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Bericht des Finanzausschusses der Ersten Württembergischen

Nachdem die Zweite Kammer die Aufhebung der Tierärztlichen Hochschule be-schlossen hatte, wurde die Frage der Ersten Württembergischen Kammer weiter-geleitet. Die Finanzkommission der Ersten Kammer verfaßte ihrerseits einen Be-richt zur Denkschrift über den Neubau der Tierärztlichen Hochschule, der später in einer ihrer Verhandlungen zur Diskussion gestellt wurde.

Der Bericht gab zunächst den Inhalt der Denkschrift wieder und äußerte sich dann sehr kritisch zu dem Vorwurf, die Frage um die Tierärztliche Hochschule würde nur vom finanziellen Standpunkt aus betrachtet werden. Der Berichter-statter des Finanzausschusses, Staatsrat von Buhl, führte weiterhin aus:

„Die finanzielle Seite der ganzen Frage ist von schwerem Gewicht. Die Staatsausgaben sind in fortwährendem unaufhaltsamem Steigen begriffen, dem die natürliche Entwick-lung der Staatseinnahmen und der Steuerkraft des Landes nicht mehr in gleichem Maße zu folgen vermag. Insbesondere ist zurzeit das starke Anwachsen unserer Staatsschuld mit ihrer Zinsenlast, weiterhin aber auch die nicht länger abweisbare Forderung einer wirksamen Verbesserung der Besoldungen der Beamten, Lehrer und Geistlichen der Gegenstand ernster Sorge. Die Steuerkraft des Landes ist schon stark angespannt; durch die Finanzpolitik des Reichs werden die den Bundesstaaten noch verbleibenden Steuer-quellen mehr und mehr eingeengt und für den Bedarf des Reichs herangezogen in einer Weise, daß schließlich die Pflege der eigenen Kulturaufgaben der Bundesstaaten darun-ter notleiden muß. Auf eine ausgiebige, dauernde Verbesserung unserer Finanzlage ist wenig Aussicht.

229 StTG: Der Beobachter, Nr. 155 vom 7. Juli 1910.

An staatlicher Fürsorge für die Landwirtschaft läßt es Württemberg wahrlich nicht feh-len und die Aufwendungen hiefür aus der Staatskasse sind im Verhältnis zur Leistungs-fähigkeit des Landes nicht gering zu achten. Wir haben vor allem eine im hohen Rufe stehende Landwirtschaftliche Hochschule in Hohenheim, die als Bildungsanstalt auch wie die Tierärztliche Hochschule vorwiegend nichtwürttembergischen und sogar zu ei-nem erheblichen Teil außerdeutschen Studierenden zugute kommt, die wir aber gerne auch ferner werden erhalten und pflegen wollen. Wir sind uns bewußt, daß wir hiemit nicht bloß eine Ehrenpflicht erfüllen, sondern daß Hohenheim mit seinen Instituten und seiner vielseitigen gemeinnützigen Tätigkeit unserer Landwirtschaft höchst wertvolle Dienste leistet. Aber nicht in gleichem Maße dürfte dies zutreffen für die Tierärztliche Hochschule. Den wissenschaftlichen und praktischen Leistungen dieser Anstalt, die sich seit ihrer Gründung im Jahre 1821 aus bescheidenen Anfängen zu einem Institut von an-erkanntem Rufe entwickelt hat, soll in keiner Weise zu nahe getreten werden. Sie hat nicht bloß in ihrer nächstliegenden Aufgabe der Ausbildung von Tierärzten, sondern auch in dem wichtigen Gebiete der Seuchenforschung in vorzüglicher und wertvoller Weise sich betätigt, durch wissenschaftliche Publikationen ihrer Professoren, wie in der Anlage 12 des Ausschußberichts der Zweiten Kammer im einzelnen nachgewiesen wird, vielfach zur Förderung der Tierheilkunde beigetragen, auch in zahlreichen Fällen Gutachten für die Gerichte ausgeführt (vergl. Anlage 10 des Ausschußberichts der Zweiten Kammer) und leistet mit ihren Kliniken in der Behandlung von Tierkrankheiten zweifellos nützliche Dienste. Es soll auch nicht verkannt werden, daß der Wert einer Bildungsanstalt für das Land sich nicht einfach in Summen Geldwerts ausdrücken läßt und man in diesen Dingen nicht kleinlich und engherzig rechnen darf. Allein die Denk-schrift der K. Regierung selbst hebt hervor, daß die für die Tierärztliche Hochschule aufzuwendenden Kosten in einem besonders ungünstigen Verhältnis zum Nutzeffekt stehen. Dessenungeachtet würde man kaum dazu gelangen, die Aufhebung der Tierärzt-lichen Hochschule ernstlich in Erwägung zu ziehen, obwohl man zurzeit die Staatsver-waltung in allen Teilen aufs sorgsamste darauf prüft, ob sich nicht durch Vereinfachun-gen Ersparnisse erzielen lassen, wenn es sich nur darum handeln würde, ob man das Be-stehende in bisheriger Weise belassen will. Allein darum handelt es sich eben jetzt nicht mehr, sondern es steht in Frage, ob man eine durchgreifende Erneuerung auf sich neh-men will, welche einen einmaligen außerordentlichen Aufwand von rund 1 700 000 M erfordert, und die fortlaufenden Betriebskosten um ein Namhaftes in die Höhe treiben wird. Die künftigen Betriebskosten sind in der Denkschrift für Tübingen – und dies würde ja wohl hauptsächlich in Betracht kommen – auf rund 158000 M berechnet; mit der kommenden Besoldungsaufbesserung wird sich dieser Betrag noch deutlich erhö-hen. Man wird sich aber darüber keine Illusionen machen dürfen, daß die künftige Einrichtung an der Universität und der Aufwand hiefür eine starke Expansionskraft ent-wickeln werden, der Regierung und Stände, bei allem guten Willen zu sparen, sehr schwer mit Erfolg immer werden Widerstand leisten können. Man kann schon aus der Denkschrift herauslesen, was nach und nach noch dazukommen wird, und der Vorstand der Tierärztlichen Hochschule hat vielleicht nicht so ganz mit Unrecht die künftigen Be-triebskosten auf 300000 M veranschlagt. Rechnet man noch dazu den jährlichen Zins-und Tilgungsbedarf für die Kosten der Verlegung mit 1,7 Mill. Mark, die aus Anleihe bestritten werden müßten, so ergibt sich je nachdem ein Jahresaufwand von rund 250000 bis nahezu 400000 M. Nun hat die K. Regierung in der Denkschrift Seite 409 – allerdings mit Beschränkung auf die Aufstellung der Bauprogramme für die erforderli-chen Neubauten – den Grundsatz als maßgebend anerkannt, es „sollen alle Einrichtun-gen unterbleiben, über deren Wert unter den SachverständiEinrichtun-gen Meinungsverschieden-heiten bestehen; teure Experimente könnten dem württembergischen Staat, derzeit dem

kleinsten mit einer Tierärztlichen Hochschule und dabei mit dem verhältnismäßig größ-ten Aufwand auf dieselbe, am wenigsgröß-ten zugemutet werden“. Auf die vorliegende Frage im ganzen angewendet, wird dieser gleiche Grundsatz dazu führen müssen, größere For-derungen für eine vollständige Neueinrichtung der Tierärztlichen Hochschule, sei es in Stuttgart oder in Tübingen, abzulehnen, und da ohne eine durchgreifende bauliche Er-neuerung die fernere Erhaltung der Hochschule nicht mehr möglich ist, so muß sich hie-raus die weitere Folge ergeben, daß der Staat Württemberg auf den Besitz und Betrieb einer eigenen Tierärztlichen Hochschule verzichtet. Er wird damit nur den gleichen Schritt tun, den Baden seinerzeit getan hat, und aus den gleichen Gründen: weil die Not-wendigkeit für das Land zu verneinen und die fernere Erhaltung als im Mißverhältnis zur Leistungsfähigkeit des Landes stehend zu erachten ist. Dabei wird allerdings zu be-achten sein, daß es sich jetzt für Württemberg wohl um ein Institut von wesentlich grö-ßerer Bedeutung handelt als seinerzeit im Jahre 1859 in Baden, um ein Institut von aner-kanntem Ruf, das wissenschaftlich und praktisch in einer aufsteigenden Entwicklung begriffen ist, und daß daher auch die Aufhebung ein Schritt von größerer Tragweite sein wird als seinerzeit in Baden. Allein auch die Gründe für den Verzicht auf die Hochschu-le sind jetzt für Württemberg angesichts der Finanzlage und der Notwendigkeit, für die Erhaltung der Hochschule große außerordentliche Opfer zu bringen, entsprechend stär-kere und zwingendere geworden. Und wenn, wie in der Festrede bei der letzten Königs-geburtstagsfeier der Tierärztlichen Hochschule von dem Redner als seine Überzeugung ausgesprochen wurde, für Süddeutschland eine zweite Tierärztliche Hochschule neben München ein so unbedingtes Bedürfnis wäre, daß die Aufhebung der württembergi-schen Tierärztlichen Hochschule sofort eine tierärztlich Fakultät an einer badiwürttembergi-schen Hochschule oder in Straßburg ins Leben rufen würde, woran man übrigens nach den un-serer Regierung von dort gewordenen Antworten zweifeln muß, so dürfte dies nicht als ein Unglück zu erachten sein.

Auch der Einwand, daß man mit demselben Recht schließlich die Aufhebung noch man-cher anderen höheren Bildungsanstalten und –einrichtungen verlangen könnte, erscheint nicht stichhaltig; damit ließe sich jeder Vereinfachungs- und Ersparnismaßnahme be-gegnen, und es würde überhaupt nichts geschehen. Irgendwie und irgendwo muß einmal ein Anfang gemacht werden, und für diejenigen, denen es mit dem Vereinfachen und Ersparen Ernst ist, liegt in der vorliegenden Frage Anlaß und Gelegenheit hiezu, und heißt es: „Hic salta.“230

Nach diesen Ausführungen überrascht es nicht, daß die Mehrheit der Finanz-kommission den Antrag befürwortete, sich dem Beschluß der Zweiten Kammer auf Aufhebung der Tierärztlichen Hochschule anzuschließen. Allerdings war sich die Kommission einig, daß nicht an eine sofortige Aufhebung gedacht wer-den könne, sondern vor allem aus Rücksicht auf Professoren und Stuwer-denten eine gewisse Frist zu vereinbaren wäre, die festzulegen der Königlichen Regierung überlassen werden sollte.

230 StAL: E 164 Bü 15 (Beilage 125, 7 f).

9.12 Verhandlung der Ersten Württembergischen