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Internetwerbung

Im Dokument Der Schutz vor unerwünschter Werbung (Seite 164-167)

Teil I Einleitung

A. Unzumutbare Belästigung

III. Internetwerbung

Auch Internetwerbung als plattformgestützte kommerzielle Nachricht ist lauterkeits- und per-sönlichkeitsrechtlich einzuordnen.

1. Persönlichkeitsrechtliche Einordnung

Wie beim medialen Konsum des Fernsehens ist der Einzelne auch während des Aufrufens von Internetseiten zumeist in seinem häuslichen Bereich. Jedoch können auch hier die zur „Öffnung des geschützten Bereichs“ gemachten Ausführungen auf das Surfen im Internet übertragen wer-den. Auch das browsergestützte Internet ist als passive Darstellungsplattform konzipiert. Das heißt, dass erst durch das aktive Aufsuchen von Internetseiten eine Rezeption ermöglicht wird708 – mit der Folge, dass der Surfende, seinen geistigen Horizont zunächst bereitwillig den digitalen Inhalten im Internet gegenüber öffnet. Zwar führt der europäische Gesetzgeber an, dass

„Endeinrichtungen (…) elektronischer Kommunikationsnetze und alle Informationen im Zusammenhang mit der Nutzung die-ser Endeinrichtungen (…) Teil der Privatsphäre“709

seien, allerdings kann dies nicht in der Weise, wie es für Telefone, Fax-Geräte oder Smartpho-nes gilt, verstanden werden. Das Internet stellt nämlich bereits keine Endeinrichtung dar, son-dern ein öffentlich zugängliches Netzwerk. Der Computer, mit dem der Nutzer Internetseiten ansteuert, unterliegt hingegen der Privatsphäre, sodass dort gespeicherte Informationen ein ho-hes Schutzniveau genießen. Beim Betreten öffentlich zugänglicher Seiten lockert sich dieses Schutzniveau hingegen, sodass wie beim Verlassen des privaten Rückzugbereichs im analogen Leben für das digitale nichts anderes gilt.

Parallel zum medialen Konsum von Fernsehinhalten ist im Ergebnis auch der Besuch von In-ternetseiten grundsätzlich der Öffentlichkeitssphäre zuzurechnen. Die zum Fernsehen gemach-ten Erwägungen gelgemach-ten auch hier.

2. Deliktsrechtliche Beurteilung

Die üblichen Werbeformen im Internet überschreiten grundsätzlich nicht die Schwelle zur rechtswidrigen Persönlichkeitsverletzung.710 Im Internet steuert der Nutzer – wohlwissend über

708 Vgl. BVerfG, WRP 2003, 1209 (1211), m. w. N.

709 Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Achtung des Privatle-bens und den Schutz personenbezogener Daten in der elektronischen Kommunikation und zur Aufhebung der Richtlinie 2002/58/EG (Verordnung über Privatsphäre und elektronische Kommunikation) COM/2017/010 final – 2017/03 (COD), Erwägungsgrund 20.

710 Bornkamm/Seichter, CR 2005, 747 (753).

die Menge an Informationen und der dazugehörigen Werbung – die Internetseiten freiwillig an.

Zudem hat der Einzelne stets die Möglichkeit, den Browser-Tab zu schließen und somit zeit-gleich die Rezeptionswirkung der Werbung zu beenden. Des Weiteren besteht eine Verzichts-möglichkeit durch die Inanspruchnahme werbefreier Medien.

Ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht durch Internetwerbung ist folglich abzu-lehnen, sodass der Nutzer, solange die genannten Ausweichmöglichkeiten bestehen, sich nicht auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht stützen kann, wenn es darum geht, einen Schutz vor Werbung auf Internetseiten zu erlangen.

3. Lauterkeitsrechtliche Beurteilung

Im Einzelnen sieht die Rechtsprechung und Rechtsliteratur Bannerwerbung711, Interstitials712 und Pop-ups- und -unders713 als wettbewerbsrechtlich zulässig an. Etwas anderes kann sich jedoch unter Verwendung von Exit-Pop-up-Fenstern ergeben. Denn gerade hier mangelt es an der notwendigen Ausweichmöglichkeit. Exit-Pop-up-Fenster kennzeichnen sich dadurch, dass sie sich anders als ein übliches Pop-up-Fenster nicht mehr schließen lassen, da automatisch neue Pop-ups erscheinen. Erst durch eine für den durchschnittlichen Nutzer komplizierte Vor-gehensweise über den Task-Manager des Betriebssystems, ist ein Entrinnen vor der Werbung möglich.714 Das personale Selbstbestimmungsrecht ist hier nicht mehr gewahrt. Teilweise wer-den auch Interstitials als unzulässig angesehen. Können diese über einen längeren Zeitraum nicht geklickt werden, wurde deren Unzumutbarkeit in der Vergangenheit bejaht.715 Diese Ar-beit vertritt hingegen die Ansicht, dass selbst Interstitials mit einer Schaltdauer von mehreren Minuten keinen Wettbewerbsverstoß darstellen.716 Allein die Möglichkeit, die Internetseite durch Schließen des Browserfensters zu verlassen, genügt den Voraussetzungen an ein selbst-bestimmtes Handeln des Nutzers. Insgesamt scheidet eine unzumutbare Belästigung gem. § 7 Abs. 1 UWG durch Internetwerbung daher in den meisten Fällen aus.717

711 LG Frankfurt, ITRB 2001, 206 (206), mAnm. Dieselhorst; Härting/Schirmbacher, ITRB 2005, 16 (18); Sch-mittmann, MMR 2001, 792 (794).

712 OLG Köln, ITRB 2013, 253 (254), mAnm. Elteste.

713 KG Berlin, MMR 2014, 44; LG Berlin, GRUR-RR 2011, 332; Härting /Schirmbacher, ITRB 2005, 16 (18);

a. A. Burmeister, Belästigung als Wettbewerbsverstoß, S. 99 ff.; Schreibauer/Mulch, WRP 2005, 442 (457).

714 LG Düsseldorf, MMR 2003, 486 – Exit-Pop-up-Fenster; LG Berlin, MMR 2004, 699; Schreibauer/Mulch, WRP 2005, 442 (456).

715 LG Berlin, GRUR-RR 2011, 332 (333), Rn. 44; Lüghausen, K&R 2011, 458 (461).

716 So auch Leible in: MüKoLauterkeitsR, UWG, § 7 Rn. 280.

717 KG Berlin, MMR 2014, 44 (45); LG Frankfurt, ITRB 2001, 206, mAnm. Dieselhorst; Härting in: Härting, Internetrecht, G. Wettbewerbsrecht, Rn. 1779.

4. Negative Informationsfreiheit

a) Heranziehung in der Rechtsprechung zum Schutz vor Internetwerbung

Das in der aktuellen Rechtsprechung wiederholte Heranziehen der negativen Informationsfrei-heit als Schutzanspruch vor Internetwerbung718 macht es notwendig, erneut auf das Freiheits-recht einzugehen. Das Landgericht München719 führte an, dass die negative Informationsfrei-heit das geschützte Interesse des Nutzers umfasse, sich gegen den Zwangsgenuss oktroyierter Informationen durch Werbung zu wehren. Das LG Hamburg vertrat die Ansicht, dass die ne-gative Informationsfreiheit die Privatautonomie des Einzelnen in seiner Sphäre dahingehend schütze, dass er darüber bestimmen könne, welche Inhalte er wahrnehmen möchte.720 Mit Hin-weis auf den Aufsatz von Fikentscher und Möllers schloss sich auch das OLG Köln dieser Ansicht an.721 So leite sich aus dem Grundrecht nach Ansicht des Gerichts ab, dass es keine Pflicht gebe, Werbung zu rezipieren.

b) Stellungnahme

Dem OLG Köln ist im Ergebnis zuzustimmen. Es gibt keine Pflicht, Werbung zu rezipieren.

Die Freiheit eines jeden Einzelnen verbietet jegliche zwanghafte Form von Werbung. Die Aus-führungen der Gerichte sind jedoch substanzlos und für den zu entscheidenden Fall wertlos, da sie weder im richtigen Kontext stehen noch umfänglich differenziert vorgetragen werden. Dies zeigt beispielhaft der Verweis auf Fikentscher und Möllers Aufsatz durch das OLG Köln. Wenn das Gericht diesen Aufsatz heranzieht, um die Ansicht des Gerichts zu untermauern, dass In-ternetwerbung Schutzobjekt der negativen Informationsfreiheit sei, lässt sich dies dem Aufsatz gar nicht entnehmen.722 Denn so sprechen die Autoren explizit davon, dass bei Werbung im Radio und Fernsehen für den Zuhörer oder Zuschauer keine unzumutbaren Eingriffe in das Recht auf negative Informationsfreiheit gegeben seien. Der Adressat habe im Hinblick auf die Umgebung, in die er freiwillig eintrat, mit ortsüblicher, sachzugehöriger und nicht etwa wahllos verbreiteter Werbung zu rechnen.723 Diesbezüglich gelten analog dieselben Erwägungen auch für Internetwerbung, sodass die negative Informationsfreiheit hier gerade keine Abwehrmaß-nahmen begründet.

718 OLG Köln, GRUR 2016, 1082 (Rn. 46) – Adblock Plus; LG München I, BeckRS 2015, 09562 (Rn. 199); KG Berlin, BeckRS 1999, 30078541.

719 LG München I, BeckRS 2015, 09563 (Rn. 170 f.).

720 LG Hamburg, MMR 2017, 351 (353).

721 OLG Köln, GRUR 2016, 1082 (1086 f.).

722 OLG Köln, GRUR 2016, 1082 (1086), m. N. a. Fikentscher/Möllers, NJW 1998, 1337 (1341).

723 Fikentscher/Möllers, NJW 1998, 1337 (1342).

Zudem stellen die Werbeformen im Internet entgegen der Ansicht des LG München keine ok-troyierten Zwangsinformationen und daher auch keine aufgedrängten Informationen dar. Sie mögen unerwünscht sein, jedoch nicht aufgedrängt, da der Nutzer im Bewusstsein über deren Vorhandensein die werbende Internetseite ansteuert. Möchte er die Information ignorieren, so stehen ihm Ausweichmöglichkeiten zur Verfügung, solange er die Internetseite ohne Hinder-nisse verlassen kann. Nur dies kann von der vermeintlich negativen Informationsfreiheit um-fasst sein, nicht jedoch der Besuch der Seite unter Ausblendung von Werbebannern mittels technischer Hilfsprogramme Dritter.

Im Dokument Der Schutz vor unerwünschter Werbung (Seite 164-167)