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Ergebnis zur adressierten und nicht-adressierten Briefkastenwerbung

Im Dokument Der Schutz vor unerwünschter Werbung (Seite 113-119)

Teil I Einleitung

D. Ergebnis zur adressierten und nicht-adressierten Briefkastenwerbung

Sowohl das Lauterkeitsrecht als auch das Deliktsrecht gewährleisten einen hinreichenden Schutz des Beworbenen vor adressierter und nicht-adressierter Briefkastenwerbung. Nicht-adressierter Briefkastenwerbung kommt im Vergleich zu anderen Werbeformen des Direktmar-ketings eine besondere Stellung zu. Denn so ist sie aufgrund der einfachen Möglichkeit des Widerspruchs nicht bereits per se als persönlichkeitsverletzend anzusehen. Erst nach Kundgabe des auf der Selbstbestimmung beruhenden Willens, keine Briefkastenwerbung erhalten zu wol-len, liegt in dem Einwurf eine persönlichkeitsverletzende Handlung.

Solche Werbewidersprüche können dabei an Briefkästen und durch individuelle Mitteilung in beliebiger Form und uneingeschränkter sachlicher Reichweite geäußert werden, solange sich die Erklärung auf Direktwerbung bezieht.

Die Möglichkeit des Opt-outs durch einen Sperrvermerk bei adressierten Werbesendungen be-steht nicht, da die Post vertraglich verpflichtet ist, adressierte Briefe zuzustellen und keine Mög-lichkeit hat, zugestellte Briefe auf ihren Werbecharakter zu überprüfen. Aus diesem Grund ist – zum Schutz des Adressaten und dessen Privatsphäre – adressierte Briefwerbung ohne vorhe-rige Einwilligung per se als Persönlichkeitsverletzung zu werten.

Gegenüber Abonnement-Zeitungen und der darin enthaltenen Werbung gelten die Opt-out-Er-klärungen am Briefkasten nicht, da keine aufgedrängte Werbung vorliegt.

486 Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, § 7 Rn. 115; Schöler, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG,

§ 7 Rn. 216.

§ 2 Telefonwerbung

A. Begriff und wirtschaftliche Bedeutung

Definitionsgemäß liegt ein Werbeanruf vor, wenn der Angerufene zum Eingehen, zur Fortset-zung, zur Wiederaufnahme, zur Änderung oder zur Erweiterung eines Vertragsverhältnisses in unmittelbarer oder mittelbarer Weise bestimmt werden soll.487

Telefonwerbung ist gemessen am Störpotential die wohl intensivste Werbeform im Direktmar-keting. Der Werbecharakter ist für den Adressaten durch die anrufende Nummer nicht erkenn-bar, sodass er wegen der Befürchtung, einen Anruf zu verpassen, eher dazu geneigt sein wird, den Hörer abzunehmen, was ihn unmittelbar der Werbebotschaft aussetzt. Verschärfend hinzu-kommt, dass die Telefonkommunikation nur bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Gesprächs-partner möglich ist. Telefonanrufe können daher nur selten dem eigenen Zeitplan angepasst werden. Des Weiteren ist Telefonwerbung leicht umsetzbar und aufgrund des direkten Kontakts zum Werbeadressaten beim Werbenden beliebt. Wegen der interaktiven und wechselseitigen Echtzeit-Kommunikation488 zum Beworbenen können geschulte Verkäufer den Kunden indivi-duell ansprechen und den Überrumpelungseffekt gewinnbringend ausnutzen. Weitere Vorteile sind die fehlenden Reisekosten und die mögliche Werbefrequenz.489 Neben individuellen rufen durch einen Werbenden kann der Prozess auch durch die Verwendung automatischer An-rufmaschinen automatisiert werden. In einer vom VZBV vorgelegten Forsa-Umfrage aus dem Jahre 2007 gaben insgesamt 86 % der Befragten an, sich durch Telefonwerbung belästigt zu fühlen.490

B. Rechtliche Beurteilung

Telefonwerbung wird durch die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches, des Gesetzes ge-gen den unlauteren Wettbewerb und der BGB-Informationspflichten-Verordnung reguliert. Je nach Werbeadressat ergeben sich verschiedene Schutzgewährleistungen, sodass zwischen Te-lefonwerbung gegenüber Verbrauchern und TeTe-lefonwerbung gegenüber sonstigen Marktteil-nehmern zu differenzieren ist.

487 Ohly, in: Ohly/Sosnitza, UWG, § 7 Rn. 43; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, § 7 Rn. 130 – 131; Schöler, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, § 7 Rn. 223.

488 S. Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbei-tung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Daten-schutzrichtlinie für elektronische Kommunikation), Art. 2 S. 2 e).

489 Vgl. für Beispiele Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, § 7 Rn. 118.

490 Pressemitteilung „Telefonwerbung - 86 Prozent fühlen sich durch Werbeanrufe belästigt“, abrufbar unter:

https://www.vzbv.de/pressemitteilung/telefonwerbung-86-prozent-fuehlen-sich-durch-werbeanrufe-belaestigt.

I. Telefonwerbung gegenüber Verbrauchern und natürlichen Personen 1. Lauterkeitsrechtliche Beurteilung

Gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG ist eine unzumutbare und damit unzulässige Belästigung im Sinne von § 7 Abs. 1 UWG stets bei Werbung mit einem Telefonanruf gegenüber einem Ver-braucher ohne dessen vorherige ausdrückliche Einwilligung anzunehmen. Bei Werbung unter Verwendung einer automatischen Anrufmaschine ist ebenfalls von einer unzumutbaren Einwil-ligung auszugehen, solange keine ausdrückliche vorherige EinwilEinwil-ligung vorliegt, vgl. § 7 Abs.

2 Nr. 3 UWG. Welche Voraussetzungen an die Einwilligung geknüpft sind, wird auch hier im Rahmen der Schutzmöglichkeiten besprochen.491

2. Deliktsrechtsrechtliche Beurteilung

Der BGH hat Telefonwerbung492 bereits in seinem ersten Grundsatzurteil als rechtswidrigen persönlichkeitsrechtlichen Eingriff eingestuft.493 Er stellte darauf ab, dass die technische Ei-genart des Telefons ein unkontrollierbares Eindringen in die Privatsphäre des Anschlussinha-bers ermögliche und es nicht erkennbar wäre, wer anrufe.494 Der Anschlussinhaber sei daher genötigt, das Gespräch anzunehmen, da es sich um für ihn wichtige Anrufe handeln könnte.495 Im Ergebnis gewichtete der Senat den Schutz der Privatsphäre des Verbrauchers höher als das unternehmerische Gewinnstreben.496

In nachfolgenden Entscheidungen verlieh der BGH diesem Standpunkt Nachdruck.497 Insge-samt hält die Rechtsprechung fest, dass Telefonanrufe, die ohne vorherige Zustimmung498 des Angerufenen erfolgen, aufgrund ihrer einschneidenden Wirkung auf die Aufmerksamkeit des Angerufenen eine erhebliche Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts darstellen.

491 Vgl. zur Frage, ob bei einer unzumutbaren Belästigung i. S. d. § 7 Abs. 2 UWG noch die Spürbarkeit der Be-einträchtigung geprüft werden muss, BGH, GRUR 2007, 607 (3. Ls.).

492 Sogenanntes Cold-Calling – deutsch: Kaltakquise; ist die erste Kontaktannahme eines potentiellen Kunden, hier mittels Telefons, zu dem bisher keine Geschäftsbeziehungen bestanden.

493 BGH, GRUR 1970, 523 – Telefonwerbung I.

494 BGH, GRUR 1970, 523 (524) – Telefonwerbung I; Rixecker sieht bei Telefonwerbung nicht per se eine Per-sönlichkeitsverletzung, vgl. Rixecker, in: MüKoBGB, § 12 Anh. Das Persönlichkeitsrecht, Rn. 124.

495 BGH, GRUR 1970, 523 (524) – Telefonwerbung I.

496 Neben dem gewerbsmäßigen Gewinnstreben wurde auch ein Anruf einer politischen Partei zum Fang von Wählerstimmen als persönlichkeitsverletzend angesehen, s. OLG Stuttgart, NJW 1988, 2615; a. A. Rixecker, MüKoBGB, § 12 Anh. Rn. 124.

497 Vgl. BGH GRUR 1989, 753 – Telefonwerbung II; BGH, GRUR 1990, 280 – Telefonwerbung III; BGH, NJW 1991 2087 – Telefonwerbung IV; BGH, GRUR 1995, 220 – Telefonwerbung V; BGH, WRP 1999, 847 (851) – Private Vorsorge bei Arbeitslosigkeit; BGH, NJW 2000, 2677 – Telefonwerbung VI; BGH, GRUR 2002, 637 (638 f.) – Werbefinanzierte Telefongespräche.

498 Zur Übersicht über die gestellten Anforderungen an das Vorliegen einer Einwilligung in Telefonwerbung, s.

BGH, GRUR 1995, 220 – Telefonwerbung V; BGH, NJW 2000, 2677 – Telefonwerbung VI.

Es ist zu betonen, dass hier bereits die Werbeform aufgrund ihrer Intensität als persönlichkeits-verletzend bewertet wurde und nicht erst die Missachtung der personalen Selbstbestimmung in Form des kundgetanen Willens des Einzelnen, keine Werbung erhalten zu wollen.499

Diese Arbeit schließt sich dem an, denn der Anschlussinhaber hat aufgrund der technischen Eigenart eines Telefons gegen das Eindringen in seine Privatsphäre von vornherein keine Mög-lichkeit, sich zur Wehr zu setzen. Dieses Recht ist dem Einzelnen jedoch aufgrund der Stellung des personalen Selbstbestimmungsrechts innerhalb der Privatsphäre gegen eindringende Wer-bung zu gewährleisten. Gerade das unkontrollierbare Eindringen in die Lebensgewohnheiten des Werbeadressaten und der damit verbundene Zwang, sich mit der Werbung zu einem aus-schließlich durch den Werbenden bestimmten Zeitpunkt auseinanderzusetzen, ist maßgeblich für die Erheblichkeit der Verletzungshandlung.500

Es existieren jedoch Literaturstimmen, die unerwünschte Telefonate zum typischen Risiko des-sen zählen, der einen Telefonanschluss bereithält. So sei dem Rechtsschutz des Angerufenen genüge getan, wenn ihm die Möglichkeit gegeben ist, den Hörer aufzulegen und so das Telefo-nat zu beenden.501 Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden. Würde man Telefonwerbung der Öffentlichkeitssphäre zuordnen, so würden die Überlegungen mit der betroffenen Sphäre über-einstimmen, da der Selbstbestimmung, wie oben dargelegt, im öffentlichen Bereich Genüge getan ist, solange Ausweichmöglichkeiten bestehen.502 Hier dringt der Werbende jedoch in die Privatsphäre ein. Wird nur auf die Möglichkeit, aufzulegen, abgestellt, so ist die Belästigung jedoch bereits geschehen. Außerdem stehen dem Angerufenen keine präventiven Schutzmög-lichkeiten gegen Werbeanrufe zur Verfügung. Wie oben auch bereits erläutert, eröffnet derje-nige, der Kommunikationsanlagen bereithält, nicht jedem bereitwillig den Innenbereich seiner Persönlichkeit. Dies gilt insbesondere dann, wenn lediglich wirtschaftliche Interessen Werben-der gegenüberstehen, die insoweit auf anWerben-dere weniger störende Werbeformen verwiesen wer-den können.

499 Vgl. Kaboth, ZUM 2003, 342 (343).

500 Vgl. BGH, WRP 1999, 847 (851) – Private Vorsorge bei Arbeitslosigkeit.

501 Rixecker in: MüKoBGB, § 12 Anh. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, Rn. 124.

502 Vgl. oben Teil II, Kapitel 5, § 1, A. V. 4.

Das Anrufen als solches ist daher als persönlichkeitsverletzende Belästigung zu qualifizie-ren503, die lediglich mittels einer Einwilligung zur Zulässigkeit gelangen kann.504

II. Telefonwerbung gegenüber sonstigen Marktteilnehmern und juristischen Personen 1. Lauterkeitsrechtliche Beurteilung

Anders als gegenüber Verbrauchern ist Telefonwerbung gegenüber sonstigen Marktteilneh-mern erst dann als unzumutbare Belästigung einzustufen, wenn sie ohne mutmaßliche Einwil-ligung gem. § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG505 erfolgt.506 Auch der Schutzzweck ist im Vergleich zur Telefonwerbung gegenüber Verbrauchern ein anderer. Es wird nicht die Privatsphäre, sondern die geschäftliche Betätigungsfreiheit des Angerufenen geschützt, die durch Telefonanrufe und der damit verbundenen Beeinträchtigung der Arbeitszeit sowie der Blockade der Telefonleitung unzumutbar beeinträchtigt werden kann.507

a) Diskrepanz gegenüber der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation Im Hinblick darauf, dass § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG auf der europäischen Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation508 beruht, ergeben sich Abweichungen bezüglich der Schutz-höhe bei sonstigen Marktteilnehmern zum Richtlinienrecht.509 Eine Differenzierung, wie sie in Abs. 2 zwischen Verbraucher und sonstigem Marktteilnehmer vorgenommen wird, ist so von der Richtlinie nicht intendiert. Die Richtlinie unterscheidet in Art. 13 Abs. 3 zwar zwischen

503 Eine präzise Zusammenfassung der obigen Ausführungen zum Wettbewerbsrecht und eine Erweiterung jener um einen Verweis auf die Regelung hinsichtlich einer Rufnummernunterdrückung lassen sich § 3 der Beschwer-deordnung der Bundesnetzagentur entnehmen:

„Unerlaubte Telefonwerbung oder ein sogenannter Cold Call liegt vor, wenn ein Verbraucher einen Werbeanruf erhalten hat, in den dieser vorher nicht ausdrücklich einwilligte. Dies ist gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG verboten und kann nach § 20 Abs. 1 UWG mit einem Bußgeld von 300.000 Euro geahndet werden. Eine zunächst erteilte Einwilligung kann jederzeit durch den Verbraucher widerrufen werden. Vorrangiges Ziel der anrufenden Unter-nehmen ist es, mit dem Anruf den Absatz oder den Kauf von Waren, die Erbringung oder den Bezug von Dienst-leistungen zu fördern. Der unerlaubte Werbeanruf kann von einer natürlichen Person oder mittels einer automati-schen Anrufmaschine durchgeführt werden. Er ist aber nur dann bußgeldbewehrt, wenn er gegenüber einem Ver-braucher (nicht einem Unternehmer bzw. sonstigen Marktteilnehmer) erfolgt. Darüber hinaus darf bei Werbean-rufen die Rufnummer des AnWerbean-rufenden nicht unterdrückt werden. Dies ergibt sich aus § 102 Abs. 2 TKG.“

504 Diese Ansicht korreliert ebenfalls mit der des Gesetzgebers. Der Bundestag hat die Einführung der UWG No-velle 2004 damals zum Anlass genommen, die Rechtswidrigkeit eines unerbetenen Telefonanrufs ausdrücklich auf individualrechtlicher Basis zu begründen. So stelle der Anruf zu Hause einen erheblichen Eingriff in die Pri-vatsphäre des Anschlussinhabers dar, BT-Drs. 15/1487, S. 42 zu Nr. 13.

505 „Diese Regelung ist durch Art 13 Abs. 3 und 5 d. Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation 2002/58/EG nicht vollständig gedeckt, weil sie nicht der darin vorgenommenen Unterscheidung zwischen natür-lichen und juristischen Personen entspricht“, Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, § 7 Rn. 158.

506 § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG.

507 BGH, GRUR 2001, 1181 (1182); Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, § 7 Rn. 159.

508 Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutz-richtlinie für elektronische Kommunikation).

509 S. zur Problematik Köhler, in Köhler/Bornkamm, UWG, § 7 Rn. 123 f.

natürlichen und juristischen Personen, allerdings können sonstige Marktteilnehmer grundsätz-lich beiden Gruppen zugeteilt werden. Indem der deutsche Gesetzgeber sich für die Opt-in-Lösung zugunsten von Verbrauchern entschieden hat, muss dies daher auch für sonstige Markt-teilnehmer gelten. Für juristische Personen verlangt die Richtlinie in Art. 13 Abs. 5, dass diese vor unerbetenen Nachrichten ausreichend geschützt werden. Insoweit kam der deutsche Ge-setzgeber dem nach, indem eine mutmaßliche Einwilligung als erforderliches Zulässigkeitskri-terium für Telefonwerbung gewählt wurde.

b) Voraussetzungen der mutmaßlichen Einwilligung

Eine mutmaßliche Einwilligung liegt, wie bereits beschrieben, immer dann vor, wenn es an einer ausdrücklichen oder konkludenten Einwilligungserklärung fehlt, die geschäftliche Hand-lung aber dem objektiven Interesse oder dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Adres-saten entspricht.510 Dies ist dann der Fall, wenn der Werbende bei verständiger Würdigung der Umstände annehmen durfte, der Angerufene erwarte einen solchen Anruf oder werde ihm je-denfalls aufgeschlossen gegenüberstehen.511 So rechnet beispielweise derjenige, der einen Te-lefonanschluss zu gewerblichen Zwecken unterhält, üblicherweise mit Anrufen, mit denen ein akquisitorisches Bemühen verfolgt wird.512 Betrifft der Anruf die Anschaffung einer Ware, mit welcher der Unternehmer handelt, so mag zwar ein Interesse des Unternehmers an dieser Wer-bung vorliegen, es ist aber auch zu beachten, ob das Angebot so dringlich ist, dass es mittels Telefon zugetragen werden muss.513 Eine allgemeine Sachbezogenheit genügt für das Vorlie-gen eines mutmaßlichen Willens nicht, da dies den vorgesehenen Schutzzweck unterlaufen würde.514

Für die mutmaßliche Einwilligung gilt, dass diese nur für den Anruf als solchen gilt. Nach Verlautbarung des Werbeinteresses des Anrufenden kann der Angerufene sodann äußern, dass er das Telefonat nicht wünscht. Diesem Wunsch ist seitens des Werbenden sodann Folge zu leisten. Tut er dies nicht, so liegt eine unzumutbare Belästigung vor.515 Im Ergebnis gilt der

510 Ohly, in: Ohly/Sosnitza UWG, § 7 Rn. 56.

511 BGH, WRP 2010, 1249 (1251 f.) – Telefonwerbung nach Unternehmenswechsel; vgl. hierzu auch BGH, GRUR 2008, 189 (Rn. 14) – Suchmaschineneintrag; BGH, GRUR 2004, 520 (521) – Telefonwerbung für Zu-satzeintrag; BGH, GRUR 2001, 1181 (1183) – Telefonwerbung für Blindenwaren; Ohly, in: Ohly/Sosnitza UWG, § 7 Rn. 56; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, § 7 Rn. 163.

512 BGH, WRP 2010, 1249 (1251) – Telefonwerbung nach Unternehmenswechsel.

513 Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, § 7 Rn. 166; a. A. Pauly/Jankowski, GRUR 2007, 118 (122 ff.) und Seichter/Witzmann, WRP 2007, 699 (707), die bei einem den „Kern“ des Geschäftsbetriebs betreffenden Anruf stets eine mutmaßliche Einwilligung bejahen.

514 Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, § 7 Rn. 165, m. w. N.; a. A. Engels/Stulz-Herrnstadt, WRP 2005, 1218 (1229); Fezer, WRP 2010, 1075 (1093): „Sachinteresse“ ausreichend.

515 Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, § 7 Rn. 161.

mutmaßliche Wille somit nur solange, bis der tatsächliche Wille dem Werbenden ausdrücklich bekannt wird.516

Um einer Ausuferung kommerzieller Nachrichten über Telefonanlagen entgegenzusteuern, sieht der deutsche Gesetzgeber keine weitere Liberalisierung der Einwilligungsanforderungen vor, wie sie in manchen EU-Ländern bestehen.517

2. Deliktsrechtsrechtliche Beurteilung

Der kommerzielle Werbeanruf gegenüber einem Unternehmer stellt im Einklang mit den lau-terkeitsrechtlichen Vorschriften einen Eingriff am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebe-trieb dar, solange keine tatsächliche oder mutmaßliche Einwilligung gegeben ist.518

C. Hohe Einwilligungsanforderungen zum Schutz von Verbrauchern

Im Dokument Der Schutz vor unerwünschter Werbung (Seite 113-119)