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10.5.1 Deutsche Tierärztliche Wochenschrift vom 23.12.

1911

In einem Artikel der DTW vom 23.12.1911 wird von einer am 14. Dezember des Jahres abgehaltenen Sitzung des Finanzausschusses der Zweiten Württem-bergischen Kammer berichtet, die sich mit den bis dahin eingegangenen Einga-ben, vornehmlich mit der des landwirtschaftlichen Bezirksvereins Tübingen (vom 26.5.1911) und den Referaten des Oberamtstierarztes Mögele und des Prof. Dr. Übele (gehalten auf der Vollversammlung des Württembergischen Tierärztlichen Landesvereins am 26.11.1911) beschäftigt hatte.

Der Berichterstatter des Finanzausschusses kam nach Prüfung der Eingaben je-doch zu dem Ergebnis, daß keine neue Sachlage eingetreten sei und daher kein Grund vorläge, den am 25. Juni 1910 gefaßten Beschluß aufzuheben. Im Laufe der Verhandlung trat ein neuer Aspekt auf. Prof. Hoffmann von der Tierärztli-chen Hochschule Stuttgart hatte ein Verfahren entwickelt, das den Krankheits-verlauf der Maul- und Klauenseuche erheblich mildern und verkürzen könnte.

Die Aussage, daß das Medizinalkollegium in dieser Sache völlig versagt habe und die Tatsache, daß das Medizinalkollegium bei Auflösung der Tierärztlichen Hochschule die Seuchenbekämpfung zu regeln hätte, ließ die Bedeutung einer Tierärztlichen Hochschule in einem neuen Licht erscheinen. Allerdings war das Verfahren noch nicht ausreichend getestet, so daß über Erfolg und Praktikabili-tät noch keine Aussagen gemacht werden konnten.

Weiterhin wurde in der Verhandlung eindringlich auf die Studentenzahlen hin-gewiesen, die im Wintersemester 1911/12 nochmals gesunken waren (WS 1910/11: 94, SS 1911: 68, WS 1911/12: 51). Deshalb habe die Regierung den Antrag auf Aufhebung der Hochschule auf den 1.10.1912 stellen wollen. Die Regierung an sich sei jedoch für den Erhalt der Hochschule und deren Verle-gung nach Tübingen. Letztlich einigte man sich darauf, die Entscheidung über die Eingaben bis zum Wiederzusammentritt des Ausschusses Ende Januar hin-auszuschieben. Im folgenden kritisiert der Artikel diese erneute Verzögerung mit Hinweis auf die sinkenden Studentenzahlen. Vor allem wurde betont, daß

242 StAL: E 164 Bü 15 (S. 55, Das K. Württ. Ministerium des Kirchen- und Schulwesens an das Ministerium des Innern vom 8.8.1911).

eine Aufhebung des Beschlusses keineswegs „sonderbar“ wirken würde (was einige Kammermitglieder anscheinend befürchteten), sondern daß es im Ge-genteil eher von Stärke zeige, wenn sich eine Institution aufgrund neuer, besser verständlicher Erkenntnisse zu einer anderen Auffassung bekenne. Das Ziel müsse also eine Aufhebung des Beschlusses sein und das möglichst schnell, da bei weiteren Verschiebungen zu viele Studenten und auch Professoren abwan-dern würden.

243

Wie drastisch dieser Studentenrückgang im gesamtdeutschen Vergleich aussah, machte eine Tabelle über die Frequenz der Tierärztlichen Hochschulen deutlich, die direkt unter dem vorher beschriebenen Artikel in der DTW abgedruckt war:

Tab. 15: Frequenz der Tierärztlichen Hochschulen in Deutschland

WS 1911/12 Summe 1. Sem

SS 1911 Summe 1. Sem

WS 1910/11 Summe

SS 1910 Summe

Berlin 217 - 230 47 253 185 Dresden 164 21 172 32 221 164 Giessen 161 5 160 29 107 141 Hannover 283 23 282 76 242 235 München 309 94 260 28 253 233 Stuttgart 51 6 94 - 131 86

1185 1198 212 1207 1044

In der Frequenz der Tierärztlichen Hochschule Dresden sind die Militärstudierenden eingeschlossen. An der Tierärztlichen Hochschule in Berlin studieren ausserdem 144 Studierende der Militär-Veterinär-Akademie.“244

Bei diesem Vergleich muß allerdings beachtet werden, daß die Stuttgarter Hoch-schule seit jeher keine große HochHoch-schule war und im Wintersemester 1907/08 ihren Höhepunkt mit 137 Studierenden hatte. Dennoch war der Abfall der

243 Malkmus 1911, 793 f.

244 Deutsche Tierärztliche Wochenschrift 51 (1911), 794. Ein Vergleich mit Tab. 12 zeigt in zwei Fällen Unterschiede in den Studentenzahlen auf: das WS 1910/11 wird in Tab. 12 mit 94 Studierenden angegeben, das SS 1911 mit 68 Studierenden. Das verändert die hier getroffene Aussage des rasanten Studentenrückganges jedoch nicht, im Gegenteil. Die Zahlen aus Tab. 12 verstärken den schon dargestellten Abstieg.

dentenzahlen dramatisch. Selbst in den rückläufigen Jahrgängen der 1890er rutschte Anzahl der Studenten nicht unter 75.

Der hohe Studentenzuwachs in München ist in Korrelation zur verminderten Studentenanzahl in Stuttgart zu sehen. München war die nächstgelegene Tier-ärztliche Hochschule und damit die erste Ausweichmöglichkeit, nicht nur für die Württemberger, sondern auch für die sonst primär in Stuttgart studierenden Aus-länder wie Badenser, Elsässer und Lothringer.

10.5.2 Medizinisches Korrespondenzblatt vom 13.1.1912 Im Januar 1912 erschien in einer humanmedizinischen Zeitung, dem „Medicini-schen Correspondenz-Blatt des Württembergi„Medicini-schen ärztl. Landesvereins“ ein Artikel von Prof. Dr. Jaeger aus Koblenz, der die Auflösung der Tierärztlichen Hochschule vom Standpunkt der Tierseuchenbekämpfung aus betrachtete.

Nachdem er in seinem Artikel zunächst seiner Bestürzung über die Tatsache der Schließung einer wissenschaftlichen Bildungsstätte als solcher kund tat und den Verlauf mit der damaligen Schließung der Hohen Karlsschule verglich (die von Württemberg im nachhinein sehr bedauert wurde und als „Schwabenstreich“

unrühmlich in die Geschichte einging), beschäftigte er sich in seinem knapp 3-seitigen Artikel mit der Bedeutung der Tierärztlichen Hochschule für die Tier-seuchenbekämpfung. Vor allem betonte er dabei die Wichtigkeit eines wissen-schaftlichen Instituts für die Erforschung derselben. Die Erforschung der Über-tragungswege der Tuberkulose wurde erwähnt, wobei sich der in Stuttgart stu-dierte Robert von Ostertag auf dem Gebiet der Rindertuberkulose besonders hervorgetan hatte. Das „Schlußplädoyer“ von Prof. Dr. Jaeger lautete:

„[...] Diese Entdeckungen der Erreger genannter Tierseuchen haben dann im Verlauf der weiteren Jahre zur Auffindung von Schutzimpfungs- und Heilstoffen, die eben aus den Reinzuchten dieser Erreger gewonnen werden, geführt, und in Deutschland wie in den Kolonien werden durch die Schutzimpfungen bei Tierseuchen Millionen an Volksver-mögen gerettet, die bis dahin unrettbar verloren gegangen waren. Das Schaffen an wis-senschaftlichen Forschungsstätten kann durch `beamtete Untersuchungsanstalten` allein nicht bewältigt werden. Auch sie bedürfen für ihre bei wissenschaftlich noch strittigen Fragen so schwierige und verantwortungsvolle gutachterliche Tätigkeit einer Stelle, die sie – ausgerüstet mit einem Stab rein wissenschaftlich tätiger Kräfte – unterstützt, und die auch imstande ist, mehr prinzipielle, theoretische Fragen, wie sie sich tagtäglich aus dem praktischen Leben heraus ergeben, in rein wissenschaftlicher Weise weiter zu be-arbeiten und der Lösung zuzuführen.

Man sollte glauben, gerade auf dem Gebiet der Bekämpfung ansteckender Krankheiten habe sich die Wissenschaft der letzten 30 Jahre ihre Qualifikation erworben und habe gezeigt, wie überall die Errichtung hygienischer und bakteriologischer Institute in gro-ssen Städten bei industriellen Unternehmungen, bei den Landwirtschaftskammern Früchte tragen, Segen spenden und – sich reichlich bezahlt machen durch Rettung von Volksvermögen. Die tierärztliche Wissenschaft hat eifrig und erfolgreich mitgearbeitet

und das erhöhte Ansehen, welches der ganze Stand der Tierärzte sich errungen hat, ver-dankt er zu einem guten Teil dieser Mitarbeit. Aber ein wissenschaftliches medizinisches Institut hat auch noch eine andere Aufgabe; es muss mit denen, die draussen in der Praxis stehen, in enger Fühlung bleiben, ihre wissenschaftliche Ernährerin sein. Das ist die Aufgabe von Instituten des eigenen Landes. Und wenn solche Landesinstitute vielleicht Mängel oder Fehler haben sollten, so bessere man, aber man löse nicht auf! Man verbillige, spare, indem man verbindet, was zusammengehört;

die Landwirtschaftliche und die Tierärztliche Hochschule; man verschwende nicht, indem man in falscher Sparsamkeit Werte zerstört.“245

Dieser Artikel stellte die Wichtigkeit der Erforschung der Tierseuchen noch ein-mal in den Vordergrund, vor allem die Wichtigkeit von Institutionen wie einer Tierärztlichen Hochschule (oder anderen veterinärmedizinischen Instituten) für effektives, kritisches und schnelles wissenschaftliches Arbeiten. Ein weiterer Punkt aus diesem Artikel, der bisher in den Diskussionen und eingebrachten Meinungen nicht so deutlich erarbeitet wurde, war die Aufgabe der Zusammen-arbeit zwischen wissenschaftlichen Instituten mit den praktizierenden Kollegen

„draußen“. Dafür eigneten sich nur Institute des eigenen Landes, die mit der je-weiligen Situation vertraut waren. Also auch in diesem Artikel ein Plädoyer für den Erhalt der Tierärztlichen Hochschule.

Die Tatsache, daß der Verfasser weder aus Württemberg noch aus einem „be-troffenen“ Nachbarstaat (z. B. Baden) kam, konnte positiv (objektive Betrach-tung der Situation) aber auch negativ (mangelnde Kenntnis und fehlendes Ver-ständnis der Situation) gesehen werden. Der Vorschlag des Verfassers, die Tier-ärztliche Hochschule in Verbindung mit der Landwirtschaftlichen Hochschule zu erhalten, war jedoch bereits im Vorfeld der Erörterungen der möglichen Standorte und Verbindungen der Tierärztlichen Hochschule ausgeschlossen worden.

10.5.3 Tagespresse („Der Beobachter”)

In der Tagespresse („Der Beobachter“) wurde, ebenfalls von einem Humanme-diziner, am 27. und 28. Februar 1912 unter der Rubrik „Württemberg“ ein Arti-kel veröffentlicht, der die Verlegung der Tierärztlichen Hochschule nach Tübin-gen propagierte. Nach Ansicht des Verfasser, eines gewissen Dr. Banhammer, sei die Problematik einer Zurücknahme des Landtagsbeschlusses zu umgehen, indem die Stände einen Neubau der Tierärztlichen Hochschule in Tübingen be-schließen sollten. Seine Gründe für diese Verlegung waren die bisher bekannten (Austauschmöglichkeiten zwischen den Fakultäten, Zusammenarbeit in der For-schung und der Seuchenbekämpfung). Seines Erachtens war die Verlegung der Tierärztlichen Hochschule aus Stuttgart heraus sehr wichtig. Er beklagte, daß die Studierenden in der Großstadt von der Landwirtschaft nur ungenügende

245 Jaeger 1912, 21-24.

nisse erhalten würden, obwohl doch der Großteil der „Klienten“ aus der Land-wirtschaft käme. Dies würde sich durch einen Umzug nach Tübingen ändern.

Die Redaktion des „Beobachter“ wies unter der Überschrift des Artikels „Zur Frage der Aufhebung der Tierärztlichen Hochschule“ mit einer extra Anmer-kung darauf hin, daß sie diese eindringliche Mahnung von einem praktischen Arzt erhalten hatte, der enge Beziehungen auch mit der Landbevölkerung hatte.

Mit dieser Anmerkung schien die Redaktion den Verfasser zur Aussage seines Artikels qualifizieren zu wollen. Im zweiten Teil seines Artikels stellte er eine ausführliche Zusammenfassung der Gründe dar, die seiner Meinung nach gegen eine Aufhebung der Tierärztlichen Hochschule sprachen. Da in dieser Zusam-menfassung nur ein Punkt (der letzte in der ZusamZusam-menfassung) eine bisher noch nicht angesprochene Argumentation beinhaltete, soll nur diese Sequenz zitiert werden:

„ [...] 9. Der Anteil, den Württemberg an der Bevölkerung des Deutschen Reiches nimmt, sinkt bekanntlich von Jahr zu Jahr. Im Interesse der wünschenswerten Dezentralisation in Deutschland liegt es daher, daß die württembergische Regierung Hand in Hand mit den Landständen jedes einigermaßen erschwingbare Opfer bringt, um Schwaben vor einem geistigen Rückgang zu wahren und die Bedeutung des Landes auch in wissenschaftlicher und kultureller Beziehung aufrechtzuerhalten. In diesem Feldzug spielt aber der mit allen Mitteln zu betreibende Ausbau unserer Landesuniversität eine Hauptrolle.“246

Ob die dargestellten Artikel Ausdruck des funktionierenden Plans der Tierärzte-schaft waren oder ob sie auch ohne die Bemühungen der Tierärzte um ihre Hochschule erschienen wären, ist im nachhinein schwer zu beurteilen. In einer erneuten Verhandlung der Zweiten Württembergischen Kammer wurde jedoch klar, daß einige Redner der Ansicht waren, daß ohne die Bewegung der Tierärz-teschaft einige Stellungnahmen anders oder auch gar nicht eingetroffen wären.

Es wurde in diesem Zusammenhang vor allem um eine neue Stellungnahme der Zentralstelle für die Landwirtschaft diskutiert.

246 Banhammer 1912.

11 Verhandlungen der Württembergischen Kammern (1912)

11.1 Anträge des Finanzausschusses betreffend