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Teil I Einleitung

B. Internet als Werbemedium

II. Werbeformen im Internet

6. Native Werbung

Begrifflich beschreibt Native Advertising „die Platzierung von Werbung in einer Weise, dass sie sich als natürliches Element in den Inhalt, der sie umgibt, integriert“.686 Es verfolgt in erster Linie die immer weitergehende Verknüpfung von Inhalt und kommerzieller Kommunikation.

Zu den wichtigsten Erscheinungsformen dieser Art zählen das virale Marketing, versteckte Werbung in sozialen Netzwerken, die Manipulation von Unternehmens- oder Produktbewer-tungen sowie das Content Marketing.687

Letzteres verwenden traditionelle Verlage seit einigen Jahren erfolgreich unter Namen wie

„Advertorials“ oder „Sonderveröffentlichung“. Ziel ist es, im rechtlich erlaubten Rahmen Wer-bung zu schalten, die optisch dem Layout von redaktionellen Artikeln gleicht. Wer sich solcher

686 Wiebe/Kreutz, WRP 2015, 1053 (1055).

687 Wiebe/Kreutz, WRP 2015, 1053 (1055); „Content Marketing ist eine Marketing-Technik, die mit informieren-den, beratenden und unterhaltenden Inhalten die Zielgruppe ansprechen soll, um sie vom eigenen Unternehmen und seinem Leistungsangebot oder einer eigenen Marke zu überzeugen“, abrufbar unter: https://de.wikipe-dia.org/wiki/Content-Marketing.

Werbung bedient, sieht sich jedoch einem Interessenkonflikt ausgesetzt. So ist Content Marke-ting zwar besonders effektiv, da inhaltlich mehr in die Tiefe gegangen wird als bei einfachen klassischen Werbeformen, sodass der Beworbene eher dazu geneigt sein wird, seine Aufmerk-samkeit dem Inhalt zu widmen. Gleichzeitig läuft das Presseunternehmen jedoch Gefahr, dass diese kommerziellen Artikel auf seine unabhängig gestalteten Artikel abfärben und diesen die Glaubwürdigkeit abgesprochen wird.

Aufgrund der genannten Banner-Blindheit und dem seit Jahren andauernden Adblocker-Boom, der Werbebanner verschwinden lässt, kommt Native Advertising eine immense Bedeutung in-nerhalb der digitalen Werbelandschaft zu – auch, wenn Werbeblocker-Betreiber sich offen hal-ten, gegen derartige Werbung vorzugehen.688 Native Advertising stellt insoweit das Inter-netpendant zur integrierten Fernsehwerbung dar.

§ 3 Gesetzlicher Rahmen medialer Werbeplattformen

Der Rundfunkstaatsvertrag689, die Werberichtlinie690 und das Telemediengesetz691 treffen Re-gelungen über die Möglichkeit, digitale Medien als Werbeplattform zu nutzen. Während beim Fernsehmedium sich die gesetzlichen Vorschriften auf die Sendearten692, die Werbedauer693 sowie den Inhalt der Werbung694 erstrecken, beschränken sich die Regelungen bzgl. des Inter-nets im Wesentlichen auf die Einhaltung des Trennungsgrundsatzes.695

688 Vgl. Beitrag auf onlinemarketing.de, abrufbar unter: https://onlinemarketing.de/news/native-advertising-zu-kunft-adblocker-filter.

689 Staatsvertrag für Rundfunk und Telemedien (Rundfunkstaatsvertrag – RStV vom 31. August 1991 in der Fas-sung des 18. Staatsvertrages zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge.)

690 Gemeinsame Richtlinien der Landesmedienanstalten für die Werbung, zur Durchführung der Trennung von Werbung und Programm und für das Sponsoring sowie Teleshopping im Hörfunk (i. d. F. vom 23. Februar 2010).

691 Telemediengesetz vom 26. Februar 2007 (BGBl. I S. 179), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 28.

September 2017 (BGBl. I S. 3530) geändert worden ist.

692 So dürfen Gottesdienst-Übertragungen und Kindersendungen nicht durch Werbung unterbrochen werden, vgl.

§ 7a Abs. 1 RStV.

693 § 16 RStV für die öffentlich-rechtlichen Sender und § 45 RStV für das privatrechtliche Fernsehen.

694 Gem. § 7 Abs. 1 RStV darf Werbung nicht die Menschenwürde verletzen, Diskriminierungen fördern oder beinhalten, sowie nicht irreführen und Verhaltensweisen fördern, die die Gesundheit oder Sicherheit in hohem Maße beeinträchtigen.

695 Zum Trennungsgrundsatz vgl. § 6 TMG und § 58 Abs. 1 RStV. Gem. § 3 Abs. 3 i. V. m. Nr. 11 der Schwar-zen Liste und § 5a Abs. 6 UWG ist auch nach wettbewerbsrechtlichen Maßstäben Schleichwerbung als unzuläs-sig anzusehen. Dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb kommt insbesondere dann Bedeutung zu, wenn das Trennungsprinzip des Telemediengesetzes mangels Vorliegens eines Telemediums nicht eingreift. Dies ist bei Inhalten der Fall, die auf Plattformen von Drittanbietern wie Facebook, eBay oder YouTube gepostet wer-den. Denn so haben die dort einzeln veröffentlichten Beiträge einen zu geringen Stellenwert, als dass man sie als eigenständige telemediale Dienste qualifizieren könnte, Krieg/Roggenkamp, K&R 2010, 689 (692 f.).

Der Trennungsgrundsatz setzt sich aus Trennungsprinzip und Kennzeichnungsgebot zusam-men. Werbung muss demnach klar als solche erkennbar sein und vom übrigen Inhalt der An-gebote getrennt sein. Dies gilt für alle Werbeformen. Sinn und Zweck der Regelung ist auch hier, Transparenz für den Nutzer zu schaffen. Es soll ohne größere geistige Anstrengung er-kennbar sein, dass der angezeigte Inhalt kommerziellen Ursprungs ist und nicht auf einer re-daktionellen Ausarbeitung beruht.

Für das Arbeitsthema ist dies von Bedeutung. Der Trennungsgrundsatz lässt bereits die Über-zeugung des Gesetzgebers und dessen Bewusstsein über die Bedeutung der Möglichkeit erken-nen, ob Werbung oder redaktionelle Inhalte konsumiert werden. Denn wenn diese scharfe Grenzziehung nicht mehr gegeben ist, wäre ein Schutz vor Werbung beim Medienkonsum nicht mehr möglich.

§ 4 Delikts- und lauterkeitsrechtliche Beurteilung medialer Werbung A. Unzumutbare Belästigung

Die nachfolgende Untersuchung bezieht sich auf die persönlichkeits- und lauterkeitsrechtliche Beurteilung innerhalb eines Abschnitts, da die persönlichkeitsrechtlichen Erwägungen insoweit innerhalb der Wettbewerbsnormen berücksichtigt sind, sodass Wiederholungen vermieden werden können.

I. Fernsehwerbung

Sinn und Zweck des § 7 Abs. 1 S. 1 UWG ist zunächst, Schutz vor sämtlichen unzumutbaren Belästigungen zu bieten. Folglich stellt sich die Frage, unter welchen Voraussetzungen Fern-sehwerbung als medial plattformgestützte Werbeform eine unzumutbare Belästigung darstellt und somit als unlauter zu qualifizieren ist. Resümierend ist die Belästigung erst dann unzumut-bar, wenn sie eine solche Intensität erreicht, dass sie von einem großen Teil der Verbraucher als unerträglich empfunden wird, wobei der Maßstab des durchschnittlich empfindlichen Ad-ressaten zugrunde zu legen ist. Hierzu bedarf es einer lauterkeitsrechtlichen Abwägung der be-troffenen Interessen.

1. Betroffene Interessen

Zu den betroffenen Interessen zählt einerseits das Recht der Werbenden und der Sendeunter-nehmen, ihren Beruf frei auszuüben, was unter den Schutz der Berufsfreiheit fällt. Andererseits fällt die grundsätzliche Möglichkeit, mit dem gesendeten Programm wirtschaftlich aufzutreten, auch unter die gewährte Rundfunkfreiheit. Die Werbenden sollen mit Hilfe der Werbung die

Möglichkeit haben, neue Absatzmärkte zu erschließen und somit Umsatzsteigerungen zu gene-rieren. Die Fernsehsender sehen Werbung als Geschäftsmodell im Zusammenhang mit den an-gebotenen medialen Inhalten. Der oben erwähnten Meinungsfreiheit kommt dabei ein geringe-rer Stellenwert als der Berufs- und Rundfunkfreiheit zu. Denn auch wenn die in Werbung ent-haltene Meinungsäußerung grundsätzlich von der Meinungsfreiheit gedeckt ist, bezieht sich der Schutz vorrangig auf die Art und Weise der Werbebotschaft. Das heißt, es geht darum, wie Werbung jemandem gegen seinen Willen aufgedrängt wird und gerade nicht um den übermit-telten Meinungsgehalt.696 Dies deckt sich mit dem Schutzzweck von § 7 UWG, der sich inso-weit auch nicht auf den Inhalt stützt, sondern auf die Belästigung als solche.697

Auf Seiten der Beworbenen steht das Interesse, von Werbung verschont zu bleiben. Vom sach-lichen Schutzbereich umfasst sind die durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützten Sphären der Persönlichkeit.698 Die bei Direktwerbung teilweise herangezogene Eigentumsfrei-heit ist hier nachrangig, denn bei Fernsehwerbung handelt es sich um keine Nutzungseinschrän-kung eines Empfangsgeräts. Die Sender übertragen lediglich das vorgesehene Sendesignal an den Receiver des Zuschauers, welches dieser zuvor mit seiner Fernbedienung ausgewählt hat.

2. Persönlichkeitsrechtliche Einordnung

Die Zuordnung des Fernsehens zur Privatsphäre als auf der heimischen Wohnzimmercouch stattfindendes Ereignis scheint naheliegend.699 Wenn man jedoch bedenkt, welches Schutzni-veau mit dieser Zuordnung einhergeht, muss dieses Ergebnis möglicherweise überdacht wer-den. Wie oben festgestellt, ist in der Einordnung einer Werbehandlung in die Privatsphäre ein grundsätzliches Überwiegen des personalen Selbstbestimmungsrechts des Betroffenen gegen-über dem unternehmerischen Werbeinteresse anzunehmen. Der Bürger darf in seiner Pri-vatsphäre nicht gegen seinen Willen gezwungen werden, sich mit der Suggestivwirkung der Werbung auseinandersetzen zu müssen.700 Auf die Fernsehwerbung umgemünzt hieße dies, dass zumindest nach der Willensäußerung gegenüber dem Fernsehsender, keine Werbung im Fernsehprogramm mehr erhalten zu wollen, die Werbung eingestellt werden müsste. Dass dies mit der unternehmerischen Freiheit der Werbeindustrie nicht vereinbar ist, bedarf keiner wei-teren Vertiefung. Es stellt sich deshalb die Frage, ob nicht eine Zuordnung zum Schutzniveau

696 OLG Stuttgart, BeckRS 2013, 15656; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, § 7 Rn 19.

697 Leible, in: MüKoLauterkeitsR, UWG, § 7 Rn. 38; Menebröcker, in: Götting/Nordemann, UWG, § 7 Rn. 28.

698 Schöler, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG § 7 Rn. 37 – 38; Leible, in: MüKoLauterkeitsR, UWG, § 7 Rn. 38.

699 So Maier, Laienwerbung, S. 96.

700 Hager, in: Staudinger, BGB, Das Persönlichkeitsrecht, C 232.

der Öffentlichkeitssphäre als treffender anzusehen ist, auch wenn der Beworbene sich örtlich in seinem häuslichen Bereich aufhält.

Hierzu ist erneut auf die bereits im verfassungsrechtlichen Teil angesprochene Öffnung des geschützten Bereichs einzugehen. Zwar wurde diese im dortigen Kontext der Einwilligung be-handelt, allerdings sind diese Erwägungen auch auf die Zuordnung eines persönlichkeitsrecht-lichen Sachverhalts unter die Sphärentheorie übertragbar. Denn eine Öffnung der Privatsphäre hat zeitgleich zur Folge, dass ein Sachverhalt in die Öffentlichkeit gelangt und somit auch dann anhand dieser Sphäre beurteilt werden muss.

Hier ist der Einzelne zwar räumlich innerhalb seines privaten Rückzugsbereichs zu verorten, durch das Ansteuern des Fernsehprogramms verlässt er diesen jedoch, indem er bereitwillig seinen geistigen Horizont den Sendeinhalten im Fernsehen gegenüber öffnet. Anders als bei den Formen der Direktwerbung greift nicht der Werbende in den Bereich des Beworbenen ein, sondern dieser geht auf das Angebot des Werbenden zu und öffnet sich gegenüber den außer-halb seines Bereichs liegenden kommerziellen Inhalten.

Folglich ist die Rezeption von Fernsehwerbung in der Gesamtschau innerhalb der öffentlichen Sphäre zu verorten.

3. Unzumutbare Belästigung, § 7 UWG

Für die Beurteilung spielt neben der betroffenen Sphäre auch der zur Suggestion führende Handlungsschwerpunkt eine Rolle. Hier liegt dieser beim Zuschauer, da er den Sender freiwil-lig ansteuert. Es liegt daher bereits keine Situation der Unausweichbarkeit vor.701 Neben der Möglichkeit, umzuschalten, den Ton stumm zu schalten oder den Fernseher auszuschalten, kann der Beworbene auch schlicht den Raum verlassen, sodass hinreichende Möglichkeiten existieren, sich nicht der unerwünschten Werbewirkung auszusetzen.

Für Split-Screen-Werbung ist die Wertung dieselbe. Zwar wird dort Werbung zeitlich parallel direkt neben dem Programm platziert, jedoch besteht weiterhin die Möglichkeit, aufgrund der Wahrung des Trennungsgrundsatzes die Werbung zu ignorieren oder den Sender zu wechseln.

Möchte der Zuschauer die Sendung weiterschauen, so hat er hinzunehmen, dass seine Aufmerk-samkeit als eine Art Zahlungsmittel dient. Dies ist nicht so zu verstehen, dass er der Werbung überhaupt Aufmerksamkeit schenken muss, da er weiterhin die Möglichkeit hat, den Raum zu

701 Fikentscher/Möllers, NJW 1998, 1337; auch BGH, GRUR 2005, 443 (445) – Ansprechen in der Öffentlich-keit II, hat im Rahmen des § 7 UWG auf das Kriterium der „AusweichbarÖffentlich-keit“ zur Beurteilung der ZumutbarÖffentlich-keit abgestellt.

verlassen oder den Ton auszuschalten, sodass er weiterhin frei in der Wahl ist, wem oder was er seine Aufmerksamkeit widmet.

Zudem hat der Zuschauer, wie beim Anzeigenteil einer Zeitschrift gegenüber dem Herausgeber, auch keinen Anspruch gegenüber privatwirtschaftlich tätigen Fernsehsendern auf den Inhalt derer Sendungen. Denn so sind diese frei in der Gestaltung ihres Programms und auch in der Art ihrer Finanzierung. Etwaige Ansprüche beschränken sich lediglich darauf, eine freie Ent-scheidung zu treffen, ob der Sender und die dazugehörige Werbung angeschaut wird oder nicht.

Auch die Vielfalt an unterschiedlichen Informationsquellen, von den öffentlich-rechtlichen Sendern bis hin zu Pay-TV und Streaming-Angeboten, spricht gegen eine unzumutbare Beläs-tigung. Diese Wahlmöglichkeit ermöglicht einen zumindest in großen Teilen werbefreien Me-dienkonsum.

Im Gesamtergebnis ist das Interesse des Medienunternehmens mittels Fernsehsender Werbe-botschaften zu schalten, höher zu gewichten als das Interesse an einer werbefreien Rezeption.

Deshalb ist eine unzumutbare Belästigung im Sinne des § 7 Abs. 1 S. 1 UWG durch Fernseh-werbung grundsätzlich abzulehnen.702 Etwas anderes kann nur bei Werbeformen gelten, die mangels Hinweises oder Einhaltung der gesetzlichen Regelungen nicht als Werbung erkennbar sind. Insbesondere Schleichwerbung lässt den Beworbenen nicht mehr erkennen, dass er gerade einer werblichen Beeinflussung ausgesetzt ist. Dies hat zur Folge, dass die Möglichkeit der Suggestion, auszuweichen, nur noch eingeschränkt möglich ist, sodass die persönlichkeitsrecht-liche Selbstbestimmung rechtswidrig tangiert wäre und eine unzumutbare Belästigung bejaht werden müsste.703

II. Weitere Werbeformen in Film und Fernsehen

Neben Fernseh- wurde auch Kinowerbung lauterkeitsrechtlich in der Literatur untersucht.704 Auch bei Kinowerbung handelt es sich mangels eines adressierten Empfängerkreises um All-gemeinwerbung. Die rechtliche Auseinandersetzung erfolgt daher auch im Rahmen des § 7 Abs. 1 S. 1 UWG. Erneut muss für das Vorliegen einer Belästigung die Kinowerbung als ge-schäftliche Handlung bereits wegen ihrer Art und Weise von einem Großteil der Empfänger als unerträglich empfunden werden.

702 Vgl. auch Czernik, MMR 2014, 45 f., § 7 UWG schütze den Verbraucher nicht im Genuss kostenloser In-halte.

703 So auch Lempe, Konflikt zwischen Werbeblockern und Werbefinanzierung elektronischer Medien, S. 217.

704 Vgl. zur Thematik: Burmeister, Belästigung als Wettbewerbsverstoß, S. 84 ff.; Fikentscher/Möllers, NJW 1998, 1337 (1342), m. w. N.

Die Anzeige von Werbespots erfolgt stets vor der Darstellung des eigentlichen Kinofilms. Diese zeitliche Segregation mindert den Belästigungsgrad des Werbeadressaten jedoch nur bedingt.

Denn die auf der Kinokarte abgedruckte Startzeit ist zunächst die Zeit, zu der die Werbebot-schaften im Kino abgespielt werden. Der Beginn des gewünschten Films wird nicht angezeigt, sodass der Zuschauer in gewisser Weise gezwungen ist, sich die Werbefilme anzuschauen. Des-halb ist grundsätzlich von einer Belästigung auszugehen. Bezüglich derer Unzumutbarkeit ist anzumerken, dass der Beworbene sich nicht im geschützten Bereich der Privatsphäre befindet, sondern im öffentlichen Bereich und mithin eine höhere Unzumutbarkeitsschwelle anzusetzen ist. Nichtsdestotrotz sprechen einige Gründe dafür, Kinowerbung als unzumutbare Belästigung zu bewerten.

Kinowerbung hat im Vergleich zur Fernsehwerbung ein höheres Belästigungspotential, da üb-licherweise bereits Entgelte für die Darstellung des Films bezahlt worden sind und die Kinobe-sucher nicht die Möglichkeit haben, der Werbung durch Umschalten zu entgehen. Allerdings rechtfertigt dies keine andere Beurteilung im Hinblick auf die Unzumutbarkeit. Denn eine aus-reichende Ausweichbarkeit, wie sie Werbung in der Öffentlichkeitssphäre verlangt, ist weiter-hin gegeben. Die Besucher können den Kinosaal verlassen, den Betreiber nach der Dauer der vorgeschalteten Werbezeit fragen, oder sich während der Werbung anderweitig beschäftigen.705 Es kommt daher anders als teilweise in der Literatur706 vertreten, bereits nicht auf eine Einwil-ligung in die Werbung an, da die Ausweismöglichkeit und nicht die EinwilEinwil-ligung entscheidend ist.

Die Tatsache, dass der Zuschauer für den Kinofilm bereits ein Entgelt bezahlt hat und nun trotzdem Werbung sehen muss, ist zu vernachlässigen.707 Die von der Berufsfreiheit gedeckte Preisgestaltung liegt in der Sphäre des Anbieters. Wenn der Eintrittspreis durch die zusätzliche Schaltung von Werbung verringert werden kann, dann ist dies insoweit ein für den Kinobesu-cher hinnehmbares Geschäftsgebaren. Des Weiteren stellt der Kinosaal auch keinen öffentli-chen Bereich wie der öffentliche Personennahverkehr dar, auf den Einzelne angewiesen sind und sie eine gewisse Neutralität im Hinblick auf besonders aufdringliche Werbeformen erwar-ten können. Insgesamt handelt es sich hier um eine lautere Wettbewerbsmaßnahme.

705 A. A. Burmeister, Belästigung als Wettbewerbsverstoß, S. 94 ff.

706 So Burmeister, Belästigung als Wettbewerbsverstoß, S. 85.

707 Vgl. hierzu aber Burmeister, Belästigung als Wettbewerbsverstoß, S. 89 f.; Fikentscher/Möllers, NJW 1998, 1337 (1342) die Kinowerbung als stets zulässig erachten, da der Besucher das Kino freiwillig im Wissen um die Werbung aufsucht.

III. Internetwerbung

Auch Internetwerbung als plattformgestützte kommerzielle Nachricht ist lauterkeits- und per-sönlichkeitsrechtlich einzuordnen.

1. Persönlichkeitsrechtliche Einordnung

Wie beim medialen Konsum des Fernsehens ist der Einzelne auch während des Aufrufens von Internetseiten zumeist in seinem häuslichen Bereich. Jedoch können auch hier die zur „Öffnung des geschützten Bereichs“ gemachten Ausführungen auf das Surfen im Internet übertragen wer-den. Auch das browsergestützte Internet ist als passive Darstellungsplattform konzipiert. Das heißt, dass erst durch das aktive Aufsuchen von Internetseiten eine Rezeption ermöglicht wird708 – mit der Folge, dass der Surfende, seinen geistigen Horizont zunächst bereitwillig den digitalen Inhalten im Internet gegenüber öffnet. Zwar führt der europäische Gesetzgeber an, dass

„Endeinrichtungen (…) elektronischer Kommunikationsnetze und alle Informationen im Zusammenhang mit der Nutzung die-ser Endeinrichtungen (…) Teil der Privatsphäre“709

seien, allerdings kann dies nicht in der Weise, wie es für Telefone, Fax-Geräte oder Smartpho-nes gilt, verstanden werden. Das Internet stellt nämlich bereits keine Endeinrichtung dar, son-dern ein öffentlich zugängliches Netzwerk. Der Computer, mit dem der Nutzer Internetseiten ansteuert, unterliegt hingegen der Privatsphäre, sodass dort gespeicherte Informationen ein ho-hes Schutzniveau genießen. Beim Betreten öffentlich zugänglicher Seiten lockert sich dieses Schutzniveau hingegen, sodass wie beim Verlassen des privaten Rückzugbereichs im analogen Leben für das digitale nichts anderes gilt.

Parallel zum medialen Konsum von Fernsehinhalten ist im Ergebnis auch der Besuch von In-ternetseiten grundsätzlich der Öffentlichkeitssphäre zuzurechnen. Die zum Fernsehen gemach-ten Erwägungen gelgemach-ten auch hier.

2. Deliktsrechtliche Beurteilung

Die üblichen Werbeformen im Internet überschreiten grundsätzlich nicht die Schwelle zur rechtswidrigen Persönlichkeitsverletzung.710 Im Internet steuert der Nutzer – wohlwissend über

708 Vgl. BVerfG, WRP 2003, 1209 (1211), m. w. N.

709 Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Achtung des Privatle-bens und den Schutz personenbezogener Daten in der elektronischen Kommunikation und zur Aufhebung der Richtlinie 2002/58/EG (Verordnung über Privatsphäre und elektronische Kommunikation) COM/2017/010 final – 2017/03 (COD), Erwägungsgrund 20.

710 Bornkamm/Seichter, CR 2005, 747 (753).

die Menge an Informationen und der dazugehörigen Werbung – die Internetseiten freiwillig an.

Zudem hat der Einzelne stets die Möglichkeit, den Browser-Tab zu schließen und somit zeit-gleich die Rezeptionswirkung der Werbung zu beenden. Des Weiteren besteht eine Verzichts-möglichkeit durch die Inanspruchnahme werbefreier Medien.

Ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht durch Internetwerbung ist folglich abzu-lehnen, sodass der Nutzer, solange die genannten Ausweichmöglichkeiten bestehen, sich nicht auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht stützen kann, wenn es darum geht, einen Schutz vor Werbung auf Internetseiten zu erlangen.

3. Lauterkeitsrechtliche Beurteilung

Im Einzelnen sieht die Rechtsprechung und Rechtsliteratur Bannerwerbung711, Interstitials712 und Pop-ups- und -unders713 als wettbewerbsrechtlich zulässig an. Etwas anderes kann sich jedoch unter Verwendung von Exit-Pop-up-Fenstern ergeben. Denn gerade hier mangelt es an der notwendigen Ausweichmöglichkeit. Exit-Pop-up-Fenster kennzeichnen sich dadurch, dass sie sich anders als ein übliches Pop-up-Fenster nicht mehr schließen lassen, da automatisch neue Pop-ups erscheinen. Erst durch eine für den durchschnittlichen Nutzer komplizierte Vor-gehensweise über den Task-Manager des Betriebssystems, ist ein Entrinnen vor der Werbung möglich.714 Das personale Selbstbestimmungsrecht ist hier nicht mehr gewahrt. Teilweise wer-den auch Interstitials als unzulässig angesehen. Können diese über einen längeren Zeitraum nicht geklickt werden, wurde deren Unzumutbarkeit in der Vergangenheit bejaht.715 Diese Ar-beit vertritt hingegen die Ansicht, dass selbst Interstitials mit einer Schaltdauer von mehreren Minuten keinen Wettbewerbsverstoß darstellen.716 Allein die Möglichkeit, die Internetseite durch Schließen des Browserfensters zu verlassen, genügt den Voraussetzungen an ein selbst-bestimmtes Handeln des Nutzers. Insgesamt scheidet eine unzumutbare Belästigung gem. § 7 Abs. 1 UWG durch Internetwerbung daher in den meisten Fällen aus.717

711 LG Frankfurt, ITRB 2001, 206 (206), mAnm. Dieselhorst; Härting/Schirmbacher, ITRB 2005, 16 (18); Sch-mittmann, MMR 2001, 792 (794).

712 OLG Köln, ITRB 2013, 253 (254), mAnm. Elteste.

713 KG Berlin, MMR 2014, 44; LG Berlin, GRUR-RR 2011, 332; Härting /Schirmbacher, ITRB 2005, 16 (18);

a. A. Burmeister, Belästigung als Wettbewerbsverstoß, S. 99 ff.; Schreibauer/Mulch, WRP 2005, 442 (457).

714 LG Düsseldorf, MMR 2003, 486 – Exit-Pop-up-Fenster; LG Berlin, MMR 2004, 699; Schreibauer/Mulch, WRP 2005, 442 (456).

715 LG Berlin, GRUR-RR 2011, 332 (333), Rn. 44; Lüghausen, K&R 2011, 458 (461).

716 So auch Leible in: MüKoLauterkeitsR, UWG, § 7 Rn. 280.

717 KG Berlin, MMR 2014, 44 (45); LG Frankfurt, ITRB 2001, 206, mAnm. Dieselhorst; Härting in: Härting, Internetrecht, G. Wettbewerbsrecht, Rn. 1779.

4. Negative Informationsfreiheit

a) Heranziehung in der Rechtsprechung zum Schutz vor Internetwerbung

a) Heranziehung in der Rechtsprechung zum Schutz vor Internetwerbung

Im Dokument Der Schutz vor unerwünschter Werbung (Seite 157-0)