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Finanzielle Situation der Schüler

7.3.1 Unterrichtsgeld

Der Unterricht war für alle Schüler an der Tierarzneischule Stuttgart zunächst unentgeldlich. 1844 wurde, dem Beispiel anderer Tierarzneischulen entspre-chend, für ausländische Schüler und Hospitanten ein Unterrichtsgeld von 5 Gul-den pro Semester erhoben.

Mit den Statuten von 1868 wurde ein allgemeines Unterrichtsgeld (für In- und Ausländer sowie für Hospitanten) eingeführt, welches 10 Gulden pro Semester betrug. Württembergische, finanziell schlecht gestellte Studenten hatten jedoch die Möglichkeit, durch ein Ansuchen bei der Direktion das Unterrichtsgeld ganz oder teilweise erlassen zu bekommen.

157

Die Statuten von 1880 unterteilten das Unterrichtsgeld differenzierter:

“II. Unterrichtsgeld.

§ 4.

Für den Genuss des Unterrichts an der Thierarzneischule haben die ordentlichen Stu-direnden (Deutsche) ein Unterrichtsgeld von 30 Mark pro Semester, die ausländischen (nicht Deutsche) 50 Mark zu entrichten, welches je beim Beginne eines Semesters vor der Inscription zu bezahlen ist.

Eine Rückerstattung des bezahlten Unterrichtsgeldes findet bei vorzeitigem oder unfrei-willigem Austritt eines Studirenden nicht statt.

Es kann jedoch einem Studirenden, welcher aus triftigen Gründen im Laufe eines Se-mesters um Entlassung aus der Anstalt bittet, auf schriftliches Ansuchen ein entspre-chender Theil des vorausbezahlten Unterrichtsgeldes zurückerstattet werden.

§ 5.

Bei nachgewiesener Mittellosigkeit kann ordentlichen Studierenden aus Württemberg, wenn sie über Fleiss und sittliches Betragen, sowie auf Grund einer vorausgegangenen mündlichen Prüfung in den von ihnen gehörten Fächern auch über Fortschritte ein gutes Zeugniss haben, vom zweiten Semester an das Unterrichtsgeld ganz oder theilweise nachgelassen werden. Diessfällige Gesuche sind beim Beginn des betreffenden

157 Hering 1847, 22; Rueff 1871, 10.

mesters schriftlich und mit den geeigneten Belegen versehen bei der Direktion einzurei-chen, worauf der Lehrer-Convent, beziehungsweise das vorgesetzte Ministerium des Kirchen- und Schulwesens entscheidet.

§ 6.

Hospitanten haben zu bezahlen:

für den Besuch sämmtlicher theoretischer Vorlesungen 60 Mark,

für den Besuch einzelner Vorlesungen, und zwar: für wöchentlich 1-3 Stunden 6 Mark, für 4 Stunden 9 Mark, für 5-6 Stunden 12 Mark,

für den Besuch sämmtlicher Kliniken 15 Mark,

für den Fall der Zulassung zu den praktischen Uebungen, wie Präparir-, Operations-, mikroskopischen Uebungen und zum chemisch-pharmaceutischen Praktikum je 15 Mark.”158

Folgende Aufstellung bietet eine Möglichkeit zur ungefähren Einschätzung der Unterrichtsgelder in Bezug zu den allgemeinen Lebenshaltungskosten um 1880:

Tab. 8: Löhne und Preise im Deutschen Kaiserreich um 1880.

159

Durchschnittlicher Tageslohn für Männer (Baden) 1,90 Mark Durchschnittlicher Tageslohn für Frauen (Baden) 1,43 Mark

1 kg Brot kostete 1880 (in Baden) 27 Pfennig

1 Zentner Kartoffeln 3,30 Mark

1 Pfund Rindfleisch 52 Pfennig

1 Pfund Butter 1,00 Mark

10 Eier 60 Pfennig

Dieser Vergleich zeigt, daß ein Studium der Tiermedizin in Württemberg um 1880 mit einem hohen Kostenaufwand verbunden war. Ein direkter Bezug der Löhne und Preise zu den Unterrichtsgeldern an der Tierarzneischule ist zwar nicht ohne weiteres herzustellen (Angaben stammen aus Baden, Informationen

158 Statuten für die Studirenden der K. Württ. Thierarzneischule in Stuttgart.

Buchdruckerei der Paulinenpflege, Stuttgart 1880.

159 Hug, 210.

über Steuerabgaben fehlen etc.), aber für eine grobe Bewertung ausreichend.

Das Unterrichtsgeld für württembergische Studenten in einem Semester ent-sprach ungefähr dem halben Monatslohn eines Arbeiters. Das Anrecht auf Ge-bührenerlaß für finanziell schlecht gestellte Studenten griff erst nach dem ersten Semester. Das Unterrichtsgeld für das erste Semester mußte also auf jeden Fall erbracht werden. Für wirklich mittellose Studenten ein schwieriges Unterfangen.

Richtig teuer war dagegen der Besuch der Tierarzneischule als Hospitant. 60 Mark Unterrichtsgeld allein für den Besuch aller theoretischen Vorlesungen, der Besuch der Kliniken kostete noch einmal 15 Mark. Das entsprach einem Arbei-terlohn von fast 1 ½ Monaten. Für Hospitanten bestand die Möglichkeit des Ge-bührenerlasses jedoch nicht.

7.3.2 Unterhaltskosten

Rueff (1871) berechnete die jährlichen Ausgaben für einen Schüler an der Tier-arzneischule Stuttgart um 1870 folgendermaßen:

Tab. 9: Jährliche Ausgaben eines Schülers um 1870.

160

Wohnung pro Jahr nebst Bedienung fl. 80

Frühstück, Mittag- und Abendbrot täglich circa 48 kr. “ 274

Für Kleidung und „Wasch“ “ 60

Zwei Semester à 10 fl. „Collegiengelder“ “ 20

Für Reitunterricht und Exkursionen ein Jahr ins andere gerechnet “ 30

Für Bücher- und Schreibmaterialien “ 16

Verschiedenes “ 20

Summa fl. 500

Rueff begründete diese Berechnung mit relativ geringen Mieten, die in Häusern der Umgebung zur Tierarzneischule erhoben wurden (im Gegensatz zu Mieten im Zentrum der Stadt). Die meisten Schüler hatten Wohnungen in der nächsten Umgebung bezogen, da die Tierarzneischule nicht mehr wie 1821 entfernt vor der Stadt gelegen war, sondern sich die Stadt bis in ihre Nähe ausgedehnt hatte.

Auch der Weg zu entfernteren Stadtteilen war durch eine Pferdebahn, die direkt an der Tierarzneischule vorbeiführte, recht kostengünstig zu bewerkstelligen.

160 Rueff 1871, 159.

7.3.3 Stipendien

Eine Art von Stipendium wurde bereits erwähnt: „Militärzöglinge“, die ihre ge-samte Ausbildung nebst Unterhalt gegen die Dienstverpflichtung beim Militär erhielten.

Darüber hinaus wurden finanziell schlechter gestellte Schüler z. T. von Gemein-den oder anderen Körperschaften unter der Voraussetzung unterstützt, daß sie sich später als praktische Tierärzte dort anzusiedeln hatten. Diese „zivil“ geför-derten, erhielten, im Gegensatz zu den vom Militär unterstützten Schülern, nur einen Zuschuß zur Ausbildung (zwischen 50 und 200 Gulden), der zwar nicht die gesamten Kosten deckte, ihnen aber immerhin eine Ausbildung an der Tier-arzneischule Stuttgart ermöglichte.

161

Eine weitere Unterstützung kam aus Staatsmitteln:

Es wurden für einzelne Studenten Auslandsstipendien gewährt:

„Das Ministerium des Innern und des Kirchen- und Schul-Wesens an das K. Medicinal Collegium.

Auf den Bericht vom 27./30. v. M., betreffend eine Unterstützung aus Staatsmitteln für Studierende der höheren Thierheilkunde, wird dem K. Medicinal Collegium zu erkennen gegeben, daß man ganz damit einverstanden ist, mittelst Unterstüzung eines und des anderen hiezu geeigneten jungen Mannes für den Besuch ausgezeichneter ausländischer Veterinär Anstalten auf die Heranbildung weiterer wissenschaftlich gebildeter, höherer Thierärzte den Bedacht zu nehmen. Es ist jedoch nicht nöthig, diese vorübergehende Ausgabe, wenn gleich sie einige Jahre nach einander fortdauern wird, mittelst einer besonderen Position in dem Finanz Etat von 1839/42 vorzusehen, da der Dispositionsfonds des Departements in Verbindung mit dem ordentlichen Fonds für Unterstüzung auf wissenschaftlichen Reisen die erforderlichen Mittel darbieten wird.

Ohnedieß wird die fragliche Maßregel nicht auf die nächste Finanzperiode auszusetzen, sondern sobald als ein geeigneter Candidat gefunden seyn wird, auszuführen seyn.

In lezterer Hinsicht wird nun dem baldigen Bestimmten Antrage des Medicinal Collegi-ums auf den Grund der bereits Statt gehabten und etwaiger nachfolgenden Anmeldun-gen entgeAnmeldun-gen gesehnt.

Stuttgart den 7. Decbr. 1838.“162

Eine im Fall des Stipendiumerhalts zu gewährleistende Gegenleistung der Schü-ler ist nicht erwähnt. Ausgehend von dem Bestehen einer solchen Gegenlei-stung, wären Bedingungen wie gute Leistungen und späterer Eintritt in den vete-rinämedizinischen Staatsdienst vorstellbar.

161 Hering 1847, 22; Rueff 1871, 157.

162 StAL: E 164 Bü 35 ( No 3983).

Während die Stipendien des Militärs und “ziviler” Institutionen die Versorgung Württembergs mit praktischen Tierärzten und Hufschmieden gefördert hatten, war das „Staatsstipendium“ auf wissenschaftlich gebildete Tierärzte ausgerichtet gewesen (2-Klassen-Tierärzte).

Ab 1868 war eine Stipendienvergabe in den Statuen geregelt. Stipendien wurden an nachweislich bedürftige, württembergische Studenten vergeben, die ihre Stu-dienfortschritte durch Prüfung nachzuweisen hatten.

In den Statuten von 1868 wurden Beiträge von 100 Gulden und 50 Gulden im Jahr bewilligt.

163

In den Statuten von 1880 und 1892 wurden Beiträge von 100 Mark und 50 Mark im Semester bewilligt.

164

In den Anfangsjahren der Tierarzneischule kam es vor, daß Schüler aus

wirt-schaftlichen Gründen den Unterricht vorzeitig beenden mußten. Deren Anzahl

war jedoch gering und unvermeidbar, so daß sich auch ein, 1824 vom Oberamt

Rottweil an die Vorsteher der Tierarzneischule gerichteter Vorwurf, sie würden

das „willkürliche Weglaufen der Zöglinge“ dulden, nicht lange bestehen

blieb.

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