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Auftragsklärung

Im Dokument SUPERVISION – EIN RISIKO? (Seite 77-81)

5. Empirie

5.3 Darstellung der Ergebnisse

5.3.2 Auftragsklärung

Als weiterer Risikofaktor mit hoher Fehler- und Schadensanfälligkeit wird von der Mehrzahl der Expertinnen und Experten die mangelnde Auftragsklärung und eine unspezifische Kontrakterstellung genannt:

„Dort wo die meisten Fehler passieren, das ist auf einem niedrigeren Niveau. Das ist im Contracting. Und das fängt an beim ersten Telefonat. Alles was ich in Lehrsupervisionen und Beratungen mitbekomme, ist da der Fehler am häufigsten“

(C, 4/ 119–123).

Es ließen sich folgende besondere Hauptrisikofaktoren für potenzielle Fehler und Schadensfolgen mangels ausführlicher Kontrakterstellung aus dem Datenmaterial herausfiltern, die im weiteren Verlauf dieses Kapitels ausführlicher dargestellt werden:

– Setting mit oder ohne Leitungsebene – Dauer von Supervision

– Supervision als falsches Beratungsformat Setting mit oder ohne Leitungsebene

Das Fehlerrisiko, das die Expertinnen und Experten beim „Setting“ vorrangig nennen, ist die mangelnde Klärung, ob die Leitung oder sogar die geschäftsführende

71 Ebene am Supervisionsprozess teilnehmen soll oder nicht bzw. ob deren Teilnahme grundsätzlich möglich ist:

„Eine wesentliche Quelle von Schäden sind falsch gewählte Settings – letztlich.

Damit entscheidet sich schon sehr viel. Nämlich ist der Leiter bei der Teamsupervision dabei oder nicht. Wird die Leitung des Hauses – die Überleitung also mit einbezogen, am Anfang und am Schluss“ (GC 6/ 176–180).

Eine Expertin betont, dass sie aufgrund ihrer jahrelangen Erfahrung retrospektiv feststellt, dass ohne Einbindung der Gesamtorganisation und der Führungsebene vieles, was in Supervision als veränderungsnötig behandelt wird, gar nicht veränderbar ist (vgl. A 3/ 69–71).

Ein Experte berichtet aus einer Lehrsupervision:

„… mein in Ausbildung befindlicher Supervisand legt das Setting grundsätzlich ohne Leitung fest, da er in der Ausbildung nichts darüber gelernt hätte …“ (GF, 3/ 4/ 95–

106).

Eine Expertin machte eine Erfahrung mit einer Lehrsupervisandin, wo es wiederum zu verhindern galt, dass es zu einer Supervisionssitzung gemeinsam mit der Leitung komme, um potenzielles Schadensrisiko an allen Beteiligten, auch der Supervisorin zu vermeiden (vgl. A, 1/ 11–25).

Eine weitere Interviewpartnerin hebt hervor:

„Mir ist das variable Setting ein Anliegen und die Leitung je nach Bedarf zur Teilnahme an der Supervision eingeladen wird …“(B, 8/ 241–244).

In der Gruppendiskussion wurde thematisiert, dass das Team seine Unzufriedenheit mit der Leitung nicht konstruktiv bearbeiten und verändern könne, wenn der Leiter oder die Leiterin bzw. die Führungsebene nicht am Supervisionsprozess teilnimmt.

Eine schädliche Konsequenz davon könne eine Verhärtung des Konfliktes sein (vgl. GC, 14/ 450– 454).

Dauer von Supervision

Auf die Frage nach der Dauer von Supervision wurden folgende Aussagen getroffen:

„Und für mich ist es so, dass ich nach 2–3 Jahren sage, jetzt bin ich schon so weit im System, jetzt ist es an euch, jemanden anderen zu nehmen“ (GF, 9/ 271–272).

72 Mit fortschreitender Dauer könne das Schadensrisiko zunehmen, da Betriebsblind-heit der Supervisorin oder des Supervisoren dazu führen kann, dass spezifische aktuelle Themen übersehen und nicht bearbeitet werden (vgl. GF, 8/ 9/ 235–240).

Zwei weitere Statements zur „Dauer von Supervision“:

„Wenn Teams Supervision regelmäßig haben – so 2x im Monat für 2 Stunden immer am Mittwoch und das über 5 Jahre … ich kann mir nicht vorstellen, dass das wirklich sehr hilfreich ist“ (F, 5/ 140–142).

„Ich kenne eine Supervisorin, die seit nunmehr elf Jahren ein Team supervidiert. Und die fühlen sich alle gut – wahrscheinlich das Girokonto der Supervisorin auch. Da ist eine Art von Abhängigkeit entstanden. Subjektiv geht es allen sehr gut miteinander.

Von außen würde ich sagen: Hier wird Schaden angerichtet“ (GF, 8/ 9/ 261–266).

Supervision als falsches Beratungsformat

Die Fragestellung, ob Supervision überhaupt jenes Beratungsformat ist, das zur Erreichung des jeweiligen Ziels angebracht ist, wird von den Auftraggeberinnen und Auftraggebern oft nicht berücksichtigt, wie ein Experte beschreibt:

„Im Vorfeld bei der Auftragsklärung stelle ich fest, dass die Auftraggeber oft nicht im Stande sind, einen klaren Auftrag zu formulieren, weil sie sich selbst zu wenig damit schlau gemacht haben, was Supervision kann und was nicht“ (B, 1/ 18–20).

Es ist ein Fehler, einen Auftrag 1:1 zu übernehmen, die Expertenschaft in Super-vision gegenüber den Auftraggeberinnen und Auftraggeber zu vernachlässigen und keine gemeinsame Problemdiagnose zu definieren:

„… wenn man nicht klar diagnostiziert und anschaut … ist Supervision oder Coaching überhaupt eine mögliche Sinn gebende und Erfolg versprechende Antwort auf das Problem? Und es liegt an uns, genau zu schauen, wo liegt wirklich der Fehler und das gemeinsam mit dem System zu machen“ (C, 4/ 127–132).

Oder wenn Supervision als „Hängematte“ für den Auftraggeber bzw. die Auftrag-geberin gesehen wird:

„Da finanziere ich Supervision und dann erspare ich mir Konfliktlösung, Mitarbeiter-führung und hänge an Supervision viele Erwartungen, die nicht abgeklärt sind“ (B, 1/ 26–28).

73 Interpretation:

Supervision mit oder ohne Leitung bzw. mit oder ohne Führungsebene hat einen hohen Stellenwert bei der Kontrakterstellung und wird nach den Beobachtungen und Erfahrungen der Expertinnen und Experten als Voraussetzung für einen gelungenen Supervisionsprozess häufig unterschätzt.

Anhand der angeführten Beispiele lässt sich ableiten, dass vorwiegend unerfahrene und in Ausbildung befindliche Supervisorinnen und Supervisoren die Teilnahme der Leitung am Supervisionsprozess zu wenig berücksichtigen und diese Fragestellung bei der Kontrakterstellung kaum bis gar nicht aufgreifen. Dem Stellenwert der Leitung und Gesamtleitung – letztendlich der Hierarchie einer Einrichtung – wird im Supervisionskontext oft zu wenig Bedeutung beigemessen.

Die zeitliche Dauer – wie lange eine bestimmte Supervisorin oder ein Supervisor ein Team oder Einzelne begleitet – wird von den Expertinnen und Experten über-wiegend mit bis zu 3 Jahren angegeben wie es in der professional community empfohlen wird. Eine längere supervisorische Begleitung trage das Risiko von

„Betriebsblindheit“ der Supervisorinnen und Supervisoren und folglich für monetäre Schäden für die Einrichtung.

Die Expertinnen und Experten weisen darauf hin, dass u.U. Supervision nicht die Methode der Wahl darstellt. Oft seien die Auftraggeberinnen und Auftraggeber in Unkenntnis über die Zielsetzung des Beratungsformates Supervision und haben Er-wartungen an Supervision, die Supervision nicht erfüllen kann. Beide Vertragsseiten – die Auftraggeberin oder der Auftraggeber und die Supervisorin oder der Supervisor – sind nach der Meinung der Expertinnen und Experten aufgefordert, diesen Aspekt im Zuge der Diagnoseerstellung zu berücksichtigen.

Die Übernahme von mangelhaft geklärten Supervisionsaufträgen beobachten die Expertinnen und Experten vor allem bei Berufsanfängerinnen und Berufsanfängern.

Bei „jungen“ Supervisorinnen und Supervisoren bestehe zudem ein erhöhtes Fehler-risiko auch bei der Kontrakterstellung, da sie sich noch in der Lern- und Erfahrungs-phase befinden. Grundsätzlich kann interpretiert werden, dass wirtschaftliche Gründe zu einer unhinterfragten Auftragsübernahme führen.

74 Diese kann dann Überforderungssituationen in Supervision bedingen, die zu Fehlern in der Interventionssetzung führen, wodurch Schäden entstehen und ein Super-visionsprozess vorzeitig abgebrochen wird.

Im Dokument SUPERVISION – EIN RISIKO? (Seite 77-81)