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3.8.1 Bestimmungen über die Errichtung der Tierarznei-schule in Stuttgart

Nachdem die Errichtung der Tierarzneischule und deren Lokalität feststand, gab das Ministerium des Innern und des Kirchen- und Schulwesens am 17. August 1821 die endgültigen Bestimmungen über die Errichtung einer Tierarzneischule zu Stuttgart bekannt:

“Das Ministerium des Innern und des Kirchen- und Schul-Wesens an das K. Medicinal Collegium.

Seine Königliche Majestät haben vermöge höchste Entschliessungen vom 23: v: M: und 15: d: M: in Betreff der Einrichtung und Ausführung des Planes einer Thierarzney-Schule folgendes bestimmt.

I., In Beziehung auf die Einrichtung der Anstalt

1.) die Anstalt soll für den Anfang mit möglichster Beschränkung auf das Unerläßliche gegründet; und so eingerichtet werden, daß die – von den Ständen für die erste Einrichtung mit _ _ _ _ _ _ _13000 f. und für die künftige Unterhaltung der Anstalt /:

nach Abzug des gnädigsten Beitrags Seiner Königlichen Majestät :/ mit jährlichen 3000 f. verwilligten Summen nicht überschritten werden.

Es soll daher von dem Plane, nach welchem die Zöglinge in der Anstalt wohnen und schlafen würden, als allzu kostspielig von der Hand abgestanden - und die Sorge für Es-sen und Wohnung derselben, von den Seminaristen in Ellingen selbst überlasEs-sen wer-den.

Es soll aber auch der 2te Plan, wonach für einen Hauptlehrer eine Wohnung in der Anstalt einzurichten wäre, nicht zur Ausführung gebracht – sondern vielmehr nach einem neueren von dem Baurath Ezel entworfenen Vorschlag das Erdgeschoß ganz nach dem ersten Plane der Commission eingerichtet – auf dieses Erdgeschoss zwar ein zweites Stockwerk aufgesetzt – in letzterem aber nur die beiden Lehr- und Sammlungs Sääle und Aufgang zu denselben von der Treppe wirklich ausgeführt und die Herstel-lung der Schlafsääle, der Krankenstube und der zum Aufenthalt für die Lehrer bestimm-ten Zimmer von der Hand ausgesetzt werden.

Der Aufwand für die erste Einrichtung ist hiernach

an Baukosten zu 9,825f. 48

und an Einrichtungskosten zu 3,197f. 40 13,023f. 28 berechnet.

2.) Über das Ganze des in der Thierarzney-Schule zu gebenden Unterrichts, Bestim-mung der einzelnen Lehrgegenstände und der Dauer ihres Vortrags, Vertheilung dersel-ben nach Lehrkursen und Dauer dieser Kurse, Vertheilung der Lehrgegenstände unter die Lehrer und Aushilfe in Verhinderungsfällen Einzelner, sodann wegen der – von Zeit zu Zeit und am Ende eines jeden Kurses vorzunehmenden Prüfungen p.p. sollen die er-forderlichen Bestimmungen in einem Unterrichts Plane festgesetzt – und von der Com-mission der Entwurf eines solchen Planes bearbeitet werden.

Die Commission soll dabei vorzüglich darauf Rüksicht nehmen, daß die Lectionen zwekmäßig ineineander greifen und die Lehrlinge fortwährend beschäftigt werden.

3.) Die – in die Anstalt aufzunehmenden Zöglinge müssen a) das 20te Lebensjahr zurückgelegt haben,

b) die nöthige physische Stärke besitzen,

c) ihr Gewerbe als Schmide, Fleischer, Bauern p.p. bereits so verstehen, daß sie sich nach ihrem Austritt aus der Lehranstalt ihren Lebensunterhalt selbstständig erwerben können, und

d) die nöthigen Hülfsmittel haben, um die Kosten ihres hiesigen Aufenthalts für Woh-nung, Nahrung und Kleidung bestreiten zu können.

Die Aufname in die Anstalt soll mit der Zusicherung verbunden werden, daß der, wel-cher nach beendigtem Lehr-Cursus zureichende Kentnisse und Fertigkeiten erprobt, als öffentlicher Thierarzt zu Ausübung seiner Kunst ermächtigt werde.

Die Aufforderung zum Besuch der Schule soll nach dem Antrag der Commission durch die Oberämter erlassen werden.

4.) Die Aufsicht über die Anstalt soll dem Medicinal Collegium aufgetragen werden, welche solche zunächst durch ein oder zwei fortwährend damit zu beauftragende Mitglieder ausüben und von Zeit zu Zeit Visitationen vornehmen lassen soll.

5.) Wegen der unmittelbaren Leitung des Unterrichts und der Oekonomie der Anstalt von Seite der Lehrer, in Betreff der Erkennung über die Aufnahme der Zöglinge und de-ren Entlassung, wegen Anordnung der nöthigen ökonomischen Anschaffungen, wegen der Aufsicht über die Oekonomie und ... des Lehrschmids, wegen Handhabung der Dis-ciplin unter den Lehrlingen, und überhaupt über alles, was die Leitung und den innern Betrieb der Anstalt betrift, sollen die erforderlichen näheren Bestimmungen in einem besonderen Statut des Hauses festgesetzt - und hirzu von der Commission ein möglichst umfassender Entwurf bearbeitet werden.

6.) In Beziehung auf die - der Anstalt in der Umgebung des Menagerie-Gebäudes zu überlassenden Hof- und Garten Plätze haben Seine Königliche Majestät Sich Ihre Ent-schliessung vorbehalten, jedoch befohlen, daß dem landwirthschaftlichen Vereine von den – ihn angewiesenen Plätzen für jetzt nichts entzogen werden soll.

II., In Hinsicht auf die Besetzung der Lehr Stellen.

Vermöge höchster Entschließung vom 15.d.M. haben Seine Königliche Majestät

1.) den Vortrag der Knochenlehre, der Materia medica, Nosologie, gerichtlichen und polizeylichen Thierarzney-Kunde dem Medicinal Rath Walz mit einer Entschädigung zu Haltung eines Pferdes von _ _ _ 150f.

2.) den Vortrag der Lehre vom Hufbeschlag, von der Viehzucht, und der Operations-Lehre, dem Oberthierarzt Medicinal Assessor Hördt, mit einer jährlichen Belohnung von _ _ _ 450f.

3.) den Unterricht im sogenannten Exterieur, in der Chirurgie und Geburtshülfe durch Medicinal Assessor Hausmann, mit einer jährlichen Belohnung von _ _ _ 450f, und 4.) den Vortrag der physikalischen Einleitung, der Anatomie, Physiologie und allgemeinen Pathologie, dem practischen Arzt Dr. Stroehlin dahier mit einer jährlichen Belohnung von _ _ _600f. zu übertragen - Sodann

5.) dem leztern, zur Unterstützung, den Unteraufseher beim Natural-Cabinet vormaligen Unterarzt Bopp als Prosektor mit einer jährlichen Belohnung von _ _ _ 300f. beizuge-ben geruht.

6.) Zum Lehr- und Beschlags Schmidt so wie für die unmittelbare Aufsicht über die Zöglinge und zur ökonomischen Verwaltung des Hauses ist der bei dem K. Marstall angestellte Hufschmid Gross, mit einem jährlichen Einkommen von _ _ _700f.

nebst seiner Wohnung und freiem Holz und Licht ernannt - und denselben außerdem ge-gen die Verbindlichkeit zu Haltung eines tüchtige-gen Knechts eine Zulage von _ _ _200f.

ausgesetzt worden.

Seine Königliche Majestät haben jedoch dabei bestimmt, daß die vorgenannten Beloh-nungen und Entschädigungen nicht als fixe Gehalte, sondern lediglich als Remuneratio-nen für Auslagen und geleistete Dienste, auf deren Fortdauer Niemand ein begründeter Anspruch zustehe, betrachtet werden sollen.

Sämtliche Belohnungen fangen von der künftigen Eröfnung der Anstalt zu laufen an.

III., Um mit den – nach Abzug vorstehender Gehalte à 2850 f. an den für die jährliche Unterhaltungskosten angesetzten – 4200 f. noch verbleibenden - 1350f. auszureichen, soll von der Commission ein neuer Special-Etat gefertigt werden, welcher hieher vorzu-legen ist.

Das, was an den Unterhaltungskosten für das laufende Etatsjahr bevorbleiben wird, soll zu anderweitiger Verfügung vorbehalten werden.

Wegen des Beitrags Seiner Königlichen Majestät zu den Unterhaltungs Kosten à 1200 f.

haben Höchstdieselben unterm 23.d.M. das Nothige an die K. Hof-Domainen Kammer erlassen.

IV., Wegen Anschaffung der – für den Betrieb des Instituts nöthigen Gerätschaften hat die Commission hieher ohne Zeitverlust Anträge zu erstatten.

Dem K. Medicinal Collegium wird dieses zur Nachricht und in Beziehung auf den Punkt I. 4, zur Nachlassung eröffnet.

Stuttgart, den 17. Aug. 1821.

Unterschrift” 46

Die für die Einrichtung zunächst wichtigsten Punkte waren also:

• die Bewilligung einer Summe von 13.000 Gulden für die erste Einrichtung,

• die Bewilligung einer jährlichen Summe von 3000 Gulden für den Unterhalt (der ursprüngliche Plan, nach dem die Schüler in der Anstalt wohnen sollten, war damit hinfällig)

• die Forderung der Erstellung eines Unterrichtsplans,

• Anforderungen an die aufzunehmenden Schüler, die Schüler mußten

a) das 20ste Lebensjahr vollendet haben, b) die nötige physische Stärke besitzen,

c) ihr Gewerbe als Schmiede, Fleischer, Bauern etc. bereits so verstehen, daß sie sich nach ihrer Ansicht und der Lehranstalt ihren Lebensunter-halt selbständig erwerben können, und

d) die nötigen Hilfsmittel haben, um die Kosten ihres hiesigen Aufenthalts für Wohnung, Nahrung und Kleidung bestreiten zu können.

• die Aufsicht über die Anstalt war dem Medizinal-Kollegium aufgetragen und von Zeit zu Zeit sollten Visitationen vorgenommen werden,

• die Erstellung eines Statuts, welches die erforderlichen Bestimmungen zur Leitung und zum inneren Betrieb der Schule enthält.

Diese Bestimmungen vom 17. August 1821 dokumentieren sozusagen den Geburtstag der Tierarzneischule zu Stuttgart.

Die Schule wurde in der ehemaligen Königlichen Menagerie eingerichet. Die Gebäude befanden sich ca. eine Viertelstunde außerhalb des Neckartores in nordöstlicher Richtung vor der Stadt, auf halber Strecke an der Straße (Untere Neckarstraße) zwischen Stuttgart und dem Vorort Berg gelegen.

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46 StAL: E 164 Bü 1 (S. 41, No 2,251 vom 17. August 1821).

47 Siehe Abb. 10: Grundriß der Tierarzneischule 1831 (S. 245).

3.8.2 Zusammenfassender Rückblick

Die Schwierigkeiten, welche die Errichtung der Tierarzneischule über 20 Jahre begleiteten, bestanden in der Suche des geeigneten Standorts und der Klärung finanzieller Fragen.

Die Lokalisation innerhalb Stuttgarts war ein Vorteil im Hinblick auf das Pati-entenaufkommen (vor allem Pferde). Die Nachteile der städtischen Lokalisation lagen in veterinärpolizeilichem Sachverhalt: kranke Tiere inmitten bewohnten Gebietes – dagegen verwahrte sich der Stadtmagistrat Stuttgarts. Die Herzogli-che Rentkammer war hauptsächlich um die Kostenfrage besorgt, vor allem, so lange nicht geklärt war, welche Kasse wieviel zu zahlen hätte. Die wirkliche Notwendigkeit einer Tierarzneischule wurde lange Zeit nicht anerkannt.

Die Errichtung der Tierarzneischule in Stuttgart war letztendlich zwei Männern

zu verdanken: Gottlieb Heinrich Walz, der mit einer unerbittlichen

Versessen-heit seinen Gedanken der Gründung einer Tierarzneischule in Württemberg zu

verwirklichen suchte, und König Wilhelm I., der aufgrund seiner Liebe zur

Landwirtschaft nach 15 Jahren der erfolglosen Versuche und unermüdlichen

Diskussionen um Kosten und Lokalitäten innerhalb von 5 Jahren nach seinem

Regierungsantritt die Tierarzneischule zu Stuttgart errichten ließ.

4 Innere Organisation der Tierarzneischule