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Es wurden verschiedene sprachliche Aktivitäten und deren unterschiedliche Kontexte näher beschrieben. Welche Sprachmuster in der Pflegepraxis tatsächlich vorkommen, soll anhand dieses Unterkapitels erläutert werden.

59 Vgl. Weinreich, 1985, zit. n. Moll; Thielmann, 2017, S. 31-36

40 Diesbezüglich wird ein Zitat von Busch (2013) angeführt, welches die institutionelle Verantwortung gegenüber der Berücksichtigung der sprachlichen Richtigkeit in den Gesprächshandlungen in Anlehnung an Swartz (1998) verdeutlichen soll.

Dieses lautet wie folgt:

„Swartz betont, dass nicht nur die Ebene der Gesprächsführung wichtig ist, sondern dass die Institution ihre Praktiken grundsätzlich hinterfragen muss: zum Beispiel welche Sprachen an der Rezeption gesprochen werden, in welchen Sprachen die Beschilderung, die ausliegenden Informationsmaterialien gehalten sind, ob die Weiterbildung des Personals Mehrsprachigkeit berücksichtigt, ob ein Bewusstsein für Mehrsprachigkeit besteht oder dafür, dass auch Varietäten ein und derselben Sprache so unterschiedlich sein können, dass es zu Verständigungsschwierigkeiten kommt.“60

Durch die Turbulenz des Pflegealltags werden die diversen sprachlichen Ressourcen nicht ausreichend genutzt und somit kommt es zu einer Diskrepanz zwischen Anspruch und Realität in der Berufsausübung. Dies wird in den folgenden Unterkapiteln erläutert.

3.4.1 Zeitdruck und Stress im Gespräch

Der Pflegealltag ist geprägt durch viele pflegerischen und multiprofessionellen Handlungen.

Dieser Leistungsdruck kann sich beispielweise durch die Verwendung bestimmter Modalverben in der Kommunikation ausdrücken.

Ein Beispiel dafür ist die Benützung von den Modalverben „müssen“ oder „sollen“ im Kommunikationsprozess. Diese haben teilweise eine verstärkte negative Auswirkung auf das Gegenüber, da es Stressoren im menschlichen Körper aktiviert und verstärkt. Mit der unbewussten Auswahl können eventuelle Gefühle wie Hektik, Druck und Gereiztheit beim Gegenüber entstehen.

60 Zit. n. Busch, 2013, S. 167

41 Ein Modalverb bestimmt die Art und Weise eines folgenden Verbs näher, d.h. es drückt eine Modalität aus, zum Beispiel eine Notwendigkeit oder Möglichkeit von Handlungen bzw.

Tätigkeiten.

Dadurch formen sie Botschaften auf bestimmte Weise und können diesen einen veränderten Sinn geben. Dieser kann im Weiteren beim betroffenen Gesprächspartner unterschiedliche Emotionen hervorrufen.61

3.4.2 Mehrdeutige Aussagen mit Sprachmusterkopplungen

Im Punkt 3.4.1 wurden Beispiele angegeben, wie Aussagen in Sätzen durch Modalverben günstig oder ungünstig verändert werden können.

In diesem Unterpunkt soll der Gebrauch von Wörtern allgemein thematisiert werden, deren Auswirkungen mehrdeutig, kränkend als auch ironisch sein können. Als Beispiele dafür können Schlüsselsätze wie „den Kopf zerbrechen“ oder „die Nase voll“ und einen „dicken Hals haben“ genannt werden.62 Diese Ausdrücke werden als pathologische eingestuft, da sie durch die Aktivierung von negativen inneren Bildern zu belastenden Empfindungen der Menschen führen können. Durch die Ironie wird der Sachinhalt des Gesprochenen und die empfundene Kompetenz des Sprechers verringert.63

Diese mehrdeutigen Aussagen können im Weiteren zu unterschiedlichen Sprachmusterkopplungen führen, welche den betroffenen Personen negative Gefühle bereiten können. Beispiele hierzu sind Schlüsselsätze, „Ich geb‘ mir die Kugel“ oder

„Schlag‘ mich tot, ich weiß es nicht.“64

3.4.3 Unethische Bezeichnungen im Gespräch

Neben stressauslösenden und mehrdeutigen Sprachgebräuchen lassen sich auch unethische Bezeichnungen in Pflegegesprächen herauskristallisieren.

61 Vgl. Mantz, 2016, S. 27-31

62 Mantz, 2016. S. 36

63 Vgl. Mantz, 2016, S. 35-36

64 Mantz, 2016, S. 32-33

42 Sehr oft werden PatientInnen auf die laufenden Diagnosen, Handlungen oder Zimmernummern beschränkt. Beispiele dazu sind Schlüsselsätze wie „Ich geh‘ auf Glocke“

oder „Sind Sie der Blinddarm?“ 65

Dies hat zur Folge, dass Behandlungen als keine professionelle Leistung gesehen werden, sondern als Abfertigung. Im Weiteren kann dieser befremdliche Sprachgebrauch zu Gefühlen von Verlorenheit, Misstrauen und Angst führen.

3.4.4 Füllwörter im Gespräch bzw. Floskelhaftes Reden

Füllwörter bergen eine hohe Gefahr von Missverständnissen und Verwirrung und sind weitere vorherrschende Sprachmuster in der Pflegepraxis. Beispiele hierzu sind Wörter wie

„eigentlich“ oder „mal66. Diese ermöglichen unterschiedlichste Interpretationen des Gesagten und können zu widersprüchlichen bzw. mehrdeutigen Aussagen führen, die im weiteren Prozedere einer stärkeren Auseinandersetzung mit dem Thema bedürften. Ein Gespräch sollte möglich klar und eindeutig sein, um den höchst möglichen Nutzen daraus ziehen zu können.67

65 Mantz, 2016, S. 33-35

66 Mantz, 2016, S. 41

67 Vgl. Mantz, 2016, S. 41-42

43 4 Die deutsche Sprache

Um ein stärkeres Sprachbewusstsein für die Prävention dieser beschriebenen negativen Sprachmuster zu erzielen, wird in diesem Kapitel die Begrifflichkeit der „Sprache“ definiert und erforscht. Zuerst folgt eine auserwählte Definition für den Begriff „Sprache“. Dann werden die unterschiedlichen Eigenschaften der Sprache wie die Sprachmerkmale, Sprachformen, Sprachniveaus und Sprachfunktionen näher betrachtet. Der Fokus liegt auf den Sprachformen. Die Bearbeitung der unterschiedlichen Sprachformen beruht auf den vier Kategorien des Germanisten Hugo Moser (1960). Dieser unterteilt die Sprache in vier Kategorien wie folgt: soziale Schichtung, räumlich-horizontale Schichtung, stilistische Stufen und Gruppen bzw. Sonderformen. 68

Diesen vier Kategorien teilt Moser relevante Sprachformen zu. Davon wird die Fachsprache von der Verfasserin näher behandelt und beschrieben.

Um ein einheitliches Verständnis über die Begrifflichkeit der „Sprache“ zu bekommen, wird diese definiert. Durch die starke Komplexität hat die „Sprache“ jedoch keine allgemein gültige, sondern viele unterschiedliche Definitionen. Die Verfasserin der Arbeit entschied sich nach individueller Wahl für folgende Definition nach Bourdieu (1977):

„Language is not only an instrument of communication or even of knowledge, but also an instrument of power. A person speaks not only to be understood but also to be believed, obeyed, respected, distinguished.“69