• Keine Ergebnisse gefunden

Wahl der Interventionsebene

Im Dokument SUPERVISION – EIN RISIKO? (Seite 58-0)

4. Risiko in Supervision

4.2 Besondere Risikopotenziale von Supervision

4.2.5 Wahl der Interventionsebene

Es kann sich mitunter bei der Wahl der Interventionsebene um eine riskante Ent-scheidung handeln, die nicht rational begründet ist. Die Supervisorin, der Supervisor kann mit ihrer bzw. seiner Intuition und Berufserfahrung Hypothesen entwickeln, die mit der Problemdarstellung des Teams nicht auf den ersten Blick erkennbar überein-stimmen, sich für einen positiven Verlauf des Supervisionsprozesses jedoch auf-drängen. Entscheidet sich nun die Supervisorin, der Supervisor eine Hypothese als Supervisionsgegenstand anzubieten, kann die Supervision einen positiven Verlauf nehmen, wenn die Hypothese zutrifft. Es kann aber auch zu Widerstand und Unver-ständnis seitens des Teams führen, sollte die Hypothese nicht den realen Umstän-den entsprechen (vgl. Möller 2005, 154).

Die Entscheidung der Supervisorin, des Supervisors zur Unterstützung einer Inter-vention eine bestimmte kreative Methode zu verwenden, wie z. B. ein Rollenspiel kann zu einem Widerstand seitens der Supervisandinnen, Supervisanden führen, der durch die Wahl der Methodik hervorgerufen wurde. Mathias Schubert (2004) begrün-det den Widerstand, der durch den Einsatz von kreativen Improvisationen entstehen kann, durch das Risiko der Grenzziehung zur Psychotherapie und unter Umständen einen damit einhergehenden Verlust der Selbstkontrolle der Supervisandinnen und, Supervisanden, der in Supervision nicht angebracht ist. Die Ungewissheit darüber, welche biografischen Inhalte in Supervisionsprozessen dadurch evoziert werden können, stellen ein Risiko in Supervision dar (vgl. Schubert, 2004, 53 ff).

52 4.2.6 Technischer Widerstand

Die weiche, prozessuale Seite der Umstrukturierungen bleibt oft unversorgt. Gute Supervisorinnen und Supervisoren jedoch wissen um die Bedeutung der Arbeit mit dem Widerstand. „Dem Wunsch nach Einsicht und Veränderung steht derjenige, etwas zu verdecken und beim Erreichten zu verharren, entgegen“ (Graf-Deserno, Deserno 1998, 18, cit. Möller 2005, 156). In jedem Beratungsprozess lässt sich das Phänomen der „resistance to change“ (Levin 1963) finden. Angst um eigene Privile-gien, Verlust von Macht und Handlungsfreiräumen können Widerstände erzeugen, die Veränderungsprozesse verhindern. Supervisorinnen, Supervisoren benötigen eine psychodynamische Perspektive, um verborgene Konflikte in der Organisation zu erkennen und Affekte wie Neid, Rivalität, Macht und Bloßstellungsängste zu berück-sichtigen

Widerstand in einem Team kann aber auch durch einen technischen Fehler der Supervisorin, des Supervisors verursacht werden, wenn durch eine falsch gestellte Indikation eine unpassende methodische Vorgehensweise gewählt wurde, die weder zum Thema noch zum Setting passt (vgl. ibid., 156 f).

Möller (2005) bezieht sich auf Fürstenau (1998), der aus der systemische Perspek-tive auf den Widerstand blickt und die Gefühle der Supervisorinnen bzw. der Super-visoren: „Gefühle des Supervisors von Ohnmacht und Hilflosigkeit sind ein Zeichen dafür, dass der Supervisor etwas will, was der Verfassung des Klientensystems gegenwärtig nicht entspricht“ (Fürstenau 1998, 80, cit. ibid., 157).

In der Integrativen Theorie wird Widerstand mit der Sorge um Kontrollverlust der Supervisandinnen, Supervisanden in Verbindung gebracht und dafür eingesetzt, den

„Reaktanz-Begriff“ zu erweitern: „Reaktanz ist ein Sammelbegriff für alle Verhaltens-weisen, mit denen sich ein Individuum bei unerwarteter Frustration gegen Einschrän-kungen zur Wehr setzt. Solche Verhaltensweisen können erhöhte Anstrengung, Aggression oder demonstratives Ersatzverhalten sein“ (Flammer 1990, cit. Petzold 2007, 413).

53 4.2.7 Abstinenz und Triangulierung

Es ist wichtig, dass es der Supervisorin, dem Supervisor gelingt, die „Ver-schmelzung“ mit dem Auftraggeber bzw. der Auftraggeberin zu vermeiden. Die psychische Getrenntheit von Team, Klientel und Institution muss aufrecht erhalten werden, was als aktive Abstinenz bezeichnet wird. Die Supervisorin, der Supervisor ist dabei gefordert, die Unterscheidungsfähigkeit der Rollen zu wahren, ohne zu pola-risieren. „Abstinenz bedeutet die Fähigkeit zu haben, das Ineinanderwirken perso-naler und organisatorischer Strukturen wahrzunehmen und dennoch die beiden Perspektiven gesondert voneinander zu halten“ (Möller 2005, 158).

Unter Triangulierung bzw. Triangulierungskompetenz ist zu verstehen, dass Super-visorinnen und Supervisoren das Spannungsverhältnis im Dreieck zwischen Team – Leitung – SupervisorIin bzw. Supervisor aushalten und die „Triadische Grundangst“

(Pühl 1998), die Angst ausgeschlossen zu werden, adäquat bewältigen müssen. Es gilt, ein hohes Maß an Fremdheit aushalten und weder einen Pakt mit den Auftrag-geberinnen bzw. Auftraggebern noch mit den SupervisandIinnen, Supervisanden einzugehen, was besonders in Teamsituationen deutlich wird. Emotionale und finan-zielle Unabhängigkeit der Supervisorinnen, Supervisoren schützt prophylaktisch vor Bündnisbildung (vgl. ibid. 159).

4.2.8 Übertragungsphänomene in der Supervision

In Anlehnung an Sigmund Freud (1895) beschreibt Möller Übertragungsphänomene als verloren gegangene Erinnerungen, die sich im Beratungsprozess als Wieder-holungszwang zeigen. In Beratungssituationen spricht man im Gegensatz zu psychodynamischen Behandlungssettings von „spontanen Übertragungen“ (Möller 2005, 160).

Nach Bernd Oberhoff (1998) werden Übertragungsphänomene in der Supervision als Wiederholung misslungener Problemlösungsversuche von Beziehungserfahrun-gen in der VerganBeziehungserfahrun-genheit. Dabei setzt Oberhoff diese WiederholunBeziehungserfahrun-gen mit dem Wunsch nach Auflösung gleich und leitet eine optimistische Haltung für Beratungs-prozesse ab. Übertragungen zeigen somit den Wunsch, defizitäre Beziehungsmuster zu überwinden und im Mehrebenensystem (Petzold) begegnungsfähiger und

54 arbeitsfähiger zu werden. So können sogar missglückte Beziehungserfahrungen in der jeweiligen Biografie mittels einer gelungenen Übertragungsauflösung korrigiert und zeitversetzt „Genesung“ ermöglicht werden (vgl. ibid., 161).

In Anlehnung an die analytische Perspektive von Melanie Klein beschreibt Möller weiters eine weniger optimistische Betrachtung von Veränderungsmöglichkeiten von Übertragungsmustern in Organisationen bzw. Supervisionsprozessen: „Übertragung in diesem Verständnis ist nicht per se pathologisch, sondern Ausdruck der beständi-gen Externalisierung innerer Objekterfahrung, der inneren Welt auf die Bühne der äußeren Welt, das Außen“ (ibid., 161). Wenn jedoch diese Haltung rigide wird und neuen Erfahrungen und dadurch Modifikationen verinnerlichter Objekte verhindert wird, bedarf es einer Arbeit an diesem Veränderungswiderstand. Übertragungs-phänomene in der Supervision ihrem Sinn nach zu verstehen, sie als Diagnostikum zu nutzen, sie rückzubinden an die Klientel, an die Gruppendynamik und an die institutionellen Bedingungen, scheint die Methode der Wahl und ist eine nicht zu vernachlässigende Dimension in Supervisionsprozessen. Übertragungen lassen sich auf diese Weise bearbeiten und so weit wie möglich auflösen. Dabei sollen sich Supervisorinnen und Supervisoren darum bemühen, die Übertragungsdynamik auf ihre Person so gering wie möglich zu halten (vgl. ibid., 161 f).

Petzold (2007) ergänzt das Konzept der Übertragung für Relationalitätsphänomene in Supervision um das Konzept der „Affiliation“ und beschreibt es in Unterscheidung zu anderen Relationalitätsmodi wie folgt: „Affiliation ist das intrinistische Bedürfnis der Menschen nach Nähe zu anderen Menschen in geteiltem Nahraum, zu Men-schengruppen mit Vertrautheitsqualität, denn die wechselseitige Zugehörigkeit ist für das Überleben der Affilierten, aber auch der Affiliationsgemeinschaft insgesamt, grundlegend: für die Sicherung des Lebensunterhalts, für den Schutz gegenüber Feinden und bei Gefahren, für die Entwicklung von Wissensständen und Praxen, die Selektionsvorteile bieten konnten. Mit diesem Affiliationsnarrativ als Grundlage der Gemeinschaftsbildung konnten die Hominiden gesellschaftliche und kulturelle Formen entwickeln, die sie zur erfolgreichsten Spezies der Evolution gemacht haben“ (Petzold 2007, 375). Die richtige Deutung der Relationalitätsmodi (Affiliation, Reaktanz, Übertragung, Beziehung, Bindung) in Supervision liefert die Basis für die

55 Wahl der weiteren Vorgehensweise für die Supervisorinnen bzw. Supervisoren und reduziert somit das Fehler- und Schadensrisiko.

4.2.9 Endliche versus unendliche Supervision

Bei der Frage ob Supervision ein dauerhafter Begleiter sein soll oder eine zeitliche Begrenzung vorzuziehen ist, plädieren Pühl (1998), Fürstenau (1998) und Rappe-Giesecke (2003) klar für eine zeitlich begrenzte Supervision. Supervision als fixer Bestandteil und Reflexionshilfe im organsiationalen Alltag gerät immer mehr in den Hintergrund.

So soll die Kontrakterstellung mit den Auftraggeberinnen oder Auftraggeber unter Berücksichtigung einer Diagnose, den festgelegten Zeitraum für den Supervisions-prozess beinhalten. Nach einer Arbeitsphase von fünf bis fünfzehn Sitzungen soll die supervisorische Arbeit beendet werden oder es gibt neue Schwerpunktsetzungen, Aufgaben und Ziele. Der Supervisionsprozess wird neu aufgegriffen und ein neuer Kontrakt wird erstellt. Dabei unterstützt die Diagnosephase zu Beginn eines Prozes-ses sowie eine klare Zieldefinition in großem Ausmaß den Supervisionserfolg und einen gelungenen Abschluss.

Es wird von Teams auch als vorteilhaft und stärkend erlebt, wenn sie ohne Super-vision auskommen. Lang andauernde SuperSuper-vision schwächt ein Team potenziell und macht die/ den SupervisorIn betriebsblind. Als Richtwert wird allgemein ein Zeitraum von drei Jahren genannt (vgl. Möller 2005, 165 f).

56 4.3 Zusammenfassung und Übersicht

Die nachfolgende Tabelle fasst die Dimensionen bzw. Qualitätsstandards für einen gelungenen Supervisionsprozess zusammen und setzt sie in Bezug zu den jeweils inne liegenden Risikopotenzialen. In einem weiteren Schritt werden jene Basis-aspekte bzw. Variablen des SAS-Modells (Kapitel 4.1) angeführt, die in den jeweili-gen Dimensionen relevant sind.

Qualitätsstandard für die Supervision

Risiko in der Supervision Variable

Diagnose Fehldiagnose SupervisorInnenvariable,

Funktionsvariable, Institutions- und Organisationsvariable Richtiges Setting Falsches Setting SupervisorInnenvariable,

Funktionsvariable, Ressourcenorientierung Fokus auf den Mangel/ das

Problem und dadurch

57

Endliche Supervision Unendliche Supervision Prozessvariable, Supervisionsvariable Feldkompetenz Mangelnde Feldkompetenz Feldvariable,

SupervisorInnenvariable, Wahl passender Methoden Unpassende Methodenwahl Methodenvariable

58 Stabile sozioökonomische

Situation von Auftrag-geberInnen und Super-visorInnen

Prekäre sozioökonomische Situation von AuftraggeberIn-nen und SupervisorInAuftraggeberIn-nen

Variable:

Sozioökonomische Situation

Supervision-unterstützendes Netzwerk bzw. System

Supervision-untergrabendes Netzwerk bzw. System

Netzwerkvariable

59

5. Empirie

Der empirische Teil der Arbeit gliedert sich in eine Zusammenfassung über den Forschungsstand zur vorliegenden Forschungsfrage, der Erklärung des Forschungs-prozesses und der Darstellung der Ergebnisse. Den Abschluss des Kapitels bildet die Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse.

5.1 Stand der Supervisionsforschung

Supervision als „junge“ Disziplin ist nach wie vor bemüht als eigenständige Profes-sion anerkannt zu werden. Demnach finden sich in der Forschung vor allem Arbeiten, die sich um die positiven Effekte von Supervision annehmen. Risiken und Schäden fanden bislang noch nicht das Interesse der wissenschaftlichen Community. Vor allem Petzold et al. betreiben die Weiterentwicklung der Forschung in Hinblick auf negative Effekte und nicht sichtbaren Wirkungen von Supervision. Petzold und Moser (2007) fordern von allen im Feld Beteiligten theoretische und empirische Forschungsanstrengungen und eine Qualitätskontrolle in Supervisionsprozessen.

Judith Kero (2010) analysierte im Rahmen ihrer Abschlussarbeit zur Supervisorin an der Donau-Universität Krems zwei Fachzeitschriften als Primärliteratur, nämlich

„OSC – Organisationsberatung Supervision Coaching“ und „Supervision: Mensch-Arbeit-Organisation“ und ging der Frage nach, ob und in welcher Form in diesen beiden Formaten allfällige unerwünschte Effekte, bezogen auf die Supervision, behandelt werden. Kero´s Untersuchung hat gezeigt, dass im Analysezeitraum 2000 bis 2009 in den beiden Zeitschriften publizierten Artikel nur 4 % Risiken, Schäden oder Nebenwirkungen von Supervision thematisieren.

Petzold, Schigl et al. (2003) kamen in ihrer Studie „Supervision auf dem Prüfstand“

zu ähnlichen Ergebnissen und halten fest, dass im Sinne der Unbedenklichkeit die Identifizierung von Fehlern oder Fehlerquellen und die Analyse von Schadensspuren im Mehrebenensystem „Supervision“ dringend zu fördern ist.

„Wo viel Licht, dort ist auch Schatten“ – Wirkungen, Nebenwirkungen, Risiken und Schäden durch Psychotherapie, Supervision und Beratung waren ein Forschungs-schwerpunkt von 2008 bis 2010 am Departement für Psychosoziale Medizin und Psychotherapie der Donau-Universität Krems. Insbesondere wurde diese Studie der

60 Forderung nach der Wissenschaftlichkeit und im Besonderen nach der Unbedenklichkeit gewidmet. Schigl, Jutta Erhard und Petzold (2011) beleuchteten die negativen Effekte durch riskante und fehlerhafte Supervision und konnten aus ihren Daten ableiten, dass es bei Supervision sehr wohl Risiken gibt, die zu persönlichen und materiellen Schäden an den supervidierten Personen und Systemen führen (vgl. Schigl 2011, 132).

Das Datenmaterial der vorliegenden Arbeit wurde als Grundlage für einen ersten Umriss des Dunkelfeldes (Wahrnehmung der Expertinnen und Experten) herangezogen.

5.2 Forschungsdesign

Aufgrund der Fragestellung der vorliegenden Arbeit nach möglichen Risiken, Schä-den und Nebenwirkungen von Supervision, die von Supervisorinnen und Super-visoren ausgehen können, wurde als Erhebungsinstrument das Interview und die Gruppendiskussion mit Expertinnen und Experten in Supervision gewählt. Die Aufbe-reitung und Auswertung der Daten erfolgte mittels Qualitativer Inhaltsanalyse nach Phillip Mayring (2002).

Problemzentriertes Experteninterview

Das problemzentrierte oder offene, halbstrukturierte Interview mit Frageleitfaden bewährt sich als Erhebungsinstrument, um spezielles Sonderwissen von Expertinnen und Experten zu erheben. Die dem Interview vorangegangene Erhebung des Problems und der theoriegeleitete Problemanalyse liefert den Leitfaden, entlang dessen das Interview geführt wird. Dabei wird beabsichtigt, die Interviewpartnerin oder den Interviewpartner möglichst frei zu Wort kommen zu lassen, um so einem offenen Gespräch nahe zu kommen und dadurch spezielle Erfahrungen und speziali-siertes Wissen von den Expertinnen und Experten zu gewinnen und es als Exper-tenwissen zu rekonstruieren (vgl. Mayring 2002, 67 f).

Gruppendiskussion

Der Grundgedanke der Gruppendiskussion nach Mayring ist jener: „Viele subjektive Bedeutungsstrukturen sind so stark in soziale Zusammenhänge eingebunden, dass

61 sie nur in Gruppendiskussionen erhebbar sind. Hier können psychische Sperren durchbrochen werden, um auch zu kollektiven Einstellungen und Ideologien zu gelangen“ (Mayring, 2002, 77).

Durch die soziale Interaktion in der Gruppe wird eine Alltagsdiskussion nachgestellt, die subjektive Bedeutungsstrukturen entstehen lassen, wodurch es ermöglich wird, an öffentliche Meinungen, kollektiven Einstellungen und kollektives Wissen und Kompetenzen heranzukommen.

In der vorliegenden Arbeit ist die Diskussionsgruppe durch ihre Expertenschaft in Supervision definiert und somit real existent als Gruppe von Professionistinnen und Professionisten in Supervision. Die Leiterin oder der Leiter der Gruppendiskussion führt zu Beginn in die Problemstellung ein und ist folglich gefordert, einen selbstläufi-gen Diskurs einzuleiten und durch die Anbindung an die Fragestellung den Diskurs aufrecht zu erhalten. Die Diskussion soll jedoch wenig dirigiert und angeleitet werden. „Reizargumente“ (Mayring 2002, 78) seitens der Diskussionsleiterin oder des Diskussionsleiters, die bereits vorformuliert wurden, dienen dem Vertiefen in das Thema oder können einen ins Stocken geratenen Diskussionsprozess wieder in die Gänge bringen.

Wesentlich ist weiters, dass sich die Gruppe im Diskurs an kollektiven Erfahrungen orientiert und nicht individuelle Aspekte und Relevanzen einzelner Gruppenteil-nehmerinnen und Gruppenteilnehmer bearbeitet (vgl. Mayring 2002, 76 ff).

Leitfaden in den Interviews und der Gruppendiskussion

Der Leitfaden besteht aus Fragen, die gewährleisten sollen, dass bestimmte Themenbereiche angesprochen werden. Zugleich sollen die Fragen so offen formu-liert sein, dass die Interviewpartnerin oder der Interviewpartner die Möglichkeit hat, auf narratives Potenzial zurückzugreifen. Interviewleitfaden sollte aus diesem Grunde nicht zu umfangreich sein (vgl. Mayring 2002, 67 ff).

Auf die Ausarbeitung eines strukturierten Interviewleitfadens wurde für die Forschungsfrage der vorliegende Arbeit verzichtet, um unerwarteten Themendimen-sionierungen Raum zu geben. Es wurde ein zuvor ermittelter Themenkomplex als Einführung zu den Interviews bzw. zu der Gruppendiskussion genannt und drei Leit-fragen zu Beginn der Interviews bzw. zu Beginn der Gruppendiskussion gestellt, auf

62 die während der Interviews und in der Gruppendiskussion als Gedächtnisstütze immer wieder hingewiesen wurde:

Schäden, Risiken und Nebenwirkungen von Supervision:

1) Welche Beispiele von „bad practise“ der Supervisorinnen und Supervisoren fallen Ihnen dazu ein?

– Auf der Ebene der Supervisandinnen und Supervisanden?

– Auf der Ebene der Klientinnen und Klienten der Supervisandinnen und Supervisanden?

– Auf der Ebene der Auftraggeberinnen und Auftraggeber bzw. der Organisation?

2) Wodurch können Nebenwirkungen, Risiken und Schäden entstehen?

3) Wodurch können sie vermieden werden?

Da es sich um Expertinnen- und Experteninterviews handelt bzw. um eine Gruppen-diskussion mit Expertinnen und Experten in Supervision, konnte das Stellen von Sondierungs- bzw. Einstiegsfragen zur Thematik vernachlässigt werden, denn es ist davon auszugehen, dass der Themenkomplex den Beteiligten weitgehend bekannt ist und eine subjektive Bedeutung für sie besitzt. Wenn im Interview und in der Diskussion Aspekte aufgeworfen wurden, die für die Themenstellung oder für die Fortführung des Gespräches relevant und hilfreich waren, wurden spontan Ad-hoc-Fragen/ Nachfragen von der Interviewerin bzw. Diskussionsleiterin formuliert.

Expertinnen und Experten

Den Begriff „Expertenwissen“ haben Michael Meuser und Ulrike Nagel (2011) wie folgt definiert: „Expertenwissen ist in einer arbeitsteiligen Gesellschaft ein als not-wendig erachtetes Sonderwissen und lässt sich als sozial institutionalisierte Exper-tise begreifen. Als Experte wird interviewt, wer sich durch eine institutionalisierte Kompetenz zur Konstruktion von Wirklichkeit auszeichnet“ (Meuser, Nagel 2011, 57).

Die Auswahl der Expertinnen und Experten für die vorliegende Forschungsfrage erfolgte nach den Kriterien, dass sie über eine langjährige supervisorische Praxis verfügen und in der Ausbildung von Supervisorinnen und Supervisoren tätig sind.

Darüber hinaus wurde darauf geachtet, dass ihre Expertise in der „Community of

63 Professionals“ allgemein anerkannt ist und allgemein davon auszugehen ist, dass sie Supervision „State oft the Art“ praktizieren bzw. lehren.

Es wurden 7 Einzelinterviews (4 Frauen, 3 Männer) geführt und eine Gruppen-diskussion mit 7 Teilnehmerinnen und Teilnehmer (3 Frauen, 4 Männer).

3 Interviewpartnerinnen und Interviewpartner der Interviews bringen einen systemi-schen Hintergrund mit. Die übrigen Interviewpartnerinnen und Interviewpartner und die Diskussionsteilnehmerinnen und Diskussionsteilnehmer verfügen über den inte-grativen Ansatz.

Durchführung der Interviews und der Gruppendiskussion

Im Vorfeld der Interviews wurde telefonisch mit den Interviewpartnerinnen und Inter-viewpartnern Kontakt aufgenommen und der Hintergrund des Forschungsinteresses der Autorin dargelegt und die vertrauliche und anonymisierte Bearbeitung der Inter-viewdaten zugesichert. Die ca. einstündigen Interviewtermine wurden in den Praxis-räumen der Interviewpartnerinnen und Interviewpartner durchgeführt. Die Gruppen-diskussion fand im Anschluss an eine an der Donau-Universität Krems abgehaltene Konferenz von Lehrsupervisorinnen und Lehrsupervisoren statt und umfasste eben-falls eine Stunde.

Aufbereitung der Daten

Während der Interviews bzw. der Gruppendiskussion fertigte die Autorin kurze Noti-zen an, um wesentliche Inhalte, die von den Interviewpartnerinnen und Interview-partner oder in der Gruppendiskussion eindrücklich formuliert wurden, festzuhalten.

Weiters diente die punktuelle Mitschrift als Stütze für den weiteren Gesprächsverlauf, um auf alle auf das Forschungsthema bezogenen relevanten Fragestellungen einzu-gehen und wesentliche Aspekte nicht zu vernachlässigen.

Die Interviews und die Gruppendiskussion wurden – nachdem das Einverständnis der Beteiligten eingeholt wurde – auf Tonband aufgezeichnet und wortwörtlich tran-skribiert. Nach Mayring gibt es für die wortwörtliche Transkription folgenden Grund-gedanken: „Durch wörtliche Transkription wird eine vollständige Textverfassung ver-bal erhobenen Materials hergestellt, was die Basis für eine ausführliche interpretative Auswertung bietet“ (Mayring, 2011, 89).

64 Auf die Aufzeichnung von Pausen oder Prosodie und die Beschreibung von Gestik oder Mimik wurde verzichtet, da es vorrangig um die Rekonstruktion von Erfahrun-gen und um spezifisches Wissen der Expertinnen und Experten ging. Um diese Aspekte jedoch nicht gänzlich zu vernachlässigen, flossen bei der Datenauswertung und Interpretation der Daten die handschriftlichen Protokolle der Autorin, die eine Aussage über diese Aspekte lieferten, mit ein. Die transkribierten Texte wurden ano-nymisiert und mit Zeilennummern versehen. Die Expertinnen und Experten der Inter-views wurden mit den Buchstaben A bis G durchnummeriert, die Gruppenteilnehme-rinnen und Gruppenteilnehmer mit den Buchstaben GA bis GG.

Auswertung der Daten

Die Auswertung der Daten erfolgte mittels qualitativer Inhaltsanalyse nach Philipp Mayring (2002). Als Grundlage der Analyse diente das transkribierte Tonband-material aus den Interviews und der Gruppendiskussion.

Die qualitative Inhaltsanalyse berücksichtigt im Vergleich zur qualitativen Inhaltsanalyse den Kontext von Textbestandteilen, latente Sinnstrukturen, markante Einzelfälle und das, was im Text nicht vorkommt Dabei wird eine systematische Technik angewandt, die streng methodologisch kontrolliert und das Textmaterial schrittweise analysiert. Entlang der Materialanalyse wird sodann ein theoriegeleitetes Kategoriensystem entwickelt, das eine Zuordnung von Textstellen zu den jeweiligen Kategorien ermöglicht (vgl. Mayring, 2002, 114 f).

Bei der Auswertung der Daten wurde folgendermaßen vorgegangen:

Nach dem Studium der entsprechenden Literatur und der Berücksichtigung eigener Vorannahmen zur Fragestellung wurden die Aspekte der Fragestellung als Kategorie definiert und ein Abstraktionsniveau verfolgt. Mit dieser Logik wurde Zeile für Zeile jedes Interviews durchgearbeitet. Die in Bezug auf die Fragestellung relevanten Textstellen der Interviews wurden danach in Tabellen übersichtlich geordnet, in zwei weiteren Schritten analysiert und zuletzt den möglichen Kategorien zugeordnet.

65 Das folgende Beispiel zeigt einen Ausschnitt des oben beschriebenen Forschungsprozesses:

Nach Anführen des Zitates stellt Paraphrase 1 eine allgemeine Beschreibung des Zitates dar, Paraphrase 2 schafft eine weitere Abstraktion durch Stichworte, um in einem 3. Schritt eine Überthematik zu definieren, die einer theoriegeleiteten Kategorie zugeordnet wird.

Exp. Zeile Text Paraphrase 1 Paraphrase 2 Überthematik Kategorie GC 14/ 457-

66 5.3 Darstellung der Ergebnisse

Die nachfolgenden Ausführungen versuchen „Licht ins Dunkel“ der Schattenseiten von Supervision zu bringen und beleuchten jene Kategorien mit besonders hohem Potenzial an Risiko und Fehleranfälligkeit, die mit negativen Effekten konnotiert sind.

Die nachfolgenden Ausführungen versuchen „Licht ins Dunkel“ der Schattenseiten von Supervision zu bringen und beleuchten jene Kategorien mit besonders hohem Potenzial an Risiko und Fehleranfälligkeit, die mit negativen Effekten konnotiert sind.

Im Dokument SUPERVISION – EIN RISIKO? (Seite 58-0)