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Opt-out durch Briefkastenaufkleber gegen Direktwerbung

Im Dokument Der Schutz vor unerwünschter Werbung (Seite 106-111)

Teil I Einleitung

C. Schutzmöglichkeiten

I. Opt-out durch Briefkastenaufkleber gegen Direktwerbung

In allen Fällen, in denen die Rechtsprechung die Unzulässigkeit von Briefkastenwerbung her-leitete, wurde auf die Missachtung des Willens abgestellt, keine Werbung erhalten zu wollen.447 Die gängigste Form eines solchen Opt-outs ist die Verwendung eines Sperrvermerks. Doch damit ist der Briefkasteninhaber nicht unbedingt vor jeglicher Werbung geschützt. Denn neben der klassischen Briefkastenwerbung existieren auch Anzeigenblätter, Zeitschriften und Zeitun-gen, welche neben werbenden auch redaktionelle Inhalte enthalten. Es ist daher von Interesse, zu untersuchen, wie weit und detailliert die Formulierung eines Sperrvermerks ausfallen darf, um noch vom personalen Selbstbestimmungsrecht gedeckt zu sein.

445 So im Ergebnis auch Schöler, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, § 7 Rn. 217; a. A. Ohly, in:

Ohly/Sosnitza, UWG, § 7 Rn. 40, der die Möglichkeit eines Opt-outs zur Wahrung des Persönlichkeitsrechts ge-nügen lässt.

446 Köhler spricht sich gegen die Anwendung von § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG im Fall von Anzeigenwerbung aus, da in der Aufzählung im Anh. I der Fernabsatzrichtlinie 97/7/EG lediglich die „Pressewerbung mit Bestellschein“

als Fernkommunikationsmittel gewertet wird, BGH, WRP 2012, 938 (939) mAnm. Köhler.

447 Vgl. BGH, NJW 1973, 1119; BGH, WRP 1989, 308 – Handzettel-Wurfsendung; BVerfG, NJW 1991, 910 (911); kritisch Alt, WRP 1985, 319.

1. Grundsätzliche Reichweite eines Opt-outs

In der Rechtsprechung wurden Briefkastenaufkleber behandelt, die sich gegen bestimmte For-men der Briefkastenwerbung wie Prospekten in Plastikfolie448, Werbebeilagen und Anzeigen-werbung in Abonnement-Zeitschriften449 wenden und Aufkleber, die sich nur gegen bestimmte Werbende richten450.

Der BGH entschied zuletzt, dass der Einwurf von Gratis-Anzeigenblättern von einem pauscha-len Sperrvermerk nicht gedeckt sei.451 Der Wortlaut von § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG452 erfordere nämlich einen erkennbaren Widerspruch. Dieser liege nicht vor. Äußere sich der Werbeadres-sat, indem er durch einen Sperrvermerk auf seinem Briefkasten zu erkennen gebe, dass er

„keine Werbung“ erhalten möchte, so komme dem Begriff „Werbung“ aus der maßgeblichen Sicht des Durchschnittsverbrauchers kein eindeutiger Erklärungsinhalt zu. Denn der Verleger eines Anzeigenblattes könne nicht sicher erkennen, ob derjenige, der keine Werbeprospekte im Briefkasten haben möchte, auch den Einwurf von (mit redaktionellen, lokalen Nachrichten aus-gestalteten) Anzeigenblättern ausschließen wolle oder nicht.453

Dem Ergebnis ist beizupflichten. Es ist im Interesse der Werbewirtschaft und der Werbeadres-saten, dass der Widerspruch möglichst genau und individuell formuliert werden kann. So wird man einerseits dem Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen und andererseits dem Werbeinte-resse der Wirtschaft gerecht, indem die Möglichkeit gegeben ist, einzelne Werbeformen wei-terhin zu erlauben und nicht pauschal nach Anbringen des Sperrvermerks in ihrer Gesamtheit zu verbannen.454 Somit sieht der BGH455 in Übereinstimmung mit der Vorinstanz des OLG Hamm456 im Einwurf kostenloser Anzeigenblätter, die einen redaktionellen Teil enthalten, zu-recht keine unzumutbare Belästigung, wenn ein Briefkastenaufkleber sich lediglich pauschal gegen den Einwurf von Werbung richtet. Besteht der Wunsch des Einzelnen darin, dass er auch Anzeigenblätter vom Einwurf in seinen Briefkasten ausschließen möchte, ist stattdessen der

448 OLG Frankfurt a.M., WRP 2012, 844 – Werbung in Plastikfolie; a. A. Meyer, WRP 2012, 788.

449 OLG Karlsruhe, NJW 1991, 2913; OLG Hamm, NJW 2011, 3794 – Gratiszeitung mit Werbebeilagen.

450 OLG Brandenburg, WRP 2015, 362 (Rn. 15).

451 BGH, WRP 2012, 938, mAnm. Köhler – Einkauf Aktuell.

452 Köhler sieht hier § 7 Abs. 1 S. 2 UWG für einschlägig, vgl. BGH, WRP 2012, 938 (939), mAnm. Köhler.

453 Vorinstanzlich: OLG Hamm, NJW 2011, 3794 (3795).

454 A. A. Mankowski in Anm. zu OLG Hamm, WRP 2012, 585. Mankowski sieht in dem Erfordernis, Anzeigen-blätter explizit als unerwünscht auf dem Sperrvermerk zu klassifizieren, eine nicht hinnehmbare Aufbürdung für den Briefkasteninhaber.

455 BGH, WRP 2012, 938, mAnm. Köhler – Einkauf Aktuell.

456 OLG Hamm, NJW 2011, 3794.

Sperrvermerk so auszugestalten, dass eine Formulierung wie „Keine Werbeprospekte und keine Anzeigenblätter“457 gewählt wird.

Die sich aus dem Urteil ergebende Wahlfreiheit in der sachlichen Reichweite des Widerspruchs ermöglicht es dem Beworbenen, sich im Rahmen seines Selbstbestimmungsrechts explizit für und gegen bestimmte Werbeformen auszusprechen. Als Konsequenz hieraus kann der Brief-kasteninhaber den Sperrvermerk auch so formulieren, dass nur Werbung von bestimmten Ver-legern nicht eingeworfen werden soll.458

2. Opt-out gegenüber bestimmter Briefkastenwerbung

Nach Ansicht des OLG Frankfurt a. M. reiche die Selbstbestimmung dabei nicht soweit, dass auch der Wunsch, keine Anzeigenblätter in Plastikfolie zu erhalten, zu beachten sei.459 In dem Fall, der dem OLG zur Verhandlung vorlag, ging es um die lauterkeitsrechtliche Behandlung des Sperrvermerks „Keine Werbung in Plastiktüten! Der Umwelt zuliebe!“. Das Gericht wer-tete diese Widerspruchserklärung innerhalb der Interessenabwägung des § 7 Abs. 1 UWG ge-genüber den Werbeinteressen der Wirtschaft als weniger schutzwürdig. In der Briefkastenauf-schrift sei kein ausreichend formulierter Wille des Werbeadressaten gegen die Werbung selbst zu sehen. Die Belästigung mit Plastikfolien sei keine lauterkeitsrechtliche Handlung nach § 7 Abs. 2 UWG. Außerdem sei eine solche Belästigung, die aus dem Handgriff zur Trennung der Plastikfolie und der Zeitschrift und dem Entsorgungsaufwand resultiere, auch nicht als unzu-mutbar zu bewerten.460

Diese Erwägungen stehen im Widerspruch zu der hier vertretenen und oben dargestellten Rechtsansicht. Dem Gericht ist zudem zu widersprechen, wenn es die Ansicht vertritt, von Plas-tikfolien ginge kein hohes Störpotential für den Beworbenen aus. Die Resonanz einer Petition461 gegen die Plastikummantelung von „Einkauf Aktuell“ zeigt, dass sich insgesamt über 190 000 Unterstützer gegen eine Plastikverpackung aussprachen. Dies ist kein Grund, Plastikfolien per se für unzulässig zu halten, da immerhin die Werbeindustrie ein berechtigtes Interesse daran hat, eine kostengünstige Schutzverpackung für ihre Zeitungen zu wählen. Jedoch spricht die

457 BGH, WRP 2012, 938 (938 f.), mAnm. Köhler; so auch OLG Karlsruhe, NJW 1991, 2913 welches das Wahl-recht insoweit einschränkt, dass der Beworbene nicht die Zeitung ausgesondert von Werbung erhalten kann;

auch OLG Hamm, NJW 2011, 3794.

458 OLG Brandenburg, WRP 2015, 362 (Rn. 15).

459 OLG Frankfurt, WRP 2012, 844 – Werbung in Plastikfolie; vgl. hierzu Anm. Singer, jurisPR-WettbR 6/2012 Anm. 4; a. A. Meyer, WRP 2012, 788.

460 OLG Frankfurt, WRP 2012, 844 – Werbung in Plastikfolie.

461 Petition abrufbar unter: www.change.org/postaktuell (Stand 04/2017).

Menge der Petitionsteilnehmer dafür, dass zumindest ein Interesse besteht, sich individuell ge-gen diese Art der Werbung auszusprechen. Dies erscheint bei einer Menge von 2886 Tonnen Folienverpackungen jährlich462 zumindest aus umweltschützenden Motiven gerechtfertigt.

Fraglich ist, wie die Weite des Widerspruchs hier rechtlich bestimmt werden kann. Die Wider-spruchserklärung unterliegt wie die Einwilligung grundsätzlich der Auslegung. Für ein starkes Selbstbestimmungsrecht spricht, dass auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene der Schutz der Pri-vatsphäre gegenüber kommerzieller Kommunikation bereits stark hervorgehoben ist und auch immer stärker betont wird.463 Zudem ist zu beachten, von wem die Einwirkung in den Rechts-kreis des Beworbenen hier ausgeht. Vorliegend dringt der Werbende aus lediglich kommerzi-ellen Gründen in die Privatsphäre des Adressaten ein und beeinträchtigt diesen entgegen seinem Willen mit Werbung in Plastikfolie. Sowohl das Eigentums- als auch das Persönlichkeitsrecht streiten hier für den Adressaten gegen das kommerzielle Interesse des Werbenden. Da es sich hier um einen Eingriff in die Privatsphäre des Adressaten handelt, ist der Werbende in seinen Werbemöglichkeiten entsprechend beschränkt. Ist er nicht bereit, die Extrawünsche der ge-wünschten Werbezielgruppe zu erfüllen wie beispielsweise, keine Werbung mit Plastikfolien zu erhalten, so muss er letztlich auf diesen Werbeadressaten gänzlich verzichten.464 Im Um-kehrschluss hat der Einzelne allerdings auch keinen Anspruch gegen den Werbenden auf die Belieferung der Zeitschrift ohne die Plastikfolie. Es besteht lediglich ein Schutzanspruch, nicht hingegen ein Leistungsanspruch.465

Die Ansicht des OLG Frankfurt a. M. ist folglich nicht haltbar, da sie unter Missachtung des Persönlichkeits- und personalen Selbstbestimmungsrechts Werbung in Plastikfolie in geküns-telter Weise einerseits in Werbung und andererseits in deren Verpackungsweise aufspaltet.466 Dabei handelt es sich hierbei um in plastikverpackte Werbung als Gesamtprodukt. Wenn der BGH zwischen „Werbung“ und „Anzeigenblättern“ differenziert, so kann auch „Werbung in Plastikfolie“ als eigene Kategorie einer rechtlichen Bewertung unterliegen. Dies hat zur Folge, dass auch ein Sperrvermerk, der sich gegen den Einwurf von „Werbung in Plastikfolie“ wendet, von der Werbeindustrie beachtet werden muss – entweder in der Gestalt, dass Plastikfolien

462 Mengenangabe laut deutscher Umwelthilfe, abrufbar unter: http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/plastikver-packungen-von-einkauf-aktuell-aufstand-gegen-werbeflut-im-briefkasten/10314554.html.

463 Vgl. nur den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Achtung des Privatlebens und den Schutz personenbezogener Daten in der elektronischen Kommunikation und zur Auf-hebung der Richtlinie 2002/58/EG 2017/0003 (COD), (Verordnung über Privatsphäre und elektronische Kom-munikation).

464 Vgl. Meyer, WRP 2012, 788 (794).

465 Vgl. Meyer, WRP 2012, 788 (794).

466 Meyer, WRP 2012, 788 (795).

nicht verwendet werden oder dass gänzlich auf den Einwurf der plastikummantelten Werbung verzichtet wird.

3. Opt-out gegenüber Zeitschriftenwerbung

Zwar handelt es sich bei Zeitschriftenwerbung um eine Werbeform, die der Medienfinanzie-rung dient, allerdings soll aus Übersichtsgründen nichtdestotrotz in diesem Abschnitt die recht-liche Behandlung erfolgen.

In Rechtsprechung und Literatur wurde in der Vergangenheit bereits die Frage behandelt, ob der Einzelne nach Kundgabe seines Willens an den Werbenden oder mittels Anbringen eines Sperrvermerks einen Anspruch hat, eine wöchentlich erscheinende Abonnement-Zeitschrift ohne die darin befindliche Werbung zu erhalten.467 Ausgangslage war stets die Ansicht des Klägers als Zeitungsabonnent, dass ihm ein Anspruch zustehe, die verlegte Tageszeitung auch ohne dieser beigelegte Werbung zugestellt zu bekommen. Obergerichtlich wurde dieser An-spruch versagt. So sei die Zeitungsbeilagenwerbung von einem Sperrvermerk nicht erfasst. Der Abonnent beziehe die Zeitung nur in der „Form und in dem Umfang“, in dem der Verleger jene, als eine in eigener Verantwortung fertiggestellte Ware vertreibe.468 Hierzu zähle heutzutage üblicherweise auch das Hinzufügen von Werbeanzeigen.469 Fühle sich der Kläger durch die gelieferte Werbung gestört, so bleibe ihm stets die Möglichkeit offen, das Abonnement zu kün-digen oder mit dem Verlag eine vertragliche Sondervereinbarung über den Erhalt von Werbung auszuhandeln. Ein Anspruch auf Belieferung ohne Werbebeilagen bestehe jedoch grundsätzlich nicht.470

Zu einem anderen Ergebnis kommen vereinzelte Stimmen in der Literatur. Demnach bestehe sehr wohl ein Anspruch auf Lieferung des Abonnements ohne Werbebeilagen, da diese nicht Teil des konkreten Verlagsprodukts seien.471 Denn der Zeitungsverlag bekäme die Beilagen vom werbenden Unternehmen mit dem Auftrag geliefert, diese zusammen mit der Zeitung an die Abonnenten auszuliefern. Die Werbebeilagen würden die Zeitung nur als „Vehikel“ nutzen, um in die Briefkästen von den Empfängern zu gelangen. Sie würden daher auch nicht als Teil der vom Zeitungsverleger in eigener Verantwortung hergestellten Ware gelten und seien damit

467 Vgl. hierzu: OLG Hamm, NJW 2011, 3794 (3795); OLG Karlsruhe, BB 1992, 1299; LG Bonn, NJW 1992, 1112; Zepter, BB 1993, 1386; Wolff, BB 1993, 2179.

468 OLG Karlsruhe, NJW 1991, 2913 (2914).

469 OLG Hamm, NJW 2011, 3794 (3795 f.).

470 OLG Hamm, NJW 2011, 3794 (3795); zustimmend Meyer, WRP 2012, 788 (Fn. 70).

471 Zepter, BB 1993, 1386; a. A. Wolff, BB 1993, 2179.

auch nicht vom Zeitungsabonnement erfasst, sodass derjenige, der eine Lieferung dieses Mate-rials nicht wünsche, sich dagegen isoliert mit Hilfe seines Persönlichkeitsrechts wehren könne.472

Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden. Sie vernachlässigt, dass sich die Zeitungsredaktion auch die Werbebeilagen zu eigenmacht, indem sie sich dafür entscheidet, diese mit dem restli-chen Teil ihrer Zeitung an die Abonnenten auszuliefern. Es handelt sich hier folglich um ein durch den Verlag bewusst und absichtlich geformtes Gesamtprodukt. Es liegt in der unterneh-merischen und presserechtlichen Freiheit, Zeitungen in Form und Inhalt frei auszuliefern. Bei-lagen in Zeitschriften sind eine allgemein übliche Form von Werbung und nicht von vornherein persönlichkeitsverletzend.473

Im Unterschied zur Briefkastenwerbung liegt hier bereits keine aufgedrängte Werbung vor, da der Zeitungsabonnent durch seine Bestellung in die Lieferung des Produkts in der Form einge-willigt hat, wie es der Verlag herstellt. Der abweichende Wunsch stellt indessen einen Antrag auf Vertragsänderung dar, den der Verlag jedoch nicht annehmen muss.474 Mangels aufge-drängter Werbung geht daher auch der Versuch fehl, auf die Rechtsprechung zur Briefkasten-werbung hinsichtlich des Schutzanspruches abzustellen.475 Denn diese wurde im Kontext mit dem unerwünschten, aufgedrängten Werbeeinwurf erlassen und nicht mit dem gewollten, an-geforderten Liefern einer Werbung beinhaltenden Zeitung. So ist dem persönlichkeitsrechtli-chen Abwehranspruch gegen Werbung Genüge getan, solange die Lieferung durch Kündigung gestoppt werden kann. Insoweit kann auch auf obige Ausführungen zur Öffnung des geschütz-ten Bereichs verwiesen werden.476

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