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Persönlichkeit der Supervisorin, des Supervisors

Im Dokument SUPERVISION – EIN RISIKO? (Seite 73-77)

5. Empirie

5.3 Darstellung der Ergebnisse

5.3.1 Persönlichkeit der Supervisorin, des Supervisors

Das höchste Risiko mit persönlichen Schadensfolgen bringen die Expertinnen und Experten mit der Person und der Persönlichkeit der Supervisorin, des Supervisors in Verbindung. Zahlreiche Beispiele weisen auf Fehler mit Schadenswirkung durch Selbstüberschätzung oder Überheblichkeit (der Supervisorinnen und Supervisoren und der Gefahr der Verletzung der Integrität (Kapitel 3.2) der am Supervisions-prozess beteiligten Personen hin. Des Weiteren wird die mangelnde Passung (Kapitel 4.2.2), die von der Supervisorin oder dem Supervisor nicht als solche erkannt wird, dieser Kategorie zugeordnet.

Selbstüberschätzung

Supervisorinnen und Supervisoren mit eigenen Selbstwertdefiziten oder narzisstischen Problemen können sich den Supervisandinnen und Supervisanden gegenüber überlegen präsentieren und die Rolle der Beratungsexpertin oder des Beratungsexperten für den eigenen Geltungsdrang missbrauchen und die

67 „… Supervisorenmacht genießen, statt sich als Mitexpertin oder Mitexperten zu verstehen“ (D, 5/ 164 –166).

„Also ich glaube, dass der ganze Beratungs-, Supervisions-, Psychotherapiebereich – das ist vielleicht ein heikles Thema – Leute anzieht, die manchmal selber Probleme haben, die sie nicht gelöst haben“ (A, 6/ 183–187).

Eine weitere Interviewpartnerin sieht bei professionell durchgeführter Supervision keine Schadensrisiken durch das Beratungsformat angesiedelt. Für Schäden sei alleine die Persönlichkeit der Supervisorin oder des Supervisors verantwortlich:

„Man kann mit der Supervision – wenn ich jetzt frech sag – nicht so wahnsinnig viel anrichten. Man kann sehr viel Unterstützendes tun, aber wirklich Schäden verur-sachen … weiß ich nicht … wenn jemand mal aus dem professionellen Rahmen raus fällt und jemanden beleidigt oder jemanden aufhetzt gegen seinen Vorgesetz-ten, oder so etwas“ (E, 3/ 69–73).

Ein weiteres Zitat im Zusammenhang von persönlichem Schaden oder Kränkung:

„Wenn die Wertschätzung fehlt, wenn die Menschen das Gefühl haben, sie werden nicht beachtet oder gehört. Nicht wertgeschätzt oder weniger als andere oder wenn indoktrinierend gearbeitet wird … wenn der Supervisor, die Supervisorin seine eige-nen Vorstellungen missionarisch da irgendwie zu vertreten versucht und dadurch verunsichert oder manipuliert“ (B, 7/ 231–238).

Verunsicherung oder der Verlust von Vertrauen entstehe auch bei nichtneutralem Verhalten der Supervisorin, des Supervisors. Wenn sich die Supervisorin, der Supervisor in einer Auseinandersetzung auf eine Seite stellt ist das Vertrauen gefährdet (vgl. G 1/ 27–29). Die Supervisorin, der Supervisor ist hierbei persönlich gefordert, die psychische Alleinstellung, die professionelles Vorgehen erfordert, aus-zuhalten und kein Bündnis, weder mit den Supervisandinnen und Supervisanden, noch mit der Auftraggeberin oder dem Auftraggeber einzugehen.

Die Verflechtung der Supervisorin, des Supervisors mit einzelnen Supervisandinnen oder Supervisanden oder mit der Einrichtungsleitung wird ebenfalls als sehr kritisch gesehen. Es kann die allparteiliche Haltung gefährdet sein und es können

persönli-68 che Interessen verfolgt werden. Ein Interviewexperte konnte in seinem Umfeld beobachten, dass eine Supervisorin gegen die abwesende Leiterin agierte:

„Und dann habe ich auch noch mitgekriegt, die hat einen persönlichen Zorn, die Supervisorin mit der betreffenden Leiterin“ (GE 15/ 477– 479). Diesem Zitat geht voran, dass der betreffende Experte einerseits besorgt und andererseits auch beruhigt ist, dass die Supervisorin keine Supervisionsausbildung hat, die sie evtl.

professioneller vorgehen ließe (vgl. GE 14/ 15/ 469– 477).

Ein Experte ist der Meinung, dass durch Supervision das Machtpotenzial der Supervisandinnen und Supervisanden gefördert werden kann und die Folgen dieser Machtausübung nicht absehbar sind:

„Ich erlebe die Möglichkeit von Risiken und Schäden dann besonders, wenn die Supervisanden in einer beruflichen Rolle sind, wo sie eindeutige Macht haben. Weil dann auch die Supervision in ein interessantes Spannungsfeld kommt. Weil es geht ja darum, die Supervisanden zu stärken und zu stützen. Ein einfaches Beispiel: eine sozialpädagogische Wohngemeinschaft … ein Jugendlicher macht die Betreuer einfach fertig. Und wo es um diese Frage geht: Was immer ich mache, was machen die Supervisanden dann damit? Wenn ich sie menschlich bestärke und stütze, dann bestärke ich sie unter Umständen auch in ihrer Gewaltausübung oder dass sie den Jugendlichen rausschmeißen oder sonst wie was gegenüber dem Klienten“ (GA, 15/ 16/ 505–514).

Mangelnde Passung

Die „Passung“ (Kapitel 4.2.2) trägt wesentlich zum Gelingen eines Supervisions-prozesses bei. Das heißt, der Teil der Passung, der auf der persönlichen Ebene an-gesiedelt ist und auf die Herstellung einer tragenden, vertrauensvollen Arbeitsbasis abzielt:

„… dass eine Supervisorin vielleicht nicht zu einem Team passt, weil sie eine andere Sprache spricht, weil sie andere Vorstellungen hat, wie intensiv man reflektieren muss. Und da komme ich wieder an die Grenze der Professionalität, wenn sie nicht kapiert, was eigentlich der gangbare Weg des Teams ist, wenn sie sich entfernt und dann wird sie zurecht als schlechte Supervisorin betitelt“ (E, 7/ 235–239).

69 Fach- und Feldkompetenz

Als Fachkompetenz wird das Wissen um den Theorie- und Forschungsstand eines Fachgebietes genannt und ist zu unterscheiden von der Feldkompetenz, die das Wissen um die Bedingungen einer bestimmten „social-world“ (Kapitel 2.4) kennzeichnet.

Beide Kompetenzbereiche wurden von den Expertinnen und Experten für einen gelungenen Supervisionsprozess grundsätzlich vorausgesetzt:

„Und im dem Moment, wo es um Patientenarbeit geht und nicht wissen was eine ICD10-Diagnose ist, wie soll das denn gehen. D.h. das ist ein Risiko in der mangelnden Feld- und Fachkompetenz“ (D, 5/ 151–153).

„Natürlich ist es so, dass ich denke, der Hauptfehler ist eigentlich, dass man die Dynamik des Feldes übersieht. Dass man nicht fragt, wo gibt es da Abbildungsphänomene oder so“ (E, 8/ 259–260).

Einzelne Aussagen in den Interviews und der Gruppendiskussion zur Feld- und Fachkompetenz beschreiben diese Kriterien etwas kritischer:

„Das ist ein schwieriges Kapitel … Also ich finde es nicht gut, wenn man aus dem Feld kommt oder noch mit ihm verhaftet ist und diese viel berühmten blinden Flecken hat … Wenn man aber überhaupt keine Ahnung hat, was dort eigentlich an Themen und Fragestellungen eine Rolle spielen, ist das genau so schlecht“ (E, 4/ 130–134).

Eine Expertin beschreibt zu viel Fach- und Feldkompetenz dann als schädlich, wenn jemand der Verführung unterliegt, zu nahe an die Erwachsenenbildung bzw. an einen Seminarbetrieb zu kommen.

„Und dort kann Supervision schaden, wo Supervision dazu dient, die eigenen Vorstellungen von dem Job zu transportieren … wobei es schon sein kann, dass ein fachliches Know-how in Supervision seinen Platz hat“ (B, 4/ 5, 172–181).

Interpretation:

Die Persönlichkeit der Supervisorin, des Supervisors, derer oder dessen ethische Grundhaltung sowie das Verhalten beeinflussen maßgeblich die supervisorische Arbeit. Da das Kernstück einer vertrauensvollen supervisorischen Arbeit und eines gelungenen Supervisionsprozesses die supervisorische Beziehung darstellt, betonen

70 die Expertinnen und Experten die Bedeutung, welche die Persönlichkeit bzw. die Eignung einer Person für die supervisorischer Beratungstätigkeit hat. Menschen mit Selbstwertdefiziten laufen Gefahr, die Position der Beratungsexpertin, des Beratungsexperten kompensatorisch für eigene Selbstwertregulierungen einzusetzen und Supervisandinnen oder Supervisanden nicht wertzuschätzen, Bündnisse mit Einzelnen einzugehen und Entscheidungsprozesse zu lenken.

Überwiegend deckt sich die Meinung der interviewten Expertinnen und Experten mit der Meinung der supervisorischen Fachwelt darin, dass Fach- und Feldkompetenz der Fehler- und Schadensvermeidung dient. Besonders gilt das für spezifische Bereiche wie z. B. dem klinischen Bereich, da dort der fachliche Kontext einen zentralen Bestandteil von Supervision darstellt.

Im Dokument SUPERVISION – EIN RISIKO? (Seite 73-77)