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Stellungnahmen verschiedener Institutionen zur Frage der

Hochschule

9.2.1 Bericht der Königl. Württ. Gesandtschaft

Das waren alles keine neuen Fragen, aber eine konkrete Beantwortung war bis-her noch nicht erfolgt.

Der Staatsminister für Kirchen- und Schulwesen, v. Fleischhauer, hatte bereits im November 1909 über das K. Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten Erkundigungen über die Auswirkung der Aufhebung der badischen Tierärztli-chen Hochschule, im Jahr 1859, eingezogen. Darüber hinaus ersuchte v.

Fleischhauer das Ministerium des Innern in einem Schreiben vom 21. 2. 1910, sowohl das K. Medizinalkollegium als auch die K. Zentralstelle für die Land-wirtschaft zu einer Stellungnahme zur Frage der Aufhebung der Tierärztlichen Hochschule zu bewegen. All dies sollte für den Entscheidungsprozeß und die weitere Diskussion hilfreich sein.

205

204 Wie Anm. 202, 569 f.

205 StAL: E 164 Bü 15 (S.43, Nr. 1184 K. Ministerium des Kirchen- und Schulwesens an das Ministerium des Innern vom 21. 2. 1910).

„Königl. Württ. Gesandtschaft.

Nr. 155. O. Beil.

Auf den Erlaß vom 3. D. Mts. Nr. 9074.

München, den 28. Dezember 1909.

Nach einer mir aus Karlsruhe zugegangenen Auskunft hat die Aufhebung der Tierarz-neischule in Karlsruhe im Jahre 1859 keinerlei nachteilige Folgen für das Land gehabt, weder hinsichtlich des Betriebs der Tierzucht noch des Zuganges zum tierärztlichen Studium. Anfänglich mag die Befürchtung bestanden haben, daß die gedachte Maßnah-me doch von Einfluß auf die Versorgung mit Tierärzten sein könnte, weshalb von 1862 an jährlich 2000 fl. in das Staatsbudget aufgenommen wurden, um den jungen Leuten, die auswärtige tierärztliche Lehranstalten besuchten, durch Gewährung von Stipendien das Studium zu erleichtern. Diese Befürchtung erwies sich aber in der Folge nicht als begründet, im Gegenteil mehrte sich der Zudrang zum tierärztlichen Studium so, daß seit 1886 staatliche Beihilfen hierzu nicht mehr gewährt werden und der Verein Badi-scher Tierärzte erst im letzten Jahre sich veranlaßt sah, wegen Ueberfüllung des tierärzt-lichen Standes vor dem Studium der Tierheilkunde öffentlich zu warnen.

Unter diesen Umständen hat es weder den Gerichten noch den Verwaltungsbehörden je an geeigneten tierärztlichen Sachverständigen gemangelt.

Auch das Fehlen eines Landestierspitals ist von den Tierbesitzern nicht empfunden wor-den, wie denn überhaupt zu keiner Zeit Wünsche aus landwirtschaftlichen Kreisen nach Wiedereinrichtung einer Tierärztlichen Hochschule hervorgetreten sind.

Moser.

An den Präsidenten des Staatsministeriums, Staatsminister der auswärtigen Angelegen-heiten,

Herrn Dr. v. Weizsäcker, Exzellenz Stuttgart.

U.R. Nr. 9653.

K. Ministerium des Kirchen- und Schulwesens auf das Schreiben vom 30. v. Mts Nr.

8620.

Stuttgart, den 30. Dezember 1909.

K. Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten: Weizsäcker . O. Beil.“206

206 Wie Anm. 202, 578 (Anlage 9).

9.2.2 Bericht des Königl. Württ. Medizinalkollegiums

„Königl. Württ. Medizinalkollegium.

Nr. 2141.

14 Beil. mit Unterbeil.

2 Abschriften.

Betreff: Neubau der K. Tierärztlichen Hochschule.

Auf den Runderlaß vom 1. März 1910. Nr. 3268 Stuttgart, den 5. April 1910.

Das K. Ministerium des Kirchen und Schulwesens wünscht in seinem Schreiben vom 21. Februar d. J. Nr. 1184 eine Aeußerung des Medizinalkollegiums darüber, ob und im Fall der Bejahung aus welchen Gründen für Württemberg im Gegensatz zu Baden und Elsaß-Lothringen die N o t w e n d i g k e i t des Fortbestands einer Tierärztlichen Hochschule neben der Landwirtschaftlichen Hochschule bestehe. Da sich auch die K.

Zentralstelle für die Landwirtschaft in der Sache zu äußern hat, so werden die übrigens nur sehr losen gegenseitigen Beziehungen der beiden Hochschulen, die eigentlich nur im Kostenpunkt in engere Konkurrenz miteinander treten, unsererseits nicht näher zu erörtern sein; wir werden uns vielmehr lediglich mit der Frage zu befassen haben, ob die Tierärztliche Hochschule an sich unentbehrlich ist.

Angesichts der aus Baden und aus Elsaß-Lothringen eingegangenen Aeußerungen wis-sen wir zwingende Gründe für die N o t w e n d i g k e i t des Fortbestands einer Tier-ärztlichen Hochschule in Württemberg nicht beizubringen.

Daß tüchtige junge Tierärzte auch ohne Hochschule im eigenen Lande sich gewinnen lassen, ist, zumal nach den Erfahrungen in Baden und Elsaß-Lothringen, nicht zu be-zweifeln. An dem für Württemberg nötigen Nachwuchs von höchstens 10 Tierärzten im Jahr wird es namentlich dann nicht fehlen, wenn einmal die Gehalts- , Pensions- und Rangverhältnisse unserer beamteten Tierärzte in einer im Vergleich zu den benachbar-ten Bundesstaabenachbar-ten einigermaßen befriedigenden Weise geregelt sein werden. Wir sind überzeugt, daß das erforderliche Ersatzpersonal ohne jedes weitere Zutun des Staates und unter voller Wahrung der Freizügigkeit der Studierenden erhältlich sein wird. Im äußersten Falle könnte es sich höchstens darum handeln, vorübergehend den 6 bis 10 besten Abiturienten, die sich zum Studium der Tierheilkunde melden, Stipendien zu ge-währen.

Ebenso würde sich die zweite Aufgabe unserer Tierärztlichen Hochschule, die Behand-lung kranker Tiere, zweifellos auf anderem Wege erledigen lassen. Wie in Baden und Elsaß-Lothringen würde sicherlich auch in Württemberg die tierärztliche Privatpraxis imstande sein, die entstehende Lücke auszufüllen. Daß ein Landestierspital ein dringen-des Bedürfnis wäre, kann, obwohl die angeschlossenen Statistik über die Inanspruch-nahme der Kliniken unserer Hochschule bis zu einem gewissen Grade dafür spricht, nach den badischen und elsaß-lothringischen Erfahrungen doch nicht wohl gesagt wer-den. Am ehesten könnte die Notwendigkeit eines solchen Spitals noch mit der

Häufig-keit größerer Operationen begründet werden. Allein unter unseren praktischen Tierärz-ten finden sich fast in jedem Landesteile einzelne, die jeder Art von Operation gewach-sen sind und selbst die schwierigsten Eingriffe ebensogut ausführen, wie dies in der Tierärztlichen Hochschule der Fall ist. Ueberdies ist es nicht unwahrscheinlich, daß, sobald ein Bedürfnis hervortreten sollte, ein Tierspital auf dem Wege des Privatunter-nehmens ersteht, so wie in einigen großen Städten Deutschlands neben den Hochschul-kliniken Privatspitäler erstanden sind.

Im übrigen darf aus dem augenblicklichen Rückgang der Zahl der Pferde und der Rind-viehstücke, auf den am Schlusse des Schreibens des K. Kultministeriums hingewiesen ist, nicht etwa geschlossen werden, daß in der Zukunft das Bedürfnis nach tierärztlicher Behandlung und Tierärzten sinken werde. Wir halten jene Erscheinung für eine vorü-bergehende.

Was sodann die Inanspruchnahme der Tierärztlichen Hochschule und ihrer einzelnen Mitglieder durch Gerichte betrifft, so ist dieselbe nach den wieder angeschlossenen Aufzeichnungen keinesfalls so erheblich, daß in stichhaltiger Weise behauptet werden könnte, in Württemberg werde ohne Hochschule im Gegensatz zu Baden und Elsaß-Lo-thringen eine ausreichende Zahl von geeigneten Gutachtern nicht zu finden sein.

Noch weniger dürfte irgend eine Störung in der Verwaltung eintreten, da das Medizinal-kollegium mit seinen im Bau begriffenen Laboratorien allen einschlägigen Anforderun-gen wird vollauf Anforderun-genüAnforderun-gen können.

Andererseits ist es dringend wünschenswert, daß die wenigen in Deutschland bestehen-den tierärztlichen Forschungsstätten nicht vermindert werbestehen-den, da sie nicht bloß zur wei-teren Erforschung der Tierkrankheiten nötig, sondern auch die allgemeine biologische Wissenschaft zu fördern geeignet sind. Freilich geben verschiedene Professoren unserer Hochschule in ihren anliegenden Berichten selbst zu, daß sie in dem letzten Dezennium wissenschaftlich nicht sonderlich viel haben erarbeiten können. Auch wird auf die Zu-kunft nicht zu viel Hoffnung gesetzt werden dürfen, da bei den heutigen Gehaltsverhält-nissen die freiwerdenden Professuren immer mit Anfängern besetzt werden müssen, die, wenn sie sich wissenschaftlich hervortun, in der Regel von andern Staaten berufen wer-den, und da die bescheidenen Gehälter zumal bei dem Sitz der Hochschule in Stuttgart zur Suche nach Nebeneinkünften auf Kosten der wissenschaftlichen Betätigung verlei-ten. Dies würde jedoch im Falle der Verschmelzung der Hochschule mit der Landesuni-versität anders werden. Hier käme das Privatdozententum auch in der Veterinärmedizi-nischen Fakultät ganz von selbst, und wenn sich der Professorenersatz je auf diesem Wege nicht günstiger gestalten würde, so werden die ordentlichen Professuren doch so gehoben sein, daß sich auch andere tüchtige Männer, die bereits einen wissenschaftli-chen Namen haben und sich in der tierärztliwissenschaftli-chen Forschung schon erfolgreich betätig-ten, gewinnen lassen. Ueberdies würde die tierärztliche Forschung an der Landesuniver-sität auch mancherlei Anregung und Nutzen aus den ärztlichen Forschungsstätten zie-hen. Im Falle der Verlegung der Hochschule nach Tübingen ließe sich außerdem das Studium der Wiederkäuer- und Schweinekrankheiten mehr betreiben, als es hier in Stuttgart je möglich sein wird, wo eben immer das Pferd im Mittelpunkt des Studienpla-nes steht.

Eine derartige Verschiebung des Forschungs- und Lehrplans wäre für die Landwirt-schaft von großer Bedeutung, da diese an der Gesunderhaltung ihrer weit zahlreicheren

Wiederkäuer- und Schweinebestände um das Vielfache mehr interessiert ist als an der der Pferde. Auch könnte der Studierende der Tierheilkunde in Tübingen eher mit dem landwirtschaftlichem Betrieb bekannt gemacht werden, eine Notwendigkeit, die in den tierärztlichen Kreisen Deutschlands als für die tierärztliche Ausbildung unerläßlich all-gemein anerkannt und empfohlen wird. Die Einführung der Studierenden in die Land-wirtschaft in Verbindung mit der besonderen Berücksichtigung des Studiums der Wie-derkäuer und Schweine mit ihren Krankheiten ließe sich zu einer Eigenart der Tübinger Veterinärmedizinschen Fakultät entwickeln, die ihr neben den Vorteilen des Universi-tätsbesuchs überhaupt einen zugkräftigen Platz unter den übrigen Hochschulen des Rei-ches sichern dürfte.

Kann hienach vom rein administrativen Standpunkt aus der Fortbestand unserer Tier-ärztlichen Hochschule nicht als unbedingt notwendig erklärt werden, und vermögen wir uns auch von allgemeinen Gesichtspunkten aus für die Erhaltung der Hochschule i n S t u t t g a r t nicht besonders zu erwärmen, so spricht doch so manches für deren Verbindung mit der Landesuniversität, daß die Forterhaltung der Hochschule in Tübin-gen unsererseits aufs wärmste befürwortet wird.

(gez.) Nestle.

An das K. Ministerium des Innern.“207

9.2.3 Bericht der Königl. Zentralstelle für die Landwirt-schaft

„Königl. Zentralstelle für die Landwirtschaft.

Nr. 2425.

Betreff: Neubau der K. Tierärztlichen Hochschule.

Auf den Randerlaß vom 11. d. Mts.

Nr. 5746

Stuttgart, den 18. April 1910

Nach den vorliegenden Aeußerungen ist infolge der Aufhebung der Tierärztlichen Hochschule in Baden ein Mangel an Tierärzten nicht eingetreten, wie es auch in Elsaß-Lothringen an dem erforderlichen Nachwuchs von Tierärzten noch nie gefehlt hat, ob-gleich im Lande eine Tierärztliche Hochschule nicht vorhanden ist. Ob hieraus ohne weiteres der Schluß gezogen werden kann, daß nach Aufhebung der Tierärztlichen Hochschule in Stuttgart ähnliche Verhältnisse in Württemberg eintreten würden, vermö-gen wir nicht zu entscheiden. Wenn auch ein drinvermö-gendes Bedürfnis für ein Landestier-spital durch die in Baden und Elsaß-Lothringen gemachten Erfahrungen nicht nachge-wiesen wird, so würde nach unserer Kenntnis der Verhältnisse das Fehlen einer derarti-gen Einrichtung in landwirtschaftlichen Kreisen da und dort bedauert werden. Daß

207 Wie Anm. 202, 576-577 (Anlage 7).

Privatspitäler einen vollen Ersatz für die Hochschulkliniken bieten würden, scheint uns zunächst zweifelhaft zu sein. Die Bedeutung der Tierärztlichen Hochschule als For-schungsstätte hat in dem Bericht des K. Medizinalkollegiums vom 5. d. Mts. Nr. 2141 eine nach unserer Ansicht zutreffende Würdigung erfahren. Von welchen Gesichtspunk-ten aus auch zu der in Betracht stehenden Frage Stellung genommen wird, so wird das Ergebnis immer sein, daß vom l a n d w i r t s c h a f t l i c h e n S t a n d p u n k t aus die Erhaltung der Tierärztlichen Hochschule in Württemberg als erwünscht erscheint.

(gez.) Sting.

An das K. Ministerium des Innern hier.“208

Die Frage der Notwendigkeit einer tierärztlichen Hochschule im eigenen Land wurde in diesen Stellungnahmen eindeutig verneint. Die Länder Baden und El-saß-Lothringen wurden als Beispiel angeführt, da hier keine befürchtete “Ver-sorgungslücke“ mit Tiermedizinern aufgetreten war, obwohl keine eigenen Aus-bildungsstätten vorhanden waren. Die „Spitalfunktion“ einer Tierärztlichen Hochschule konnte problemlos durch Privatkliniken aufgefangen werden. Aber:

ein Fortbestand der Tierärztlichen Hochschule, mit Angliederung an die

Landes-universität Tübingen wurde als „wünschenswert“ erachtet, darin waren sich

Me-dizinalkollegium und Zentralstelle für die Landwirtschaft einig. Wünschenswert

und vorteilhaft zum einen für die allgemeine und speziell veterinärmedizinische

Wissenschaft, zum anderen aber auch für die Landwirtschaft, die von einem

verlagerten Schwerpunkt der Klinik (vom Pferd auf Rind und Schwein) mit

Si-cherheit profitieren würde.