialen Ge-meinschaft sich frei entfaltenden menschlichen Persönlichkeit und ihrer Würde findet, muss als verfassungsrechtliche Grun-dentscheidung für alle Bereiche des Rechts gelten. […] Der Ein-fluss grundrechtlicher Wertmaßstäbe wird sich vor allem bei denjenigen Vorschriften des Privatrechts geltend machen, die zwingendes Recht enthalten […].“40

Die objektive Wertentscheidung der Grundrechte findet dabei insbesondere als Schutzpflicht und andererseits als Ausstrahlungswirkung Einzug in das Privatrecht.41

Im Dokument Der Schutz vor unerwünschter Werbung (Seite 25-31)